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Experte stellt klar

Kaiserschnitt nur im Notfall

Natürliche Geburt oder Kaiserschnitt? Der Frankfurter Geburtsmediziner, Prof. Dr. med. Frank Louwen, beantwortete diese Frage auf dem Gynäkologenkongress eindeutig: Kaiserschnitte bergen zu viele Risiken und Nachteile und kommen daher nur bei ernsthafter Gefahr für Mutter und Kind in Frage.

Autor: Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie

Problematisch ist der Kaiserschnitt vor allem NACH der Operation

Kaiserschnitt OP-Bild
Foto: © iStockfotophoto/ eldemir

Ein Kaiserschnitt scheint heutzutage ein sehr risikoarmer Eingriff zu sein - allerdings wurden die  Probleme, die nach der Operation bei Mutter und Neugeborenem auftreten können, lange Zeit vernachlässigt. Dies betonte Prof. Dr. med. Frank Louwen, Frankfurt, auf dem 59. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) jetzt in München.

Der Kaiserschnitt ermöglicht eine rasche Entbindung, wenn eine vaginale Geburt wegen einer geburtsunmöglichen Lage des Kindes angezeigt oder mit einem hohen Verletzungsrisiko für das Kind verbunden ist, wenn bei der Mutter eine für die Geburt relevante Erkrankung vorliegt oder wenn unter der Geburt eintretende Komplikationen eine natürliche Geburt ausschließen.

In der Phase nach der Geburt treten bei Patientinnen mit einem Kaiserschnitt im Gegensatz zu Müttern nach einer natürlichen Geburt typische Probleme und auch gehäuft Komplikationen auf, so Prof. Frank Louwen, Leiter der Abteilung für Geburtsmedizin an der Universitätsfrauenklinik Frankfurt/Main und Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.

Typische Probleme der Mutter nach Kaiserschnitt

Da für einen Kaiserschnitt die Bauchdecke eröffnet werden muss, sind Schmerzen in der ersten Phase nach der Entbindung operationsbedingt. Da sich in der Schwangerschaft das Gerinnungssystem der Frau verändert, hat eine Wöchnerin auch nach einer natürlichen Geburt ein erhöhtes Risiko für gefährliche Gerinnungskomplikationen wie Thrombosen oder Lungenembolien. Das Risiko für diese schweren Erkrankungen ist nach einem Kaiserschnitt besonders erhöht. Die Sterblichkeitsrate einer gesunden Mutter ist gegenüber einer natürlichen Geburt nur noch um den Faktor 1,7 erhöht; die Wahrscheinlichkeiten für Thrombosen, Embolien, Blutungskomplikationen, anästhesiologische Komplikationen, aber auch für Gebärmutterentfernungen als letzte, lebensrettende Maßnahme bei geburtsbedingten Komplikationen ist jedoch nach Kaiserschnitt signifikant erhöht, wenn auch die Wahrscheinlichkeit für operationsbedingte Komplikationen in den letzten Jahrzehnten bedeutend gesunken ist.

Probleme des Neugeborenen nach Kaiserschnitt

Die Folgen eines Kaiserschnitts für das Neugeborene wurden lange Zeit vernachlässigt. Nicht selten entstand sogar der Eindruck, das Kind profitiere von einem Kaiserschnitt, so dass für die Mutter der Kaiserschnitt trotz der bekannten erhöhten mütterlichen Erkrankungen und Sterblichkeit als Alternative im Sinne des Neugeborenen diskutabel erschien. Neue Untersuchungen, insbesondere auch der nachbetreuenden Kinderärzte, haben verdeutlicht, dass bei einem Kaiserschnitt gegenüber einer natürlichen Geburt sowohl die Zahl der Kurzzeit- als auch die Langzeitfolgeerkrankungen der Neugeborenen erhöht ist. Nach einer Sectio sind Anpassungsstörungen und beatmungspflichtige Komplikationen deutlich erhöht. Die Komplikationsrate ist umso höher, je früher vor der 40. Schwangerschaftswoche der Kaiserschnitt durchgeführt wird. Der geplante Kaiserschnitt in der 38. Schwangerschaftswoche – wie er noch vor kurzem angeboten wurde – ist mit einer signifikant höheren Rate an Komplikationen des Neugeborenen verbunden, die sogar zu einer intensivmedizinischen Behandlung veranlassen, verglichen mit natürlichen Geburten oder mit einem Kaiserschnitt in der 40. Schwangerschaftswoche.

