Todesstrafe, Folter, Selbstjustiz...

Hallo Urbia-Leute!

Vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen. Ich bin ja oft bei Facebook unterwegs und in letzter Zeit sehe ich da gehäuft Seiten, die zb Todesstrafe für einen bestimmten Tierquäler fordern oder "dieser Junge hat einen Kinderschänder getötet - Like, wenn du es gut findest". Ich bin da immer etwas sprachlos. Klar, Gewalt ist scheiße, egal in welcher Form, aber ich begreife es einfach nicht, wie man für "Auge um Auge, Zahn um Zahn" oder Selbstjustiz sein kann. Es ist erschreckend, wie viele tausend Likes entsprechende Seiten haben...und die Kommentare sind noch erschreckender. Da werden Gewaltfantastien geäußert, was man mit diesem Kerl machen würde, und dazu aufgerufen, ihn zu suchen. Ist es bald so weit, dass wir wieder Mistgabeln und Fackeln in die Hand nehmen und losziehen?

Vielleicht kann mir einer von euch erklären, wie es zu solchen Aktionen kommt. Vielleicht ist jemand hier, der auch so denkt und sich erklären kann. Versteht mich nicht falsch, ich finde es auch furchtbar, wie der Hund geschlagen wird (aktuelles Thema) und auch mir ist es nicht begreiflich, wie man Kinder missbrauchen kann; ich finde es auch total absurd, dass eine Vergewaltigung milder bestraft wird als Steuerhinterziehung. Allerdings möchte ich nicht in einem Land leben, in dem gefoltert wird oder die Todesstrafe verhängt wird. Mir macht das Angst.

Ich hoffe immer, dass es die (vermeintliche) Anonymität im Netz ist, die dazu führt, dass Leute solche Dinge von sich geben, und dass sie in Wirklichkeit nicht dafür sind. Allerdings habe ich dann den Fall vor Augen von dem jungen Mann, der tatverdächtig war und dann durch einen Facebook-Aufruf verfolgt wurde - er war unschuldig... aber die Masse hat nicht hinterfragt, sie hat gehandelt. Auch wird nicht bedacht, dass manche Leute krank sind und eher Hilfe bräuchten. Da heißt es dann "andere haben auch schlimmes erlebt und sind keine Gewalttäter". Aber stellt man sich nicht mit besagten "kranken Schweinen" auf eine Stufe, wenn man sie foltern und töten will?

Wie kann sowas sein? Wodurch entsteht dieses Denken? Ist das durch die milden Strafen oder persönliche Betroffenheit? War das schon immer so und man hat es nur nicht so gemerkt oder ist es eine Entwicklung?

Ich hoffe auf einen freundlichen Gedankenaustausch. Wer bei solchen Seiten mal schreibt, dass er es nicht okay findet, wird angefeindet und beschimpft, dass man auch "so einer" wäre. Das ist lächerlich. Vielen Dank für eure Antworten schon mal!

Liebe Grüße, Truly

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Wie es zu solchen Äußerungen kommt?

Ganz einfach. Das Ebdürfnis nach "Auge um Auge, Zahn um Zahn" ist im Menschen angelegt. Schau dir Kinder an. Der eine schlägt mit der Schippe zu, der andere zimmert zurück.
Eine normale Reaktion die aber im Rahmen einer zivilisierten Gesellschaft eingeschränkt werden muss.

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hallo,

da werden die primitiven ur-instinkte des menschen geweckt. wir sind ja schließlich, wenn man die menschheitsgeschichte anschaut, eben erst zivilisiert worden. töten und foltern steckt im menschen drin--unsere angst vor strafe und unser charakter/intelligenz/seele halten uns davon ab gewisse dinge zu tun. aber der eine hat z.b. kein problem damit, einer taube den hals umzudrehen, während der andere buchstäblich keiner fliege etwas zu leide tun kann. schwieriges und ,im hinblick auf kinderschänder, hochemotionales thema!

