Kleiner Erziehungsratgeber

Eltern-Knigge: Hilfe in heiklen Situationen

Kinder bringen uns manchmal in Verlegenheit. Welche Reaktion bietet sich an, wenn das eigene Kind sich nicht bedankt, fragend auf einen Behinderten zeigt, als Gast etwas kaputt macht oder auf der Straße einem Bettler etwas geben will? Praktische Hilfe für manchmal ratlose Eltern.

Autor: Gabriele Möller

Eltern in Erklärungsnot

Vater Sohn frech Park
Foto: © panthermedia.net/ Robert Kneschke

Spätestens, wenn der Nachwuchs einigermaßen verständlich spricht, spüren Mütter und Väter: Elternsein heißt, geistig flexibel bleiben. Zum Beispiel, wenn das Kind unverhofft tönt: „Der Mann da ist aber dick!“, oder sich freundlich bei seiner Oma erkundig: „Wann stirbst du eigentlich?“ Schneller als ein Supercomputer muss das elterliche Hirn jetzt entscheiden: Abwiegeln? Ablenken? Flüchten und das Kind mitzerren?

Wer sich auf die häufigsten Fettnäpfchen der Kleinen vorbereitet, wird von solchen Situationen nicht mehr kalt erwischt:

Das verstummte Kind

Jedes Mal, wenn mein fünfjähriger Sohn an der Wursttheke eine Scheibe Lyoner bekommt, erleidet er ein akutes Stimmbandversagen und hält sich an Hamlets düstere Einsicht „Der Rest ist Schweigen.“ Ähnliches gilt, wenn Besucher zu uns kommen: Grüßen? Fehlanzeige. Ganz normal, finden Katrin Schaad und Esther Zollinger. Die beiden Sprachwissenschaftler stellen fest: „In der Kommunikation der Vier- bis Siebenjährigen fehlt der Gruß häufig, oder aber seine Ausführung folgt nicht dem Sequenzmuster (Ablauf), welches sich unter Erwachsenen etabliert hat. Dies lässt darauf schließen, dass der Sozialisationsprozess (...) noch nicht abgeschlossen ist.“ Aha: Der Nachwuchs ist also nicht verstockt, sondern braucht einfach noch Zeit, die üblichen Floskeln zu lernen. Nervtötende Nachhilfe: „Und? Was sagen wir da?“ sollten Eltern sich sparen. Sie können das Danken oder Grüßen standhaft weiter vormachen und  z. B. selbst sagen: „Danke für die Wurst!“ oder „Schau, da kommt der Opa! Hallo Opa Karl!“ Dass man ein Kind nicht zum Körperkontakt wie Hand- oder Küsschengeben zwingen sollte, hat sich eh herumgesprochen.

Kindermund tut Peinliches kund

„Guck mal, wie dick die Frau da ist!“ Auch, wenn das eigene Gesicht jetzt plötzlich sehr gut durchblutet ist, heißt es, Fassung bewahren. Statt sich zu winden und etwas zu murmeln wie: „Das sagt man nicht!“ oder „Die ist doch gar nicht dick!“, hilft die Flucht nach vorn: „Du weißt ja, es gibt große Leute und kleine, schwere und leichte, alte und junge – jeder Mensch sieht anders aus.“ Um eine weitere Vertiefung des Themas zu umgehen, kann man das Kind dann ablenken oder außer Hörweite lotsen. Ist es schon im Kindergartenalter, sollte man später auch erklären, dass die meisten Leute gekränkt sind, wenn jemand sagt, sie seien dick.

Auch wenn das Kind einen Rollstuhlfahrer sichtet und fragt „Wieso sitzt denn der Mann da drin?“ ist Offenheit am besten: „Er kann nicht laufen. Er fährt deshalb in diesem Rollstuhl, damit er trotzdem überall hin kommt.“ In Schockstarre verfallen sollten Eltern auch nicht, wenn der Nachwuchs interessiert fragt: „Stirbt der Opa jetzt?“, obwohl dieser sich lediglich zum Mittagschläfchen hingelegt hat (wie jüngst einer Bekannten geschehen). Auch hier hilft nur ein kühler Kopf: „Nein, der Opa macht einen Mittagschlaf. Er lebt bestimmt noch ganz lange“ – und ein Augenzwinkern in Richtung eines hoffentlich verständnisvollen Großvaters.

