Sind Frauen entbehrlicher?

Krankes Kind: Wer bleibt zu Hause?

Auch wenn beide Partner berufstätig sind, bleibt nur in jedem siebten Fall der Mann zu Hause, wenn der Nachwuchs krank ist. Warum das so ist, und wie es gerechter und flexibler gehen könnte.

Autor: Gabriele Möller

Zahl der Papas am Krankenbett steigt

Kind krank Hustensaft
Foto: © Fotolia.com/ Joanna Zielinska

"Bleibt euer Mann zu Hause, wenn das Kind krank ist?" fragte eine Userin im urbia-Forum und stieß damit eine lebhafte Diskussion an. Und obwohl das Modell des Papas, der am Krankenbett sitzt, in manchen Familien schon ganz normal ist, ist es landesweit doch eher die Ausnahme. Zwar steigt die Zahl der Väter, die daheim bleiben, wenn ihr Kind krank ist, langsam an: So beobachtete die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) in einem Zeitraum von sechs Jahren einen Anstieg des Väteranteils am Kinderpflege-Krankengeld um 10 Prozent (2010: 13 Prozent, 2016: 23 Prozent). Trotzdem stand den insgesamt 16.100 Vätern, die im Jahr 2016 einen Antrag stellten, immer noch die große Mehrheit von 53.900 Müttern entgegen. Woran liegt das, und wie könnte es anders gehen?

Sind Frauen entbehrlicher im Job?

Um ein Klischee kommt man gleich zu Anfang nicht herum: Viele Männer schätzen ihren eigenen Job als wichtiger ein als den der Partnerin. "Heute Morgen stand unser Sohn Lukas mal wieder mit 38,4 Grad Temperatur auf. Ich war in diesem Jahr schon zehn Tage mit ihm zu Hause, somit sind meine 'Kind-krank-Tage' aufgebraucht", berichtet eine Mutter. Aber wenn ich meinen Mann frage, ob er zu Hause bleiben kann, verneint er, weil es 'betrieblich nicht zu machen' sei." Und auch die Chefs der Männer sind oft der Meinung, dass deren Frauen leichter entbehrlich seien: "Wenn unsere Tochter Selina krank ist, findet mein Mann, dass selbstverständlich ich mich um sie kümmern muss. Denn sein Chef würde auch erstmal auf mich verweisen, wenn mein Mann das Ansinnen nach Krankentagen stellt", erzählt eine andere Frau. 

Doch auch manche Frauen selbst schätzen ihre Wichtigkeit im Job als geringer ein: "Ich bin wesentlich leichter im Büro zu entbehren als er und muss dann weniger umorganisieren. Deshalb bleibe ich meist zu Hause", berichtet eine Userin überzeugt. Viele Frauen finden auch, dass sie am Arbeitsplatz schon allein deshalb leichter abkömmlich sind, weil sie in Teilzeit arbeiten. "In erster Linie bleibe ich zu Hause, denn ich habe eine geringere Arbeitszeit (täglich sechs Stunden)", erklärt eine Mutter. 

Familien in der Zwickmühle

Doch die Vorgesetzten der Frauen sehen das naturgemäß anders: Auch sie verzichten nur ungern auf ihre Mitarbeiterinnen. "Mein Chef rollt mit den Augen, wenn er hört, dass meine Tochter krank ist und ich deswegen ausfalle. Und das ist mir nicht gerade angenehm", so eine Userin. Nicht selten setzen Chefs Frauen aber auch ganz direkt unter Druck. Eine urbia-Userin berichtet: "Mein Arbeitgeber warf mir kürzlich vor, dass ich das Kind zu Papa, Oma oder sonst wem hätte geben müssen, da unser Büro ausschließlich mit einem Azubi besetzt war. Weiterhin machte er eine Ansage in die Richtung: Die Luft werde für Arbeitnehmer immer dünner..." Familien geraten also bei Krankheit eines Kindes leicht in eine Zwickmühle, weil beide Elternteile Nachteile im Job befürchten müssen.

