p
So stark sind Babys

Schadet ein schwerer Start dem Kind?

Ob eine schwierige Geburt, ein Klinikaufenthalt des Babys oder eine Wochenbettdepression - oft fragen sich Eltern hinterher: Hat das meinem Kind geschadet? Doch fast immer sind die Sorgen unberechtigt.

Autor: Gabriele Möller

Schwieriger Start ins Leben: Fürs Baby meist folgenlos!

Baby schwerer Start
Foto: © colourbox

Wohl alle Eltern wünschen sich für ihr Kind vor allem Eines: eine glückliche Kindheit. Besonders für Mütter ist es da oft quälend, wenn schon der Start mit dem Baby nicht so verlief, wie erhofft: durch eine belastete Schwangerschaft, eine schwierige Geburt, einen Kaiserschnitt, einen Klinikaufenthalt des Babys, oder auch durch eine Wochenbettdepression der Mutter. Sind die Schwierigkeiten überwunden, taucht oft die ängstliche Frage auf: Hat dieser „Fehlstart" negative Langzeitfolgen? Wurde das Urvertrauen meines Babys verletzt? Ist jetzt vielleicht die Bindung meines Kindes zu mir beschädigt? Doch Startprobleme müssen keine langfristigen Auswirkungen aufs Kind haben!

Stress in der Schwangerschaft: Enzym schützt das Baby

„Ich hatte gestern Riesenzoff mit meinem Mann! Es ist soweit gekommen, dass ich herumgeschrien und geweint habe. Hab' ich meinem Baby geschadet? Es hat das doch sicher alles gemerkt und Angst gehabt?", postet eine besorgte urbia-Userin. Zwar kommen mütterliche Stresshormone zum Teil auch beim Baby an. Doch Hebammen betonen: Sorgen oder Streit dürfen auch in der Schwangerschaft mal sein. Ein Ungeborenes lebt ganz im Jetzt, und sobald Mamas Stimmungstief vorüber ist, geht es auch dem Baby wieder gut. Es gibt außerdem weise Mechanismen, die das Ungeborene vor Stress schützen: Ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel bildet die Plazenta ein Enzym, welches das Stresshormon Cortisol teilweise entschärft.

Auch eine Schwangere darf daher die Probleme und Tiefs haben, die zum normalen Leben dazu gehören. Lediglich Langzeitstress über Wochen und Monate hinweg kann bestimmte Risiken beim Kind erhöhen. Dies betrifft aber vor allem die Schwangerschaft. Ist ihr Baby längst auf der Welt, dürfen Mütter die belastende Zeit innerlich ad acta legen.

Schwere Geburt: Elternliebe gleicht Defizit aus

Viele Mütter machen sich auch Sorgen, dass eine problematische Entbindung ihrem Kind geschadet haben könnte. „Unser Sohn hatte einen schwierigen Start: sehr lange Saugglockengeburt mit Sauerstoffmangel, danach Dreimonatskoliken. Leider haben wir anfangs seine Bedürfnisse nicht immer optimal befriedigt. Wir haben ihn zwar nie allein schreien gelassen, ließen ihn sich jedoch in der Nacht manchmal in den Schlaf quengeln. Ist eine sichere Bindung noch möglich?", fragt eine Mutter in einem Online-Forum. Doch Fachleute können beruhigen: „Die Bindung zwischen Mutter/Vater und Kind wird umso fester und sicherer, je mehr die positiven Beziehungserlebnisse die negativen übersteigen. Man könnte es salopp mit einem Konto vergleichen, in das eingezahlt und von dem abgehoben wird", erläutert Kinderarzt und -psychologe Dr. med. Rüdiger Posth in seinem Beratungsforum. „Je mehr Guthaben schließlich darauf ist, desto sicherer ist die Bindung."

Sind Zange und Saugglocke heute noch üblich?

