Sitzung beim Psychiater und seine "Bemerkung" hinsichtlich sexueller (Un)Lust

Hallo,

ich (40+) hatte gestern meine 2. Sitzung beim Psychiater, weil ich unter Depressionen und Angststörungen leide. In den letzten 10 Jahren lebte ich weitestgehend beschwerdefrei, aber leider nimmt die Krankheit in letzter Zeit wieder zu.

Wie beim 1. Mal stellte er auch heute wieder Fragen, um sich überhaupt ein Bild von mir machen zu können.

Er fragte mich dann, wie es mit meiner sexuellen Aktivität aussieht. Ob ich Lust hätte oder eher dem Sex abgeneigt bin. Ich erklärte ihm, dass ich s e h r wenig Lust auf Sex habe und dass das oft zu Spannungen und Streit in meiner Partnerschaft führt (seit 2 Jahren zusammen). Sexuelle Unlust hängt mit Depressionen zusammen - für alle, die das jetzt nicht wußten.

Der Psychiater meinte, es gibt halt Männer, die brauchen oft sexuelle Befriedigung und Männer, die andere Schwerpunkte in einer Partnerschaft setzen und vielleicht nicht so oft Sex brauchen/wollen. Und wenn mein Partner halt jemand ist, der viel Wert auf Sex legt, dann wäre es doch schade, wenn meine Beziehung dadurch in die Brüche geht.

Und ich solle mir doch überlegen bzw. über meinen Schatten springen und meinen Partner "zufriedenstellen, ohne dabei über meine körperlichen Grenzen zu gehen".

Erst als ich draußen im Auto saß, wurde mir diese Bemerkung wieder bewusst und ich bin seitdem am Überlegen.

Ich soll also - direkt ausgedrückt - meinem Partner "einen runterholen" oder ihm einen Blasen, damit er zufrieden gestellt ist? "Zufrieden stellen" - der Ausdruck hat für mich etwas unterwürfiges.....allein bei dem Gedanken daran fühle ich mich wie vergewaltigt.

Ich soll ihn um des lieben Friedens willen befriedigen???

Denkansatz des Psychiaters ist anscheinend:

Ich bin krank, mein Partner ist gesund. Damit ER nicht leidet und die Beziehung dadurch kaputt geht, soll ich meinen Partner zufrieden stellen! Trotz Krankheit, Unwohlsein, Unlust, schwarze düstere Stimmung. Aha.

Mein Denkansatz:

Ich bin krank, mein Partner gesund. Mein Partner sollte mir helfen, mit den Depressionen zu leben (wahlweise mich verlassen, was natürlich für mich schlimm wäre) und mir das Leben nicht noch schwerer machen, in dem er nach Sex bettelt oder schlimmer noch: ihn fordert.
Er hat meiner Meinung nach Verständnis zu haben und auf Sex zu warten, bis ich mal bessere Tage habe.....denn die habe ich ja. Nur nicht so oft. Sagen wir mal, meine Lust auf Sex besteht vielleicht 2x im Monat. Wenn ihm das nicht reicht, soll er es sich selbst machen, aber mich doch damit nicht "nerven"????

Ich als Erkrankte - es ist doch nicht meine "Aufgabe", auf meinen Partner einzugehen, sondern er müsste auf mich eingehen?!

Warum soll ich über meinen Schatten springen und etwas tun, worauf ich (krankheitsbedingt) keine Lust habe? Kuschelbedürftig bin ich....aber ich wäre es noch mehr, wenn ich nicht ständig Gefahr laufen würde, dass ihm das Kuscheln dann nicht reicht und er jedes Mal mehr will.

Hätte ich vielleicht doch lieber eine PsychiaterIN, eine Frau, nehmen sollen? Ob die auch so denken würde?

Wer hat hier den falschen Denkansatz - der Psychiater und im weiteren Sinne auch mein Freund oder doch ich???

