Warum sind heute so viele Kinder und Jugendliche psychisch krank?

Ich arbeite seit 15 Jahren mit Kindern und Jugendlichen in einer psychiatrischen Klinik als Therapeutin.
Und mir fällt auf, dass obwohl heute Eltern so gut informiert sind wie nie zuvor und alles richtig machen wollen, das Ergebnis so schlecht ist wie noch nie.
Es gab noch nie so viele psychisch instabile Kinder wie jetzt.
Mal selbstkritisch hinterfragen was falsch läuft das können aber die wenigsten Eltern.
Die meisten sind überzeugt alles richtig gemacht zu haben und sind sicher, dass die Verfassung ihrer Kinder nichts mit ihnen zu tun hat.
Sie haben ja Bedürfnisorientierung als oberste Prio in der Erziehung und daher kann nur alles richtig sein.
Ich höre hier meist ähnliche Geschichten.
Die Kinder wurden getragen, gestillt so lange das Kind wollte, einschlafbegleitet bis ins Schulalter, durften selbst entscheiden wann sie was essen , schlafen seit Geburt bei den Eltern im Bett, werden unterstützt bei Hobbies und Schule und wurden in ihren Gefühlen stets validiert und ernst genommen.
Diese Kinder sind aber trotzdem wenig resilient, haben kaum Frustrationstoleranz, sind nicht selbstwirksam und insgesamt schnell überfordert und können mit Leistungsanforderungen gar nicht umgehen , die Bereitschaft sich anzustrengen ist entsprechend nicht vorhanden.
Mir stellt sich daher die Frage ,was machen heutige Eltern ,die glauben alles so viel besser zu machen als ihre Eltern , denn tatsächlich so viel besser?
Es gab noch nie so viele Kinder mit Depressionen, Störungen in der sozialen Entwicklung ,sozialen Ängsten, Leistungsverweigerungshaltung und völliger Orientierungslosigkeit wie in den letzten 5 bis 10 Jahren.
Liegt es vielleicht daran dass die Kleinfamilie den Kindern schadet?
Dass Eltern ihre Kinder wie ihr Eigentum betrachten und keine Unterstützung von der Familie wollen oder haben ?
Oft höre ich, dass der Kontakt zu den Großeltern nicht vorhanden ist und Eltern nur auf sich gestellt sind und keinen Input von aussen zulassen bzw bekommen.
Nur sie sind fürs Kind zuständig und kochen im eigenen Saft ohne dass ihr Verhalten korrigiert wird oder werden darf.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass oftmals die Eltern selbst ihren Kindern schaden , das aber überhaupt nicht sehen können und wollen.
Es macht mich hilflos zu sehen, wie viele Eltern heute offenbar versagen, obwohl sie meinen es so viel besser zu machen als ihre Eltern und die leider auch nicht zu Selbstkritik in der Lage sind.
Spricht man das Thema an, dass sie selbst etwas mit der Verfassung der Kinder zu tun haben, reagieren Eltern oft verständnislos oder weisen das komplett von sich....im Sinne der Kinder ist das sehr kontraproduktiv.
Habt ihr euch mal damit befasst, ob die heutige Erziehung, Lebensweise und Sichtweise nicht auch gravierende Mängel haben könnte?

Bearbeitet von Inaktiv
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"Ich arbeite seit 15 Jahren mit Kindern und Jugendlichen in einer psychiatrischen Klinik als Therapeutin."

Hm, ist das so? Dann verstehe ich den Rest deines Textes nicht wirklich, denn der klingt extrem laienhaft und halt nach den typischen Phrasen der heutigen Zeit.

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Seh ich nicht so!
Sie hat absolut recht und dies sehe ich an unserem 5 Kindern die sehr liebevoll aber mit Regeln groß geworden sind und VIEL Zeit mit BEIDEN Eltern verbracht haben und nicht nur wegorganisiert wurden.
Es sind 5 gesunde Erwachsene Menschen.

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Hallo,

VIEL Zeit verbringen wir BEIDE in der Arbeit. Das was übrig bleibt, gerne großzügig mit den Kindern.
Ich fühle mich irgendwie angesprochen und zu unrecht „verurteilt“. Viel lieber würde ich mehr Zeit mit den Kindern verbringen aber so lange wir nicht einen Lotteriegewinn machen wird das nichts mehr.
Die Großeltern wären gerne willkommen, sehnen sich aber nach 40 Jahren Arbeit eher nach Dauerurlaub.