lg

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Natürlich, hochemotional, ohne Frage. Und die meisten Leute lieben Kinder und Tiere und fragen sich, wie man diesen schutzlosen Wesen sowas antun kann. Verstehe ich. Dass man höhere, härtere Strafen fordert, verstehe ich auch. Dass man aber schriftlich rumschreit und Todesstrafe und Folter fordert, DAS verstehe ich einfach nicht. Ich finde es viel zu ungewiss, vielleicht erwischt es den falschen? Klar, gestohlene Jahre im Gefängnis bekommt man auch nicht zurück...aber einen abgehackten Arm oder Penis erst recht nicht. Außerdem denke ich, dass viele Täter ja auch irgendwie krank sind...ich bin da auch nicht für Kuscheltherapie, aber helfen sollte man den Leuten trotzdem. Und insgesamt finde ich solche Gedanken einfach krass, finde gar keine Worte dafür. Auch nicht kranke, definitiv schuldige Menschen möchte ich nicht verstümmeln oder umbringen.

Leider äußert sich bisher niemand, der für Todesstrafe etc ist. Vielleicht könnte man mir mal unaufgeregt den Gedankengang erklären.

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Hallo,

Du machst Dir ganz schön viele Gedanken- nicht (ab)wertend gemeint, ich schätze das prinzipiell sehr.

Gestern unterhielten wir uns zu Hause darüber, ausschlaggebend dafür war mein vorhergehender Traum. Ich träumte, dass meine Tochter schon etwas älter war und mir unter Tränen erklärte man habe ihr weh getan. Sie zeigte mir ihre blauen Beine und sah schwer misshandelt aus. Ich liess meine Tochter bei meiner Mutter zurück, rief meinen Mann an, er solle sofort nach Hause kommen und fuhr los. Ich stürmte das Haus vom "Täter" er aß gerade mit seiner Frau zu Abend. Ich verriegelte die Tür und steckte den Schlüssel ein. Ich hatte ein Messer dabei, setze mich an den Tisch und forderte ihn auf mir ganz genau zu erklären was er getan habe- nach mehrfachem auffordern und den ersten Androhungen meinerseits tat er es. Er hatte meine Tochter missbraucht. Ich erklärte seelenruhig das ich mich nicht strafbar machen werde, meine Tochter brauche mich, ich forderte ihn dazu auf seine Taten in einem Brief niederzuschreiben und sich anschliessen das Leben zu nehmen...#schock

GRU-SE-LIG! Ich bin überhaupt kein gewaltbereiter Mensch. Dieser Traum hat mir echt zu schaffen gemacht. Auslöser war, dass besagtes Familienmitglied am Tage vor meinem Traum mit meiner Tochter in Kontakt war und zB im Spiel einen Ball in ihren Body steckte und lustig verkündete sie habe Busen. Auf die Frage wie alt die Tochter des Bruders inzwischen wäre kam "13, sie trägt auch schon einen BH!" und ich merkte in der Situation, wie befremdlich ich die Reaktionen und Antworten fand. Wahrscheinlich waren sie gar nicht so gemeint, aber in mir hat das starkes Unwohlsein ausgelöst.

Prinzipiell bin ich dagegen Gleiches mit Gleichem zu vergelten, würde es allerdings meine Tochter betreffen, könnte ich tatsächlich für nichts garantieren. Zum Teil aus emotionalen Gründen, aber auch aus mangelndem Vertrauen auf die deutsche Justiz!

Viele Grüsse !

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Wenn man persönlich involviert ist, sehe ich das anders...ich kann verstehen, dass Eltern, deren Kinder missbraucht worden, nach Rache sinnen. Das ist für mich etwas völlig anderes.

Dieses kollektive Rumbrüllen via Internet, der tobende Mob, das ist für mich nicht nachvollziehbar.

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Dieses schreckliche Video von diesem Trottel der seinen Hund schlägt habe ich gestern gesehen. Grausam. Ich fühle da immer so mit und hätte heulen können und mächtig sauer bin ich auch auf den! Ich würde da aber keinen Kommentar darunter setzen.

