Leben mit Zwillingen: So klappt es!
Baby-Glück im Doppelpack sieht süß aus. Andererseits sind Zwillinge aber auch eine große Herausforderung. Wie es Zwillingseltern gelingt, mit zweifachem Hunger, zwei vollen Windeln oder zwei Babyschalen am Arm durchs Leben zu kommen, liest du in diesem Artikel.
Zwillinge: Double trouble und doppeltes Glück?
Das ist wirklich außergewöhnlich: Alessandra Meyer-Wölden ist zum zweiten Mal mit Zwillingen schwanger. Das gab die 33-Jährige über Instagram bekannt. Aus der Ehe mit Oliver Pocher, 38, hat sie bereits Zwillingssöhne und eine Tochter. Doch auch wenn eine doppelte Zwillingsschwangerschaft sicher nicht alltäglich ist, kommen statistisch gesehen in Deutschland immer mehr Zwillinge zur Welt. Am Anfang ist die Anteilnahme meistens groß: Es werden Zwillinge! Verwandte, Freunde und Kollegen diskutieren eifrig über zwei zusammen passende Kindernamen, zitieren aus Erich Kästners "Das doppelte Lottchen" und stoßen beim ersten Blick auf die schnuckeligen Neugeborenen entzückte Schreie aus. Doch schon ein paar Wochen nach der Geburt legt sich die Aufregung. Jetzt erkundigt sich kaum noch jemand, wie sich denn der Alltag mit Zwillingen so gestaltet. Die Hebamme und die von der Krankenkasse bezahlte Haushaltshilfe kommen längst nicht mehr. Die Zwillingseltern sind auf sich allein gestellt. Und wie geht's dann weiter? Wir haben routinierte Zwillingsmütter befragt, wie sie das erste Jahr „Double Trouble“ ohne Nervenzusammenbruch überstanden haben.
Zwillinge im Alltag: Unsanfte Landung auf dem Boden der Tatsachen
Erstaunliche Erkenntnis: Vor der Geburt sind die Befürchtungen bezüglich des Alltags mit zwei Babys oft noch gar nicht so groß. Viele Frauen verdrängen im Rausch der Vorfreude jeden zweifelnden Gedanken. Zwillingsratgeber legen sie genervt beiseite – viel zu problemorientiert! Doch spätestens, wenn nach den ersten Wochen mit Babydoppelpack die Kraftreserven aufgebraucht sind und das Wunder der Geburt zur Erinnerung verblasst ist, landen sie unsanft auf dem Boden der Tatsachen. Selbst Pascale (41), Mutter von vierjährigen Zwillingen aus Berlin, blieb ein Tiefpunkt nicht erspart, obwohl ihre Brüder ebenfalls Zwillinge sind und ihre eigene Mutter ihr zahlreiche Tipps mit auf den Weg geben konnte: „Ganz am Anfang war es hart, dass mein Leben hauptsächlich aus Stillen, Füttern und Wickeln bestand. Meine Kinder waren unersättlich. Immer wollte eins von beiden irgendwas von mir.“ Live-Eindrücke sind für werdende Mehrlingseltern immer noch die beste Vorbeugung gegen den Realitätsschock. Nicht umsonst gibt gerade Birgit (38) aus Berlin zu Protokoll, dass es zu Hause schon bald nach der Geburt wieder relativ harmonisch zugegangen sei, obwohl sie neben ihren heute vierjährigen Zwillingen noch einen zwei Jahre älteren Sohn zu versorgen hatte: „Wir waren gut vorbereitet, denn wir hatten verschiedene Ratgeber gelesen. Außerdem war meine beste Freundin bereits Mutter von einjährigen Zwillingen, was uns einen gewissen Einblick verschaffte.“
Leben mit Zwillingen macht kreativ
