Wie im Alltag mit depressiven Kind umgehen

Hallo,
mein Sohn ist 10 und leidet an einer Kinderdepression. Einen Therapeuten zu finden ist aktuell fast unmöglich. Wir stehen überall auf Wartelisten.

Bei ihm äußert sich es meist so: Auslöser (meist familiäre Probleme) - darauf Bauchschmerzen, ich kann nicht in die Schule. Ein paar Tage gedrücktes Gemüt, wenig Antrieb, sehr anhänglich. Dann plötzlich himmelhochjauchzend, total übertrieben am singen, Geschwister mit dem Verhalten nerven, damit die reagieren. Am Tisch beim Essen rumzappeln, ununterbrochen sprechen, sich nicht unterbrechen lassen und auf seine Meinung beharren. Völliges ignorieren, was andere zum Thema beitragen oder meinen. Schnell gereizt sein.

Jetzt will ich das Kind ja auch nicht in Watte packen, aber irgendwie muss das Familienleben ja auch geführt werden.
Wer kann mir Tipps geben, was ich machen kann, wenn er z. B. wieder total überdreht.

Ich habe es schon mit Zureden versucht, aber auch ich werde gar nicht richtig wahrgenommen. Ich hab einfach Angst das falsche zu sagen oder zu machen und dass er noch weiter in die Depression rutscht.

Wir sind natürlich auch daran, die Auslöser, zu verändern/zu bearbeiten. Aber so etwas braucht auch Zeit und klappt nicht von heute auf morgen.

Gestern hatte ich einen Therpeuten am Telefon und der riet mir, dass ich meinen Sohn trotz Bauchschmerzen in die Schule schicken soll. Er soll weiterhin "am Leben" teilnehmen, ihn nicht abkapseln von allem. Mit der Schule habe ich diesbezüglich einen Termin, da die ja für gewöhnlich ein Kind sofort abholen lassen, wenn dieses sich mit Bauchschmerzen melden.

Da Depressionen in unserer Familie liegen, habe ich große Angst, dass er dieses Thema niemals mehr verlieren wird. Ich fühle mich total hilflos und habe extreme Angst um meinen Sohn.

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Guten Morgen,
Ein Erstgespräch bei einem Therapeuten steht euch zeitnah zu. Einfach bei der Krankenkasse informieren. Nach diesem Gespräch muss kein Therapieplatz folgen, aber dort könntet ihr wenigstens einen Einblick gewinnen und evtl Tipps mit dem Umgang bekommen.
Ich bin ganz ehrlich. Sollte ich bedenken bezüglich der Psyche meiner Kinder haben, würde ich falls nötig den Therapieplatz privat bezahlen. Da hast du Ruck zuck einen Termin. Klar ist das sicher sehr teuer aber falls es irgendwie geht würde ich euch das auch empfehlen. Ansonsten hoffe ich das ihr einen guten Kinderarzt habt. Klar sind das keine Spezialisten auf dem Gebiet aber sicher eine gute Hilfe.
Alles gute für euch

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Also bei uns in der Gegend haben Privatpraxen für Psychotherapie aktuell längere Wartezeiten als Therapeuten mit Kassensitz. Bitte achtet darauf, dass es sich bei den Therapeuten um Psychotherapeuten mit Approbation handelt und nicht um irgendwelche Quacksalber, die sofort einen Platz frei haben!

Eine Therapie dauert zudem in der Regel mit Diagnostik locker 30 Sitzungen, oft viel mehr. Wir sprechen hier also in der Regel von mindestens 3000€. Das ist schon sehr viel Geld.

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Natürlich ist er sehr viel Geld. Die TE scheint schon sehr verzweifelt. Wenn alles ausgeschöpft ist und es einfach nur noch dieser Therapieplatz ist der helfen kann, ja dann würde ich selbstverständlich das Geld bezahlen.
Es ist natürlich total ärgerlich und eigentlich ein Unding, aber was ist die Alternative? Einfach aussitzen?
Die TE hat viele Alternativen zum überbrücken der Zeit genannt bekommen. Ich wünsche ihr und ihrem Sohn das geholfen wird und der Junge angemessen therapiert wird. Auch ohne selbst zu zahlen.

