Start in den Kindergarten
Der Start in den Kindergarten stellt für Kinder und ihre Eltern den Eintritt in eine neue Lebensphase dar. Damit er glückt, ist eine behutsame Eingewöhnung sehr von Vorteil.
Fülle an neuen Erfahrungen

Wenn der dritte Geburtstag des Sprösslings naht, steht in den allermeisten Familien der Eintritt in den Kindergarten an. Der Besuch eines Kindergartens ist vor dem Hintergrund des hierzulande geltenden Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz inzwischen weitgehend selbstverständlich geworden. Dennoch stellt der Eintritt in diese Einrichtung für das Kind und die Eltern einen bedeutenden Übergang in eine neue Lebensphase dar, der nicht unterschätzt werden sollte. Viele Kinder trennen sich nun erstmals täglich und für mehrere Stunden von ihrer Hauptbezugsperson (Mutter, Vater, Oma, Opa), verbringen erstmals so viel Zeit außerhalb ihres Zuhauses, müssen sich an die Erzieher(innen) gewöhnen und Teil einer Gruppe werden. Eine der wichtigsten Hilfen für das Gelingen des Kindergartenstarts ist eine behutsame Eingewöhnung. "Die Eingewöhnung stellt DIE vertrauensbildende Maßnahme dar", sagt Ursula Engelbert, mehr als 35 Jahre Leiterin der katholischen Kindertagesstätte St. Heinrich im Kölner Stadtteil Deutz.
Daher hat man beispielsweise in dieser Einrichtung ein besonderes Augenmerk auf die Eingewöhnungsphase gerichtet und bietet Eltern und Kindern zum Kennenlernen der Räumlichkeiten, der Gruppe und des Personals vor dem Kindergartenstart über einen längeren Zeitraum Nachmittagsbesuche an. In den meisten Kindergärten ist heute irgendeine Form der Eingewöhnung vorgesehen, manchmal Spielnachmittage vor dem eigentlichen Kindergartenstart und/oder die Möglichkeit für Mütter oder Väter, während der ersten Kindergartentage und –woche bei ihrem Kind zu bleiben.
Was vorher passiert sein sollte
Wichtigste Voraussetzung, damit die Eingewöhnung und der Start in den Kindergarten gut gelingen, ist nach Ansicht von Ursula Engelbert, dass das Kind gelernt hat, "Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Eltern und in die Welt" zu entwickeln. Ein Kind, das eine sichere Bindung zu seiner Bezugsperson aufbauen konnte, weil es die Erfahrung machen durfte, dass seine Bedürfnisse – zum Beispiel nach Nähe und Geborgenheit - ernst genommen und beantwortet wurden, wird sich leichter von der Mutter lösen. Denn es hat die Gewissheit, dass die Mutter wirklich wieder kommen wird, wenn sie dies sagt und dass sie nur geht, wenn sie dies vorher angekündigt hat.
Zweite wichtige Bedingung für einen geglückten Start ist die Einstellung der Eltern zum ausgewählten Kindergarten. Haben sie sich vorher gut über das Personal, die pädagogische Arbeitsweise, die Schwerpunkte und die Ausstattung informiert und den einen speziellen Kindergarten bewusst und gerne gewählt, so fällt es ihnen leichter, ihr Kind vertrauensvoll den Erzieherinnen der Einrichtung zu übergeben. Diese positive Haltung der Eltern spüren die Kinder und werden in ihrem eigenen Vertrauen bestärkt.
Bereits gemachte Erfahrungen mit kurzen Zeiten der Trennung von den Eltern, zum Beispiel während eine andere Vertrauensperson anwesend ist, helfen dem Kind ebenfalls, den Übergang in den Kindergarten leichter zu bewältigen. Positiv wirken sich außerdem Krabbelgruppenerfahrungen unter Anwesenheit der Mutter oder des Vaters aus, da das Kind dann bereits im geschützten Raum Erfahrungen mit anderen Kindern gleichen Alters sammeln konnte.
Die Eingewöhnung
Im Rahmen einer Studie des bayerischen Staatsinstituts für Frühpädagogik zum Thema "Übergang in den Kindergarten" wird empfohlen, "das Kennenlernen der Einrichtung möglichst früh und möglichst differenziert zu gestalten und während der Eingewöhnung den Eltern die Möglichkeit zu geben, für eine Weile beim Kind anwesend zu bleiben." Ursula Engelbert empfiehlt den Begleitpersonen der Kindergartenanfänger, in erster Linie viel Zeit und Ruhe mitzubringen. Mutter und Kind können beispielsweise bei Nachmittagsbesuchen in der Einrichtung ein wenig im Gruppenraum miteinander spielen und haben dabei die Möglichkeit, zwanglos ersten (Blick-)Kontakt zur künftigen Gruppe und der Erzieherin aufzunehmen. Die Mutter und/oder die Erzieherin kann dabei versuchen, langsam vielleicht auch ein anderes Kind in das Spiel mit einzubeziehen.
