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Geburtshelferinnen schlagen Alarm

Hebammen-Betreuung gefährdet?

Ist die Geburtshilfe durch freie Hebammen in Deutschland gefährdet? Das zumindest befürchten Hebammen, da die Nürnberger Versicherung zum 1. Juli 2015 aus den letzten beiden verbliebenen Versicherungskonsortien für die Hebammenhaftpflichtversicherung aussteigt. Nun fordern die Hebammen: Die Politik soll helfen.

Autor: Gabriele Möller
Autor: Petra Fleckenstein

Immer mehr Hebammen geben auf

Hebamme beraet Schwangere
Foto: © pantermedia.net/Monkeybuisness Images

Seit Jahren schlagen Hebammen Alarm, da sich die Berufshaftpflichtbeiträge für in der Geburtshilfe tätige freiberufliche Hebammen in den letzten zehn Jahren fast verzehnfacht haben. Im Juli 2014 könnte die Prämie von derzeit rund 4.200 auf fast 5.100 EUR im Jahr steigen.  Für eine Geburtshaus- oder Beleghebamme und ihr Durchschnittseinkommen von ca. 14.000 EUR im Jahr ein Betrag, der ihr Honorar in den Bereich einer Aushilfstätigkeit rückt. Schon jetzt haben nach Angaben des Deutschen Hebammenverbands zehn Prozent aller in der Geburtshilfe tätigen, freiberuflichen Hebammen aufgegeben. Kommt nicht bald Hilfe, wird es für Schwangere schwer, überhaupt noch eine Hebamme für eine Beleggeburt im Krankenhaus, eine Entbindung zu Hause oder im Geburtshaus zu finden. Aber auch die Anzahl von Hebammen, die Vor- und Nachsorge anbieten, wird bei einer Schließung von Hebammenpraxen und Geburtshäusern sinken.

Schwangere müssen mehr zahlen

Für die Betreuung einer Geburt im Krankenhaus, die acht Stunden vor der Geburt und drei Stunden danach mit einschließt, bekommt eine freie Hebamme 237 Euro, für eine Geburt im Geburtshaus 445 Euro und für eine Hausgeburt 537 Euro. Weiß man, dass eine Beleghebamme bei einer Rundumbetreuung, mit Vorsorge, Kursen, Klinikgeburt, Wochenbett und Stillzeit ca. 30 Frauen im Jahr betreut, eine außerklinische Hebamme etwa zehn Frauen, ergibt die Rechnung: Meist reichen die Netto-Einnahmen aus der Geburtshilfe gerade mal zur Deckung des neuen Versicherungsbeitrages. „Davon können wir uns und unsere Kinder nicht ernähren“, klagt Hebamme Jana Setter. „Die ohnehin wenigen geburtshilflich tätigen Hebammen sind nicht bereit, allein für die Haftpflicht zu arbeiten“, bekräftigt auch Dr. Edith Wolber, Pressesprecherin des Deutschen Hebammenverbandes DHV. Deshalb überlegen viele freiberufliche Hebammen, entweder ganz aus der Geburtshilfe auszusteigen, oder die erhöhten Versicherungsbeiträge zum Teil über eine Erhöhung der Kosten für Hebammenleistungen (z. B. der Rufbereitschaftspauschale) an die Frauen weiterzugeben.

Auch beim eigenen Frauenarzt entbinden wird schwieriger

Die Hebammenverbände hatten in ihren Verhandlungen mit den Krankenkassen bereits erreicht, dass die Zusatzausgaben für die erhöhte Haftpflicht teilweise von den gesetzlichen Krankenkassen durch eine Pauschale ausgeglichen werden. Seit die freien Hebammen 2006 per Gesetz in die Selbstverwaltung entlassen wurden, müssen sie ihre Vergütung (z. B. über ihren Verband) selbst mit den Krankenkassen aushandeln. 

Warum aber gibt es kaum mehr Haftpflichtversicherer, die bereit sind, das Risiko der freiberuflichen Hebammen zu versichern, und dies zu annehmbaren Konditionen? Dies liegt nicht daran, dass zum Beispiel Hausgeburten gefährlicher wären. Sondern daran, dass Fälle mit geburtshilflichem Zusammenhang generell zu den teuersten überhaupt gehören, das gilt auch für Klinikgeburten. „Neben Schmerzensgeld und Behandlungskosten wird inzwischen vom mutmaßlichen Verdienst des Kindes über die Betreuung durch die Mutter das Leben zweier Menschen komplett abgesichert. Da im Bereich des geburtshilflichen Schadensfalles die Beweislastumkehr gilt, müssen die Beschuldigten nachweisen, dass ein Schaden nicht von ihnen verursacht wurde. So hätten die Krankenkassen inzwischen zum Teil eigene Regressabteilungen einschließlich eigener Anwälte, um bei Schadensfällen den „Schuldigen“ zu suchen, dem die Kosten angelastet werden können. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb die Haftpflichtversicherer kaum Interesse an einer Versicherung des Berufsrisikos der Geburtshelferinnen haben.

Nun verlangen die Hebammenverbände daher nach weiteren wirksamen Schritten, um die freie Hebammen-Geburtshilfe zu erhalten. Da die Schadensfälle in der Geburtshilfe aufgrund des medizinischen Fortschritts immer teurer werden, fordern die Hebammen eine Deckelung der Haftung für Hebammen und eine Deckungsobergrenze für die Versicherer, z.B. finanziert durch einen Fonds, in den neben den Hebammen auch der Staat einzahlen könnte.

