Hallo in die Runde,
ich brauche mal etwas Rat bitte.
Letzte Woche ist mein Vater gestorben, zu dem ich seit rund 5 Jahren keinen Kontakt mehr hatte.
Wir hatten in der Vergangenheit schon mehrmals Kontaktabbrüche, immer wieder über Jahre. Mal 8 Jahre, mal 3 Jahre und zuletzt 5 Jahre.
Der Grund war, dass er immer die Kontrolle wollte und sehr unangenehm werden konnte, sobald etwas nicht genau nach seinen Vorstellungen lief.
Wenn ich die Rolle spielte, die ihm gefiel dann war ich eine gute Tochter.
Nach aussen hin sollte alles glänzen.
Aber als ich mehr und mehr anfing ich selbst zu sein, da wurde er ungemütlich und wir gerieten immer mehr aneinander.
Oft fragte ich mich als Jugendliche, was denn mit mir bloß nicht stimme.
Als ich älter wurde, wurde es immer schlimmer. Mein Job war nicht gut genug, meine Partner entsprachen nicht seinen Vorstellungen. Es wurde sich über die banalsten Sachen aufgeregt. Oder es wurde viel unausgesprochenes erwartet und wenn ich (oder zB mein Partner) nicht ganz genau so gehandelt haben, dann waren wir gegen ihn und würden ihn nicht wertschätzen.
Besucht haben sie uns nur selten. Einmal habe ich nachmittags Kaffee und Kuchen mit frischem Obst und Schlagsahne gemacht. Das war ihm nicht gut genug, da ich ja an Kindergeburtstagen immer so tolle Torten backen würde. Ich weiß aber dass er diese Sahne-Fondantbomben nicht so wirklich mag und habe ohne böse Gedanken einfach etwas richten wollen, was ihm auch definitiv schmeckt. Abends haben wir gegrillt und ich habe gutes Fleisch gekauft und schöne Salate gemacht. Aber auch da hat ihm irgendwas wieder nicht gepasst. Dass wir keinen Sekt aufgemacht hätten oder so.
Ich habe mich in diesen Auszeiten viel mit dem Thema Narzissmus beschäftigt und leider auch bei ihm unglaublich viele Anzeichen dafür entdeckt.
Er hat mir in der Vergangenheit auch einige Male sehr böse und schroffe Briefe geschrieben mit Abwertungen und Beschimpfungen, die sehr unter die Gürtellinie gingen. Das gab damals schon große Risse zwischen uns, die auch in den "guten" Zeiten für eine gewisse Distanz zwischen uns sorgten. Diese unbeschwerte Vertrautheit war weg.
Bildlich gesprochen war ich wie eine vorsichtige Katze in seiner Gegenwart. Nicht zu viel preisgeben, aus Angst dass er sich da irgendwas daraus dreht und zusammenfantasiert und es beim nächsten Konflikt gegen mich verwendet.
Selbst banale Dinge waren schwierig. So war ich zB einmal nach der Arbeit mit einem Bekannten auf einem Konzert. Wir wollten nichts voneinander, verstanden uns nur gut und ich erzählte meinem Vater offen, dass ich gerade auf dem Weg zu einem Konzert bin. In den Tagen drauf kamen wieder Spitzen, dass ich mit "so einem Dahergelaufenen" da ausgehe und Anspielungen, ob da was zwischen uns läuft.
Oder Spitzen, dass meine Kinder nicht normal wären, weil sie zuwenig lachen (mit 3 Jahren) oder nicht gut zeichnen könnten. Das da was nicht stimme. Es war immer schwierig. Ich konnte ihm am Schluß kaum noch vertrauen.
Er lächelte freundlich aber drei Tage später erfuhr ich durch meine Mutter, was er alles kritisiert hat. Obwohl wir alles gemacht haben.
Nichtsdestotrotz ist es für mich jetzt sehr schwer, ihn beerdigen zu müssen. Trotz allem Ärgers war er mir auch nicht komplett egal.
Ich habe immer wieder an ihn gedacht, habe manchmal überlegt ihn doch zu kontaktieren. Aber hatte gleichzeitig Angst dass es nach kurzer Zeit wieder in die alten Muster geht und ich muss da sowohl an mich als auch an meine Kinder denken.