Meiner Meinung nach sind da alle super solidarisch. Ich frage mich wie diese Leute reagieren würden wenn sowas auf offener Straße passieren würden. Würde es wirklich Prügel hageln oder würden alle wegschauen?

Hinter dem Monitor sind ja alle stark und mitfühlend, würden ohne zu zögern jedem kleinen, schwachem, unschuldigen helfen. Nur den arsch in der Hose um rauszugehen und das umzusetzen hat keiner.
Deswegen nehme ich solche Kommentare nie ernst und lese das auch nicht durch.

Für mich zählt das was "draußen" passiert, wo ich helfen kann.
Viele haben wohl Polizei etc gerufen, der mann sitzt wohl und der Hund ist in Guten Händen. Diese Leute haben was getan und geholfen. Das ist toll!

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Schau dich doch um, wenn andere Hilfe brauchen. Ich bin den Dank samt Kind und Fahrrad gestürzt auf einem Bahnübergang. Ich bin in die Gleisen gekommen. Es hat mir NIEMAND geholfen. Ich musste zusehen, wie ich mein Fahrrad und mein weinendes Kleinkind von den Gleisen bekomme und noch auf vorbeifahrende Autos achten. Die Leute haben zwar geschaut und überlegt, aber als sie gesehen haben, dass ich noch "lebe", waren ihnen die 10 Meter zurück zu mir dann doch zu weit.

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Genau das meine ich! Das kann doch nicht sein! Gäbe es ein Video von eurem Unglück hättest du wohl schon tausende von "helfern" die dich rächen wollen!
Ich finde es so armselig das sich keiner mehr die finger schmutzig machen will und einfach mal mit "hinlangt" aber dann diese heuchlerisch Solidarität im Internet!

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Hallo,

die Menschen werden durch Gesetze und eine funktionierende Exekutive im Zaum gehalten. Existieren diese nicht mehr (z.b. wegen Naturkatastrophen, Kriege etc.) dann kannst du sehen, wie einfach die meisten Menschen gestrickt sind und durch was er im Grunde geleitet wird: durch seine Instinkte und Triebe.

vg, m.

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In Situationen, wo mein Leben oder das meiner Lieben in Gefahr ist, kann ich verstehen, dass sich jeder selbst der nächste ist und Solidarität zum Fremdwort wird. Auch wenn man persönlich betroffen ist und das eigene Kind oder das Haustier leidet, finde ich es nachvollziehbar, dass man dann ausrastet und selber Straftaten begeht. Aber diese Aufrufe bei Facebook, die sind für mich etwas anderes. Da sitzen Menschen vorm Bildschirm und steigern sich dermaßen in eine Wut rein, das finde ich erschreckend. Und das verstehe ich nicht. Ich finde es auch schlimm...bei mir im der Gegend ist vor drei Jahren ein Junge entführt, missbraucht und ermordet worden, das fand ich ganz furchtbar. Allerdings wäre ich nie auf die Idee gekommen, selber los zu ziehen und dem Täter etwas an zu tun, auch mein Freundeskreis sagte nichts dergleichen. Beim Bäcker hörte man dann aber doch die ein oder andere Hassparole und "kastrieren sollte man den" etc. Ich verstehe das einfach nicht.

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Ich denke, die meisten ärgern sich, daß es für die Täter immer so milde Strafen gibt.
Wären die Strafen wirklich etwas härter und die Gefängnisse hier nicht ein Erholungszentrum (überspitzt gesagt), wären die meisten wohl zufriedener mit der Strafe und würden wohl gar nicht auf so Todesstrafgedanken kommen.

Wobei ich mir allerdings auch nicht vorstellen kann, daß jemand nicht so denkt, dessen eigenes Kind missbrauch oder getötet wurde.