Chefs mit Herz für Familien

Es gibt aber auch sie: Vorgesetzte, die Verständnis für berufstätige Eltern haben. "Mein Chef ist der Ansicht, dass ich besser mal ein paar Tage mit dem kranken Kind zu Hause bleibe, als mir irgendetwas zu organisieren, das mehr schlecht als recht funktioniert. Und wo ich dann zwar körperlich im Büro anwesend bin, aber der Kopf zu Hause geblieben ist", berichtet eine urbia-Userin zufrieden. Und auch der Chef ihrer besseren Hälfte ist so ein Glücksfall: "Auch mein Mann kann seine Kinderkrankentage gut nehmen, obwohl er erheblich weiter oben in der Firmenhierarchie sitzt als ich." Es werde lediglich erwartet, dass er für dringende Anfragen per Mail erreichbar sei. 

Bestimmt das Gehalt, wer zu Hause bleibt?

Beide Eltern von Kindern unter zwölf können beim ersten und zweiten Kind je zehn Tage im Jahr frei nehmen - ab drei Kindern sind es 25 Tage. Sie bekommen dann als Lohnersatz Kinderkrankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse, in der ihr Kind (mit-)versichert ist. Mehr dazu. Weil man aber von der Krankenkasse nicht den vollen Lohnausfall bekommt, ist die Frage, wer zu Hause bleibt, auch ein Rechenexempel. "Finanziell ist es bei uns unvorteilhaft, wenn mein Mann die Krankentage nimmt, da uns die Krankenkasse nur 90 Prozent vom Lohn zahlt - und zehn Prozent weniger vom Gehalt meines Mannes sind nun mal mehr, als zehn Prozent von meinem Einkommen", seufzt eine Frau.

Keine Einbußen hat dagegen, wer sich auf den Paragrafen 616 BGB beruft. Er besagt, dass Arbeitnehmer in bestimmten Fällen Sonderurlaub nehmen, also bezahlt fehlen dürfen. Dazu zählt auch die Erkrankung eines Kindes unter acht Jahren, wie das Bundesarbeitsgericht feststellte (Az. 2 AZR 834/76). Danach muss der Arbeitgeber Mutter oder Vater des Kindes einmal im Jahr bis zu fünf Tage freistellen, weiter Lohn zahlen und darf keine Überstunden dafür verlangen. Der Haken: Der Paragraf darf im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden - hier noch einmal nachzuschauen kann sich aber lohnen.

Doch Geld ist nicht alles. Wo ihnen Nachteile im Job winken, pochen auch Frauen zunehmend darauf, dass der Mann Krankentage fürs Kind nimmt. "Während der zwei Jahre meines Referendariats musste vor allem mein Mann im Bedarfsfall das Kind hüten. Mir ging es dabei vor allem darum, dass ich nicht bei der Arbeit fehle, weil sich das möglicherweise schlecht auf meine Übernahme ausgewirkt hätte", erzählt eine Userin entschieden.

Ist unbezahlter Urlaub eine Alternative? 

Aus Angst um ihr Ansehen beim Vorgesetzten oder im Team wagen viele Mütter und Väter es jedoch gar nicht erst, die ihnen zustehenden Krankentage fürs Kind  überhaupt zu nehmen - sie nehmen lieber Urlaubstage, unbezahlten Urlaub oder buttern ihre Überstunden rein. So auch eine Forumsuserin bei urbia: "Ich nehme meist unbezahlten Urlaub. Der Chef mault zwar, weiß aber auch, was er an mir hat, und nimmt es halt so hin." "Mein Mann bleibt zwar für die Kinder zu Hause. Er nimmt allerdings dafür Urlaub oder Überstunden", berichtet eine weitere Mutter. Andere Eltern wiederum opfern deshalb Urlaubstage, weil sie den Aufwand scheuen: "Ich nehme lieber Urlaubs- oder Gleittage, denn der Papierkram und dass man mit dem Kind zum Arzt muss, selbst wenn es nichts Dramatisches hat, ist mir zu stressig", sagt eine Userin.