Wahre Tapferkeit aber wird verlangt, wenn das Kind eine Bombe zu einem intimen Thema platzen lässt, wie es ebenfalls eine Bekannte erleben musste: Sie saß im Bus und hing ihren Gedanken nach, bis ihr Kind fragte: „Mama, das Loch in deinem Bauch, aus dem ich rausgekommen bin, hast du das immer noch?“ Der Versuch, sich augenblicklich in Luft aufzulösen, ist erfahrungsgemäß nicht von Erfolg gekrönt. Zu retten ist auch nicht mehr viel, denn die Mithörenden sind insgeheim (oder offen) längst am Kichern. Wahrhaft coole Mütter beschränken sich jetzt auf ein Freundliches „Du, das ist eine gute Frage. Wir sprechen am besten darüber, wenn wir nach Hause kommen“ und lenken das Kind mit einer Gegenfrage ab, bevor es Luft zum Nachhaken holen kann.

Ab wann sollte ein Kind wissen, dass etwas peinlich ist?

Voraussetzung für ein Gefühl für peinliche Situationen ist die Fähigkeit, sich nicht nur selbst, sondern auch „fremdschämen“ zu können. Und die ist umso geringer, je jünger das Kind ist. Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget spricht hier vom „kindlichen Egozentrismus“, der Unfähigkeit, sich in die Rolle eines Anderen hineinzuversetzen oder dessen Blickwinkel einzunehmen. Dieser Egozentrismus bestehe während der gesamten Kindheit. Natürlich schwächt er sich im Laufe der Zeit ab. Wann dies ist, kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt Vierjährige, die bereits verstehen, dass manche Dinge für andere peinlich sind, und Siebenjährige, denen diese Fähigkeit noch abgeht. Selbst wenn Eltern also den Verdacht hegen, ihr Kind zündele in bestimmten Situationen durchaus mit Genuss – unterstellen sollte man dies nicht. Die Reaktion bleibt – so oder so – am besten immer sachlich-gelassen.

Noch mehr Standardsituationen

Unruhestifter im Wartezimmer

Kinder haben es bekanntlich nicht so mit dem Warten, und schon gar nicht mit dem Stillsitzen und Schweigen. Ob beim Hampeln im Bus, im Wartezimmer, in einer Kassenschlange – rasch rümpft die Umgebung die Nase. Oder es kommt den Eltern zumindest so vor. Und schon ermahnen sie das Kind mit „Pst, nicht so laut, Fabian!“. Oder sie kommunizieren über den Nachwuchs indirekt mit den Umstehenden: „Nun setz’ dich mal hin. Es sind nur noch zwei Leute vor uns, dann kommen wir dran“. Damit alle erfahren: Aha, die sind bald raus hier, dann kehrt endlich Ruhe ein. Souveräner ist es, gar nichts zu sagen - solange es einem selbst nicht zuviel wird. Ein bisschen Kinderleben um sich herum überstehen die meisten Erwachsenen, ohne ein posttraumatisches Belastungssyndrom zu erleiden.

Lügen haben Kinderbeine

Wie die Großen, nehmen es manchmal auch Kinder mit der Wahrheit nicht so genau. Da wird dann geflunkert, eine Leistung übertrieben oder die eigene Rolle bei einer Sache etwas ausgeschmückt. Eltern sollten gegenüber dem Kind zwar durchblicken lassen, dass sie das Schwindeln bemerkt haben. Doch sollte man sein Kind nicht bloßstellen, indem man seine Flunkereien vor den Umstehenden entlarvt. Loyalität ist jetzt oberste Pflicht – den Unterschied zwischen Lüge und Wahrheit kann man anschließend unter vier Augen mit dem Nachwuchs bereden.

Lange Finger, kurze Predigt

Auch, wer Recht und Anstand vorlebt, ist nicht dagegen gefeit: Es kann ein Tag kommen, da bringt das Kind aus dem Kindergarten ein unbekanntes Spielzeug mit. Auf misstrauisches Nachfragen stellt sich heraus: Der Gegenstand wurde gemopst. Große Aufregung und tiefe Verzweiflung angesichts dieses Beginns einer kriminellen Karriere sind jetzt ganz unnötig. Es reicht zu erklären, warum Stehlen verboten ist. Am nächsten Tag wird der Gegenstand dem Besitzer zurückerstattet, verbunden mit einer Entschuldigung. Häufen sich Diebstähle oder treten sie noch im Schulalter auf, ist Ursachenforschung wichtig: Manchmal fordern Kinder auf diese Weise unbewusst mehr Aufmerksamkeit, machen Missstimmungen im Elternhaus deutlich oder zeigen schlicht, dass ihr Taschengeld nicht mehr altersgemäß ist und – nach einem ernsthaften Gespräch über Mein und Dein - eine Aufstockung benötigt.