Zum Glück bleibt im Rahmen des Dauereinsatzes als Zwillingsmutter kaum Zeit für negative Gedanken. Mit zwei Babys gibt es keine Phasen des Leerlaufs und der Langeweile. Es gibt immer etwas zu tun. Und so wachsen Zwillingsmütter durch die unvermeidliche tägliche Übung in ihre Aufgabe hinein. Sie stellen erleichtert fest, dass sich manche Befürchtungen nicht bewahrheitet haben. So erzählt Birgit, die inzwischen wieder als Lehrerin arbeitet: „Wir hatten große Sorgen, ob wir zwei vor Hunger schreiende Babys gleichzeitig schnell genug füttern könnten. Das war totaler Quatsch, in der Regel schrie immer nur einer.“ Während die Routinen für die Mehrlingseltern bald zur Selbstverständlichkeit geworden sind, staunen die Gäste Bauklötze über ihren souveränen Umgang mit den beiden Babys. Schneller ist es mit dem Geheimtipp von Agy (31) aus Zwickau soweit, die eine zwölfjährige Tochter und achtjährige Zwillingsjungs hat: „Lasst euch nicht stressen! Immer schön eins nach dem anderen erledigen. Und wenn ihr Besuch bekommt, gebt ihr ihm gleich was zu tun: einkaufen gehen zum Beispiel!“
Zwillingseltern unter sich: Die erste Zeit gemeinsam meistern
Auf die Frage, was ihnen geholfen hat, das anfängliche Tief zu überwinden, nennen fast alle befragten Zwillingsmütter spontan den Austausch mit "Leidensgenossinnen". Agy, die freiberuflich als Webdesignerin arbeitet, hat sich diese Möglichkeit geschaffen, indem sie ein Zwillisforum gründete. Pascale, Besitzerin eines DVD-Verleihs, suchte den persönlichen Kontakt und schloss sich, als die Babys ein halbes Jahr alt waren, einer Zwillingsgruppe im „Haus des Säuglings“ an: „Es war sehr schön, von den anderen zu hören, dass meine vermeintlich verzwickten Probleme ganz normale Zwillingsprobleme waren.“ Die Frauen treffen sich heute noch und bringen es dank jahrelangem Training fertig, zwischen ihren insgesamt acht um sie herum tobenden Kindern ein vernünftiges Gespräch zu führen!
Einkaufen, Duschen, Wickeln: Tipps von Zwillingseltern
Vor allem eines stellen Zwillingseltern beim Austausch immer wieder fest: Viele Tipps und Tricks, die das Leben mit Zwillingen vereinfachen sollen, sind nicht allgemeingültig. Was für die eine Familie wunderbar funktioniert, kann die andere nicht umsetzen. Genauso viele Probleme wie im Alltag auftauchen, genauso viele individuelle Lösungen gibt es auch.
Standardsituation 1: Wie kriegt man den Einkauf samt Zwillingen in die dritte Etage?
„Zum Glück hatten wir einen Fahrstuhl. Der Kinderwagen blieb unten im Flur, einen Maxi Cosi stellte ich auf die Einkaufstaschen neben den Hund, den anderen trug ich in der Hand“, erzählt Pascale. Agy musste ohne Fahrstuhl auskommen: „Anfangs habe ich die Kinder auf dem Arm hoch getragen und den Einkauf später nachgeholt, und sobald sie laufen konnten, mussten sie eben auch Treppen steigen.“
Standardsituation 2: Was macht man mit den Babys, wenn man sich in der Wohnung umher bewegt, um beispielsweise aufzuräumen?
„Unsere Zwillinge lagen in den ersten sechs Monaten sehr viel in ihren Wippsitzen und wanderten darin mit uns von Raum zu Raum. So konnten sie uns beim Frühstücken, Duschen, Saubermachen oder Kochen beobachten und waren meist recht zufrieden“, erzählt Lydia Hauenschild in ihrem Ratgeber „Zwillinge, die doppelt süße Last“. Doch je beweglicher die Babys werden, desto weniger gefällt es ihnen, den ganzen Tag angeschnallt in der Wippe zu sitzen. Dann muss eine neue Lösung her: „Wir haben eine sehr große Wohnung, daher hatte ich zwei Laufställe in verschiedenen Zimmern “, berichtet Pascale. Nun haben Laufställe heutzutage keinen allzu guten Ruf mehr. Aber wenn man sie nicht zur Bestrafung oder als Daueraufbewahrungsstelle nutzt, sondern die Kinder nur hineinsetzt, wenn es gerade wirklich nicht anders geht, sind sie gerade für Zwillingseltern ein vertretbares Mittel zur Schonung der Nerven. Es gibt übrigens spezielle Zwillingslaufställe mit einer größeren Grundfläche.