Er war sehr krank, hat sehr gelitten aber auch hier gegenüber meiner Mutter vieles nicht zugegeben, dass er Schmerzen hat und schwere entzündete Wunden an Körperstellen, die nicht mal der Hauarzt bei den regelmässigen Kontrollen gesehen hat. Er kam mit dem Notarzt ins Krankenhaus und erst dort sah meine Mutter, was wirklich bei ihm los war (anscheinend Nekrosen und eitrige Wunden, dass ein Großteil des Gewebes entfernt werden musste). Sie muss schier aus allen Wolken gefallen sein.
Er kam kaum noch die Treppe hoch, aber ließ sich nicht helfen. Meine Mutter saß quasi hilflos daneben und konnte ihn kaum unterstützen, da er keine Hilfe wollte.
Das tut mir auch weh, dass er so gelitten haben muss. Aber ich frage mich, warum er keine Hilfe annehmen wollte. Bei all den Schmerzen, es muss doch höllisch weh getan haben?!
Auf der einen Seite bin ich nun erleichtert, dass er nicht mehr so leiden muss und erlöst ist.
Auf der anderen Seite kommt momentan dauernd dieser heiße Kloß im Hals hoch.
Ich denke an das, was er mir oft an den Kopf geworfen hat, diese Gemeinheiten und Unterstellungen, mich abgewertet und beleidigt hat, Beziehungen boykottierte und mir viele schöne Momente madig gemacht hat (meine Schwangerschaft, mein erster Job, meine Abiturfeier usw).
Und denke mir dann "Du alter blöder sturer Esel! Ich habe Dich trotz allem lieb gehabt!".
Dass er sich selber so unglaublich im Weg gestanden hat mit dieser Bockigkeit und dieser Rechthaberei. Kaum Lebensfreude. Immer dieses Streben nach Perfektion und Anerkennung.
Aber ich konnte es ihm irgendwann nicht mehr zeigen. Weil auch ich meine Narben hatte.
Oder ob er noch leben könnte, wenn er früher zum Arzt gegangen wäre. Und Bescheid gegeben hätte wenn sich da was entzündet, statt sich mit Bergen von Klopapier im WC zu verschanzen und da selber herumzudoktern und sich ansonsten nichts anmerken zu lassen.
Bei den Grabblumen habe ich ihm die schönsten Blumen bestellt, es war mir piepegal was es kostet aber ich wollte dass sein Grab strahlt und (so wie er immer sein wollte) perfekt ist.
Ich denke an ein paar einzelne schöne Momente in der Kindheit, aber dann werden sie wieder überschattet wenn es ihm mal wieder "ums Prinzip" ging oder er mich richtig abstrafte, oftmals wegen Kleinigkeiten und mich tagelang anschwieg.
Was meint ihr, habt ihr in sowas Erfahrungen?
Danke und LG
Vater gestorben, brauche Rat
Es ist okay, die schönen Momente mit deinem Vater zu erinnern.
Es ist auch okay, wütend über die schlechten Momente mit deinem Vater zu sein. Man muss nicht "nur Gutes von den Toten" denken.
Offenbar war dein Vater ein Mensch, der sich nicht mal seiner Frau öffnen konnte, für den es wichtig war, nach außen hin Stärke zu zeigen und niemanden mit seinen Schmerzen oder Schwächen zu belästigen. Solche Menschen gibt es. Auch solche, die gern Hilfe hätten, aber so erzogen wurden, dass sie bestimmte Dinge nicht aussprechen, z.B. nicht über Stuhlgang oder bestimmte Körperstellen sprechen, so dass sie darüber dann nichts erzählen KÖNNEN. Auch dem Arzt nicht.
Manche Menschen sagen auch Dinge, von denen sie gar nicht wissen oder ahnen, wie die bei anderen ankommen. Es könnte sein, dass dein Vater Wörter wie "jeder Dahergelaufene" nutzte, ohne wirklich nachzudenken, was er da sagt, wie das ankommt. Es könnte auch sein, dass er unbewusst Ängste hatte, dich als Tochter zu verlieren, wenn du einen Freund findest. Ängste, die er vielleicht vor sich gar nicht eingestehen konnte bzw. die ihm nicht bewusst waren.
Du darfst jedenfalls um deinen Vater trauern, ohne ihn zu idealisieren. Du musst ihm das, was dich belastet hat, nicht vergeben, auch im Tod nicht, aber du solltest dich vor allem an das erinnern, was nicht so schlimm war, an die wenigen schönen Momente, auch wenn sie lange in der Vergangenheit liegen.
