Kolumne "Mamma Mia"

Mein Import-Export-Familienunternehmen

Julia Rubin lebt mit ihrer Familie in Italien. So schön das Leben in Bella Italia mit Pizza und Pasta auch sein mag, auf Fleischwurst und Feuchttücher möchte sie dort nicht verzichten. Und so macht sich alle paar Wochen ein Kleinbus für den italienischen Export und den deutschen Import auf den Weg.

Autor: Julia Rubin

Ohne unseren Omnibus geht hier nichts

Auto vollgepackt Rubin
Der 'Pullman' ist vollgepackt für die Rückreise nach Italien
Foto: © Julia Rubin

Der ausschlaggebende Grund für die Wahl unseres aktuellen Autos war die Anzahl der Kinder. Das zumindest dachte ich immer. Unsere Kinder haben unser Auto „Pullman“ getauft – das ist das italienische Wort für „Omnibus“. Bei unserem Bus müsste man allerdings „Omni“ gegen „Klein“ tauschen, dann passt es: Klein-Bus (für unsere Kids bleibt er aber weiter der „Pullman“).  Und mit drei Kindern ist so ein Pullman schon sehr praktisch, vor allem, wenn man wie wir in der traumhaften Gegend zwischen Alpen, Meer und oberitalienischen Seen lebt und die Wochenenden deshalb immer unterwegs ist. In unserem Pullman transportieren wir also an erster Stelle unsere Kinder samt Zubehör. Aber ganz dicht gefolgt auf der Transport-Liste stehen mittlerweile all die deutschen Sachen, die wir in unserem Alltag in Italien vermissen. Und deshalb - so scheint es – haben wir ein Unternehmen gegründet: Italien-Deutschland-Import-Export.

Voll beladen auf dem Hinweg...

Im Schnitt machen wir uns alle drei bis vier Monate für einen Kurz-Aufenthalt auf den Weg nach Deutschland. Die nächste Reise ist in sechs Wochen geplant. Auf dem Hinweg wird unser Pullman für den Export benutzt. Wir packen dann all die italienischen Dinge ein, die unsere Freunde und Verwandte auf ihre Einkaufslisten für uns geschrieben haben: Salami, kiloweise Grissini, Mehl für Pizza, Mehl für Brot, Mehl für Kuchen (das eine ist fein, das andere grober gemahlen), frischer Parmesan, grobes Meersalz, Olivenpaste und frische Pasta. Und wenn wir nicht wieder zwei Olivenbäume mitbringen sollen, passt auch immer alles rein, in unseren Bus. Und für all meine Freunde, die das hier nun lesen: Bestellungen nehme ich bis Anfang Mai entgegen. Nur - tut mir Leid - Olivenbäume können wir keine mehr mitbringen. Denn auf dem Platz, auf dem wir bis 2010 noch Olivenbäume festgeschnallt und nach Deutschland exportiert haben, sitzt nun der kleine Leo. (Der ist allerdings keine Exportware. Auch wenn er mit das italienischste ist, was unsere deutsche Familie hier in Turin zu bieten hat ... )

... noch voller auf dem Rückweg

Wir brauchen also Platz in unserem Bus für die italienischen Lebensmittel, die zu unseren Freunden nach Deutschland müssen. Aber noch viel mehr Platz brauchen wir beim Rückweg für all die deutschen Lebensmittel, die zu uns nach Italien müssen. Und deshalb wird schon vor der Abfahrt nach Deutschland das Gepäck radikal limitiert: einen Kinderwagen gibt's nur für Leo, unser mittlerer Sohn muss dann eben öfter laufen. Reisebetten bleiben in Italien, in Deutschland schlafen die Kinder auf Matratzen. Wer mit Baggern und Kippern spielen will, muss sich bei unseren deutschen Freunden einladen. Die meisten Spielsachen bleiben in Italien, dafür ist dann Platz für unsere große Auto-Kühlbox. Denn so lecker der exportierte Parmaschinken auch schmeckt, am Ende kommt der dann doch nicht gegen die gute Mainzer Fleischwurst an. Also werden in Mainz erst kurz vor der Abfahrt nach Italien stets zwei Kringel direkt beim Metzger frisch eingeschweißt, mit viel Zeitungspapier umwickelt und so direkt in der Auto-Kühlbox verstaut – damit sie die neun Stunden Fahrt in den Süden gut überstehen. Stück für Stück, streng rationiert, werden diese Kringel dann in Italien Abend für Abend beim Essen in kleine Stücke geteilt.
(Beim letzten Mal haben mein Mann und ich unseren Kindern die Hälfte des zweiten Kringels vorenthalten. „Alles aufgegessen“ war die offizielle Ansage. `Sie genießen die Mainzer  Fleischwurst einfach nicht so wie wir`, war unsere interne Rechtfertigung. Ja, mein Gewissen war angekratzt. Aber meine Geschmacksnerven waren hocherfreut und das wiederum hat mein Gewissen beruhigt.)

Das Vollkornbrot haben wir für uns alleine

Etwas anderes können wir Eltern hier aber mittlerweile ganz ohne schlechtes Gewissen alleine essen: das deutsche Vollkornbrot. Juchuh! Unsere großen Jungs sind mittlerweile nämlich so italienisch, dass sie alle Brotsorten liegen lassen, die nicht weiß wie die Wand und schlabberig wie Spülschwämme sind. Körnerbrot, Steinofenbrot, dunkles Brot, das man kauen muss – ja, das vermisse ich. Ich habe zwar Backmischungen aus dem deutschen Biomarkt im Vorratsregal und einen „selbst-weitergezüchteten“ Sauerteig von meinem großen Bruder in der Kühltruhe – aber mit einem frischgebackenen importierten Brot  aus Deutschland ist das nicht zu vergleichen. Selbst, wenn es eingefroren war. Die Mischungen und den Sauerteig hebe ich auf für schlechte Zeiten, in denen unser Brot-Gefrier-Vorrat aufgebraucht ist.