Nächtlicher Auftritt am Elternbett

Das Kind schläft schon längst. Denken die Eltern. Bis Sohn oder Tochter auf einmal fragend im Türrahmen stehen, während sie gerade miteinander „herzeln“. Jetzt gilt: Weniger ist mehr. Kinderpsychologen empfehlen, das Kind einfach freundlich zu fragen, was es möchte, und ansonsten keine weiteren Statements zur Situation abzugeben. Ein Kind interessiert sich viel weniger für das, was die Eltern gerade machen, als für das eigene Anliegen, das es hergeführt hat. Nur, wenn das Kind erschreckt wirkt oder von sich aus fragt, sollten Eltern mehr erklären – und auch das nur knapp.

Schulreferat – mit oder ohne?

„Also, mein Sohn kann noch nicht so gut mit dem Computer umgehen, deshalb helfe ich natürlich bei den Referaten.“ So oder so ähnlich klingen die meisten Eltern von Grundschulkindern. Und wo man gerade dabei ist, schaut man auch gleich nochmal über den Text und schlägt ein paar klitzekleine Veränderungen vor. Manche Grundschullehrer verzichten daher bei Referaten schon auf Noten. Was Eltern aber dürfen: Mit dem Kind besprechen, wie man an ein Referat herangeht: Zuerst braucht man eine möglichst einfache Gliederung (maximal vier Unterpunkte). Unter die einzelnen Überschriften gehört dann ein selbst formulierter und am besten handgeschriebener Text, kein Ausdruck aus dem Internet. Es dürfen ein paar Bilder eingebaut werden. Hier ist technische Schützenhilfe erlaubt.

Aug’ in Auge mit dem Sandkasten-Rambo

Das fremde Kind hat dem eigenen das zweite Mal eine satte Ladung Sand aufs Haupt gebatzt. Die betreffende Mutter schaut nur selig lächelnd zu. Was tun? Statt sich mit der Mutter auf eine unerfreuliche Diskussion einzulassen, ist es oft wirksamer, selbst kurz in die Situation hineinzugehen: „Ich möchte nicht, dass du Lukas mit Sand bewirfst!“ Dies reicht meist völlig aus. Was aber, wenn man selbst gar nicht dabei ist - zum Beispiel bei Attacken auf dem Schulhof? Soll man dem eigenen Kind sagen, dass es zurückschlagen darf? Hier gilt: Notwehr ist erlaubt, sie ist nicht umsonst sogar im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Zuerst aber sollte das Kind es versuchen mit einem lauten: „Lass das! Ich will das nicht!“ Nur, wenn das nicht hilft, darf es Handgreiflichkeiten mit ebensolchen erwidern. Oft reicht ein kräftiger Schubser und ein „Lass mich!“

„Einen vom Weihnachtsmann“ erzählen oder nicht?

An Osterhase und Christkind scheiden sich die Geister von Erziehungsfachleuten: Die einen betonen das Bedürfnis jüngerer Kinder nach magischen Figuren und erklären, wie wichtig solche „guten Geister“ für das Weltvertrauen seien. Die Anderen warnen davor, Kinder jahrelang zu belügen und schließlich als Schwindler vor dem verstörten Nachwuchs zu stehen. Bei der Gretchenfrage, ob man Nikolaus und Co als reale Gestalten einführen soll, hilft vielleicht ein Rückblick auf die eigene Kindheit: Wer sich daran erinnert, von der Entzauberung dieser Gestalten seelisch arg gebeutelt gewesen zu sein (was eher selten der Fall sein dürfte), sollte seinen Kindern lieber reinen Wein einschenken. Wer aber selbst immer voller Vorfreude aufs Christkind gewartet hat und von der irgendwann keimenden Ahnung der Wahrheit nicht gravierend traumatisiert wurde, muss solche guten Wesen auch seinem Kind nicht vorenthalten.

