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Neue Messe

Kinderwunsch-Tage: Mehr Geschäft als Chance?

Eine Messe zum Thema Kinderwunsch in Berlin sorgt für Zündstoff. Mit „Rat von Experten“ und „zuverlässigen Informationen“ werben die Veranstalter. „Riskant für die Ratsuchenden“, warnt hingegen der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) vor den „Kinderwunsch-Tagen“.

Autor: Petra Fleckenstein

Informationen zu Leihmutterschaft und Eizellenspende

Kinderwunsch-Messe-Teaser
Foto: © Colourbox

In einer Pressemitteilung betonte der Berliner Landesverband des BVF, dass er die für den 18. und 19. Februar in Berlin geplante Veranstaltung ausdrücklich nicht unterstützt. Bei der Messe geht es um Maßnahmen der Kinderwunschbehandlung und der künstlichen Befruchtung bis hin zu sehr aufwändigen und teuren Methoden. Aussteller kommen aus dem In- und Ausland, und dort sind andere Maßnahmen zur Erfüllung des Kinderwunschs erlaubt als hierzulande. So wird im Rahmen der Messe auch über Verfahren wie Leihmutterschaft und Eizellenspende informiert werden, die in Deutschland verboten sind. Grund genug, um im Vorfeld auch ein Verbot der schon jetzt umstrittenen Veranstaltung zu prüfen. Die Berliner Gesundheitsverwaltung sah aber keine rechtliche Handhabe, um die Messe, die durch vielerlei Vorträge ihren wissenschaftlichen und informativen Charakter betont, zu verbieten.

Unhaltbare Versprechen

Der Ärzteverband zweifelt jedoch am rein informativen Charakter der Messe und vermutet, die Aussteller versuchten im direkten Kontakt Kunden für ihre Behandlungszentren zu gewinnen. Und hier liege das Risiko: „Es ist allerdings aus Sicht des Berufsverbandes der Frauenärzte nicht zuverlässig sichergestellt, dass bei allen Ausstellern die Gesundheit der behandelten Paare immer an oberster Stelle steht und Vorrang vor finanziellen Erwägungen hat, bzw. dass Paaren keine unhaltbaren Versprechen gemacht und unsinnige finanzielle Belastungen vermieden werden."

Tatsächlich treffen die Veranstalter aus England aber wahrscheinlich auch ein Bedürfnis vieler Kinderwunsch-Paare, deren Wünsche in Deutschland – etwa durch das Verbot der Eizellenspende - nicht zu erfüllen sind. URBIA hat bei Dr. med. Matthias Bloechle, dem Berliner Landesvorsitzenden des Berufsverbandes der Frauenärzte, nachgehakt.

Fünfstellige Summen

Aus Sicht von Kinderwunschpaaren gesehen: Kann es nicht auch eine Chance und sehr spannend sein, sich über Methoden von Kinderwunschbehandlungen aus erster Hand zu informieren?

Bloechle: Ja, auf jeden Fall kann das spannend sein. Wenn ein Paar aber mit der klassischen Methode, Kinder zu zeugen, keinen Erfolg hat, gibt es eine sehr lange Kaskade von möglichen Problemen, die nach und nach ärztlich abgeklärt werden müssen; anschließend gibt es dann auch angemessen an die jeweiligen Befunde eine Vielzahl von Methoden, zu einer erfolgreichen Schwangerschaft und Geburt zu kommen, von der Gewinnung der Ei- und Samenzellen über eine erfolgreiche Befruchtung, die Auswahl eines geeigneten Embryos, Methoden der Konservierung bis zur Einpflanzung in die Gebärmutter. Manche dieser Methoden sind in Studien zunächst erfolgreich, halten dann aber im Praxistest nicht, was sie versprochen haben, sondern stellen dann nur eine zusätzliche finanzielle Belastung für das Paar dar; das kann alles zusammen leicht fünfstellige Summen verschlingen. Man kann deshalb nicht gleich beim ersten Mal das ganze mögliche Programm abrufen, sondern muss sich gemeinsam Schritt für Schritt vorarbeiten. Das bedeutet auch oft viele Termine, viele Beratungen. Eine Messe, bei der Kliniken ihre Möglichkeiten alle auf einmal präsentieren, ist hier nicht hilfreich.

Eizellenspende gesundheitlich riskant

Stichwort Kommerzialisierung: Besteht diese Gefahr (und damit die Gefahr einer nicht zweckfreien Beratung) nicht auch bei hiesigen Kinderwunsch-Zentren?

Bloechle: Eine Berechnung ärztlicher Leistungen ist an sich nichts Negatives. Für uns in Deutschland gehört es aber zu den wichtigen ärztlichen Pflichten, über Risiken, Nebenwirkungen und Alternativen aufzuklären. In anderen Ländern wird das nicht so hoch bewertet. Wenn aber Patientinnen und Patienten Leistungen empfohlen werden, die gesundheitliche Risiken beinhalten, ohne dass darüber aufgeklärt wird, oder wenn ihnen Leistungen empfohlen werden, die zwar extrem kostspielig, aber nicht erfolgversprechend sind, dann ist das negativ zu beurteilen. Die Eizellspende - um nur ein Beispiel zu nennen - ist mit deutlichen gesundheitlichen Risiken für die Schwangere und das ungeborene Baby verbunden, und wenn eine Klinik im Ausland darüber nicht aufklärt, weil es ihr wichtiger ist, Kundinnen zu gewinnen, dann ist das nicht gut.

Zweitmeinungen – in Deutschland Leistung der Krankenkassen

Wie können Kinderwünschler denn sicher gehen und wohin können sie sich wenden, um umfassende und aktuelle Informationen abgekoppelt von kommerziellen Interessen zu erhalten?

Bloechle: In Kinderwunschzentren in Deutschland arbeiten hoch spezialisierte Frauenärzt/innen, Urolog/innen, Laborärzt/innen, Biolog/innen, auch Psycholog/innen und weitere Fachkräfte zusammen, um für jedes Paar mit Kinderwunsch die optimale Behandlung zu ermöglichen. Die Kinderwunschzentren ihrerseits sind miteinander vernetzt, stehen in ständigem Austausch, um ihre Methoden immer weiter zu verbessern und Maßnahmen, die sich nicht bewähren, wieder fallenzulassen. Die Paare werden ausführlich beraten und auch nach der Kinderwunschbehandlung weiterbetreut.

Dabei besteht in Deutschland das Recht, sich jederzeit und zu Lasten der Krankenkasse bei einem anderen Arzt oder einer anderen Institution eine Zweit- oder Drittmeinung einzuholen. Das ist sicher sinnvoller, als sich auf einer Messe den werbenden Ausstellern anzuvertrauen.