Erstklässler steht sich selbst im Weg (Verweigerung und Bocken)

Hallo!

Unser ältester Sohn geht in die 1. Klasse und ist laut seinem Klassenlehrer dort der beste Schüler. Vor allem Mathe fällt ihm besonders leicht, aber auch sonst ist er kognitiv sehr weit. Soweit wäre also alles gut, wenn es nicht ein großes Problem gäbe...

Ihn morgens zum Aufstehen und Anziehen zu bewegen, ist schon fast nicht möglich. Wenn wir das dann geschafft haben, ist die nächste Hürde, dass er losgeht. Oftmals gibt es irgendeine Kleinigkeit und er pfeffert seine Sachen in die Ecke, rollt sich auf dem Sofa zusammen und ist nicht mehr erreichbar. Wenn er in der Schule ist, werden wir oft angerufen, um ihn abzuholen, da er komplett dicht macht und den Anweisungen der Lehrer nicht mehr folgt. Frustrationsgrenze gleich Null. Dabei würde er aber nie andere verletzen oder seine Bockigkeit groß nach Außen richten.

Wenn die Phase überstanden ist, weint er bitterlich. Er kann sich selbst nicht verstehen; möchte das selbst nicht; versteht selbst nicht, wieso er so reagiert; weiß um andere Handlungsmöglichkeiten und ist ganz unglücklich mit sich. Allgemein macht er sich sehr viele Gedanken, ist ein kleiner Künstler, extrem feinfühlig... Ich mag diese Einteilungen nicht, aber er wird eher hochsensibel eingestuft.

Diese Problematik bestand schon im Kindergarten (den wie deswegen auch einmal wechseln mussten) und wir hatten gehofft, dass er in der Schule so gefördert ist, dass wir das Thema abhaken können. Leider stehen wir wieder am gleichen Punkt.. Wir sind schon alles durch: Erziehungsberatungen, Ergotherapie, Psychotherapie... Das klappt alles ganz toll, ändert aber nix.
Ich denke, wir haben in der Familie ein gutes Gleuchgewicht zwischen Selbstbestimmung und Grenzen setzten. Die Überlegung, dass ihm Grenzen fehlen, könnte ich tatsächlich nicht unterstützen...

Uns wurde eine Waldorfschule nahegelegt, die wir sehr begrüßen würden. Wir können das allerdings weder organisatorisch (ist 1 Stunde entfernt) noch finanziell stemmen. Aber so, wie es ist, ist es auch nicht mehr tragbar. Er hat einen ganz tollen und verständnisvollen Klassenlehrer, der ein perfektes Händchen im Umgang mit unserem Sohn hat. Aber auch er weiß nicht weiter...

Gibt es hier vielleicht Eltern, die ähnliches erleben? Was habt ihr unternommen, wie wurdet ihr unterstützt?

Über Ideen und Erfahrungen wären wir sehr dankbar!

LG

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"Uns wurde eine Waldorfschule nahegelegt, die wir sehr begrüßen würden."

Wer legt denn Eltern allen ernstes eine Schulform nahe, dessen dahinterliegende Weltanschauung rassistisch, esoterisch und antisemitisch ist?
Abgesehen davon sind "Lehrer" an Waldorfschulen in den meisten Fällen nicht ausgebildet, da man an normalen Schulen wesentlich mehr verdient. Somit hängen an Waldorfschulen nur die ideologisch gefestigten (s.o.) "Lehrer" rum oder welche, die an öffentlichen Schulen keine Stelle kriegen (was häufig auch besser so ist.

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Danke für deine Antwort! Hättest du seriöse Quellen, die dies belegen?

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Ich bin zwar nicht die Gefragte, halte aber auch gar nichts von Waldorfschulen.
Du kannst dir jede Menge Informationen dazu im Netz suchen, wenn du nach Rudolf Steiner googlest. Seine Lehren waren durchaus rassistisch und antisemitisch - und die Waldorfschulen, die auf seiner Lehre basieren, haben sich bis heute (!) niemals davon distanziert. Auch die Prinzipien, nach denen unterrichtet wird, entsprechen nicht den Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie und Pädagogik.

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Hole dir Hilfe. Ich würde mich an ein Familienzentrum oder, noch besser, an eine Familienberatungsstelle wenden.
Da gehst nur Du hin, ohn Mann und Kind und ganz oft muss nur ein wenig verändert werden und es klappt alles.
Ich war in ähnlicher Situation und habe viel zu lange mit diesem hilfreichen Schritt gewartet.......