Milde Gabe für den Bettler

Vor kurzem noch wurde vielleicht im Kindergarten das Lied vom Sankt Martin gesungen, der dem armen Mann seinen halben Mantel schenkte. Und jetzt sitzt da in der Fußgängerzone ein sichtlich armer Mann mit einem Plastikbecher vor sich. Prompt ruft das eigene Kind: „Papa, dem müssen wir doch was geben!“ Ebenso prompt beginnen die elterlichen Synapsen ein hektisches Ping-Pong-Spiel: Ja, eigentlich schon. Aber der kauft doch davon eh nur Schnaps. Das will ich nicht fördern. Aber das kann ich doch dem Kind jetzt nicht erklären. Und wie stehe ich da vor meinem Kind, wenn ich nichts gebe...? Enttäuschung beim Nachwuchs über die unverständliche Reaktion des Erwachsenen wären aber jetzt schlimmer als die Nachteile einer solchen Gabe. Deshalb sollte man getrost ein wenig Kleingeld zücken. Später kann man erklären, dass es Bettlern noch mehr hilft, wenn man für Organisationen etwas spendet, die Menschen in Not helfen.

Wenn’s beim Spielen Kollateralschäden gibt

Vor kurzem gab es in Bonn einen Gerichtsprozess, bei dem eine Frau gegen ihre eigene Schwester klagte. Deren dreijähriger Sohn hatte Schmuck für mehrere tausend Euro, der auf einer Kommode der Tante lag, in der Toilette heruntergespült. Die Tante verlangte von der Mutter Entschädigung, die diese aber verweigerte mit der Begründung, der Schmuck hätte nicht so offen herumliegen dürfen. Die Mutter bekam Recht – doch der Familienfrieden ist wohl auf Jahre hinaus zerstört. Eine Aufteilung des Schadens ohne Prozess wäre sicher der bessere Weg gewesen. Der Fall zeigt vor allem, dass eine Haftpflichtversicherung für Familien ein Muss ist. Doch auch, wenn keine vorhanden ist: Wenn das eigene Kind irgendwo etwas zu Bruch gehen lässt oder das Eigentum eines Mitschülers beschädigt hat, sollte man die betreffende Familie anrufen und Schadensersatz anbieten.

Das Taschengeld sinnlos verprasst

Talmi, Tand, Flitterkram, Kitsch – es gibt viele Bezeichnungen für hübsche, aber wertlose und überflüssige Dinge. Das Problem ist, dass gerade diese Sachen eine geradezu magische Anziehungskraft auf viele Kinder haben. Und schon ist das gesamte Wochen- oder Monatstaschengeld draufgegangen. Sollte man solche Käufe verhindern? Nein, betonen Kinderpsychologen. Denn Kinder müssen erst lernen, welche Erwerbungen auch längerfristig Freude machen, und welche bloß Frust und finanzielle Ebbe hinterlassen. Solche Erfahrungen aber könne man Kindern nicht abnehmen.

Auch auf Eltern warten Fettnäpfchen

Doch nicht nur Kinder erwischen manches Fettnäpfchen oder machen Fehler. Auch wir Erwachsenen geraten beim Zusammenleben mit Kindern leicht auf so manchen Holzweg. Ein paar Vorschläge für die richtige Reaktion auf typische Herausforderungen, die sich Eltern im Alltag stellen:

Geld fürs Zeugnis?

Das Zeugnis ist da – und fällt auch noch richtig gut aus. Da juckt in den Fingern, ein Geschenk oder Geld springen zu lassen. Doch was, wenn das nächste Zeugnis nicht ganz so glanzvoll ist? Die Belohnung dann zu verweigern, wäre fürs Kind traurig und eine Überbetonung der elterlichen Unzufriedenheit. Die Lösung: belohnt werden am Zeugnistag nicht die Noten, sondern das halbe Jahr an Arbeit, das ihnen vorausgegangen ist. Denn täglich stundenlang zur Schule zu gehen und allnachmittags über den Aufgaben zu brüten ist eine Leistung, die ruhig zweimal im Jahr gewürdigt werden darf.

Mein Kind will schießen!

In Dänemark, Holland und in unseren südlichen Nachbarländern zieren Bataillone von Maschinenpistolen und Raketenwerfern die Spielzeugregale. Niemand wittert hier eine Erweckung von Mordlust bei Kindern. Bei uns jedoch ist es gegen die „political correctness“, seinem Kind den Umgang mit Spielwaffen zu erlauben, auch wenn es keinen nachweisbaren Zusammenhang zu späteren Gewalttaten gibt. Ein Kompromiss für Eltern besonders schießfreudigen Nachwuchses wäre: Wasserpistolen und Bogen mit Saugnapf-Pfeilen sind erlaubt, nicht dagegen zu lebensecht aussehende Waffen. Auch wird nicht auf Menschen gezielt, nicht einmal mit der selbst gebastelten Pistole aus Stöckchen.

