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Trage, Tragetuch und Tragesack

Tragehilfen: Babys würden "trag mich" sagen

Eltern, die auf ihren Instinkt vertrauen, wissen längst: Babys wollen getragen werden. Was für das Tragen spricht und was du beim Kauf einer Tragehilfe beachten solltest, liest du hier.

Autor: Petra Fleckenstein

Babys wollen getragen werden

Tragetuch Baby
Foto: © penthermedia.net/ Brigitte Furche

"Still mich!" und "trag mich!" wären sicher die zwei am häufigsten geäußerten Bitten von Babys, wenn sie bereits sprechen könnten. Frisch gebackene Mütter und Väter haben häufig das Gefühl, rein gar nichts mehr in Ruhe tun zu können, weil ihr Baby nahezu jedes Abgelegt-Werden mit lautstarkem Protest quittiert. Sehr entspannend kann es da für alle Seiten wirken, dem großen Bedürfnis nach Geborgenheit eines Säuglings in den ersten Wochen und Monaten schlicht und einfach Rechnung zu tragen und ihm den Körperkontakt zu gewähren, den er braucht. Da nicht alles im Haushalt mit einer Hand erledigt werden kann, stellen Tragehilfen eine gute Alternative dar: Mit Tuch oder Tragesack haben Eltern ihre Hände frei, Babys fühlen sich sicher und geborgen und unterwegs können einen weder Treppenstufen oder hohe Einstiege in Bahn und Bus, noch hubbelige Waldwege oder der Gang über den Sandstrand schrecken.

Früher vielfach geäußerte Bedenken, ein frühes Tragen des Säuglings in aufrechter Körperhaltung würde zu Schäden an dessen Wirbelsäule führen oder das Baby "verwöhnen", sind inzwischen ebenso widerlegt wie die Befürchtung, das Baby würde im Tuch oder Sack nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt.

Eine Meldung sorgt für Wirbel

Für große Verunsicherung hatte vor einigen Jahren eine Meldung gesorgt, die auf einen Vortrag von Dr. Uwe Göring zurückging. Der Mediziner hatte das Tragen von Babys als nur in Afrika und Südamerika zum Zwecke der Feldarbeit sinnvoll bezeichnet. Außerdem setzte er die These in die Welt, das Kind stoße durch den anderen Gang und das Schuhwerk europäischer Frauen bei jedem Schritt auf die Wirbelsäule und erleide "Mikrotraumen an den Bandscheiben". Diese Äußerungen sorgten zwar für einigen Wirbel und tauchen auf verschlungenen Wegen immer wieder auf, ohne jedoch jemals eine wissenschaftliche Untermauerung oder die Zustimmung anderer Mediziner erfahren zu haben.

Studien beweisen die Vorteile des Tragens

Keine Wirbelsäulenschäden durch frühes und ausgiebiges Tragen

So hat zum Beispiel Dr. Evelin Kirkilionis, die Autorin des Buches "Ein Baby will getragen sein", im Laufe ihrer jahrelangen Forschungsarbeit mit dem Märchen von den Wirbelsäulenschäden durch Tragen aufgeräumt und im Gegenteil die Vorteile des Tragens zur Vorbeugung und Therapie einer Hüftdysplasie aufgezeigt. Immer wieder werden Eltern davor gewarnt, ihr Kind aufrecht zu tragen, bevor es eigenständig sitzen kann. Eine Studie an 192 Kindern zeigte jedoch keinen Zusammenhang zwischen Getragenwerden in aufrechter Körperhaltung und vermehrt auftretenden Haltungsschäden. Weder war die Zahl der Wirbelsäulenauffälligkeit bei Kindern, die etwa zwei bis zweieinhalb Stunden am Tag in den Tragehilfen verbrachten, erhöht, noch bei den Säuglingen, die durchschnittlich vier, fünf sechs oder mehr Stunden getragen wurden - teils bereits in der ersten Lebenswoche. Bei keinem der Kinder wurde später eine Haltungsauffälligkeit festgestellt, die auf das frühzeitige Tragen zurückgeführt werden konnte.