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Meine Tochter stand auch 9 Monate auf Wartelisten für eine Therapeutische Intervention. Überbrücken konnten wir/Sie die Zeit mit Gesprächen in der Familienberatungsstelle. Gibt es so etwas bei euch ? Die helfen auch dir mit der Situation aktuell umzugehen.

Meine Tochter war auch depressiv. Sie mußte auch in die Schule gehen, auch mal mit Bauch oder Kopfschmerzen. Das war auch richtig. Das konnte ich in den Ferien sehen, in denen ihre Antriebslosigkeit sie im Bett versumpfen ließ.

Ich habe ihr aktiv eine Freizeitgestaltung gesucht. Das war schwierig, da sie viele Menschen auf einmal ablehnt, also kein Mannschaftssport. Ich mit vielen Bekannten und Freunden gesprochen, dass hat geholfen.

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Ja sowas haben wir hier auch in unserer Stadt und ich habe dort schon einen Termin.
Das wurde mir auch empfohlen und hoffe, dass die mir im Umgang ein paar Tipps geben können.
Wie ich zb auf aggressives Verhalten in der Schule oder gegen Geschwister reagieren kann.
Ob die Schule ihn vorzeitig aus der Gruppe nehmen soll, wenn die merken, dass er heute sehr aggressiv ist. Oder was man einfach generell tun kann, damit diese aggressiven Phasen nicht aufkommen.

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Dann frag auch gleich, welche Freizeitgestaltung sie für dein Kind vorschlagen. Da muss mehr sein, als nur Schule, so zumindest bei meiner Tochter. Der Ausgleich ist echt wichtig.

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wir haben eine Psychosomatische Kinder/Jugendklinik in fahrbarer Reichweite. Dort bekam ich für meinen Sohn innerhalb 10 Tagen einen Erst-Termin. Erste Tips können Sie Euch auch dort mitgeben. Unsere Kontakt-Dame hat auch angeboten, ich kann bei Fragen anrufen oder eine Mail machen bis die Therapie beginnt. Die zugeteilte Psychotherapeutin wird eine neue sein -
Oft geht es je nach Sachlage auch schneller, weil sie schwerere Fälle vorziehen. Mein Sohn hat einen Wochentermin mit 5 Wochen Wartezeit bevor es losgeht bekommen, was ja "relativ" schnell ist und er steht auf der Warteliste zur Tagesklinik, sobald ein Platz frei ist (kann 2 Monate sein). -- ganz Stationär hat er sich geweigert, aber wir arbeiten dran, dass er das einsieht und versuchen das mit Argumenten hinzukriegen und hoffen, dass wir auch dort ein Kreuzchen setzen dürfen - das würde ihm mehr bringen, so hart es erst einmal ist.

Tatsächlich ist es verdammt schwer, früh am morgen innerhalb einer Halben Stunde zu beurteilen, ob das Kind nu krank ist oder "krank". -- soweit es irgend geht, schicken wir unseren Sohn auch in die Schule. -- die meisten Male werden wir nicht angerufen und er bleibt dort. so auch heute mal wieder.

Tatsächlich solltest Du auf "andere Tage oder andere Umstände" keine Rücksicht nehmen, wenn er sich daneben benimmt oder überdreht: handle angepasst genauso, wie wenn das Thema Depresssion an anderen Tagen eben nicht da wäre. Das ist wichtig. So wenig Extrawürste wie möglich als gedankenmachende Mama, die immer zu viel und zu oft voraus denkt. Das mache ich selbst leider auch extrem. -- das musste ich lernen zu lassen. Heute ist heute und jetzt ist jetzt: und wenn es was zu rügen gibt, dann ist es so, --egal, dass da gerade andere Geschichten an anderen Tagen los sind.

Mein Sohn ist allerdings nicht klassisch depressiv, sondern hat irgend eine Mischung zwischen bisher unerkanntem Asperger / ADS, Hypersensibel und hat jetzt Rede- und Menschenangst entwickelt. Diese ganzen Erkennungs-Tests fangen auch nächste Woche an -- also der erste von vielen... dann können wir u.U. manche Dinge etwas besser einschätzen.

Bearbeitet von tr357
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Mein Ältester hat eine komorbide Depression als Folge von Autismus. Die Autismusdiagnose hat er seit seinem 6. Lebensjahr. Die Depression kam in seinem 16. Lebensjahr.

