Permanent schlechtes Gewissen wegen pflegebedürftiger Mutter

Meine Mutter ist vor einigen Monaten plötzlich pflegebedürftig geworden.

Sie lebt jetzt in einem Pflegeheim, das wirklich gut ist - klein, familiär, mit schönem Garten - und sie bekommt wirklich viel Besuch - mehr, als als sie alleine lebte.

Trotzdem sagt sie seit einiger Zeit, dass sie nicht dort sein will.

Wir hatten bislang nicht die Möglichkeit, sie zu uns zu nehmen da wir sehr beengt gewohnt haben. Nach einem Umzug hätten wir jetzt aber theoretisch den Platz.

Trotzdem habe ich irgendwie Angst sie aufzunehmen. Es müsste 24/7 jemand bei ihr sein, sie ist nicht alleine mobil und inkontinent.
Ich wollte eigentlich wieder anfangen zu arbeiten und habe zwei Kinder, die mich brauchen.
Ich könnte ja dann nicht mal mit den Kindern spontan ins Schwimmbad gehen, oder zum Weihnachtsmarkt.

Ich fühle mich total schlecht und egoistisch und irgendwie "verpflichtet" meine Mutter zu uns zu nehmen.

Jeden Tag denke ich daran, jedesmal, wenn ich das Bad im EG betrete - denn dort wäre sogar eine ebenerdige Dusche...

Bin ich ein schlechter Mensch? Was würdet ihr tun? Hatte jemand eine ähnliche Situation und wie habt ihr sie gelöst?

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Nein, du musst kein schlechtes Gewissen haben. Du kannst deine Mutter nicht zu dir nehmen ohne ein verdammt großes Stück Selbstaufgabe und ohne sehr viele Einschnitte.

Es geht nicht, das ist traurig, aber nunmal die Realität.

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Ich war vor zwei Jahren in einer ähnlichen Situation, ausser dass meine Kids da schon fast erwachsen waren und ich 25 Stunden in der Woche gearbeitet habe. Meine Mama wurde ebenfalls urplötzlich pflegebedürftig und musste, da es zuhause auch mit pflegedienst nicht mehr ging ins Heim. Das Heim war eins der besseren, die Zimmer schön und das Pflegepersonal sehr lieb und bemüht. Mehr Besuch als zu Hause hatte sie ebenfalls, auch wenn es wegen corona etwas Umständlich war. Trotzdem wollte sie dort nicht sein und hat mir das bei jedem Besuch unmissverständlich mitgeteilt.

Nach Hause war aber keine Option, da sie immobil war und dort nur gelegen hätte, zumal ihr Haus alles andere als altersgerecht war. Dasselbe mit unserem Haus - völlig verbauter und verwinkelter Altbau, nullkommanull Seniorengerecht. Und ich habe mir auch nicht getraut, die pflege und Betreuung komplett zu leisten - aufhören zu arbeiten, meinen gesamten Tag nach ihr ausrichten, Körperpflege, Nahrungsaufnahme...

Sie hat diese Erwartung an mich zum Glück auch nicht direkt gehabt, hat immer gedacht, sie könnte sich allein mit Unterstützung von mir/meiner Familie und dem pflegedienst alleine zu Hause durchwurschteln (was reines Wunschdenken war), aber mein schlechtes Gefühl ist geblieben bis zum schluss und eigentlich immer noch vorhanden.

Alles gute dir und viel Kraft!

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Liebe Jackie,

du must kein schlechtes Gewissen haben wegen deiner Mutter. Sie ist im Pflegeheim doch gut aufgehoben und das Wichtigste, sie bekommt viel Besuch.

<<Ich wollte eigentlich wieder anfangen zu arbeiten und habe zwei Kinder, die mich brauchen.
Ich könnte ja dann nicht mal mit den Kindern spontan ins Schwimmbad gehen, oder zum Weihnachtsmarkt.

Ich fühle mich total schlecht und egoistisch und irgendwie "verpflichtet" meine Mutter zu uns zu nehmen.<<

Du hast keine Verpflichtung, deine Mutter zu dir zu nehmen. Dann kannst du nämlich arbeiten komplett vergessen und deine
Kinder stehen dann hinten an, weil du dann kaum noch Zeit hast. Vor so einer Situation standen wir auch mal. Meine Mutter musste auch mehr oder weniger von gleich auf jetzt ins Pflegeheim. Damals hatte ich auch ein Arbeitspause (will aber nicht näher darauf eingehen). Wir hätten sie bei uns nicht aufnehmen können. Weder ich noch meine Geschwister. Man hätte auch noch zu ihr hinfahren müssen. Trotz Pflegedienst, der 2x am Tag gekommen wäre, hätte sie eine 24/7 Betreuung gebraucht, spricht meine Geschwister und ich hätten uns tageweise abwechseln müssen, also auch dort übernachten. Und ich hatte damals zwei Kinder, einen Teenager und mein Jüngster, der mehrfachbehindert ist durch Autismus und Pflegegrad 4. Und mein Mann ging Schichten. Das hätte nicht funktioniert. Mein Großer wäre viel alleine mit seinem Bruder gewesen, der gerne mal austickerte. Die Therapien für unseren Autisten hätte dann auch canceln müssen, weil dafür keine Zeit mehr gewesen, Also zusammengefasst: keine Zeit mehr eine Arbeit aufzunehmen und Kindern sich selber überlassen.