Tragehilfe: Bei richtigem Sitz gut für die Hüfte

Rund zwei bis vier Prozent der Babys haben eine Fehlentwicklung der Hüfte - eine so genannte Hüftdysplasie. Besonders die Trageweise im Hüftsitz - wenn das Baby also seitlich auf der Hüfte der Mutter oder des Vaters angeschmiegt in Froschstellung mit gespreizten Beinen und angewinkelten Knien getragen wird - fördert jedoch die gesunde Entwicklung des Hüftgelenks. Denn in dieser Stellung schmiegt sich der Oberschenkelkopf ideal in die Hüftgelenkpfanne ein.

Tipps vom Kinderarzt: Behandlung einer Hüftfehlstellung

Kein Sauerstoffmangel bei Traglingen

An der Universität zu Köln wurden 36 Babys (sowohl Früh- als auch Reifgeborene) während des Aufenthalts im Tragetuch und im Kinderwagen einem Monitoring unterzogen: mit dem Ergebnis, dass die Sauerstoffsättigung der Babys im Tragetuch nur maximal ein Prozent geringer war als im Kinderwagen - ein Wert, den die Forscher für vernachlässigbar halten und als klinisch nicht relevant einstufen.

Getragene Babys schreien weniger

Eltern, die ihre Babys tragen, wussten es zwar längst, aber auch eine wissenschaftliche Studie hat erwiesen: Babys, die getragen werden, schreien weniger. Dr. Urs A. Hunziker vom Kinderspital Zürich hat die Entwicklung des Schreiverhaltens von mehr oder weniger getragenen Babys verglichen und festgestellt, dass

  • bei den getragenen Babys die tägliche Schreidauer kürzer wurde.
  • die sonst zu beobachtende Zunahme des Schreiens bis zur sechsten Lebenswoche verhindert wurde.
  • getragene Babys nicht wie andere am Abend mehr schrien
  • getragene Babys auch im Wachzustand insgesamt zufriedener waren.

Auf den richtigen Sitz kommt es an

Unbedingte Voraussetzung für die positiven Wirkungen des Tragens ist, dass das Baby "richtig" im Tragetuch oder Tragesack sitzt, d.h.

  • die Beinchen des Babys müssen im rechten Winkel angehockt sein (sog. Anhock-Spreiz-Stellung), damit sich das Tragen nicht ungünstig auf die Hüften auswirkt; eine gestreckte Beinhaltung bedeutet demgegenüber eine ungünstige Stellung des Oberschenkelkopfes in der Gelenkpfanne und es kann darüber hinaus zu einer unphysiologischen Hohlkreuzhaltung kommen
  • der Rücken des Babys muss ausreichend umschlossen sein und die Anlehnung an den Träger hergestellt werden
  • der Kopf des Babys muss in den ersten Monaten gut gestützt sein und darf nicht hin- und herschaukeln

Beim Tuch müssen diese Erfordernisse durch die richtige Bindeweise hergestellt werden. Damit dies funktioniert, muss ein gutes Tuch ausreichend groß - mindestens 4,70 Meter lang und etwa 70 Zentimeter breit sein. Ebenso bedeutsam ist die Webart, die für eine optimale Mitte aus Festigkeit und Elastizität zu sorgen hat. Eine ausführliche Wickelanleitung finden Sie in unserem Video auf dieser Seite oben rechts.

Ein Tragesack muss demgegenüber bereits konstruktiv so ausgelegt sein, dass das Baby richtig sitzt. Leider ist dies bei vielen, nicht nur bei billigen Tragesäcken nur bedingt oder sogar überhaupt nicht gewährleistet. Darüber hinaus kann das Baby aus manchen Tragesäcken unter Umständen sogar herausfallen!

Für den Tragekomfort der Eltern sollten diese beim Kauf eines Tragesacks auch auf breite gepolsterte Schultergurte und sichere, leicht zu bedienende Verschlüsse achten. Ein guter Tragesack verfügt darüber hinaus über moderne Zugband-Verstellmöglichkeiten, wie sie aus dem Outdoor-Bereich bekannt sind.

