Geburtstag Kind - beste Freundin kann kein Geschenk kaufen

Hallo, leider finde ich gerade keinen aussagekräftigen Betreff. Es geht um den Geburtstag meiner Tochter. Sie hat seid Jahren eine beste Freundin, nennen wir sie Lena. Lena hat liebevolle Eltern, wächst aber eher in einem Umfeld mit wenig Struktur, großen finanziellen Sorgen und vielen Geschwistern auf. Jetzt hat sich die Lage extrem verschärft, es droht die Zwangsräumung der Wohnung zudem hat die Familie einen schlimmen Schicksalsschlag erlitten. Die Mama von Lena musste gerade ein Baby still im 7. Monat gebären.

Sonst hat Lena meiner Tochter immer ganz tolle Sachen gebastelt und nichts gekauft. Sie hat da unglaublich viel Zeit und Mühe investiert. Aber letztes Jahr gab es von ihr dicke Tränen am Geburtstag, weil sie als Einzige nichts gekauft hat und sich deshalb geschämt hat. Meine Tochter hat sie sehr gerne und würde sich auch ganz ohne Geschenke freuen, weil ihr die Feier sehr viel bedeutet und die Zeit mit ihren wenigen Freundinnen. Für die gebastelten Sachen gab es ganz viel Lob und Zuspruch von allen Kindern, aber Lena hat trotzdem geweint.

Jetzt steht wieder der Geburtstag an. Wie soll ich mich verhalten? Würde am liebsten etwas gemeinsam mit Lena besorgen, es bezahlen und sie verschenkt es. Damit es nicht wieder dazu kommt. Oder den Eltern Geld geben, kann ja auch komisch rüberkommen? Ich bin mit der Familie in Kontakt aber eher oberflächlich. Habt ihr eine Idee?

Liebe Grüße

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Ich habe mir seit meinem letzten Post immer wieder Gedanken um dieses Szenario gemacht, und insbesondere da nun einige vorgeschlagen haben, das Mädchen solle sich bei der TE Geld erarbeiten, um der Tochter der TE ein Geschenk zu kaufen #schwitz möchte ich nochmal meinen Senf dazu geben:

Ich finde diesen Vorschlag in jeder Hinsicht problematisch.

Zum einen signalisiert es mal wieder, dass derjenige, der wenig oder kein Geld hat in der Gesellschaft einfach dumm da steht, und dessen Teilnahme (in dem Fall am Geburtstag) als weniger wertvoll betrachtet wird.
Was signalisiert es einem sich in der Entwicklung befindenden jungen Menschen, dass es bei den Eltern der Freundin nun arbeiten muss, damit es Geld bekommt, um der Freundin etwas zu kaufen, weil seine bisherigen Bemühungen anscheinend nicht wertvoll genug gewesen sind? Es signalisiert, dass sie dafür arbeiten muss, um gleichauf mit den anderen Gästen zu sein. Dass eine gute Freundin sein nicht reicht, dass selbst gefertigte Geschenke aus den Materialien, die dem Mädchen zur Verfügung stehen, nicht gut genug sind. Es signalisiert, dass Menschlichkeit, Aufrichtigkeit, sich etwas überlegen, sich Zeit nehmen, etwas mit eigenen Händen anfertigen nicht den selben Wert hat wie etwas fertig Gekauftes.
Die Scham über das eigene Geschenk kommt doch nur daher, dass sie als einzige damit aus der Geschenkereihe herausfällt. Wenn jeder etwas Selbstgemachtes bringen würde, gäbe es keine Scham.
Statt dem Kind nun zu signalisieren, dass sie etwas gegen ihren Minderwert tun muss, könnte man auch mit dem Kind sprechen und WERTE vermitteln. Zum Beispiel, dass sie stolz auf ihr kreatives Geschick sein kann, dass sich der Wert eines Menschen und einer Freundschaft nicht an den Geschenken auf einem Kindergeburtstag misst--Geschenke, die in der Regel sowieso die Eltern kaufen oder zumindest zahlen. Zu guter Letzt die Botschaft, dass ihre Freundschaft zur Tochter der TE unbezahlbar ist, und keinen materiellen Beweis braucht.