Man möchte alles richtig machen, und trotzdem kann und wird nicht alles perfekt laufen.

Lg

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Letzte 5 Jahre.. Ich denke corona hat da auch viel zu beigetragen

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ja, genau. Das ist auch mit Studien bereits gut belegt und gerade Kinder- Und Jugendlichentherapeuten haben wiederholt darauf hingewiesen. Macht ja auch intuitiv Sinn, denn die erzwungene Isolation ist gerade für Kinder und Jugendliche für die kontakt mit Gleichaltrigen essenziell für eine stabile Entwicklung ist, einfach nur schädlich.
--Dass TE als Therapeutin das nicht wissen sollte, ist kaum nachvollziehbar.

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"--Dass TE als Therapeutin das nicht wissen sollte, ist kaum nachvollziehbar."

Genau mein Gedanke...

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Grade im Bezug auf Frustrationstoleranz und co denke ich, dass es einfach viele Eltern mit "Bedürfnisorientiert erziehen" zu gut meinen. Kinder brauchen Grenzen, das ist nunmal auch ein sehr wichtiges Bedürfnis. Und man muss kleinen Kindern auch schon die Möglichkeit geben Fehler zu machen. Wenn etwas nicht klappt und Mama oder Papa immer sofort parat stehen und helfen, dann lernt ein Kind nicht mit Frust umzugehen. Außerdem glaube ich, dass es die Gesellschaft den Eltern heutzutage nicht leicht macht. Das Kind wirft sich brüllend im Supermarkt auf den Boden weil es etwas nicht darf? Dann stehen sofort viele Leute parat um zu "gaffen" oder haben kluge Ratschläge. Entweder ist das Kind gaaaanz Arm dran weil die Mama sooo gemein ist zu ihm oder man wird verurteilt, dass man sowas dem Kind durchgehen lässt. Vielen Eltern ist das einfach so unangenehm, dass sie dann doch nachgeben und dem Kind das kaufen was es haben will.
Im Internet bekommt man so viele verschiedene Tipps und Tricks von angeblichen Erziehungsexperten, dass die Eltern nicht mehr wissen wo oben und unten ist. Man vergleicht sich miteinander und versucht immer die beste Mutter oder der beste Vater zu sein und natürlich das "beste Kind" zu haben. Zb ist ein einfacher Realschulabschluss mit einer guten Ausbildung heutzutage nichts mehr wert. Es MUSS unbedingt Abitur sein und am besten noch gleich ein Studium hinterher. Das übt einfach unfassbar viel Druck auf die Kinder aus.

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Da du als Therapeutin arbeitest, kannst du evtl bestätigen, dass in den letzten Jahren der Hang zur Überdiagnostik vorherrscht. Unsere kjp Ambulanz wird momentan überflutet von ASS Diagnostik, weil die Kids Auffälligkeiten zeigen in der Kita etc. Gleiches ist auch bei Adhs zu beobachten.

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War denn früher alles besser?

Ich denke an die Aussagen meiner Schwiegermutter, dass man Babys früher schreien lassen hat und im Auto geraucht hat und das alles nicht geschadet hat.
Früher war das wohl Gang und gebe. Sie ist kein Einzelfall.

Ich könnte noch weiter machen...
Mein Vater der mit dem Gürtel geschlagen worden ist wegen Nichtigkeiten. Soetwas Habe ich auch öfter gehört.

Mein Vater hat noch heute mit den seelischen Narben zu kämpfen.

Ich bin nicht sicher ob die Methoden früher besser waren.

Vielleicht ist weder der eine Weg noch der heutige richtig?

Aber wie besser machen?

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Und zwischen diesen Aufzählungen und Wohlstandsverwahrlosung gibt es einen gesunden Mittelweg.
Ich finde schon die jungen Mütter heutzutage nicht belastbar,haben keine Kraft für nichts,sind mit einem Kind schon überfordert und können keinen Haushalt führen und an arbeiten ist nicht zu denken.

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Du sprichst mir sowas von aus der Seele.
Triffst den Nagel auf den Kopf.