Vielleicht könntest du jemanden finden, mit dem du mal die ganzen schlechten Erfahrungen mit deinem Vater und deine Trauer durchsprechen könntest. Also, wie trauere ich um jemanden, mit dem ich viele ungute Erinnerungen habe, aber auch wenige gute? Wie gehe ich mit meinen Gefühlen um?
Vermutlich stand dein Vater auch mit vielen Gefühlen alleine da, hatte keinen Ansprechpartner, wusste gar nicht, was bestimmte Gefühle bei ihm auslöste. Solche Gedanken könnten - mit der Zeit - dazu führen, ihm einiges nachzusehen.
Toschkalee, du sprichst sehr viele gute Aspekte an.
Meine Mutter sagte selber, dass er immer schon diese gewisse Scham hatte.
Ich schreibe das mal geradeheraus. Bei meinem Mann und mir ist es zB überhaupt kein Problem, wenn ich morgens im Bad bin und er nackt reinkommt und in die Dusche steigt. Oder umgekehrt. Auch meine Mutter hatte da früher nie ein Problem mit, wenn sie mal nackert war und ich ins Bad platzte oder sich auch mal mit mir über irgendwelche Unpässlichkeiten unterhielt.
Für meinen Vater war das nichts. Der schloß sich immer ein und auch das ist ja einfach sein gutes Recht.
Daher kann ich diesen Aspekt deinerseits auch gut verstehen, dass ihm das einfach peinlich gewesen sein muss. Einmal diese Hilflosigkeit und dann auch noch das Ganze an Stellen, über die er sowieso nicht gerne spricht.
Das mit dem Dahergelaufen hingegen war keine Redewendung, denn er konnte sich generell immer sehr eloquent und gut ausgewählt ausdrücken.
Aber sobald es in meine Privatsphäre ging, da konnte er fürchterlich ausfallend werden und entgegen seiner sonstigen Prinzipien auch schon mal arg in die Gossensprache verfallen. Was mir sehr weh tat.
Ich denke momentan viel darüber nach und grüble, warum er nicht aus seiner Haut kam und dass er sich selbst mit dieser Art auch wahrscheinlich unbewusst viele Steine und Blockaden in den Weg gelegt hat. Dass er sich selber viele schöne Momente oder Erlebnisse selber "verboten" hat, weil er dachte dass es ihn als schwach darstellen könnte.
Ich möchte demnächst mit ein paar Menschen im Freundeskreis sprechen, die mir da vielleicht helfen können.
Es ist wirklich ein sehr seltsames und diffuses Gefühl.
Ich schrieb schon bei einem anderen Poster, dass ich keinen Groll will und auch nicht nachtragend sein möchte. Was war ist geschehen. Ich möchte meinen Frieden finden und ihn auch genauso im Frieden gehen lassen.
Du tust mir leid was den Tod deines Vaters angeht aber so wie er sich verhalten hat und Schmerzen verschwieg, fällt es mir schwer Mitleid zu haben. Denn er hätte was ändern können, aber schien es nicht zu wollen. Und bis mal solche Schmerzen und solche Nekrosen entstehen dauert es schon mehr als 1 bis 3 Tage. Und dir tut sein Leid leid, er hatte es selbst in den Händen. Ist nicht böse gemeint, aber als netten Menschen kann ich ihn nicht sehen bei so einem Verhalten.
Ela
Weißt Du Alpenbaby, es gab viele Momente wo ich genau so dachte.
Aber jetzt ist er tot und als ich erfuhr, was da in den letzten Tagen und Stunden bei ihm los war, die Not-Operation wegen dieser neurotischen Wunden, da war die Wut plötzlich wie weg und es wich einer Art Mitleid und auch Entsetzen.
Als meine Mutter mir das erzählte und ich auch die medizinischen Geräte sah, die Medikamente und das alles, was er benötigte bevor er zusammengebrochen ist.
Da war diese Treppe im Haus, ich weiß noch wie ich ein Teenager war und es gab mal Zoff. Wie der Blitz ist mein Vater diese Treppe hochgestürmt, nahm teilweise zwei Stufen auf einmal, um mich drohend runterzumachen. Er konnte sehr schnell sein.
Und am Schluß brauchte er bald eine Stunde um da hoch zu kommen, weil er sich immer setzen musste und keine Kraft mehr hatte. Sich von meiner Mutter aber nicht helfen lassen wollte. Sie soll liegen bleiben, er schafft das schon.
