Ein Baby durch Samenspende
Ein Baby mit Hilfe eines unbekannten Samenspenders zu zeugen, ist für manche Paare der einzige Ausweg aus der Kinderlosigkeit. Wir erzählen die Geschichte einer Mutter und eines Vaters, die sich für eine Donogene Insemination entschieden haben und informieren, welche Voraussetzungen für ein Kind durch Samenspende gegeben sein müssen.
Eine fast ganz normale Familie

Seit mehr als 20 Jahren sind Regina und Harald* ein Paar. Als sie sich kennenlernten, war sie 17, er 23. Dass sie Kinder haben wollten, war irgendwann klar. Doch es konnten keine leiblichen Kinder sein. Harald leidet an einer schweren Erbkrankheit, die lebensbedrohlich sein kann. Diese schwere Bürde wollte er seinen Kinder nicht weitergeben. Also haben sie eine Adoption erwogen – und aus verschiedenen Gründen wieder verworfen. Bald darauf kam von Bekannten der Tipp zu einer Samenspende. Eine rettende Idee. Regina und Harald haben heute einen elf Jahre alten Sohn und eine achtjährige Tochter, entstanden mit dem Samen eines ihnen unbekannten Spenders.
Etwa 1.000 Kinder pro Jahr entstehen so
Nach Expertenschätzungen sind in Deutschland seit 1970 etwa 100.000 Kinder dank Donogener Insemination (DI) entstanden – durch das direkte Einbringen von Samenzellen eines Spenders in die Gebärmutter einer Frau. Jährlich kommen etwa 1.000 weitere Babys hinzu. Auch wenn verschiedene Gerichtsurteile über Verantwortlichkeiten von Spendern und das Recht der Kinder, ihre genetische Herkunft zu kennen, die Debatte darüber erneut angefacht haben. Und auch, wenn die DI kein einfacher Weg ist: Die Erfolgschance beträgt nur knapp 20 Prozent pro Insemination und sinkt mit steigendem Alter der Frau. Meist sind daher mehrere Versuche nötig.
Regina und Harald können ein Lied davon singen. Sie haben fast drei Jahre gebraucht, neun Fehlversuche erlitten und dazwischen etliche Pausen eingelegt, ehe Regina endlich schwanger wurde. Beim zehnten Mal hat Harald die Spritze abgedrückt. Ein kleiner Kunstgriff, um den Mann mit einzubeziehen und dem Paar ein wenig das Gefühl von gemeinsamer Zeugung zu geben. „Irgendwie wird es auf die Weise auch eine romantische Geschichte“, sagt Harald. Allerdings eine nicht ganz billige: Fast 6.000 Euro haben sie für die erste Zeugung aufgewendet. Beim zweiten Kind klappte es dann immerhin beim sechsten Mal, auch dabei hat Harald die Spritze ausgelöst. Befruchtung in einer Frauenarzt-Praxis.
Ähnlichkeit zu den leiblichen Eltern ist gewünscht
Den Spender ausgewählt hatte zuvor das Team der Samenbank. Neben medizinischen Kriterien wie der Blutgruppe wurde vor allem Wert darauf gelegt, dass auch das äußere Erscheinungsbild des Spenders zum Aussehen der Eltern passt und er ohne besondere körperliche Merkmale ist. Das ist heutzutage üblich. „Neben der ethnischen Herkunft wird auch eine Angleichung bei Augenfarbe, Haarfarbe, Körpergröße und Statur angestrebt“, sagt Professor Thomas Katzorke, Vorsitzender des bundesweiten Arbeitskreises Donogene Insemination. Der Mitte der 90er Jahre gegründete Verein hat – weil gesetzliche Regelungen fehlen – Richtlinien und Qualitätsstandards für Spendersamenbehandlungen erlassen. Demnach wird vor allem die Gesundheit der Spender gründlich gecheckt: Sie müssen viel höhere Standards erfüllen als natürliche Väter.