Das eigentliche Probleme wäre auch bei dir, du müsstest dir jemanden privat suchen, der sich auf um deine Mutter kümmert, damit du überhaupt Zeit hast dich um deine Kinder zu kümmern, Termine mit denen wahrnehmen kannst. Ich spreche von privat, da der normale Pflegedienst für so etwas keine Zeit hat. Und damit du überhaupt noch etwas gebacken wie Einkaufen und viele andere SAchen die so anfallen. bekommst, müsste deine Mutter in die Tagespflege. Dort wird sie ca. 8 Stunden betreut. Sie würde abgeholt und wieder nach Hause gebracht. Dazu müsste man auch einen Platz bekommen. Bei diesem Pflegenotstand wird das auch schwierig.

Mach es bitte nicht. Hatte mal meine Mutter eine zeitlang gepflegt, weil mein Bruder ausgefallen war und meine Schwester kaum Zeit hatte mit ihrer Arbeit. War häufig in der Woche von 8 bis 12:30 Uhr da. Mutti aus dem Bett holen, waschen, beim Anziehen helfen.. Sie konnte zwar am Rollator laufen, aber sie hatte solche Schmerzen. Dazu Küche, Bad putzen. Durchsaugen sämlichter Räume. Ich hatte damals eher schlechtes Gewissen, weil meiner Mutter nicht gerecht wurde. Es blieb zu wenig Zeit für Klönschnack, da ich auch wieder schnell nach Hause musste, Essen kochen für mich und die Kinder. Und anschließend nachmittags noch Therapien erledigen. Und mein Großer brauchte hin und wieder mal Ansprache und auch ab und an Hilfe für seine Schulaufgaben. Mein Mann war zu diesem Zeitpunkt über mehrere Wochen nicht da geplant.
Und über meine Zeit will ich nicht sprechen, ich hatte sie nicht für mich

Also lieber die Mama im Pflegeheim besuchen (nenne ich mal Quality-Time) häufiger mal, als zwischen Pflege der Mama und der Betreuung der Kinder zu zerreißen. Ach ja und der ganze Papierkram rund um die Pflege kommt noch dazu. Deine Mutter muss auch hin und wieder mal zu Arzt.

Ich fand das Besuchen im Pflegeheim wesentlich entspannter. Meine Mutter war zufrieden. Es gab dort Angebote für sie, die sie lange Zeit auch annahm. Ich besuchte sie 1x die Woche mit den Kindern. Sie freute sich immer über so etwas. Meine Mutter starb 2019 im Alter von 88 Jahren.

LG HInzwife

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Jemanden zu pflegen, geht an die Substanz. Daher ist es auch verständlich, dass du deine Mama gut aufgehoben im Heim weißt. Aber nun kommt das schlechte Gewissen: du fühlst dich ihr verpflichtet. Jedoch steht deine Familie - du, dein Mann und die Kinder - an erster Stelle. Wenn du jemanden pflegst, gibst du dich und die Familie auf. Du gehst seelisch und körperlich zugrunde. Natürlich will deine Mama lieber in einer häuslichen Umgebung, aber diesen Wunsch wirst du ihr abschlagen müssen.

Ja, ich hatte jemanden gepflegt...würde ich nie wieder tun.

Bearbeitet von Inaktiv
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Würde sie auch nicht aufnehmen. Egal, ov pflege oder nicht