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Vielen Dank! Wir habe bereits - auch über einen längeren Zeitraum- alles, was es an Beratungen hier gibt, wahrgenommen. Leider hat es nichts gebracht. Vieles hatten wir eh schon im Familienalltag integriert, Neues hat keine Veränderung bewirkt.

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Was sagt der Kinderarzt zum Thema ? Schon eine Ergotherapie gemacht ?

Wenn es das Familienleben so sehr beeinträchtigt, dann würde ich mich auf die Suche nach den Ursachen machen. Da muss man dann groß einsteigen. Mein Kinderarzt hat mich mal zur Urachenforschung zu : Augenarzt, Zahnarzt, Kinderorthopäde, SPZ und Osteopathen geschickt.
Letzteres kann ich nur empfehlen.

Viel Glück

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Hallo zeruya,

meine Nichte war ähnlich wie du deinen Sohn schilderst. Meine Schwester hat sich damals nach langer Recherche für eine Montessori-Schule entschieden. Alles in allem war es genau die richtige Schulform für meine Nichte. Inzwischen hat sie in dieser Schulform das Fachabitur gemacht und strebt jetzt nach der Lehre in einigen Jahren den Meister in ihrem erlernten Beruf an.
Vielleicht ist diese Schulform ebenfalls für euch geeignet.
https://de.wikipedia.org/wiki/Montessorip%C3%A4dagogik


Viele Grüße

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Im Bereich der Montessori Pädagogik habe ich ebenfalls gesucht, aber auch dort gibt es in unserer Stadt oder im Umfeld leider nichts.

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Ich häng mich hier mal dran, weil ich auch in Richtung Montessori vorschlagen wollte.
Hast du bei den möglichen Schulen konkret angefragt, ob es ggf. Klassen mit reformpädagogischem Schwerpunkt gibt? Das ist oft vom Internetauftritt gar nicht so ersichtlich. Manchmal gibt es nur eine Klasse, die sich dann vom restlichen Schulleitbild abhebt.
Evtl. wäre auch eine Mehrstufenklasse eine Option.
An unserer nächstgelegen Schule gibt es z.B. eine (1) Mehrstufenklasse, die eben mit diesen reformpädagogischen Ansätzen arbeitet, die restlichen 16 Klassen (Grundschule, 4 Klassen pro Jahrgang), sind alles normale Regelklassen.
Wir wüssten das mit der Mehrstufenklasse nicht, wenn nicht die eine Oma unserer Oma erzählt hätte....über Tratsch halt. Auf der Homepage findet man darüber nichts.
Daher vielleicht wirklich die Schulen durchrufen und nachfragen, ob es Angebote gibt.

Ich hoffe, ihr findet eine gute Lösung, der arme Kerl tut mir wirklich Leid, dass er da nicht so aus seiner Haut kann.

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Hallo meine Liebe!

Fühle Dich einmal unbekannter Weise gedrückt. Ich weiss sehr gut, wie es Dir ght und wir haben etwas ähnliches durchgemacht (bzw. sind gerade noch dabei). Ich war bisher immer stille Mitleserin und habe mich extra hierfür angemeldet, da ich Dir doch unsere Erfahrung mitteilen wollte.

Mein Sohn ist auch "Meister der Verweigerung". Ohne allzu weit ausholen zu wollen: bereits diverse Probleme im Kindergarten und dort auch Probleme mit Frustration. Bei ihm äußert(e) sich das allerdings leider nicht im Stillen, sondern durch Aggression. Waren daher auch bereits schon vor der Einschulung in Behandlung.

Aufgrund seiner "Blockaden", sobald Druck aufgebaut wird, hatte ich mich auch für eine Waldorfschule entschieden. Aber dieser Schuss ging leider komplett nach hinten los. Die ersten drei Tage liefen einigermaßen, dann wurde es von Tag zu Tag schlimmer. Mein Sohn ließ sich dort nicht mehr abgeben, hat komplett verweigert, ist mir nachgelaufen. An den Tagen, an dem er sich abgeben liess, war es dann auch immer ok. Er war aufgeweckt, auch im Kindergarten wurde mir immer bescheinigt, dass er ein helles Köpfchen wäre und es jetzt aber langsam Zeit für die Schule wäre, da er unterfordert wäre.