Wer pflegt das Kind am besten?

Manchmal aber bleiben Frauen auch deshalb freiwillig zu Hause, weil sie ihrem Partner die Pflege eines kranken Kindes nicht zutrauen. "Nein, mein Mann bleibt nicht zu Hause, weil er nicht gut mit kranken Kindern umgehen kann. Er findet Spaziergänge zur Oma auch bei 39,5° Fieber in Ordnung, denn Bewegung sei ja gesund. Bei Prellungen nimmt er zum Kühlen ein Kältespray aus dem Elektrobaubereich! Und bei einem schlechten Magen macht er Fischstäbchen mit Kartoffelpüree. Einfach hoffnungslos!", klagt eine Mutter. Und eine andere stimmt ein: "Meiner hat es mal gebracht, selig zu schnarchen, während unser Sohn einen Pseudokrupp-Anfall hatte. Ich kam gerade vom Elternabend und habe meinen Sohn schon vor der Haustür gehört." 

Mann und Maus allein zu Haus'

Andere Mütter dagegen haben keine Bedenken, was die pflegerischen Fähigkeiten des Kindsvaters angeht: "Unser Kind geht nun in die Schule, und mein Mann kann es mittlerweile fast genauso gut betreuen wie ich. Bespaßen geht zumindest immer, nur Krankheitsanzeichen erkennt er nicht gut, oder sie werden manchmal bagatellisiert", berichtet eine Userin. "Mein Mann sagt, es klappt immer super, wenn ich nicht da bin. Es gab halt mal schlechte Tage, je nachdem wie krank die Maus ist. Aber das ist auch so, wenn ich zu Hause bleibe." Und eine dritte bringt es zufrieden auf den Punkt: "Mein Mann macht sicher Vieles anders, aber mindestens genauso gut wie ich."

Lösung nach Maß - das passt, sitzt und hat Luft

Ob Eltern Kinderpflegetage nehmen, oder die Betreuung lieber durch flexible Arbeitszeiten auffangen: Wichtig ist, eine Lösung zu finden, mit der beide Partner sich wohlfühlen. "Meistens können wir unsere Dienste so umstellen, dass wir gar keine Kind-Krank-Tage nehmen müssen, dann geben wir uns zu Hause sozusagen die Klinke in die Hand", so eine Frau über ihre persönliche Familienlösung. "Ich habe mit vier Kindern bisher nur ein einziges Mal einige Kinderkrankentage genommen, und mein Mann noch nie. Wir können bei Bedarf Heimarbeit machen, außerdem arbeite ich Teilzeit und kann meine Arbeitstage zur Not auch schieben", berichtet eine weitere Mutter.

"Wenn unsere Tochter krank ist, dann bleibt vorrangig mein Mann bei ihr, weil ich vor allem vormittags arbeite, oder nach dem Nachtdienst noch schlafe. Er tätigt dann ein paar Kundenanrufe oder Bürokram von daheim", beschreibt eine Forumsuserin ihr persönliches Betreuungsmodell. Eine andere Familie findet ihre Lösung nach Art einer Gleichung: "Bei uns ist es eine Mischung aus: wer weniger Verdienstausfall hat (= Papa), wo es besser in den Arbeitsablauf integrierbar ist (= Mama) und dem Punkt "Sonstiges" (= Hilfe vom Aupair)."

 

In Hamburg und Berlin gibt es die Notfallmamas - einen Betreuungsservice, der zwar bezahlt werden muss, an dem sich aber nach Absprache der Arbeitgeber beteiligt und den man teilweise steuerlich geltend machen kann ...