Kaiserschnitt: Kein Problem für Mutter-Kind-Bindung

Auch in Sachen Kaiserschnitt taucht es sehr oft auf, das Stichwort „Bindung". „Ich bekomme einen geplanten Kaiserschnitt. Das Einzige, wovor ich wirklich Angst hab' ist, dass ich Schwierigkeiten habe, zu unserer Kleinen eine Bindung aufzubauen", schreibt eine Schwangere im urbia-Forum. „Ich habe mit meiner Hebamme schon über meine Ängste gesprochen. Sie meinte, das Bonding kann man nachholen. Aber mir blutet da wirklich jetzt schon das Herz." Die momentan sehr populäre Bindungstheorie besagt zwar tatsächlich, dass ein Kind von Anfang an Nähe und Liebe braucht, um sich sicher gebunden zu fühlen. Doch diese Nähe kann nach Ansicht von Experten z.B. auch der Vater geben, der das Baby halten darf, während die Mutter nach ihrem Kaiserschnitt versorgt wird. Überhaupt sei die „Überbetonung des mütterlichen Verhaltens" einer der Schwachpunkte der Bindungstheorie, kritisiert Diplom-Psychologin Susanne Stegmaier in ihrem "Handbuch Kindergartenpädagogik".

Welche Auswirkungen hat ein Kaiserschnitt auf mein Kind?

Wochenbettdepression: Eher schaden die Schuldgefühle

Auch nach einer Wochenbettdepression machen sich viele Frauen Sorgen, diese müsse der Bindung zu ihrem Kind geschadet haben. „Unser Großer (3) ist, seit er knapp ein Jahr alt war, in einer Krippe. Er hat mich dort anfangs regelrecht abgelehnt und den Kontakt zu den 'Fremden' geliebt. Liegt da nicht eine Bindungsstörung vor? Es würde auch deshalb passen, weil ich eine starke Wochenbettdepressionen hatte. Ist da überhaupt noch was zu retten?", fragt eine Userin fast schon verzweifelt. Wie sie, sehen viele Eltern die Bindung zu ihrem Kind sehr statisch. Doch „in der Kind-Eltern-Beziehung stellt sich nie ein stabiler Zustand ein. Das kindliche Bindungsverhalten wandelt sich ständig", erklärt Professor Remo H. Largo, Kinderarzt und Entwicklungsforscher. Und auch Susanne Stegmaier betont, dass ein erworbenes Bindungsmuster „auf es einwirkenden Einflüssen unterliegt und durch neue Bindungserfahrungen verändert werden kann."

Eine fürs Baby schwierige Phase muss sein Leben also nicht auf lange Zeit hinaus beeinflussen. Schädlicher als die eigentliche Depression sind da oft die anschließenden Selbstvorwürfe der Mütter: „In meiner Praxis begegnen mir vor allem jene Frauen, die über viele Jahre ein tiefes Schuldgefühl in sich tragen, keine zugewandte, sondern eine auch genervte und erschöpfte, zu lieblose Mutter gewesen zu sein, die dem Kind geschadet haben könnte. Solche Selbstvorwürfe können die Mutter-Kind-Beziehung sehr beeinträchtigen", erklärt Familientherapeutin Monika Koch in ihrem Beratungs-Blog.

Medikamente unter der Geburt: Stillen erlaubt!

„Unser Sohn ist fünf Monate alt. Letzthin habe ich nochmals den Geburtsbericht durchgelesen und war doch sehr erstaunt, was sie während der Geburt alles für Medikamente in mich 'reingestopft haben. Ich bin nun sehr verunsichert, ob das unserem Kind nicht geschadet hat", schreibt eine Forumsmutter. „Ich stillte anschließend aber voll. Ist das echt kein Problem gewesen?"

Zwar sehen Fachleute manche Medikamente kritisch, die bei oder nach der Entbindung gegeben werden, weil sie das Baby z.B. müde machen. Trotzdem werden in Kliniken, das betonen Ärzte, nur erprobte Mittel verwendet, die mit dem Stillen als vereinbar gelten - ob es das Betäubungsmittel einer PDA betrifft oder auch bestimmte Schmerzmittel oder Antibiotika. Muss dagegen ein Medikament gegeben werden, dass nicht über die Milch zum Baby geraten darf, wird der Frau geraten nicht zu stillen.

Vollnarkose fürs Baby: Gehirn regeneriert sich ganz!