Ich glaube wir passen uns schon aufgrund des Autismus so extrem an und leben so strikt nach den Ritualen unserer Kinder, da ist die Depression eher zweitrangig. Die kommt tatsächlich auch bei uns zu Hause nie zum Vorschein.
Problematisch ist es eher in der Schule. Dort passt aber seine Schulbegleitung auf. Aufgrund der Depression hat er hier (in Form eines Jahresbudgets) eine Stundenerhöhung genehmigt bekommen für Tests, Arbeiten und die gesamte Prüfungsphase und deren Vorbereitung. So passt das für ihn ganz gut.

Da mein Ältester bereits wegen Autismus Patient einer KJP war, bekam er sehr schnell einen Termin, als die Depression dazu kam. Das hat bei uns 2 Wochen gedauert. Die Autismustherapie läuft auch schon seit vielen Jahren. Als die Depression dazukam, habe ich nur mit dem Jugendamt und dem Therapeuten vereinbart, dass der Therapeut zusätzlich die Depression im Auge behält. Insofern hatten wir hier keine Wartezeiten.

Das war unsere Lösung…

Bearbeitet von kati543
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Beantrage doch eine psychosomatische Kinderreha über die DRV. Dort bekommt er Therapien und du wirst im Umgang mit der Erkrankung geschult.
Ansonsten kannst du es auch erst mal mit Ergotherapie versuchen, vielleicht findest du da schneller einen Platz für ihn.

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Die Frage die sich mir stellt: wie sag denn die Diagnostik bislang aus bzw. Gab es sie schon? Für mich klingt das nicht nach typischer Depression, aber natürlich als etwas was dringend untersucht werden muss. Und meiner Erfahrung nach gibt es hier immer eine Möglichkeit, wenn wirklich Dringlichkeit gegeben ist. Es wurden dir ja schon einige Ansätze wie psychosomatische Reha genannt, aber wenn ihr akut Hilfe braucht, würde ich tatsächlich auch über eine stationäre Behandlung nachdenken. Ich habe eine Schwester die seit 30 Jahren schwer depressiv ist, seit dem sehr viele Medikamente täglich nehmen muss, damit sie "überlebt" und ich habe die Erfahrung gemacht (nicht nur bei ihr), dass es mit einer stationären Einweisung im Akutfall doch immer recht schnell geht. Und auch, wenn das viele Kinder wie Erwachsene abschreckt, in einem akuten Fall ist es die einzige und beste Möglichkeit, denn allein die Medikamenteneinstellung bei einem depressiven Menschen ist so schwierig, dass sie nur stationär überwacht stattfinden sollte. Ja, natürlich kann es auch sein, dass dein Sohn keine "körperlich verankerte" Depression hat, sondern "nur" eine depressive Phase, die nicht sein Leben lang bleibt, aber auch dann ist es jetzt sinnvoll schnell zu handeln... Die schreibst auch in Eurer Familie gäbe es die Veranlagung dazu. Auch das solltet ihr bei einem Arzt ganz klar erwähnen, weil meiner Erfahrung nach dann auch viel, viel schneller gehandelt wird. Einer meine Neffen hat ebenfalls eine psychische Erkrankung (keine Depression) und aufgrund der Erkrankung meiner Schwester hatte der binnen einer Woche die entsprechenden Diagnostik Termine und ein Therapieangebot.
Eine Familienberatungsstelle aufzusuchen ist trotzdem sicher nicht schlecht, denn ich denke vor allem bei einer Depression im Kinder und Jugendalter wird die ganze Familie Unterstützung brauchen. Denn die Therapie wird so und so dein Sohn machen und auch manches was da zutage kommt, wird nicht immer leicht für dich/euch sein. Also sucht euch auch bald ein Hilfsangebot! Alles Gute!

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Wir haben diese Diagnose von der psychiatrischen Kinder und Jugendambulanz in unserer Nähe. Dort wurde er ursprünglich wegen etwas anderem vorstellig und die Ärzte dort kamen zu dieser Diagnose. Ich habe mir das nicht ausgedacht oder vorschnell festgelegt.

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Hallo,

wir hatten jetzt auch eine Empfehlung für eine Psychologin für unseren Sohn erhalten (Ende letzten Jahres), konnten dort aber recht schnell zum Erstgespräch. Wirklich "ernste Fälle" sollen wohl trotzdem vorgezogen werden. Aber das hast Du wahrscheinlich schon versucht, oder?