Das andere Kind nun für sich arbeiten lassen, damit es dem eigenen Kind etwas kaufen kann, bedeutet nicht nur, dass man ihre bisherigen Bemühungen tatsächlich als minderwertiger deklariert, sondern es bedeutet auch, dass man ganz frei kapitalistisch ein Machtgefälle ausnutzt.

Was wäre denn z.B. wenn das Mädchen sich weigert, die aufgetragene Arbeit zu machen? Ist sie es dann nicht mehr wert, die Freundin der Tochter zu sein? Darf sie dann nicht am Geburtstag teilnehmen? Sagt man dann "Tja, Pech, schenk halt wieder 'ne Bastelei"?

Was wäre im anderen Fall, wenn das Mädchen--unter Betrachtung des geschilderten sozialen Hintergrunds-- dadurch das erste mal im Leben ihr eigenes(!) Geld verdient hat, und sich mit den 10€ ein Buch kaufen möchte, das sie sich seit 2 Jahren wünscht, aber nun in einen Gewissenskonflikt kommt, weil sie ja eigentlich das Geld "in die Freundin investieren" müsste? Was ist, wenn die 15€ bedeuten, dass Lena z.B. zwei Wochen lang morgens in der Schulcafeteria ein Frühstück für sich kaufen könnte (an der Stelle mal ein paar Sozialvorurteile mit rein gemixt), aber weiß, dass sie das Geld für ihre Freundin ausgeben sollte. Ist man dann beleidigt, dass Lena vermeintlich "egoistisch" gehandelt hat, oder dass das eigene Kind nun nicht von dieser vermeintlichen Gutmütigkeit profitiert hat? Oder reicht einem die Tatsache, dass man Lena damit wenigstens eine Möglichkeit geboten hat? Das muss man sich gut fragen.

Was ist z.B. wenn sich das Mädchen sehr bemüht, dann 15€ verdient hat, aber z.B. der große Bruder das Geld abknöpft? Oder das Mädchen das Geld verliert und Panik bekommt, und noch mehr unter Druck steht jetzt etwas kaufen zu müssen, weil sie ja das Geld ursprünglich gehabt hätte?

Was wenn die Eltern heraus finden, wie sie an das Geld gekommen ist, und entweder total sauer auf Lena sind, oder selbst sich in Grund und Boden schämen für ihre Situation, und Lena im schlimmsten Fall untersagen, weiter mit der TE-Tochter befreundet zu sein?

Das alles sind nur Szenarien--sie könnten passieren, müssen aber nicht zwangsweise. Ich finde es dennoch wichtig, sich gründlich Gedanken zu machen, bevor man Kinder für sich arbeiten lässt, in diesem Fall auch noch Kinder, die sowieso wahrscheinlich tagtäglich auf dem Butterbrot haben, dass Geld, bzw. Kein-Geld-Haben das Zünglein an der Waage in vielen alltäglichen Situationen ist.


Ich bleibe dabei: Mit dem Mädchen sprechen, es für sein Können, seine Freundschaft, seine Kreativität, und alles was sie zu bieten hat wertschätzen, und vermitteln, dass das und SIE unbezahlbar ist und unvergleichlichen Wert hat. Damit nehmt ihr nicht nur den materiellen Druck von dem Kind, sondern ihr stärkt auch ihr Selbstbewusstsein und gebt eine wichtige Botschaft für's weitere Leben mit.

P.S.Losgelöst von der Geburtstags-Angelegenheit ist der Vorschlag mit dem Erarbeiten natürlich wieder etwas anderes, und bietet sicher die Chance zu vermitteln, dass es sich lohnt sich etwas zu erarbeiten. Da würde ich dann aber beide Mädchen in die Pflicht nehmen: Gemeinsam den Garten umgraben, gemeinsam im Herbst das Laub einkehren, Auto saugen, gemeinsam bei einem Renovierungsprojekt mit anpacken etc. und dann als "Entlohnung" gibt es z.B. einen gemeinsamen Besuch im Eiscafe oder ins Kino oder einen Freizeitpark den sich Lena sonst auch nicht leisten könnte. Das ist dann aber wieder etwas anderes und beide Mädchen hätten sich unabhängig der finanziellen Situation zu Hause gleichermaßen dieses Erlebnis verdient.