Viele Eltern machen sich auch Sorgen, wenn ihr Baby schon früh eine Vollnarkose benötigte. „Mein Sohn Lars bekam als Baby eine Bronchoskopie unter Vollnarkose wegen Verdachts auf einen eingeatmeten kleinen Gegenstand. Ich habe nun gelesen, eine Narkose soll die Konzentrationsfähigkeit der Kinder für Jahre beeinträchtigen", erzählt Lars' Mutter besorgt. Diese Sorge kann Dr. med. Jörg Schimpf weitgehend nehmen. Der Anästhesist von der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin am Klinikum Augsburg erklärt in einem Online-Interview: „Der Punkt ist: In den ersten Lebensjahren ist nicht nur die Verletzlichkeit des Gehirns am größten, sondern auch seine Reparaturfähigkeit." Durch eine Narkose könne zwar eine Art „Entwicklungsdelle" entstehen, die aber schnell wieder „ausgebeult" werde, worauf auch mehrere große Studien hinwiesen.

Baby in der Klinik: Zeit und Liebe wiegen Stress später auf

Ein Klinikaufenthalt mit den oft nötigen schmerzhaften Behandlungen, Spritzen oder Infusionen kann Babys sehr verängstigen. Das mit anzusehen, belastet ihre Eltern oft stark. „Unser Sohn Linus hatte eine Lungenentzündung, als er sieben Monate alt war. Weil er sich in der Klinik dann auch noch einen Darmkeim einfing, bekam er Infusionen und musste zeitweise auch per Magensonde ernährt werden. Ständig verschlossen sich die Zugänge für die Infusionen und wurden neu gestochen, oder er riss sich die Sonde aus der Nase. Er schrie viel und verstand nicht, warum man ihn so quälte", berichtet seine Mutter. „Noch Wochen später schrie er zu Hause nachts auf. Ich habe Angst, dass das Ganze sein Vertrauen kaputt gemacht hat."

Doch auch hier gilt das Modell vom emotionalen „Konto": Zwar kann ein Baby noch für einige Wochen unter den Folgen des Klinikaufenthalts leiden, sich ungewohnt verhalten oder scheinbar grundlos weinen. Doch Kinderpsychologen betonen: Das Verständnis der Eltern für diese Nachwirkungen und ihre Zuwendung gleichen das Minus im Vertrauenskonto des Kindes im Laufe der Zeit wieder aus.

Wenn Mütter nicht stillen: Babys trotzdem glücklich

Frauen, die nicht stillen können oder wollen, wird von ihrer Umgebung nicht selten suggeriert, sie würden ihrem Säugling damit schaden. „Ich stille nicht. Nicht weil es nicht ging, sondern weil ich nicht wollte. Von meinen Eltern bekomme ich deshalb Kritik wie: Wie kannst du nur, du bist so egoistisch, jede gute Mutter stillt ihr Kind, deinem Kind wird das schaden", klagt eine Mutter in einem Internetforum. Zwar hat Muttermilch zahlreiche wertvolle Eigenschaften. Trotzdem ist Säuglingsnahrung inzwischen so gut an Babys Bedürfnisse angepasst, dass von Schädlichkeit keine Rede sein kann. Um das Allergierisiko zu senken, empfehlen Experten in den ersten vier Monaten hypoallergene Flaschennahrung.

Allein schlafen - nicht automatisch ungünstig fürs Baby

Selbst wenn ihr Kind sichtlich glücklich ist - sogar nur vermutete Versäumnisse hängen Eltern manchmal so nach, dass sie kaum glauben können, dass es ihrem Kind wirklich gut geht. „Ich habe gelesen, wie wichtig es ist, dass Kinder anfangs bei den Eltern im Schlafzimmer schlafen. Wir haben das aber bei unserem Sohn nicht praktiziert. Er schlief im eigenen Zimmer mit Babyfon. Mit dem Einschlafen gab es auch selten Probleme. Zwecks Bindung habe ich das Gefühl, dass er ziemlich sicher gebunden ist. Aber kann das sein - trotz 'falschen Schlafverhaltens' unsererseits?", fragt eine Forumsmutter. Sie darf aber ihrem guten Eindruck trauen, denn: „ Schlafen ist Schlafen, das heißt, wenn ein Kind gut und zufrieden schläft, ist das Ziel erreicht. Wie, ist dann zweitrangig", erklärt Dr. Posth Eltern in seinem Forum. Wenn Mutter oder Vater ihre Nähe zeigen und aufs Weinen des Babys zeitnah reagieren, „können auch schon Säuglinge allein schlafen, denn sie schlafen ja dann in geschützter Umgebung."