Die Psychologin hat mir gesagt, dass sie zwar die Diagnostik macht, aber wenn dann eine Therapie nötig wird, sei die Wartezeit seeeehr lang. Vielleicht könnt Ihr damit erstmal anfangen und erste "Notfalltipps" bekommen? Sie sagte uns auch, dass die Nachmittagstermine bis nächstes Jahr vergeben sind, aber vormittags noch immer gut Platz wäre. Ich weiß ja nciht, wie es um seine schulischen Leistungen steht, aber ggf. hat die Therapie hier erstmal Priorität und die Schule würde ihn vormittags freistellen?

Bei uns war das kein Problem. Unser Sohn (7) hatte fast alle Termine am Vormittag, ist da von der Schule alleine hingegangen und wieder zurück zur Schule. Mit der Lehrerin hatte ich gesprochen und jeweils eine Entschuldigung mitgeschickt. Das hat ausgereicht. Musste nicht mal an die Schulleitung.

Alles Gute für Euch!!#liebdrueck

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Für mich klingt das jetzt auch nicht nach einer typischen Depression, sondern das es mit der Erziehung, deiner Vorbelastung und deinen Emotionen (dass du Angst hast, er könnte eine Depression haben) zu tun haben könnte.
Vielleicht wäre eine entsprechende Beratungsstelle eine Option und auch ein Psychologe für dich.

In jedem Fall sollte finde ich nicht von einer Depression ausgegangen werden, wenn es nicht diagnostiziert wurde.
Das solltet ihr schnellstmöglich abklären lassen. Notfalls in einer ambulanten Klinik

Auch ein Schulpsychologe könnte eine gute Anlaufstelle sein.

Bearbeitet von Inaktiv
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Hallo,

Ich schreibe jetzt mal, wie die weitere Vorgehensweise bei einem Erwachsenen möglich wäre. Es kann sein, dass es hier und da Unterschiede zu Kindern gibt, aber irgendwie muss es ja auch bei Kindern möglich sein...

Wenn ihr schon auf den Wartelisten bei mehreren Therapeuten steht, guckt mal, dass ihr die Praxen alle aufschreibt, möglichst mit Datum, wann ihr mit denen telefoniert bzw. Mails geschrieben habt. Es sollten am Besten schon einige sein (5 oder mehr).
Dann könnt ihr eine Akutsprechstunde in Anspruch nehmen (bei Erwachsenen vereinbar über die 116117).
Nach so einer Akutsprechstunde bekommt man das Formular PTV 11.
Dann sucht ihr euch eine Privatpraxis, die einen sofortigen Behandlungsplatz in Aussicht stellt und euch dies bescheinigt.
Das dann zusammen mit dem PTV11 Formular und der Liste der Therapeuten, mit denen ihr in Kontakt ward, ihr aber keinen Platz bekommen konntet, ab zur Krankenkasse. Dort dann einen Antrag auf ambulante Psychotherapie und Kostenerstattung nach § 13 Absatz 3 SGB V stellen und hoffen, dass er genehmigt wird. Würde dann bedeuten, dass die Krankenkasse eine Therapie bei einem Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung (also privat) übernimmt.

Wie gesagt, so ist das Vorgehen bei einem Erwachsenen! Ich würde es aber für ein Kind erstmal genauso versuchen, falls es an irgendeinem Punkt doch anders läuft, wird man es schon mitkriegen ;-)

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Soweit ich weiß geht das mit dem Kostenerstattungsverfahren theoretisch bei Kindern genauso. Allerdings gibt es in unserer Region die Entwicklung, dass die PsychotherapeutInnen mit Kassenzulassung kaum noch Privatpatienten nehmen (da die Antragstellung meist komplizierter und zudem der Stundensatz seit einigen Jahren auch eher niedriger ist). Dadurch sind die Privatpraxen aktuell sehr überlaufen und haben oft sogar längere Wartezeiten als die mit Kassensitz.

Eine Liste mit TherapeutInnen anlegen (ich würde eher 20 vorschlagen) würde ich trotzdem empfehlen. Wenn man diese dann alle 2 Monate mit einem Anruf "nervt", erwischt man meist doch jemanden, dem gerade ein Patient abgesprungen ist.