Keine übertragbaren Krankheiten
Die Männer dürfen nur zwischen 18 und 40 Jahre alt sein, ihre Spermaqualität muss höchsten Anforderungen genügen. Die Spender dürfen keiner Risikogruppe angehören, sie müssen in gutem körperlichem und seelischem Gesundheitszustand und frei von übertragbaren Krankheiten sein. Sie werden auf HIV, Hepatitis, Tripper, Chlamydien und andere Bakterien untersucht. Selbst ihre Familiengeschichte und schon gezeugte Kinder müssen mit Blick auf Erbkrankheiten und chronische Erkrankungen ohne Befund sein. Zu Ausschlussgründen zählen schwere Allergien, Stoffwechselstörungen, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Epilepsie, Diabetes, Asthma Atemlose Kinder: Asthma, Rheuma, Herzfehler und Psychosen. Und es gibt eine Obergrenze: Ein Spender sollte nicht mehr als zehn bis 15 Nachkommen haben. Die Samenspende wird von den rund einem Dutzend deutschen Samenbanken in flüssigem Stickstoff tiefgefroren, gelagert und auch versandt, bevor sie bei der Behandlung mit einem flexiblen Katheder eingeführt wird. Meist wird die Frau vorher hormonell auf eine mögliche Befruchtung eingestellt.
"ich hätte es nicht besser machen können"
Regina und Harald jedenfalls sind mit ihrem „Ergebnis“ sehr zufrieden. „Ich hätte es nicht besser machen können“, sagt Harald. „Unsere Kinder sind hübsch, sie sind gesund. Wie hätte ich das toppen sollen?“ Ein Gefühl, es seien Kuckuckskinder, habe er nie gehabt. „Wir ähneln uns in unserer Art viel zu sehr.“ So empfindet es auch Regina. „Ich sehe in den Kindern meinen Mann und mich. Niemand anderen.“ Ein glücklicher Umstand ist, dass Sohn und Tochter tatsächlich biologische Geschwister sind. Zunächst hatte man Regina und Harald noch erklärt, dass sie für das zweite Kind keinen Samen mehr vom selben Spender bekommen könnten, sie hätten sich zu spät dazu entschlossen. Doch diese Angabe hat die Samenbank später korrigiert.
Was die zukünftigen Eltern erfüllen und wissen sollten
Um allerdings überhaupt Spendersamen bekommen zu können, müssen auch die „Empfänger“-Eltern Bedingungen erfüllen. Sie sollen verheiratet sein oder in einer stabilen Beziehung leben. Die Unfruchtbarkeit des Mannes oder schwere Erbkrankheiten müssen erwiesen sein. Andere reproduktionsmedizinische Möglichkeiten sollten versucht werden, wenn sie nicht seelisch als zu eingreifend empfunden werden. Nicht zugelassen wird die Donogene Insemination, wenn medizinische Indikationen klar gegen eine Schwangerschaft an sich sprechen. Ein Arzt sollte auch Nein sagen, wenn erkennbar ist, dass die Frau in einer Art Ersatzmutterschaft das Kind nach der Geburt Dritten überlassen will oder wenn Lebensumstände wie Alkohol- oder Drogenmissbrauch, eine kriminelle Anamnese oder schwere psychische Erkrankung gegen die Wunschelternschaft sprechen.
6.000 Euro pro Versuch
Ganz billig ist die Donogene Insemination nicht: Um die 6.000 Euro muss ein Elternpaar pro Versuch einkalkulieren. Gut zwei Drittel davon sind für den Fremdsamen fällig, die nötigen Untersuchungen, Vorgespräche und der eigentliche Eingriff werden zusätzlich berechnet. Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht.