Sie erzählte mir, wie sie das immer wieder spätabends gehört hat. Wie sich dieser arme Teufel da Stufe für Stufe hochquälte, aber zu stolz und zu bockig war, dass er sie um Hilfe bittet.
Und das habe ich auch nicht gewollt, dass er sich zum Schluß krankheitsbedingt so quälen muss. Es wäre mir besser gegangen, wenn er wie mein einer Opa steinalt gewesen wäre und im Bett einfach eingeschlafen wäre. Oder wie der andere Opa mit dem Herztod, zack und aus. Von einer Sekunde auf die andere.
Auch wegen meiner Mutter, wie sie hilflos danebenstand und nichts tun konnte. Das hat sie sehr getroffen und ich merke dass sie das noch nicht verarbeitet hat.
Danke für deine Ausführliche Erklärung. Gut du hast für dich selbst mit ihm Frieden geschlossen und das ist auch vollkommen OK. Ich gebe zu, wenn meine Eltern heute stürben würde ich nicht mal zur Beerdigung gehen so wie der aktuelle Stand heute ist. Aber jeder muss für sich den Weg finden der ihm am meisten gut tut. Und wenn dies dein Weg ist ist es auch vollkommen OK.
Dann mein Mitgefühl.
Ela
Darf ich mal fragen, wie alt du bist und wie alt er wurde?
Ich bin 45 und er wurde 78.
Okay, danke. Viele der Dinge, die du da beschreibst, die kenne ich selber. Meine Eltern sind allerdings noch vor Kriegsbeginn geboren, also etwas älter als dein Vater.
Bei dem Absatz mit "dem Dahergelaufenen" musste ich schmunzeln, kenne ich nur zu gut. Und auch der Rest....diese extreme Außendarstellung....das "Was sollen denn die Leute denken."-Getue.
Das ganze ignorieren von Erkrnakungen....bloß keine Schwäche zeigen, einfach weitermachen....krass, oder? Und glaub mir, deine Mutter wusste von den Nekrosen, die hat sich garantiert viele Jahre nen Wolf gewaschen, damit das verheimlicht wird, denn eins kann ich dir sagen.....solche Nekrosen stinken, sie stinken unerträglich....besonders im Sommer.
Diese emotionale Distanz.....kein Trost beim ersten Liebeskummer oder wenn du dir als Kind das Knie aufgeschlagen hast? Der Beruf nicht gut genug? Partner nie gut genug? Kein Platz für Gefühle? Emotionen zählen nicht, die schwächen nur die Leistung? Keinen Sinn für die schönen Dinge im Leben? Das Leben einfach mal genießen und glücklich sein, das auch noch zeigen....never. Hate r dir jemals gesagt, das er dich lieb hat? Nein? Muß man ja auch nicht, das ist doch selbstverständlich.
Tja, da steht man dann als Kind eines solchen Menschen, aufgewachsen in einer ganz anderen Zeit, davor und fragt sich wirklich, was mit einem nicht stimmt. Kenne ich alles.
Dein Vater war kein Narzist, vergiß es.....er war nur ein Kind und Opfer seiner Zeit. Und wenn du Antworten auf deine Fragen möchtest und damit deinen Frieden machen möchtest, dann schau dir ganz genau diese Zeit an, in der er geboren wurde, aufwuchs und geprägt wurde. Als er geboren wurde lag dieses Land in Schutt und Asche, Hunger, vermisste Angehörige, die Eltern nur damit beschäftigt Nahrung zu beschaffen und ein Dach über dem Kopf zu finden. Seine Eltern (falls sein Vater überhaupt da war und nicht in Kriegsgefangenschaft) mussten das Land wieder aufbauen, als er eigentlich Nähe und Geborgenheit brauchte. On the Top die Erziehung damals.
Glaub mir eins, es gibt ganz viele die mit denselben Problemen im Elternhaus zu kämpfen hatten und haben....denn ja, es hinterlässt auch in der nächsten Generation seine Spuren. Ich hatte jetzt das ganze große Glück, das mich wesentlich ältere Cousinen recht früh auf die Problematik dieser Generation (auch innerhlab unserer Familie) aufmerksam gemacht hatten. Verstanden habe ich da allerdings die Zusammenhänge noch nicht wirklich, das kam viel später.