Hat das künftige Kindergartenkind etwas Vertrauen geschöpft, möglicherweise Interesse an einem Spiel, Materialien oder einem anderen Kind gefunden, so kann die Bezugsperson zum Beispiel in einem ersten Schritt dem Kind ankündigen, dass sie ein wenig draußen auf dem Flur wartet. Mit der Mutter im Hintergrund erhält das Kind so die Chance, behutsam die neue Umgebung ein wenig kennen zu lernen, sich immer wieder einmal rückzuversichern, ob die Mutter noch da ist und sich so ohne allzu großen Stress seiner meist erwachenden Neugier zu überlassen und die neue Erfahrung zu genießen. In vielen Fällen wird die Zeit der Abwesenheit der Mutter in Absprache mit dem Kind ganz langsam gesteigert, es kann aber durchaus auch erforderlich sein, dass die Bezugsperson während der ganzen Eingewöhnungszeit anwesend bleiben muss.
Wenn es ernst wird
Wenn der erste Kindergartentag dann wirklich naht, ist es sinnvoll, dem Kind im Vorfeld den Ablauf des Kindergartentags zu erklären. Zum Beispiel: "Ich bringe dich nach dem Frühstück hin. Dann gehe ich wieder nach Hause und du bleibst dort und spielst für eine Weile in der Gruppe. Und um 12 Uhr hole ich dich wieder ab."
Im Kindergarten angekommen, empfiehlt Ursula Engelbert eine kurze und herzliche Verabschiedung: "Es ist sinnvoll, die Trennung von dem Kind möglichst nicht allzu lange hinauszuzögern." Nicht in allen, aber doch in einigen Fällen, fällt es dem Kind trotz Eingewöhnung schwer, die Mutter oder den Vater nun gehen zu lassen und es weint. In diesem Fall hat die ehemalige Kindergartenleiterin die Erfahrung gemacht, dass es sich häufig nur um einen kurzen und lauten Protest angesichts des unmittelbaren Trennungsschmerzes handelt. In ihrer früheren Einrichtung wird in diesem Fall häufig mit den Eltern vereinbart, dass die Erzieherin die Mutter kurze Zeit später noch einmal anruft, um ihr mitzuteilen, ob sich das Kind beruhigt hat und wie es ihm nun geht. So können sich die Bezugspersonen vergewissern, dass es ihrem Kind gutgeht, und dass es möglicherweise bereits zufrieden begonnen hat zu spielen. Hilfreich für das Kind kann es sein, zu den ersten Kindergartenbesuchen einen geliebten Gegenstand - ein Kuscheltier oder ein Halstuch der Mutter – mitzubringen, um über diesen Gegenstand in der neuen und verunsichernden Situation gewissermaßen in Verbindung mit dem vertrauten und Sicherheit spendenden Zuhause zu bleiben.
Wenn es schwierig wird
Nicht immer hört der Kindergartenneuling nach kurzem Trennungsschmerz auf zu weinen. Wenn ein Kind beim Abschied sehr stark weint, ist es im Kindergarten St. Heinrich üblich, dieses Kind sehr genau anzusehen und einfühlsam die Gründe für seine größeren Schwierigkeiten zu erforschen.
Besonders schwierig kann es für das Kind zum Beispiel sein, wenn der Kindergarteneintritt mit anderen gewichtigen Familienereignissen zusammenfällt. Wenn just zu dieser Zeit ein jüngeres Geschwisterkind geboren wurde, fühlt sich das Kind nun möglicherweise vom Baby verdrängt und in den Kindergarten abgeschoben. Wenn möglich, sollte der Start in den Kindergarten daher nicht unmittelbar nach der Geburt eines Geschwisterchens erfolgen.
Auch familiäre Spannungen, zum Beispiel in der Partnerschaft der Eltern, erschweren den Kindergartenstart, da das Kind nicht weiß, was in der Zeit seiner Abwesenheit zu Hause passiert und so am liebsten ständig bei seinen Eltern bleiben und sich rückversichern möchte. Sollte dies der Fall sein, ist es hilfreich die Erzieher über die besondere Situation zu informieren, damit diese die Schwierigkeiten des Kindes besser einordnen und ihm unterstützend zur Seite stehen können.
