So kommt Ordnung ins Chaos

Räum dein Zimmer auf!

Kinderzimmer aufräumen – für Eltern und Kinder das Streitthema Nummer eins. Wieviel Ordnung muss sein - und wie gelingt es, das Aufräumen nicht als Strafe zu empfinden? Wir zeigen Wege aus der Chaos-Falle.

Autor: Christiane Bertelsmann

Kinder brauchen Ordnung

Maedchen Buch Kinderzimmer Panther T Ix
Foto: © panthermedia, T. Ix

Berge von Spielzeug im ganzen Zimmer verteilt, die Kleider wild durcheinander auf dem Boden, das Bett ungemacht: So sieht das Chaos aus. Hier aufzuräumen überfordert selbst einen Zehnjährigen – und sorgt unter Garantie für Streit zwischen Eltern und Kindern. „So weit sollte man es erst gar nicht kommen lassen“, sagt Saskia Heyden, Kinder- und Jugendpsychologin aus München, „Kinder brauchen Strukturen. Ordnung ist für sie eine Möglichkeit, sich orientieren zu können.“

Macht Chaos kreativ?

„Natürlich darf der Ordnungswunsch nicht zum Ordnungszwang werden“, sagt die Psychologin. Rigide Ordnung, ein Zimmer, in dem nichts herumliegen darf, hemmt die kindliche Entwicklung. Hier heißt es, die Balance zu finden zwischen hemmungslosem Chaos und penibler Ordnung. Und sich selbst zu fragen: Wie wichtig ist mir Ordnung? Kann ich es ertragen, auf meinem Schreibtisch Bücher aufgeschlagen liegen zu lassen, weil ich später noch etwas nachlesen möchte, oder muss ich gleich alles wieder ins Regal stellen? Hat mein Ordnungsbedürfnis vielleicht schon zwanghafte Züge? Oder umgekehrt: Fällt es mir schwer, nach dem Kochen die Küche aufzuräumen? Wo ist Ordnung sinnvoll und wo unnötig? Brauche ich das Buch, das ich eben ins Regal gestellt habe, nicht gleich morgen früh wieder? Finde ich in meiner losen Rezepte-Sammlung nicht das viel leckere Rezept als in einem Kochbuch? Viele Menschen, die kreativ oder anders ausgedrückt schöpferisch arbeiten, brauchen für ihren Schaffensprozess ein gewisses Maß an Chaos um sich. Für den britischen Maler Francis Bacon, in dessen Atelier ein unbeschreibliches Chaos herrschte, war die Unordnung eine Quelle der Inspiration: „Chaos suggests images to me.“ Auf Kinder übertragen könnte das bedeuten, dass während des Arbeitsprozesses – also w enn gemalt oder gebastelt wird – ruhig Farben, Kleber, Schere herumliegen dürfen – auch, wenn das Bild oder die Bastelei erst am nächsten Tag fertig wird.

Aufräumen schafft Orientierung

Die Münchner Psychologin Saskia Heyden rät dazu, Kindern frühzeitig beizubringen, dass Aufräumen kein Zwang, sondern etwas Schönes ist, das das Alltagsleben erleichtern kann. Sie erklärt das mit Beispielen aus der Entwicklungspsychologie: „Kinder kommen als recht unstrukturierte Wesen auf die Welt. Die Umwelt, sprich die Eltern, helfen ihnen dabei, sich in der Welt zurechtzufinden.“ Strukturen und Ordnungssysteme unterstützen diesen Prozess.„Deshalb lieben besonders kleine Kinder Wiederholungen. I hr Tagesablauf soll immer gleich sein, so gewinnen sie an Sicherheit.“ Beim Spielen mit der Holzeisenbahn hängt immer der rote Waggon direkt hinter der Lok. Wenn’s ins Bett geht, wollen sie immer die Geschichte aus dem dicken Märchenbuch vorgelesen bekommen – obwohl es da noch viele andere spannende gäbe. Dann ein Küsschen fürs Kind, den Teddy in den Arm gekuschelt und beim Rausgehen noch ein Gute-Nacht-Lied. Wehe, man probiert mal ein anderes aus! „Rituale geben insbesondere Kindern im Kleinkindalter Sicherheit. Und das gilt auch für die Ordnung im Kinderzimmer. Wenn die Kinder ihre Spielsachen immer am gleichen Platz vorfinden, fühlen sie sich wohl und geborgen“, erklärt Psychologin Heyden.