Ich stand auch vor der Entscheidung Kontaktabbruch oder nicht....ich habe mich dagegen entschieden. Und ja, es sind eben die ganz kleinen (aus damaliger Sicht unwichtigen) Gesten, die mir immer wieder klar gemacht haben, das meine Eltern mich ja doch lieb hatten, auch wenn sie es nie richtig zeigen konnten. Aber ich kann jeden verstehen, der das nicht ertragen konnte und eben den Kontakt abgebrochen hat.
Ich glaube wirklich,d as du deinen Frieden machen kannst, wenn du dir genau anschaust, in welcher Zeit er Kind war, welche Werte und Normen damals vermittelt wurden. Vielleicht bekommst du auch die Chance durch ältere Verwandte und Freunde deines Vaters da nochmal einen anderen Blick drauf zu bekommen. Da kam im Nachgang noch ganz viel ans Tageslicht, was ich niemals für möglich gehalten hatte. Welche Sorgen der sich um mich gemacht hatte, während bei mir was ganz anderes ankam. Das er meine Mutter in den Wahnsinn getrieben hatte, weil er mich als Baby nicht hat schreien lassen wollen. Das er meinen Wunschberuf durch den Dreck zog, weil er eben wollte, das ich mich nicht kaputt arbeiten sollte. Die Männer waren nie gut genug, weil er einen ganz anderen Blick auf das Leben hatte, der sich überhaupt nicht mehr mit meinem und meine Zeit deckte....naja und bei den meisten hatte er auch gar nicht mal unrecht.
" "Du alter blöder sturer Esel! Ich habe Dich trotz allem lieb gehabt!"." Jip, so stand ich auch an seinem schicken Grab. Ein paar Jahre später konnte ich diese Aussage um: "Und du hattest mich doch lieb...ich weiß es jetzt, wie doof das du es mir nie wirklich zeigen konntest."
Das ist meine Erfahrung mit dieser Generation udn einem emotional distanziertem Elternhaus, in dem Spitzen gegen mich und meine Vorstellung vom Leben an der Tagesordnung waren. Aber klar, ich muß auch sagen, das ich mich da ziemlich früh gut emotional gegen abgrenzen konnte und das alles bei mir ganz andere Spuren hinterlassen hat, als bei dir.
Aber schlu0endlich mußt auch du deinen Frieden mit ihm machen und mit ihm abschließen, alles andere bringt ja nix.
Mein Beileid zu deinem Verlust.
Es ist normal, dass man um seinen Vater trauert. Du bist immerhin sein Kind.
Aus deinem Text entnehme ich, dass sich verständlicherweise über die ganzen Jahre ganz schön was angestaut hat.
Hast du ggf. mal über eine psychotherapeutische Aufarbeitung zum Verhältnis deines Vaters nachgedacht? Es gibt Menschen, denen würde es helfen, dem Vater eine Art (Abschieds)Brief zu schreiben. Vielleicht dir ja auch?!
Lg und alles Gute!
Jepp, leider...
Mein Vater war auch Narzisst und ist verstorben.
Viele Dinge tun auch mir immer noch sehr weh.
Ich bin nicht erzkatholisch, aber gläubig. Und manchmal tröstet mich meine Vorstellung, dass die Menschen im Jenseits oder Himmel oder Paradies oder wie man es nennt) jetzt alles wissen.
Also auch: ich habe mein Kind damals beschuldigt, mir Geld geklaut zu haben. Es tut mir voll leid, denn jetzt weiss ich ja, dass es die Putzfrau war.
In meiner Vorstellung tut es der Person dann aufrichtig leid, was natürlich nicht heisst, dass sie bis in die Ewigkeit drunter leidet, Mist gebaut zu haben. Sondern dass sie zb erkennt: "auch wenn ich daheim für schlechte Noten immer Zoff bekam, hatte ich kein Recht, für die Sechs in Mathe drei Monate Hausarrest zu geben. Zumal mein Kind ja fast alles wusste, der Nachbar hat bei ihm abgeschrieben und mein Kind ihn abschreiben lassen, und der Lehrer hat halt beiden die Sechs gegeben."
Auf die Schnelle
https://www.aerzteblatt.de/archiv/175455/Kriegskinder-und-Kriegsenkel-Werbung-fuer-differenziertes-Hoeren-und-Spueren
https://www.ekkw.de/fileadmin/suchrelevant/service/bereiche/gemeindeentwicklung/Besuchsdienst/magazin_uzm_2_2019_rz_web.pdf
Dein Vater ist Kriegsgeneration als Baby, vielleicht helfen dir die Links beim verstehen und verarbeiten.