Ein weiterer Faktor, der dem Kind den Abschied erschweren kann, sind mögliche Zweifel der Eltern. Zweifel, ob die Erzieherinnen gut zu ihrem Kind sind, Zweifel, ob ihr Kind bereits reif ist für den Kindergarten und Zweifel, ob man seinem Kind wirklich etwas Gutes tut, indem man es in einen Kindergarten schickt. In diesem Fall empfiehlt Ursula Engelbert, die Zweifel nicht zu unterdrücken, sondern das Gespräch mit der Erzieherin oder der Kindergartenleitung zu suchen. Im Gespräch können Eltern häufig Vertrauen schöpfen in die Kompetenz der Erzieher, in ihren guten Willen und in die Vorteile, die der Kindergarten trotz anfänglicher Probleme ihrem Kind bringen wird.
So kann es Eltern zum Beispiel helfen, sich bewusst zu machen, dass sie – besonders in einer Kleinfamilie – zu Hause keine Möglichkeit haben, das Kind mit einem kontinuierlichen Gruppenprozess zu konfrontieren. Dieser ist nötig für den Erwerb wichtiger sozialer Kompetenzen und für die Stärkung des Ich: Lernen, die eigenen Bedürfnisse zu artikulieren, mit Eigenheiten anderer Kinder umzugehen, Regeln für ein friedliches Miteinander zu vereinbaren, selber zu entscheiden, womit man sich beschäftigen will, den Umgang mit Konflikten erfahren, wie sich das eigene Verhalten auswirkt und welche Stellung man innerhalb der Gruppe hat.
Durch diese Stärkung ihres Ich werden Kinder offen für ihr direktes Umfeld und angeregt, Dinge zu hinterfragen, Neues auszuprobieren und angestrebte Ziele zu verfolgen. Misserfolge werden dabei nicht als Kränkung empfunden, sondern gehören zum Erproben dazu. Das Durchhaltevermögen wird gestärkt. Kontakte werden eigenständig geknüpft – Selbstvertrauen und Selbstwertgefühle werden gestärkt – alles Voraussetzungen, um Kinder offen für Lernerfahrungen zu machen. Sie erfahren, dass sie sich auch ohne Anwesenheit der Mutter woanders wohl fühlen können.
Mein Kind will nicht in die Kita und weint, was kann ich tun?
Hier im Video die Antwort des bekannten Erziehungsexperten Jan-Uwe Rogge:
Erster Tag geschafft
Nicht selten gelingt der erste Tag im Kindergarten dem kleinen Neuling gut und er und seine Eltern sind froh und stolz über den geglückten Start. Manche Kinder halten nicht von Anfang an die volle Zeit im Kindergarten durch, einige Kindergärten bieten dann an, die Mutter anzurufen und das Kind anfangs noch etwas früher abholen zu lassen. Mit den ersten Tagen ist jedoch der Übergang noch nicht bewältigt. "Der erste Tag ist nicht das alleinige Signal, oft kommt nach drei bis vier Wochen ein Durchhänger", berichtet Ursula Engelbert. Wenn Kinder dann plötzlich wieder weinen und morgens nicht in die Einrichtung gehen wollen, empfiehlt die Pädagogin, sich nicht auf Diskussionen einzulassen, sondern in einfachen und freundlichen Worten zu erklären, dass der Kindergarten jeden Tag besucht wird, wie beispielsweise die Schule. Ausnahmen sind natürlich möglich - zum Beispiel, wenn die Familie einen gemeinsamen Ausflug plant, eine Familienfeier ansteht etc.
Häufig kommt es vor, dass Kinder in der ersten Zeit nach dem Kindergarten müde und unausgeglichen sind, ein Zeichen für die vielen neuen Anforderungen, mit denen sie konfrontiert werden. Bleibt dies jedoch ein Dauerzustand, besteht möglicherweise eine Überforderungssituation, die im Gespräch mit der Erzieherin abgeklärt werden sollte.
Kinder profitieren vom Kindergarten, auch wenn ihnen der Übergang in die neue Lebensphase einiges abverlangt. Dieses Bewusstsein bei Eltern und Erziehern, gepaart mit einfühlsamem Verständnis für den Trennungsschmerz des Kindes sowie mit der Gewissheit, dass Neuanfänge hohe Anforderungen stellen, aber auch neue Erfahrungen und Chancen bergen, ist die Basis, damit der Start in den Kindergarten für das Kind zu einer bleibenden guten Erfahrung wird.
Übrigens: Eine Checkliste für Eltern, die einen qualitativ hochwertigen Kindergarten für Ihr Kind suchen, hat die Bertelsmann-Stiftung entwickelt: Sie ist zu finden unter www.kinder-frueher-foerdern.de