Um die Geschichte nicht ausarten zu lassen: nach den Herbstferien war nicht mehr daran zu denken, dass mein Sohn in die Schule geht, schon zuhause massiv Theater, auf der Fahrt wurde dann gegrübelt, ich habe ihn teilweise schon nicht einmal mehr ins oder aus dem Auto gebracht, geschweige denn in sein Klassenzimmer. Es gab noch den ein oder anderen Versuch seitens der Schule, indem eine Lehrerin zu uns nach Haus kam oder er in der Schule einzeln beschult wurde, aber auch das hat er immer weniger zugelassen und Mitte Novemberwar der Ofen komplett aus. Wir rannten von Arzt zu Arzt, hatten wöchentlich so unglaublich viele Termine bei Ärzten, möglichen Therapeuten, Kliniken, Schule, aber keiner konnte ihm helfen oder uns sagen, was genau eigentlich das Problem ist.

Meinem Sohn ging es dabei immer schlechter. Kurz vor Weihnachten war er nur noch ein Häuflein Elend, hat wenig gegessen, es ging ihm nicht nur seelisch, sondern auch körperlich wirklich schlecht. Er hat unter der gesamten Situation sehr gelitten (mir ging es ebenfalls unglaublich schlecht, da ich, da alleinerziehend, jetzt neben meinem Job - zum Gück im HO - auch noch die 100% Betreuung meines Kindes plus alle Termine unter einen Hut bekommen musste).

Seit Mitte Januar ist er in einer Tagesklinik. Dort wurde er auch endlich vernünftig diagnostiziert. Am Anfang der Tagesklinik hatten wir keine Chance, dass er den ganzen Tag dort bleibt und dort auch nur ansatzweise die Schule für Kranke mitmacht. Auch dort war der Moment des Abgebens der schwerste des Tages - noch bis Anfang März war es täglich ein Bangen, ob es klappt, oder er wieder unter Schreien in die Klinik geschoben und die Tür geschlossen werden musste. Mittlerweile freut er sich an den meisten Tagen auf die Klinik, geht total entspannt rein, macht auch den Schulalltag dort easy mit, die Lehrerin schwärmt in höchsten Tönen von ihm und er freut sich darauf, nach den Osternferein in seine neue Schule zu dürfen. Von der Waldorfschule wurde mir dann in der Klinik abgeraten, da sie für meinen Sohn zu wenig Struktur bieten und zu viele "Schlupflöcher" sich wieder herauszuwinden.

Ich weiss nicht, was ich Dir raten soll, da wirklich jeder Fall anders ist und es natürlich auch sehr darauf ankommt, was Deinen Sohn in die Verweigerung bringt, was die Ursache seines Verhaltens ist. Vielleicht liegt bei ihm auch eine Angststörung zugrunde (wie sich bei meinem Sohn u.a. herausgestellt hat), oder es ist etwas komplett anderes. Aber sollte es bei Euch in der Nähe die Möglichkeit einer Tagesklinik geben, kann ich - zumindest aus meiner Erfahrung heraus - nur dazu raten es dort zu versuchen.

Wenn Du möchtest, kannst Du Dich gerne auch noch per PN an mich wenden.

Liebe Grüße
boymum84

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Vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort! Die Tagesklinik hier in der Stadt hat leider keinen guten Ruf, trotzdem wäre das aber vielleicht nochmal eine Anlaufstelle.
Unser Sohn ist paradoxerweise jemand, der extrem deeskalierend ist und für andere erstaunliche Lösungsmöglichkeiten hat - nur für sich leider nicht. Er ist in den Momenten, in denen er sich komplett verweigert, wie fremdbestimmt und wir kennen ihn nicht mehr bzw. er erkennt sich selbst nicht mehr. Außerhalb solcher Phasen ist er sehr kooperativ und eigenverantwortlich.
Bis jetzt dachte ich immer, sobald diese Phasen überwiegen, müssen wir es vielleicht einfach aussitzen- denn wir haben wirklich schon viel versucht. Aber ich habe Angst, dass es irgendwann zum "großen Knall" kommt und ich mir sage " Hätten wir mal vorher agiert..."
Liebe Grüße

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Da fällt mir spontan ein (aber wahrscheinlich habt ihr das auch schon probiert):

Könnt ihr ihm von einem (erfundenen) Kind erzählen, dass so ähnlich handelt wie er und ihn nach Lösungen suchen lassen? Also später, wenn er sich wieder beruhigt hat.
So in dem Stil "was hätte das Kind anders machen können" "wer hätte dem Kind helfen können und wie?"
Das durchschaut er bestimmt, aber darum geht es ja nicht. Sondern darum, dass er von außen gucken kann, wie es beim nächsten Mal besser ginge.