Der Spender bleibt ungbekannt
Auch wenn die Samenbanken seit 2007 genaue Daten über die Spender erheben und 30 Jahre speichern müssen – die Eltern erfahren sie nicht. Auch Regina und Harald wissen bis heute nicht, wer ihr Spender ist. Einzig die Kinder können nach seinem Namen und seinen Daten fragen, wenn sie 18 Jahre alt werden. Die Samenbank hat zugesichert, die Informationen zu speichern. Das muss sie auch: Das Oberlandesgericht Hamm hat im Mai bestätigt, dass eine Samenbank einem anonym gezeugten Kind den Namen des leiblichen Vaters nennen muss.
Dass die Kinder von Regina und Harald von einem Spender abstammen, daraus haben ihre Eltern – anders als die Mehrheit der Paare – nie ein Geheimnis gemacht. Schon als ihre Kinder klein waren, haben Regina und Harald manchmal erwähnt, dass Mama und Papa ärztliche Hilfe benötigten, um Kinder zu bekommen. Je älter der Junge und das Mädchen werden, umso mehr verstehen sie, wie sie tatsächlich entstanden sind. „Das ist denen bisher total egal, sie gehen sehr entspannt damit um“, erzählt Regina. „Und ich glaube auch nicht, dass man es vor ihnen geheim halten kann.“ Zweimal im Jahr fahren fährt sogar die ganze Familie zu Treffen von DI-Familien.
Rechtliche Lage ist nicht immer klar
Rechtlich eindeutig gesichert sind die Samenspende und ihre Folgen für Eltern, Kindern und Spender bis heute jedoch nicht – es gibt für viele Fragen keine klaren gesetzlichen Normen. In der Regel nehmen die Eltern in einer notariellen Bestätigung die Elternschaft an und schließen so Vaterschaftsstreitigkeiten aus. Doch theoretisch könnten sogar Kinder Unterhalt ihres leiblichen Vaters einfordern, wenn es ihnen gelingt, die soziale Vaterschaft erfolgreich anzufechten. In der Praxis ist das noch nie passiert.
Auch fehlen bis heute eindeutige juristische Aussagen zur Samenspende an Single-Frauen und lesbische Paare. Verboten sind sie nicht. Doch die Ärzte und Samenbanken agieren sehr unterschiedlich. Lange Zeit galt die Samenspende unter Ärzten sogar als standes- und sittenwidrig. Erst der Deutsche Ärztetag 1970 und der Deutsche Juristentag 1986 entschieden sich mehrheitlich für eine Akzeptanz der international längst anerkannten Behandlungsmethode. Für Furore sorgten zuletzt verschiedene Urteile. Der Bundesgerichtshof hatte im Mai entschieden, dass ein Samenspender generell sogar das Recht hat, die Vaterschaft eines anderen Mannes anzufechten. In dem Fall ging es jedoch um lesbische Mütter, die einen anderen Mann als sozialen Vater ausgesucht hatten.
Paare mit Spendersamenkindern sind besonders glücklich
Für Regina, Harald und ihre Kinder sind solche Fragen bisher ohne Belang. Die Vier führen ein harmonisches Familienleben. Das ist kein Zufall. Spendersamenkinder sind wirklich gewollte Kinder, entstanden aus einer sehr bewussten Entscheidung – nicht etwa nebenbei oder aus Versehen. Studien haben das bestätigt. „In deutschen Nachuntersuchungen konnte bei befragten Paaren insgesamt ein hohes Maß an persönlichem Lebens- und Elternglück und familiären Geborgenheit festgestellt werden“, sagt Professor Katzorke, der das Essener Zentrum für Reproduktionsmedizin leitet. Kein Ehepaar habe die Entscheidung bereut, die Scheidungsraten seien mit zwei bis drei Prozent geringer als üblich, die Eltern-Kind-Beziehungen seien unauffällig. „Identitätskrisen oder psychogene Störungen beim Ehemann konnten nicht bestätigt werden“, so Katzorke.
Auch Harald stand immer zu der Entscheidung und hatte nie Probleme damit, die Kinder anzunehmen. „Ich habe die Schwierigkeiten mit in die Ehe gebracht und ich bin dankbar dafür, dass es eine Lösung gibt. Die kann ich jedem Betroffenen nur empfehlen.“
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