Was sagen, wenn Große bei Rot gehen?

Man steht mit Sohn oder Tochter an der Fußgänger-Ampel und schaut erwartungsfroh auf das rote Männlein, das hoffentlich in den nächsten Sekunden dem grünen weichen wird. Da marschiert plötzlich ein (mutmaßlich kinderloser) Mitmensch stracks an einem vorbei und quert bei Rot die Straße. Hier ist Klartext angesagt: „Schau, dieser Mann hat das falsch gemacht: er hätte nicht bei Rot gehen dürfen.“ Wichtig ist zudem, dass ein Kind lernt, auch bei grüner Fußgängerampel immer noch einmal nach beiden Seiten zu schauen. Zu viele Autofahrer rauschen auch bei Rot noch schnell durch.

Dürfen wir vor unserem Kind streiten?

Psychologen raten: Streiten vor dem Kind ist dann erlaubt, wenn es nicht um Fragen geht, die das Kind selbst betreffen. Dabei darf der Streit aber nicht in Beschimpfungen eskalieren. Am Ende sollte die fürs Kind sichtbare Versöhnung erfolgen.

Darf man zu Hause Schimpfworte benutzen?

Das unschöne Wort mit Sch... rutscht Eltern im trauten Familienkreis oft leichter heraus als in der Öffentlichkeit. Gleiches gilt für Flüche, aber auch für unschöne Tischsitten wie Rülpsen. Bei der Frage, ob dies vor dem Kind okay ist, lautet die klare Antwort: Was man nicht vor Kollegen und Bekannten tun würde, sollte man auch seinem Kind nicht zumuten – es hat denselben Anspruch auf Respekt (auf ein gutes Vorbild sowieso).

Mit Baby zur Party?

Es gilt als angesagt, sich von seinem Baby in nichts einschränken zu lassen, sondern es einfach überallhin mitzunehmen. Doch eine Abendeinladung wird man nicht wirklich genießen können, wenn man ständig nachschauen muss, ob der Säugling im anderen Zimmer noch schläft, wenn man den Gastgeber bitten muss, die Musik leiser zu drehen und bei jedem lauten Lachen der Mitgäste einen Schweißausbruch bekommt. Endgültig vorbei ist das Vergnügen, wenn das Baby irgendwann überreizt und irritiert weint. Hier sollte man lieber auf Omas, Tanten oder Babysitter zurückgreifen.

Eine Puppe für einen Jungen?

Inzwischen ist es zum Glück akzeptiert, auch Jungen Puppen samt Wagen oder Kinderküchen zu schenken – sofern sie sich das wünschen.

Geschenk für das Geschwisterkind?

Viele Eltern möchten am liebsten, dass ihr Kind keine negativen Gefühle aushalten und möglichst niemals eine Frustration erleiden muss. Deshalb bekommt oft auch das Geschwister eines Geburtstagskindes oder ABC-Schützen ein kleines Geschenk oder eine kleine Schultüte. Schaden hinterlässt dies zwar sicher nicht. Dennoch plädieren einige Erziehungsfachleute dafür, dies nicht zu tun. Es sei für ein Kind kein Problem und noch dazu eine wichtige Erfahrung, zugunsten eines Geschwisters einmal einen Tag lang zurückzustecken. Oder kein Geschenk zu bekommen, wenn es auch keinen Geburtstag hat. Schließlich komme jedes Kind irgendwann an die Reihe.

Darf man eine falsche Entschuldigung schreiben?

Natürlich nicht. Es kann aber Fälle geben, wo dies vielleicht doch einmal okay ist. Zum Beispiel war ich meiner Mutter unendlich dankbar, als sie mir eine Entschuldigung schrieb für jenen Tag, an dem alle Chorkinder einzeln (!) dem Rest der Schule etwas vorsingen sollten. Bei solchen Anlässen konnte ich nur krächzen und blamierte mich zuverlässig. Und eine Freundin von mir erinnert sich bis heute gern an jenen sonnigen Herbsttag, als ihre Mutter befand, ein solch goldener Morgen sei zu schade, um ihn in der Schule zu verbringen. Sie gab ihr „frei“ (das einzige Mal in 13 Schuljahren) und machte mit ihr einen langen Waldspaziergang.