Direkt neben dem Brot liegt in unserer italienischen Kühltruhe der Quark. In den besten Zeiten lagen  da 10 kg Quark, der meiste landete in Form von Käsekuchen auf dem Kaffeetisch. Und mit „torta di formaggio“ konnte ich bislang all unsere italienischen Gäste beeindrucken… Quark gibt es hier nur in wenigen, ausgewählten und meist sehr teuren Supermärkten, deshalb importiere ich ihn aus Deutschland und dafür muss dann eben auch die Fleischwurst in der Auto-Kühlbox ein bisschen zur Seite rutschen. Dann noch ein paar Schachteln Bio-Gefrierkräuter dazu, Bio-Gefriergemüse, ein paar tiefgefrorene Brezeln und - schwupp – ist die Kühlbox voll.

Hier gibt es zwar "Slow Food" aber kein "Bio"

Schon gemerkt? Mein Einkaufsschwerpunkt in Deutschland liegt auf  „ Bio“, denn das gibt es hier in Turin bislang nur selten. In Turin wurde vor mehr als 20 Jahren die „slow food“ Bewegung gegründet, also die Gegenbewegung zum „fast food“, die viel Wert auf biologische Herkunft, gute Qualität und Geschmack des Essens legt. Trotzdem ist das Sortiment an Bio-Produkten in normalen Supermärkten immer noch sehr klein und auch Bio-Bauern gibt es hier bislang nur wenige. Die fehlenden Bio-Baby-Gläschen sind schließlich auch der Grund für den regelmäßig in Deutschland stattfindenden Großeinkauf beim Drogeriemarkt. Wie viele Bio-Obst- und Bio-Mittagsgläschen isst ein Einjähriger (mit gerade mal zwei Zähnchen) innerhalb von vier Monaten? Und wie viele Packungen 4-Korn Brei isst so ein kleiner Kerl in dieser Zeit? Lösung: 224 Obstgläschen, 112 Mittagsgläschen, ca. 12 Packungen Brei.

Ja, auch das muss alles rein in unseren Pullman, wenn wir uns von Deutschland wieder auf den Weg nach Italien machen. Und damit die Kuscheltiere und die Bettwäsche der Kinder so riechen wie immer, kommt natürlich auch das Waschmittel mit, das wir seit fünf Jahren benutzen. Außerdem auf der Einkaufsliste: so viele Windeln wie nur irgendwie in den Pullman reinpassen.  Die deutschen Windeln kosten in Deutschland nämlich ganze neun Cent weniger pro Stück, und bei 500 Leo-Windeln innerhalb von vier Monaten (!) kann man damit schon eine Menge sparen, nämlich 45 Euro. Und die (günstigen) Feuchttücher, nicht nur für meine Kinder, sondern auch für die Kinder diverser (deutscher) Freundinnen.

Sand gibt's nicht wie Sand am Meer

Und: Spielesand – ja, wirklich, auch den kaufe ich in Deutschland ein. Spielesand. Kann man sich das vorstellen? Wir leben in Italien, 150 km vom Meer entfernt und müssen Spielesand aus Deutschland importieren. Diesen Sand gibt es hier nicht. Oder ich habe diese Säcke einfach noch nicht gesehen. Aber ich glaube ersteres, denn auch unsere italienischen Freunde importieren ihren Sandkastensand  – allerdings nicht aus Deutschland, sondern mit viel Kraftaufwand direkt vom Meer. Bei Ausflügen an die ligurische Küste spielen die Kids dann eben nicht nur im Sand, sondern schaufeln große Kisten voll mit Sand. Und diese Kisten werden dann mit nach Turin genommen. Sand-Import innerhalb Italiens. Dieser Sand ist zwar billig, diese Art der Beschaffung ist mir aber zu umständlich. Dann fahre ich doch lieber beim Baumarkt in Mainz vorbei und lass mir drei Säcke sauberen Spielesand in den Kofferraum laden. Damit sind meine Kinder hier im Sommer glücklich. Für den italienischen Sommer lade ich mir zwei Kisten alkoholfreies Bier ein, mein Mann freut sich über zwei Kisten „richtiges“ Bier und wenn dann noch die Bratwurst in Dosen dabei ist, ist auch unser großer Sohn froh. (Wenn im Kofferraum kein Platz mehr ist, nimmt er sie bei der Rückfahrt eben auf seinen Schoß). Voll bepackt mit deutschen Sachen machen wir uns dann wieder auf den Weg zurück in unsere italienische Heimat und hoffen, dass wir an der Schweizer Grenze nicht angehalten werden (und falls doch, hoffe ich auf eine gute Ausrede ...)

Und wir kommen wieder, ganz bestimmt. Spätestens, wenn der Quark leer und das Bier getrunken ist und ich anfangen muss, die Brotbackmischung und den Sauerteig zu verarbeiten. Dann wird es wieder Zeit, den Pullman für die nächsten 800 Kilometer in Richtung Deutschland startklar zu machen. Ich bin wirklich froh, dass wir in Turin und nicht in Shanghai leben ...