Schwangerschaft: Erst-Trimester-Screening
Eine erweiterte Ultraschalluntersuchung zwischen der 11. und der 14. Schwangerschaftswoche kann nach Ansicht von Experten bereits zu dieser frühen Zeit Aufschluss über Missbildungen geben.
Erst-Trimester-Screening: Erweiterter Ultraschall

Die Schwangerschaft als Zeit des Hoffens und Wartens und der Freude hat immer auch eine Kehrseite: Monatelange Ungewissheit, ob das Kind gesund zur Welt kommt. Seit einiger Zeit haben die Mediziner eine Möglichkeit mehr, das Risiko schwerer angeborener Fehlbildungen abzuschätzen: das First-Trimester-Screening. Das bedeutet, dass im ersten Drittel (First-Trimester) der Schwangerschaft eine vergleichsweise kostengünstige, aussagekräftige und für alle Frauen zugängliche Analyse (Screening) unternommen wird. Diese Ultraschalluntersuchung in der 11. bis 14. Schwangerschaftswoche geht weit hinaus über die schon seit langem für diesen Zeitraum obligatorische Ultraschalluntersuchung, bei der lediglich festgestellt werden kann, ob das Kind lebt, die erforderliche Größe hat und eventuell grobe Missbildungen aufweist.
"Das First-Trimester-Screening hat - und das zu solch einem frühen Zeitpunkt - wesentlich mehr Aussagekraft", so Prof. Dr. Renaldo Faber, Leiter der Abteilung für Pränatal- und Geburtsmedizin an der Frauenklinik der Universität Leipzig. "Es ermöglicht eine etwa 80-prozentige Risikoabschätzung hinsichtlich des Down-Syndroms, (Trisomie 21) und aller anderen häufigen Chromosomen-Anomalien, wie zum Beispiel Trisomie 18, Trisomie 13 oder dem Turner-Syndrom. Weniger einschneidende Veränderungen des Erbmaterials erkennen wir mit etwas geringerer Wahrscheinlichkeit." Eine mögliche Blutuntersuchung erhöht die Wahrscheinlichkeit dieser Risikofeststellung um weitere zehn Prozent. Auch Mehrlingsschwangerschaften lassen sich bei dieser Untersuchung sehr früh prognostisch einschätzen. Außerdem kann der erfahrene Arzt am fünf bis acht Millimeter winzigen Herzen, an Zwerchfell, Nieren, Rückenmark oder Extremitäten schwere angeborene Fehlbildungen entdecken beziehungsweise ausschließen. Sind Fehlbildungen zu befürchten, werden alle invasiven Techniken wie Plazentapunktion (Chorionzotten-Biopsie), Fruchtwasserpunktion (Amniozentese) und Nabelschnurpunktion (Kordozentese) zur Gewinnung von kindlichen (fetalen) Zellen beziehungsweise Geweben durchgeführt.
Ersttrimester-Screening: Was wird untersucht?
Die Kosten trägt die Schwangere
Wenn sich eine Schwangere aus eigenen Überlegungen heraus zum First-Trimester-Screening entschließt, muss sie allerdings zuerst einmal in ihre private Tasche greifen. Die Ultraschalluntersuchung beispielsweise kostet zwischen 100 und 150 Euro. Die Krankenkassen springen erst wieder ein, wenn Fehlbildungen nachweisbar sind.
"Sicherlich ist es eine ethische Frage, wie ich mit dem Wissen um die Fehlbildungen meines Ungeborenen umgehe", so Prof. Faber. "Aber 95 Prozent der Frauen, die mit der dramatischen Nachricht einer Erbmaterialstörung konfrontiert werden, brechen die Schwangerschaft ab. Diese Chance sollte man den Betroffenen einräumen, ihnen aber bei dieser schweren Entscheidung helfen, indem man möglichst umfassende Informationen über die Wahrscheinlichkeit und die Ausmaße der zu erwartenden Krankheit liefert." Doch auch Frauen, die von vornherein entschlossen sind, jedes Ungeborene auszutragen, nutzen dieses Angebot, weil ihnen in der Mehrzahl der Fälle die immer vorhandene Sorge genommen werden kann.
Aufschluss gibt vor allem die Nackentransparenz
Was genau könnten Prof. Faber und seine Kollegen bei einem gerade mal 45 bis 84 Millimeter großen Fötus entdecken? Und wie wird das Risiko berechnet? "Es ist vor allem die Nackentransparenz, die mit dem Ultraschall gemessen wird. Ist diese Wasseransammlung im Rückenbereich größer als 2,5 Millimeter, steigt die Gefahr von Missbildungen", so Faber. "Der Wert geht ein in eine komplizierte Risikoberechnung. Neben der Nackentransparenz spielt da das Alter der Frau eine Rolle und das Auftreten von Erbkrankheiten in ihrer Familie. Waren Alter und familiäre Erbbelastung früher die einzigen greifbaren Risiken beim Down-Syndrom, so sind sie jetzt also nur noch Kriterien, die wir in die Gesamtaussage einbeziehen können." Das heißt die strenge, allein von der Statistik dirigierte Regel, nach der sich Frauen über 35 zur Fruchtwasserpunktion entschließen sollten, wird dadurch überflüssig. Immerhin werden beispielsweise rund 70 Prozent aller Kinder mit Down-Syndrom von Frauen unterhalb dieser Altersgrenze geboren, also von Frauen, denen früher nicht automatisch spezielle Tests angeboten worden wären.
Völlig neu in der Medizin ist das System, dass ein Experte wie Prof. Dr. Renaldo Faber im mitteldeutschen Raum dafür verantwortlich zeichnet, alle Ärzte, die eine bestimmte Untersuchung durchführen, regelmäßig zu schulen. "Nur wer sich während der jährlichen Wiederauffrischungskurse an der Universität Leipzig oder entsprechenden anderen Einrichtungen mit den aktuellsten Entwicklungen befasst," so Faber, "darf diese Methode anwenden und vor allem gegenüber den Schwangeren verbindliche Aussagen treffen." (idw)