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Eine Userin hatte vorgeschlagen, dass beide Kinder zusammen etwas „arbeiten“. Ich würde wohl vorschlagen: „Tochter, Lena, habt ihr mein dreckiges Auto gesehen? Das muss mal wieder ordentlich auf Vordermann gebracht werden. Wegbringen ist mir zu umständlich. Wenn ihr wollt könnt ihr euch beide 20€ verdienen.“ und da sollte der Drops gelutscht sein…

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Gute Idee.

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Den Eltern Geld geben würde ich nicht. Entweder du gehst mit Lena ein Geschenk kaufen oder aber du schlägst deiner Tochter vor, dieses Jahr ihren Kindergeburtstag so zu feiern, dass die Gäste nur etwas selbst Gebasteltes verschenken dürfen. Sowas kann man ja in der Einladung erwähnen. Deine Tochter scheint ja verständnisvoll zu sein und "richtige" Geschenke kann sie ja von der Familie kriegen, d. h. sie geht nicht "leer" aus... Vllt. ist diese Idee super blöd, aber ich weiß nicht, wie die Eltern von Lena reagieren wenn du mit ihr ein Geschenk kaufen gehst, da fühlen die sich vllt. nicht wirklich wohl mit...

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Die Idee mit der gebastelten Geschenkvorgabe finde ich richtig zauberhaft! :-)

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Das ist eine schöne Idee, geht diesmal nicht mehr. Mit einem anderen Mädchen gibt es schon länger die Absprache, das sie von ihr etwas bestimmtes bekommt. Und Lena weiß davon.

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Sehr lieb, dass du dir da Gedanken machst.
Aber ich würde nichts wegen dem Geschenk unternehmen. Wenn du dem Mädchen Geld gibst, damit es ein Geschenk für deine Tochter kaufen kann, ist das vielleicht sogar noch demütigender.
Das ist wohl leider eine von vielen bitteren Erfahrungen, die dieses Kind durchstehen muss.
Ich würde eher, sollte sie wieder etwas Gebasteltes schenken, sagen, dass ich selbstgemachte Geschenke am liebsten habe (stimmt auch!).
Wenn du siehst, dass es ihr zu schaffen macht, kannst du dir das Mädchen ja mal zur Seite nehmen und mit ihr ein kurzes Gespräch führen.
Dass man nicht besser oder schlechter ist, nur weil man mehr oder weniger Geld hat. Dass der Gedanke zählt und dass mit Liebe gemachte Geschenke so viel wertvoller sind, als alles was man kaufen kann.

Vielleicht fällt dir ja auch eine Möglichkeit ein, der Familie zu helfen.
Das Mädchen zu einem schönen Ausflug einladen, alte Spielsachen und Kinderkleidung weitergeben, etc.

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Das versuche ihr tatsächlich schon lange zu vermitteln, aber jetzt sind die Kinder 11/12/13 und merkt man schon, das materielle Themen wichtiger werden.

Und tatsächlich unterstützen wir sie schon lange nebenher. Wenn Sachen für die Schule fehlen, darf sie sich in unserem Vorrat bedienen oder bei Gruppenarbeiten besorge ich einfach alles. Auch mal ein Ausflug zur Eisdiele oder ins Kino. Die Familie ist einfach überfordert und könnte sich mit Sicherheit auch anders aufstellen. Aber als Außenstehende hat man auch Grenzen. Der Mutter hatte ich schon einen Termin für die Schulderberatung und Sozialamt organisiert. Sie war jetzt wegen dem Baby lange stationär im Krankenhaus und konnte sie nicht wahrnehmen.

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Wirklich toll von dir, dass du so viel unterstützt ♥️
Aber gerade in dem Alter würde ich ihr nicht das Geschenk für deine Tochter bezahlen.
Zumindest nicht gänzlich.
Vielleicht wäre ja ein Fotogeschenk eine Idee, für das du Bilderrahmen und einen Gutschein für diese Fotoautomaten im DM sponserst, und Lena kann dann eine tolle Collage für deine Tochter mit gemeinsamen Fotos basteln.