Und wer bitteschön räumt die Puzzelteile wieder ein? Wer packt die Autos in die Kiste und schüttet nach dem Malen das Wasser weg? „Da muss man die Kinder unterstützen“, rät die Psychologin. Doch man sollte die Kids nicht unterschätzen. Auch Zweijährige begreifen einfache Regeln, etwas diese: Ein neues Spiel gibt es erst dann, wenn das alte weggeräumt ist. „Auch das ist entwicklungspsychogisch gesehen eine essentielle Erfahrung: Ich schließe eine Handlung ab, setzte selbst eine Grenze und bin dann bereit für etwas Neues“, erklärt die Psychologin.

Wege aus der Chaos-Falle

  • Ausmisten: Lasse den Spielzeugberg nicht zu hoch anwachsen. Sortiere regelmäßig Spielzeug, das nicht mehr altersgemäß ist, gemeinsam mit deinem Kind aus. Sehr bewährt ist hierbei das Prinzip der drei Kisten: Kiste 1: weg damit, Kiste 2: vielleicht, Kiste 3: behalten. Die Vielleicht-Kiste kommt als Zwischenlager in Keller oder Speicher. Wird ein Vierteljahr nicht mehr danach gefragt, kann der Inhalt weg. Übrigens, größere Kinder haben sicher Spaß daran, ihre ausgedienten Spielsachen auf einem Flohmarkt zu verkaufen.
  • Gemeinsam aufräumen: Kinder können mit dem Satz: "Räum dein Zimmer auf" genauso wenig anfangen wie mit: "Benimm dich ordentlich". Leichter ist es, mit gutem Beispiel voranzugehen und gemeinsam mit dem Kind aufzuräumen – und auch in den anderen Räumen Ordnung zu halten.
  • Kindern ab vier Jahren kann man auch erstmal einen Teil des Zimmers zum Ordnungmachen anvertrauen – etwa die Spieleecke.
  • Aufräumen macht Spass! Vermittel deinem Kind, dass Aufräumen keine Strafe ist. Man kann die Arbeit auch spielerisch angehen: Die Autos fahren in die Garage, die Kuscheltiere legen sich zum Schlafen in ihre Kiste etc. Zeige deinem Kind, dass es schön und befriedigend ist, wenn die Arbeit getan ist – Ordnung ist gut für die Seele.
  • Schaffe Ordnungssysteme. Ideal sind Spielzeugkisten mit der entsprechenden Beschriftung. Oder male gemeinsam Schilder – ein Auto für die Autokiste, ein paar Noten für die Box mit den Musikkassetten.
  • Richte das Kinderzimmer in bestimmte Themenzonen ein. Das geht auch in kleinen Zimmern. Die Kuschelecke mit einem bequemen Kissen in der Nähe des Bücherregals. Oder der Anzieh-Bereich: ein Stuhl für die Kleider neben dem Kleiderschrank. So landen die Klamotten nicht auf dem Boden. Wichtig ist, dass das Kind überall drankommt und selbst problemlos alles erreichen kann.
  • Lasse Freiräume – etwa ein Regalbrett, auf dem dein Kind besonders schöne Bauwerke aus Lego oder die selbstgekneteten Figuren ausstellen kann.
  • Ausnahmen: natürlich gibt es Dinge, die abends nicht im Regal verschwinden müssen. Die Ritterburg darf bis zum nächsten Morgen oder auch länger stehen bleiben, sofern noch weiter mit ihr gespielt wird.
  • Wenn Freunde kommen: hinterher aufräumen helfen. Das wäre vom eigenen Kind zu viel verlangt - zumal es das Chaos nicht immer selbst verursacht hat.

Zum Weiterlesen:

  • roomido.com: Wohnideen und Einrichtungsideen
  • Nie wieder Chaos!: So bekommen Sie Ihren Haushalt in den Griff von Cynthia Townley Ewer), Heike Knophius), DK-Verlag, 16,95 Euro
  • Greta Carolat: Aufräumen? Mach ich morgen!, Arena-Verlag, 12,95 Euro