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Hallo Jackie!
Ich habe das Glück, dass meine Eltern fit sind, aber ich kenne die Situation von großelterlicher Seite. Mein Opa war über 13 Jahre durch einen Schlaganfall pflegebedürftig, sowohl geistig als auch körperlich war er sehr angeschlagen. Meine Oma war zu dieser Zeit komplett für ihn da, konnte nicht mehr aus dem Haus gehen, weil mein Opa sie sonst gesucht hätte und abgehauen wäre. Sie hat sich am Anfang nicht getraut, um Hilfe zu Fragen. Ergebnis des Ganzen: Die Gesundheit meiner Oma litt ebenso. Sie hatte Knieprobleme, sollte eigentlich ein neues Gelenk bekommen, verschwieg das, weil sie uns wegen Opa nicht um Hilfe bitten wollte. Irgendwann hat meine Mutter das Ruder ergriffen, sie und meinen Opa zu uns in den Ort geholt (wir hatten eine Anfahrt von über 30 Minuten, im Notfall wären wir nicht schnell zur Stelle gewesen). Wir konnten uns dann mit kümmern. Weil wir nun täglich vorbei gekommen sind, konnte mein Opa uns auch als Bezugspersonen wahrnehmen. Ich war zu dieser Zeit Teenager und bin oft neben ihm auf dem Sofa gesessen, habe ihn gefüttert, mit ihm ferngesehen oder ihm etwas erzählt, während meine Oma auch mal wieder in Ruhe Termine wahrnehmen oder einfach eine Runde - mit neuem Knie! - spazieren gehen konnte. Sie blühte regelrecht auf.

Das passt jetzt nicht haargenau zu deiner Situation. Deine Mutter ist ja geistig - zum Glück - gesund, aber was ich sagen möchte: Du bist nicht egoistisch. Ganz im Gegenteil. Du kümmerst und sorgst dich um das Wohl deiner Mama. Und ich glaube, es würde euch nicht gut tun, wenn ihr sie zu euch holt, wenn du insgesamt das Gefühl hast, dass das Pflegeheim nett und familiär ist. Du hast zwei Kinder, um die du dich kümmern musst, die deine Aufmerksamkeit brauchen, mit denen du etwas unternehnen willst und unterm Strich darfst du auch nicht zu kurz kommen, denn der Alltag mit einem pflegebedürftigen Menschen kostet Kraft, viel Kraft. An meiner Oma hat man das deutlich gesehen und da waren ihre Kinder längst erwachsen. Hast du denn mit deiner Mama gesprochen, warum sie in dem Pflegeheim nicht mehr bleiben will? Konnte sie da genaue Gründe nennen? Vielleicht hat sie Sorgen oder Ängste, die man ihr nehmen kann?

Ich wünsche dir alles Gute und ganz viel Kraft!
Liebe Grüße, Schwarzwaldmädle

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Deine Mutter ist noch nicht so lange im Heim und muss sich vielleicht auch erst dran gewöhnen um die Vorteile selbst zu erkennen.
Sein gewohntes Zuhause aufgeben ist ein großer Schritt.

Genau wie sie musst du dich auch erst daran gewöhnen. Ein schlechtes Gewissen solltest du nicht haben. Du hast Kinder, die dich brauchen.
Jemanden rund um die Uhr zu pflegen ist eine Mammutaufgabe. Dann hol sie lieber hin und wieder zu dir um ihr ein bisschen Abwechslung zu bieten.

Ich bin zwar noch weit von einem Pflegefall entfernt, aber sollte es mal so kommen, wissen meine Kinder jetzt schon, dass ich freiwillig in ein Heim gehe, weil ich einfach möchte, dass sie ihr Leben leben und nicht Rücksicht auf mich nehmen müssen.

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Hallo,

deine Mutter hatte ja einen persönlichen und gesundheitlichen tiefen Einschnitt in ihrem Leben. Die Entscheidung des Umzuges war wahrscheinlich nicht Selbstbestimmt. All das zu verarbeiten braucht Zeit, viel Zeit. Sprich mit deiner Mutter. Redet darüber. Was wünscht sie sich? Zu euch zu wollen, ist ja nur eine pauschale Aussage. Frage nach, versuche herauszufinden was sie damit verknüpft und je, nach Antwort/en entwickelt gemeinsam eine Lösung.
Sollte deine Mutter kognitiv noch sehr fit sein, kann es sein, dass sie in der Verarbeitung ihrer Situation hängt und sich natürlich, ihr altes gesundes Selbstbestimmtes Leben zurückwünscht.

Viele Grüße

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Hallo,

deine Mutter hatte ja einen persönlichen und gesundheitlichen tiefen Einschnitt in ihrem Leben. Die Entscheidung des Umzuges war wahrscheinlich nicht Selbstbestimmt. All das zu verarbeiten braucht Zeit, viel Zeit. Sprich mit deiner Mutter. Redet darüber. Was wünscht sie sich? Zu euch zu wollen, ist ja nur eine pauschale Aussage. Frage nach, versuche herauszufinden was sie damit verknüpft und je, nach Antwort/en entwickelt gemeinsam eine Lösung.
Sollte deine Mutter kognitiv noch sehr fit sein, kann es sein, dass sie in der Verarbeitung ihrer Situation hängt und sich natürlich, ihr altes gesundes Selbstbestimmtes Leben zurückwünscht.

Viele Grüße