Bei den Tragesäcken werden die sogenannten Komforttragen (bei denen Schnallen die Anwendung erleichtern), Ringslings und Mei Tais unterschieden. Bei den Ringslings werden die Stoffbahnen durch zwei (Metall-)Ringe gezogen und so festgezurrt. Mei Tais stammen ursprünglich aus Asien und sind eine Verbindung aus einem (kurzen) Tragetuch und einer Komfortrage, da am Tuch Schulterträger und Hüftgurte befestigt sind.

Eltern haben außerdem die Möglichkeit, sich von ausgebildeten Trageberaterinnen beraten zu lassen.

Welche Tragehilfe ist die richtige für mich?

Um das zu entscheiden, sollten sich Eltern vor dem Kauf einer Trage überlegen, was ihnen wichtig ist und wie sie die Trage nutzen wollen. In vielen Trageberatungen können verschiedene Modelle ausprobiert oder von den Veranstaltern ausgeliehen werden.

  • Ab welchem Alter will ich tragen?
    Tragetücher kann man bei fast allen Babys bereits ab der Geburt bis zum Alter von ca. zwei Jahren verwenden, manche Tragesäcke jedoch erst ab ca. sechs bis acht Monaten. Einige Komforttragen bieten inzwischen einen speziellen Einsatz für Neugeborene an. Ökotest bescheinigte z.B. dem Ergo Baby Carrier mit Neugeborenen ein „einwandfrei geeignet“. Ulrike Höwer, Leiterin der Dresdner Trageschule, die Trageberaterinnen ausbildet, hat außerdem gute Erfahrungen mit dem Manduca-Einsatz gemacht.
  • Welche Trage passt zu meinem Kind?
    Ulrike Höwer ist es am liebsten, wenn Eltern bei der Auswahl den „gesunden Menschenverstand einschalten“. Sie weist darauf hin, dass gerade Neugeborene allein vom Gewicht her sehr unterschiedlich sein können: „Manche Babys bringen auch einfach einen anderen Tonus mit.“ Wenn Eltern auf ihr kleines Baby einen wachen und achtsamen Blick hätten, könnten sie selbst erkennen, ob das Baby gut gehalten und gestützt wird und ob es in der Trage ein stimmiges Bild abgibt.“
  • Welche Art der Trage passt zu mir?
    Während die einen auf ihr Tuch schwören, schrecken die anderen vor den vermeintlich komplizierten Bindetechniken zurück. Ein Ringsling stellt da z.B. eine Alternative dar. Wahr ist: Alle Tragevarianten haben ihre Vor- und Nachteile. Während sich das Tuch vor allem durch seine große Vielseitigkeit und universelle Verwendbarkeit auszeichnet, ist der größte Vorteil von Tragesäcken ihre schnellere und einfachere Handhabung, die es insbesondere auch Ungeübten ermöglicht, ohne viele Vorkenntnisse damit umzugehen. Besonders Väter entscheiden sich lieber für eine Komforttrage als für das Tuch, so Ökotest in seiner Auswertung. Ansonsten ist es vor allem eine Frage des persönlichen Geschmacks, für was man sich entscheidet. Alle Modelle gibt es inzwischen in den verschiedensten Designs, bunt, sportlich oder ganz natürlich.
  • Will ich mein Kind auf dem Rücken tragen?
    Manche vor allem größere Babys werden dem Träger in der Position vor dem Bauch bereits nach kürzester Zeit zu schwer und das Tragen verursacht Rückenschmerzen. Es ist daher empfehlenswert, darauf zu achten, dass das Baby mit der Tragehilfe auch auf dem Rücken getragen werden kann. Dies ist bei allen Tragetüchern möglich, wenn sie lang genug sind, aber durchaus nicht bei allen Tragesäcken. Wichtig ist die "Rucksackposition" vor allem auch deshalb, weil sie sehr praktisch ist, denn nur bei ihr hat man die Hände wirklich vollkommen frei, zum Beispiel für Tätigkeiten im Haushalt.

Im Artikel der DHZ findet sich auch ein übersichtlicher Vergleich über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Produkte und eine Liste von Fragen, die sich Eltern vor der Anschaffung stellen sollten.