Auch das Wochenbett verläuft durch Kaiserschnitt problematischer

Im Wochenbett sind ebenfalls sowohl die Rückbildung der Gebärmutter als auch die Stillphase durch einen Kaiserschnitt gestört. Es werden mehr Medikamente benötigt, damit sich die Gebärmutter wieder zusammenzieht, auch Blutungskomplikationen treten gehäuft auf und die Schmerzen nach einem Kaiserschnitt müssen zudem medikamentös behandelt werden, auch weil Schmerzen die Ausschüttung des Hormons Oxytocin hemmen, das für das Stillen notwendig gebraucht wird. Wird ein Kaiserschnitt ohne natürlichen Geburtsbeginn durchgeführt, so steigt das Risiko eines primären Oxytocinmangels.

Kaiserschnitte beeinflussen auch das weitere Leben des Kindes 

Besonders bedeutsam sind aber die Ergebnisse von epidemiologischen Studien aus den vergangenen fünf Jahren. Sie verdeutlichen, dass ein Kaiserschnitt auch Einfluss auf das weitere Leben des Neugeborenen und insbesondere auf immunitätsbedingte Erkrankungen hat. Kinder nach Kaiserschnitt scheinen deutlich häufiger an Asthma, Allergien, Diabetes mellitus und Zöliakie (Überempfindlichkeit auf Weizenbestandteile in der Nahrung) zu erkranken. Der genaue Mechanismus dieser erhöhten Erkrankungswahrscheinlichkeit im Jugendalter ist noch nicht aufgeklärt, dennoch haben diese Befunde direkte Konsequenzen für die Aufklärung von Patientinnen insbesondere bei Wunsch nach einem Kaiserschnitt ohne medizinische Indikation.

Risiken für Folgeschwangerschaften

Besondere Bedeutung kommt aber dem Risiko für alle folgenden Schwangerschaften zu, das aus einem Kaiserschnitt resultiert. Dementsprechend ist von einem Kaiserschnitt ohne medizinische Indikation dringend abzuraten, wenn weiterer Kinderwunsch besteht, so Prof. Frank Louwen. Ein voraus gegangener Kaiserschnitt birgt nicht nur das Risiko, dass Verletzungen aus der Gebärmutternarbe bei Folgeschwangerschaften entstehen könnten. Wesentlich bedeutsamer für das mütterliche Erkrankungs- und Sterberisiko sind die sogenannten Plazentationsstörungen. Darunter wird sowohl der „falsche Sitz" vom Mutterkuchen direkt vor dem Muttermund verstanden, die sogenannte Plazenta prävia. Direkt mit der Anzahl vorausgegangener Kaiserschnitte sind auch Mutterkuchenkomplikationen verbunden, die durch ein tiefes Einwachsen des Mutterkuchens in die Gebärmutterwand entstehen (Plazenta accreta/increta). Häufig kann hier nur die Gebärmutterentfernung lebensrettend für die Mutter sein; selbst bei optimalen Bedingungen kommt es bei diesen operativen Eingriffe immer wieder zu Todesfällen.

Auch sind Folge-Kaiserschnitte mein häufiges Phänomen. Unter optimalen Bedingungen können aber auch nach einem vorangegangen Kaiserschnitt durch eine vaginale Entbindung die Folgekomplikationen häufig reduziert werden.

Kaiserschnitt nur bei Gefahr für Mutter und Kind

Ein Kaiserschnitt ist immer dann eine gute und geeignete Geburtsmethode, wenn die Gesundheit von Mutter und Kind durch eine natürliche Entbindung gefährdet ist, etwa bei einer Plazenta praevia. Dabei ist die operative Methode des Kaiserschnittes insbesondere unter regionale Schmerzausschaltung (PDA, Spinalanästhesie) mit geringer mütterlicher direkter Komplikationsrate im Vergleich zu früheren Jahrzehnten verbunden. 

Wenn eine Schwangere ohne eine medizinische Indikation einen Kaiserschnitt wünscht, zum Beispiel weil sie Angst vor den Geburtsschmerzen hat, dann sollte sie wissen, dass der Eingriff selbst zwar in der Klinik sicher durchgeführt werden kann. Aber sie muss auch wissen, dass sie damit Risiken für das Kind sowohl direkt nach der Geburt als auch für das spätere Leben, für sich selbst und für weitere Schwangerschaften in Kauf nimmt. Die Aufklärung der werdenden Mütter muss diese Erkenntnisse berücksichtigen.