Grundsätzlich bin ich auch gegen Todesstrafe, nur bei einem war ich mir 100% sicher, daß ich dafür bin (auch wenn er jetzt tot ist): Osama bin Laden!

lg

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Ich hatte mal ein sehr intersantes Buch über die Entstehung der Todesstrafe gelesen.
Eine Aussage war, dass diese Form der Strafe auch eine Sündenbockfuntkion erfüllt.

Also derjenige der gehängt wurde, war der Sündenbock für sämtliche vergehen und die "Meute" fühlte sich besser!

Heute ist es wohl noch ähnlich.

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ich würde gerne ein paar worte zu dem - immer in solche einem Zusammehang zitierten- "auge um auge, zahn um zahn" sagen.
Die Bedeutung, die wir diesem Bibelzitat zuschreiben hat es nicht gehabt. Der Sinn war nämlich ein ganz andere und zwar der, den du hier beschreibst
eine zivilisierung von Racheakten.
es war der Versuch eines Rechtssystems, das genau gereglt hat,. welceh rache legitim war und daß damit dann auch ein ausgleich stattgefunden hat.
zuvor war es nämlich so, wie du hier befürchtest.
die tat eiens menschen wurde durch die rache meist getoppt, was seinen "clan" dazu brachte, dies wiederum zu rächen etc.

"ein auge um ein auge" war also der versuch wieder ein gleichgewicht herzustellen, daß durch eine tat aus den fugen geraten ist.
unser rechtssystem greift diesen gedanken auf, indem es z.b. schilchterstellen einrichtet, indem geschädigte als nebenkläger auftreten, indem es schmerzengeldzahlungen gibt oder "opfer- täter- aussähnungen"
es soll so versucht werden einen kleinen ausgliche zu schaffen.
vornehmlich aber beruht unser rechtssystem darauf, daß eine neutrale instanz und zwar die instanz des gewaltmonopols als einzige dafür zuständig ist, eine tat zu sanktionieren.
dies soll komplett emotionsfrei passieren und nicht von rachegelüsten geleitet sein

ein weiterer schritt in der zivilisation.

aber die schicht die uns trennt vom unzuvilisierten zustand mit den fakeln und mistgabeln i nder hand ist nur millimenterdick und wir dürfen uns nichts vormachen, sie ist immer instabil und nur durch ein für legitim erachtetes gewaltmonopol zu bändigen

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Hallo Truly. Tiefsinnige Frage. Auch schwer zu beantworten.

Generell: ich bin ein Gegner der Todesstrafe. Egal für welche Tat gerichtet wird.
Begründung: die Vollstreckung der Todesstrafe lässt sich nie wieder revidieren.

Auch die sog. "Volkes Stimme" ist wohl mit Abstand die schlechteste Stimme.
Der "Pöbel" ist immer gefährlich weil der Gruppenzwang dahinter steht.

Gerne gebe ich zu dass ich für nichts garantieren könnte, würde einer der Meinen Opfer einer Gewalttat werden. Dann hätte ich wohl andere Gedankengänge.

Hatte Glück gehabt, und musste diese Entscheidung nie fällen.

Im europäischen Rechtssystem sind nun mal Lynchen, Selbstjustiz usw. nicht vorgesehen. Und dass ist ebenso gut wie richtig

Ich lese hier immer wieder von "milden Strafen". Welche Strafe ist für das Opfer gerecht?
Welche für den Täter? Für Richter keine leichte Entscheidung.
Für Mord ist Lebenslang schon eher gerecht wie für Transporterschleichung eine Haftstrafe.
Zweifel hege ich daran, dass gerade im Jugendstrafrecht die sog. Resozialisierung Vorrang hat.

Ein Intensivtäter (mehr wie 10 Taten/Jahr) hat schon Strafe "verdient".

Schauen wir uns den Personalstand der Fachleute an.

Was soll/kann da resozialisiert werden? Bescheiden wenig.

Die Frage aller Fragen: was also ist zu tun? Ich weiß es auch nicht.

War evt. vieles am Thema vorbei und ich könnte noch viele Seiten mit meiner Meinung füllen. Belasse es aber.

FG acentejo