Und was bereitet bei all diesen praktischen Fragen des Alltags die meisten Probleme?
Verschiedene Mütter, verschiedene Antworten. Birgit, die inzwischen wieder als Lehrerin arbeitet, ärgerte sich besonders über das unverschämte Benehmen fremder Leute: „Mitunter stellten sie sich mitten in den Weg, um neugierig in den Zwillingswagen zu schauen! Das nervte ungemein, wenn ich vor der nächsten Fütterung nur schnell Windeln einkaufen wollte.“ Da helfen nur ein dickes Fell und ein Vorrat an Schlagfertigkeiten, um die Passanten in ihre Schranken zu weisen.
Anderes Problem: Ratgeberautorin Lydia Hauenschild bereitete es in den ersten Monaten arge Schwierigkeiten auseinander zu halten, welches Kind wie viel getrunken hatte. So kam sie auf die Idee, Listen zu führen: „Es ist erstaunlich, aber man kann manchmal schon nach einer Stunde nicht mehr sagen, welcher der Zwillinge nun beim letzten Wickeln Stuhlgang gehabt hat und wer nicht. Ohne Buchführung würden Sie sicherlich erst sehr spät bemerken, wenn einer Ihrer Zwillinge unter Verstopfung leidet.“ Für Pascale war die Fortbewegung mit dem Doppelkinderwagen in der Großstadt die Hauptschwierigkeit: „Ich bin mir damit immer so riesig vorgekommen, dass ich mich erst recht spät getraut habe, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Da war ich froh, wenn mein Mann Zeit hatte mitzukommen.“
Zu zweit hat man die beiden Babys natürlich besser im Griff, doch leider muss einer in der Familie die Brötchen verdienen. Und so träumt der werktags allein für die Kinder zuständige Elternteil von der einen oder anderen Supererfindung, die ihm das Leben erleichtern würde – sei es ein Paar umschnallbare Zusatzarme oder ein Roboter, „der den Schnuller immer wieder reinsteckt“, so wie Agy ihn sich vor acht Jahren herbei wünschte!
Zwillinge: Erziehung muss konsequent sein
Zwillinge fordern ihre Eltern mit Haut und Haaren, das ist klar. Doch die gute Nachricht lautet: Es wird besser. „Ich fand es sehr, sehr viel einfacher, als sie anfingen zu krabbeln“, erinnert sich Pascale, „Da waren sie viel ausgeglichener.“ Birgit meint, dass Zwillingseltern es selbst in der Hand haben, sich das Leben nicht unnötig schwer zu machen: „Je besser es ihnen gelingt, sich über ihre Erwartungen aneinander auszutauschen, umso einfacher ist es.“ Expertin Lydia Hauenschild sieht es als Vorteil, dass Zwillingseltern gezwungen sind, bei der Erziehung konsequenter vorzugehen als es Einlingseltern gelegentlich tun. Auf diese Weise sind es die Kinder sehr viel schneller als Einlingskinder gewohnt, Grenzen zu akzeptieren, sich selbst zu beschäftigen oder alleine zu essen – und auch diese Tatsache trägt dazu bei, dass das Leben mit ihnen bald einfacher wird. Nicht zuletzt geben mehrere Zwillingsmütter zu Protokoll, dass sie sich endlich auch seelisch ein wenig entspannen konnten, als die Zwillinge auf der Krabbeldecke sitzend begannen, einander anzulächeln, zu berühren und Spielzeug zu tauschen. Denn nun lastete das schlechte Gewissen darüber, nicht jederzeit beiden Kindern gerecht werden zu können, nicht mehr gar so arg auf ihren Schultern. Immerhin hatten die Zwillinge zum Ausgleich ein wunderbares Geschenk bekommen: einander.