Alles Gute!
Grünschnabel, danke Dir.
Die Links sind sehr hilfreich.
Es erklärt einige Verhaltensmuster.
Was ich nur nicht begreife ist, warum es bei mir immer so extrem war. Mit dieser Kontrolle, diesem Druck und leider auch diesen Abwertungen und so.
Warum er mir nicht vertraute, selbst als ich schwanger war.
Ich habe so etwas nie bei Freundinnen oder Freunden von mir gesehen, wo die Eltern teilweise sogar nochmal ein paar Jahre älter waren.
Da gab es auch mal hier und da etwas Knatsch, aber nicht so extrem.
Dass ein Streit so auszelebriert wurde.
Das hat mich so oft ins Grübeln gebracht. Ich habe mich immer und jahrelang gefragt, was mit mir nicht stimmt.
Eine Headhunterin fragte mich beim Gespräch einmal, warum ich mein Licht so unglaublich unter den Scheffel stellen würde.
Oder ein Freund meinte mal als ich so 18 herum war, dass ich mir manchmal für vieles viel zu fein wäre. Weil es bei mir zuhause so etepetete zugehen "musste".
In den von dir gepusteten Links erkenne ich auch Dinge aus der frühesten Kindheit.
Da gab es zB auch mal die Situation, dass wir Kinder in der Babyschale in den Keller gestellt wurden, wenn wir nachts geweint haben, wir sollen uns da ausbrüllen.
(Der Keller war ausgebaut und beheizt, das war so ein Raum für Feierlichkeiten).
Das kam ja auch in deinem Text vor.
Oder wenn wir uns weh taten, mal heulten oder irgendwie Kummer und Enttäuschung hatten. Dann kam häufig nur der berühmte Spruch dass es ja nicht so schlimm sei oder wir sollen Haltung bewahren.
Ich wünschte ich hätte ihn früher verstanden.
Ich glaube je mehr du zu den damaligen Erziehungsidealen liest, desto klarer wird dir vieles. Schau dir auch deine Großeltern an. Wer waren sie? Wie habe sie sich in der NS Zeit verhalten etc..
Hier noch ein Link zu DER Nazi "Pädagogin". Das Werk gab es übrigens auch noch zu unserer Kindheit. Meine Mutter hat es entsorgt, haben das nochmal vor einiger Zeit drüber gesprochen. Aber es haben sich sicherlich etliche danach gehandelt, siehe dein Keller Beispiel.
https://www.geo.de/wissen/weltgeschichte/die-schwarze-paedagogik-und-johanna-haarer-34554082.html
Der Despot in unserer Familie lebt noch. Ich erkenne dennoch in deiner Schilderung viele Parallelelen.
Ich befinde mich auch im Kontaktabbruch; trotzdem sehne ich mich nach Anerkennung oder zumindest danach, dass die Person einmal sagt, dass es ihr leid tut, was sie getan hat… wenn diese Person sterben würde, wäre klar, dass das alles nicht mehr kommt: weder die Anerkennung noch die Entschuldigung… und gleichermaßen empfinde ich wie du ganz viel Mitgefühl: es muss eine sehr, sehr dunkle Welt sein, in der solche Personen leben, ihr Selbstbild muss so fragil sein, wenn sie nur durch Perfektion und Abwertung anderer überleben können, sie müssen sehr einsam sein, wenn sie so wenig Hilfe zulassen können.
Mir hat‘s geholfen, rauszufinden, wie der Despot in unserer Familie groß geworden ist, welch wirklich widrigen Umständen er ausgesetzt war, in welcher Hölle so viel Härte geschmiedet wurde. Vielleicht hatte es dein Vater irgendwann einmal sehr schwer? Das entschuldigt nichts und heilt nicht deine Wunden, es wäre aber eine Erklärung, die dabei helfen kann, loszulassen.
Du schreibst wahnsinnig toll! Aus dir scheint ein toller, sehr reflektierter, kluger Mensch geworden zu sein. Du brauchst die Anerkennung deines Vaters nicht mehr, er braucht dein Verzeihen und Loslassen viel mehr… ich glaube da irgendwie an Energie, die nie verloren geht, auch nicht durch den Tod. Ich glaube daran, dass man durch eigenes Mitgefühl familiäre Linien des Leidens, die viele Generationen zurückreichen, durchbrechen kann.
Viel Kraft dir und mein Beileid!