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Es kommt drauf an was unter Bedürfnisorientiert verstanden wurde, viele verstehen das nämlich völlig falsch.
Es gibt nicht wenig Eltern die denken Bedürfnisorientiert bedeutet das sich alles um das Kind drehen muss, alle Bedürfnisse sofort erfüllt werden müssen und das Kind volle Entscheidungsfreiheit haben muss.
Die Kinder sind damit von Beginn an überfordert weil sie keine Grenzen kennen und keinen Halt finden, schließlich hat man ihnen von klein auf beigebracht das sie selbst zu entscheiden haben und da keine Unterstützung der Eltern erwarten können. Dadurch fühlen sich diese Kinder oft verloren und haltlos was sich später eben negativ auswirken kann und zu Unsicherheit führt.

Bedürfnisorientierte Erziehung meint eigentlich das die Bedürfnisse aller Familienmitglieder gleichwertig sind, jeder muss die Grenzen des anderen respektieren und einhalten. In dieser Erziehung gibt es Grenzen und man muss lernen sich in einer Gemeinschaft einzufügen damit es allen gut gehen kann. Durch Grenzen finden Kinder Sicherheit und Kontinuität, das fördert das Selbstbewusstsein und auch die sozialen Fähigkeiten. Hier muss das Kind sich auch mit Frust auseinander setzen und lernen damit umzugehen denn nicht jede Grenze gefällt dem Kind. Trotzdem fühlt das Kind sich verstanden und wertgeschätzt denn man reflektiert die Gefühle, redet über Gründe und es gibt Platz für Diskussion und Freiraum.
Richtig umgesetzt ist bedürfnisorientierte Erziehung einfach super, wird sie aber falsch verstanden kann man da auch einiges falsch machen. Selbstreflektion ist aber für die meisten Menschen extrem schwierig und dazu kommt noch das viele in der eigenen Kindheit sehr negative Erfahrungen machen mussten und es jetzt unbedingt besser machen wollen. Dieser Druck ist sehr groß und dabei dann den Spagat zwischen liebevoll und fürsorglich und stabile Grenzen setzen zu schaffen ist sehr schwer.

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Ich frage mich, warum jemand, der seit 15 Jahren vermeintlich spezialisiert auf die Fragen sein sollte, so etwas im Laienforum postet?
Ich gebe aber gerne auch meine Laien-psychologische Einschätzung.
Ich denke, dass die sozialen Medien und unkontrollierter Zugriff der Jugendlichen darauf eine Mitschuld trägt. Genauso wie Eltern, die nicht ihrem gesunden Menschenverstand folgen, sondern sich Erziehungstipps von Insta-Mums abschauen.

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nur eine kurze Anmerkung: es ist Dein Job als Therapeutin (egal ob Du nun Psycho- oder Komplementärtherapeutin bist) die Eltern so in die Behandlung miteinzubeziehen, dass sie gut mitmachen können zum Wohle ihrer Kinder. Wenn die Eltern so in den Widerstand gehen, wie Di es beschreibst, legt dies nahe, dass Du hier nicht empathisch genug vorgegangen bist und eher Schuldzuweisungen vorgenommen hast als versucht hast das jeweilige Familiensystem zu verstehen (und zu würdigen).

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Sie könnte auch Ergo-, Physio- oder Sporttherapeut sein, alle diese Berufsgruppen sind ebenfalls in der Psychiatrie vertreten.

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Diese tauschen sich aber auch regelmäßig mit PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen in Teambesprechungen aus.

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Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass man früher nicht so viel diagnostiziert hat.
Da war ein ADHS-Kind halt einfach ein "Zappelphilipp", jemand mit Autismus einfach "komisch" ...

Orientierungslos ...
Hat jetzt nicht so viel mit psychischen Erkrankungen zu tun.
Aber klar, Orientierung will gelernt sein. Und wenn man viel vorgegeben bekommt, dann lernt man halt nicht, seinen eigenen Weg zu finden.
Das war früher aber auch nicht viel anders.
Meine Mutter (Anfang 50) noch hat sich nicht wirklich einen Job selbst aussuchen können. Das ging eher nach "Worin bist du in der Schule gut? Okay, dann hast du jetzt die Wahl zwischen Beruf A und Beruf B".

Aber in der KJP bekommst du natürlich auch ein sehr einseitiges Bild.
Eine Freundin, die auch in der KJP arbeitet, zeichnet kein so düsteres Bild.

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Da war ein ADHS-Kind halt einfach ein "Zappelphilipp"

...und wurde geschlafen und geschimpft, bis er endlich still saß.