Das Problem betrifft aber nicht nur Hebammen: Auch Frauen, die in der Klinik gern bei ihrem eigenen Gynäkologen (per Belegbett) entbinden möchten, müssen in Zukunft wahrscheinlich überwiegend darauf verzichten und mit einem fremden Klinikarzt Vorlieb nehmen. Denn für Belegärzte wurden die Haftpflichtbeiträge für Geburtsbetreuung noch drastischer erhöht (auf bis zu 80.000 EUR jährlich), weshalb viele niedergelassene Frauenärzte bereits ganz aus der Geburtshilfe ausgestiegen sind.

Akuter Hebammenmangel auf dem Lande

Die Zeit drängt, denn bereits jetzt werden in Belegkliniken und Geburtshäusern dringend Hebammen gesucht. Weniger als ein Viertel aller freien Hebammen arbeiten überhaupt noch in der Geburtshilfe. Die meisten bieten lediglich Vor- oder Nachsorge sowie Geburtsvorbereitungskurse an. Und das, obwohl die Zahl der Kliniken ansteigt, die es Frauen ermöglichen, ihre eigene Beleghebamme mitzubringen. (Dies geschieht nicht zuletzt aus Kostengründen, denn so können Stellen fest angestellter Hebammen in den Kliniken abgebaut werden). Warum aber gibt es so wenige freie Hebammen in der Geburtshilfe? Grund ist, dass die Gebühren für die Hebammenleistungen - gemessen an ihrer verantwortungsvollen und qualifizierten Tätigkeit – eher gering ausfallen. „Insbesondere junge Hebammen sind längst nicht mehr bereit, für nur etwa 230 Euro in der Freiberuflichkeit elf Stunden konzentriert rund um die Uhr zu arbeiten“, so Martina Klenk, Präsidentin des DHV.

Geburten im Taxi werden zunehmen

Schon heute kann die flächendeckende Versorgung durch Hebammen in vielen Regionen also nicht mehr sichergestellt werden. Vor allem auf dem Lande, in den neuen Bundesländern und in grenznahen Gebieten sind Hebammen bereits jetzt knapp. Das kann auch Jana Setter vom Lübecker Geburtshaus bestätigen: „Wir betreuen nicht nur Schwangere in Lübeck. Wir liegen an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern und versorgen deshalb große ländliche und strukturschwache Regionen von hier aus mit.“ Müsste das Geburtshaus schließen, kann es passieren, dass Frauen 60 Kilometer oder mehr fahren müssen, um die nächste Hebamme zu erreichen - und auf eine Haus- oder Geburtshausgeburt werden sie ganz verzichten müssen. Verschärft wird das Problem dadurch, dass auch immer mehr kleine Krankenhäuser vor Ort zugunsten großer, zentral gelegener Klinikzentren schließen. „Dies führt zu oft sehr weiten Anfahrten bis zu 80 Kilometern von Frauen in den Wehen und wird die Anzahl von Babys, die ohne medizinische Versorgung im Taxi oder Privat-PKW geboren werden, erhöhen – mit den entsprechenden Gefahren für Leib und Leben von Mutter und Kind“, so Dr. Wolbert vom DHV.

Weniger Hebammen – mehr Kaiserschnitte?

Diese Entwicklungen führen nach Ansicht des DHV dazu, dass wichtige Rechte von Schwangeren beschnitten werden. „Frauen haben das Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes, sowie der Versorgung, die sie für sich und ihre Familie für angemessen halten“, so Dr. Wolber vom DHV. „Wenn es aber in erreichbarer Nähe kein Geburtshaus, keine Beleghebammen und oft nicht einmal eine Geburtsklinik gibt, kann von Wahlfreiheit keine Rede mehr sein.“ Auch die Wahl einer möglichst interventionsarmen Geburt werde eingeschränkt durch routinemäßig übliches Eingreifen in den Kliniken. Dort verlaufen nur 10 Prozent der Geburten ohne medizinische Nachhilfe, was bei Geburtshaus- oder Hausgeburten oft vermieden werden könne (zu den Interventionen gehören Zangen-, Saugglocken- und Kaiserschnitte). „Bei vielen Geburten, bei denen eine natürliche Entbindung möglich wäre, wird aus forensischen (rechtliche Absicherung) und wirtschaftlichen Gründen ein Kaiserschnitt vorgenommen“, so Wolber. „Die Kaiserschnittrate liegt heute schon über 30 Prozent obwohl eigentlich nur ca. 15 Prozent medizinisch notwendig wären.“ Dadurch werde letztlich auch die Wahl der möglichen Anzahl von Kindern eingeschränkt, weil bei einer Frau nicht unbegrenzt viele Kaiserschnitte medizinisch zu verantworten sind.

Beratung und Nachsorge: Hebammen haben Zeit für Frauen

Doch auch in anderen Bereichen haben Frauen massive Nachteile, wenn sie kaum noch Hebammenberatung oder –begleitung in Anspruch nehmen können: „Heute werden die Schwangeren mit einer Flut von Informationen überschüttet und wissen oft nicht, wie sie sich entscheiden sollen. In den gynäkologischen Praxen ist aber für ausführliche Gespräche meist wenig Zeit“, so DHV-Präsidentin Martina Klenk. Aber auch nach der Geburt würden Hebammen immer wichtiger. „Denn in den letzten Jahren ist die Verweildauer nach einer Geburt im Krankenhaus drastisch gesunken. Oft werden die Frauen wenige Stunden nach der Geburt oder schon wenige Tage nach einem Kaiserschnitt entlassen. Das führt zu einem erhöhten Betreuungsbedarf im häuslichen Wochenbett durch freiberufliche Hebammen“.

Weitere Informationen unter www.hebammenverband.de