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Es kommt ja total drauf an, wie alt Lena ist. Im Alter von 5-8 finde ich das gemeinsame Geschenk kaufen völlig in Ordnung. Ich glaube nicht, dass da schon so großes Bewusstsein für Demütigungen herrscht, wenn man es taktvoll genug aufzieht. Ist Lena schon älter, würde ich vielleicht eher davon absehen.

Ich hätte noch eine andere Idee: Warum bietest du dem Mädchen nicht an, bzw. lass es deine Tochter machen, dass sie dieses Jahr für deine Tochter als "Geschenk" bei der Vorbereitung, der Torte, oder der Deko helfen darf? Vielleicht könnte sie z.B. für jedes eingeladene Kind ein Tischset basteln, oder eine Tischdeko entwerfen, eine Happy Birthday Girlande anfertigen o.ä.

Wenn das Mädchen schon so kreativ ist, dann sucht doch gemeinsam was aus, du besorgst die Bastelsachen, und Lena darf es basteln und als Geschenk am Geburtstag mitbringen?

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Was für eine gute Idee.
Die Tochter wünscht sich von Lena ihr bei den Vorbereitungen zu helfen. "Lena, das ist ein großer Wunsch von mir, könntest du ihn mir erfüllen? Du bist so gut im Basteln und ich würde gerne XY als Deko machen, Einladungskartenbasteln, Tischkärtchen...Luftballons aufhängen".

Je nach Alter würde ich meine Tochter bei der Bitte an Lena unterstützen, das auch wirklcih ankommt, dassdas eben als Geburtstagsgeschenk gewünscht wird. Und je nach Alter wären auch die Dinge wo geholfen werden soll...Kleine Kinder basteln nur Tischkärtchen und hängen Luftschlangen auf. Ältere Kinder können bei einer Übernachtung basteln und Spielideen wälzen...

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Meine Mutter hat früher einen Artikel, den sie sehr cool fand ,zweimal gekauft. Für mich und eins für Lena 😉.
,,Lena" hat eines behalten und meine Mutter hat mit ihr abgesprochen, dass sie das andere verpacken soll und zum Geburtstag mitbringt. Hat sie gemacht , alles war easy .
Du schaffst es schon, Lena zu helfen, wenn du willst 🙂🙃.

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Was für eine schöne Idee! Das könnte tatsächlich klappen, wenn die TE das gut an Lena ranbringt.

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Boah heftig, mir tut Lena sehr leid und kann Eltern nicht verstehen die ihr Leben finanziell nicht in den Griff kriegen und trotzdem einen tschippel Kinder bekommen müssen. Momentan gibt's Arbeit genug...

Die Idee mit Mithilfe zur Geburtstags Vorbereitung finde ich gut, würde aber tatsächlich her gehen und mit der kleinen zusammen ein Geschenk kaufen gehen. Sonst steht sie wieder ohne da. Das ideell lieb gemeinte Geschenk der Zeit ist für kindern kein Begriff.

Gib ihr einen Rahmen von 20€ und sie soll Was für deine Tochter kaufen.

Über Demütigung würde ich mir keine Gedanken machen ist vlt das letzte schöne Erlebnis das sie mit ihr hat.. Wer weiß was danach kommt wenn wirklich Zwangs Räumung droht...

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Ich würde Lena dazu ermutigen, dass sie deiner Tochter einen Gutschein bastelt für eine gemeinsame Unternehmung, die entweder nichts kostet, oder deren Kosten (Eintritt) du übernimmst. :-)

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Wie wäre es, wenn Du Lena für Dich "arbeiten" lässt, damit sie sich Geld bei Dir "verdienen" kann für das Geschenk. Irgend etwas Einfaches, was sie leicht bewerkstelligen kann,....Blumen gießen, Geschirrspüler ausräumen oder so.

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Ich würde mit Lena in angemessener Form darüber reden. Und sie fragen, ob sie das Geschenk mit aussuchen möchte, oder ob du etwas kaufst und es ihr schnell in die Hand drückst, wenn sie kommt.

Sag ihr auch, wie wichtig es ist, dass sie überhaupt kommt.

An die Eltern würde ich nicht rantreten mit dem Thema.

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Genauso würde ich es auch machen. Lena fragen, was für sie am einfachsten ist.
Wenn du ihr das gefühl gibst das Thema sei nicht unangenehm, vielleicht ist es dann für sie auch einfacher.