Sind es denn immer ähnliche Situationen? Also oft das Anziehen morgens? Oder bestimmte Fächer in der Schule? Immer dieselbe Uhrzeit?
Oder völlig unberechenbar?

LG!

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Mir würde noch Unterforderung einfallen, oder eventuell auch, dass er sich in so großen Gruppen gestresst fühlen könnte.

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Wart ihr mit ihm im SPZ oder schon mal it dem Kinderarzt darüber gesprochen?

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Danke für den Hinweis! Wir haben alle Berstungsstellen durch und auch dem Kinderarzt ist die Problematik bekannt. Aber wir haben noch keinen Terim SPZ gemacht! Es dauert locker ein galbes Jahr, bis wir dort einen bekommen - das werde ich sofort nach Ostern angehen!

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Termin im SPZ dauern ewig. Wir haben 11 Monate gewartet und einen Tag vor dem Termin wurde der verschoben. Drücke euch die Daumen

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Ich stelle mir dein Kind einfach sehr unreif vor, das noch keine Verantwortung für sich und seine Pflichten übernehmen kann.
Das hat auch nichts, aber rein gar nichts mit Intelligenz zu tun, in meinen Augen ist das allein die fehlende Reife.
Manche Sachen MÜSSEN einfach sein, es gibt eine Schulpflicht, ob ihm das passt oder nicht.

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Es ist natürlich immer nur möglich, eine Momentaufnahme des Kindes anhand der Scgwierigkeit wiederzugeben, somit fehlt immer ein Gesamteindruck #hicks. Tatsächlich ist er alles andere als unreif. Unser Sohn ist paradoxerweise jemand, der extrem deeskalierend ist und für andere erstaunliche Lösungsmöglichkeiten hat - nur für sich leider nicht. Er ist in den Momenten, in denen er sich komplett verweigert, wie fremdbestimmt und wir kennen ihn nicht mehr bzw. er erkennt sich selbst nicht mehr. Außerhalb solcher Phasen ist er sehr kooperativ, eigenverantwortlich und für sein Alter reifetechnisch sehr weit.

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Hi,
belese Dich mal zur Tomatis Therapie.

Wir sind nach Belgien, Sint Truiden, hingefahren.

Der Große hatte keine Diagnose. Wir haben alles Mögliche probiert. Waren im KJP und haben ADS, ADHS, Autismus usw abklären lassen. AWVS hatte ich schon früher abklären lassen. Wir wussten mit 5 Jahren, er hat einen IQ von über 112. Mit knapp 10 Jahren war er über 125.................aber er stand sich auch nur selbst im Weg.

Nur unter Zwang die Hausaufgaben gemacht. In der Schule vor sich hingeträumt. Musste ihn erst anfassen, dann ansprechen, war nur in seiner Welt. Hat aber trotzdem genug mitbekommen, das er ohne Schwierigkeiten durch die Schuljahre ging.

Wir sind 5 Jahre lang, mehrmals im Jahr dorthin gefahren. Schon nach dem 1.x, mit 11 Tagen, war es ein ganz anderes Kind. Viel wacher, sortierter, konzentrierter, wenn er an eine Aufgabe ging. Hat man ihn was gefragt, kam die Antwort sofort, nicht nach gefühlten 20 Minuten.

Er wurde "einsichtiger", viel händelbarer, aber auch "Kompetenter". Es hat ihm sehr sehr gut getan.

SPZ waren wir auch, aber das brachte gar nichts. Kinderpsychologe, war "gut", aber half ihm nicht weiter.

Gruß

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er hat die letzten Jahre doch immer durchgesetzt wie er es will, ihr braucht HIlfe von aussen.
Wieso lasst ihr dieses Verhalten zu.
Ihr seid die ERzieher, es liest sich genau anders rum.

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Ich bin überrascht, wie du zu dieser Aussage kommst... Aber wie ich schon geschrieben habe: Es ist ja nur ein Ausschnitt, der hier beleuchtet werden kann. Ganz sicher setzt er nicht durch, was er will und ganz sicher lassen wir das Verhalten nicht zu. Er bekommt weder Extrawürste noch fassen wir ihn mit Samthandschuhen an. Ich bin niemand von der Sorte, die sagt "Aber wenn er es doch braucht..."