Ich muss dazu sagen, mein Partner kann generell nicht mit meiner Krankheit umgehen, weil er meint, ich benutze die Depressionen, um meinen Willen zu kriegen, um ihm zu zeigen, wo es lang geht. Ich schiebe die Depression nur vor, weil ich ihn eigentlich gar nicht genug liebe und keine Sexlust auf ihn habe.

Das ist völliger Quatsch und ich nehme nun auch Antidepressiva, die aber noch nicht wirken, da ich sie erst kurz nehme.

Ich liebe meinen Freund, aber irgendwie reden wir aneinander vorbei. Er macht auch oft schlechte Stimmung, weil er mit meiner Vergangenheit nicht zurecht kommt. Ich habe nichts schlimmes getan in der Vergangenheit, nur für seinen Geschmack zu viele Partner gehabt (sechs), während er das Glück hatte, Silberhochzeit mit seiner Jugendliebe feiern zu dürfen, bevor seine Ehe kaputt ging.

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Du hast einen relativ einfachen Denkfehler.

Es geht nicht um "entweder..., oder...".

Ihr führt eine Beziehung. Die bestehen aus Geben und Nehmen, unabhängig davon, ob einer krank ist oder nicht. Möglicherweise kann sich durch so eine Krankheit das Verhältnis von Geben und Nehmen mal in richtung 20-80 verschieben, statt normal irgendwo um 50-50 zu liegen. Verschiebt sich das Verhältnis aber zu 0-100, dann leidet die Beziehung ganz sicher. Dein Psychiater hat also recht.

Wenn Du aber eben nur in schwarz und weiss denken kannst (und Du wärst nicht die Erste), dann zieh Dein Ding durch und mit etwas Glück findest Du eine PsychiaterIN, die Dir nach dem Mund redet (und damit ihren Job verfehlt).

Bedenke bitte, dass Dein Mann sich in seinen Bedürfnissen durch Deine Krankheit nicht automtisch auch verändert hat. Wenn Du ihn nun, gewollt oder ungewollt, am ausgestreckten Arm "verhungern" lässt, dann wundern mich seine Anspielungen nicht. Das ist der Frust, der da einfach durchkommt. Natürlich schiebt er die Ursache des Problems auf Deine Depression.

Meine Frau übrigens befindet sich auch in Behandlung, schon seit geraumer Zeit. Sie hat auch ausgesprochen wenig Lust und das nun schon seit gut 3 Jahren. Was bedeutet, dass wir wenn es hoch kommt alle paar Monate mal Sex haben.
Sie weiss aber auch, dass ich keine Depression habe und eben trotz ihrer Krankheit auch Bedürfnisse nach Nähe und Sex habe.
Wir haben unseren Weg gefunden und mir würde im Traum nicht einfallen, dass meine Frau ihre Depression vorschiebt, um irgendetwas zu erreichen, oder irgendetwas nicht tun zu müssen. Schlicht, weil sie sehr wohl versteht, wie meine Situation aussieht und mir eben auch entgegenkommt.

Geben und Nehmen...

Die Welt ist eben nicht nur schwarz oder weiss und zwischen 0 und 100 liegen noch 99 weitere Prozentpunkte...

Ach so... noch am Rande. WENN wir dann mal Sex haben, dann ist meine Frau immer sehr euphorisch, wie toll das Ganze eigentlich ist und wie schön und erregend, entspannend etc...
Stellt sich die Frage, warum man das dann nicht öfter tut...

Vielleicht versucht Dir Dein Psychiater da etwas zu vermitteln, was Du auf den ersten Blick nicht erkennen willst... ;-)

Denk mal drüber nach.

Viel Glück wünsche ich euch und Dir eine zeitige und nachhaltige Genesung... :-)

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Ergreift deine Frau die Initiative, wenn ihr Sex habt? Oder wie kommt es denn dazu?

Gibt es auch Momente, in denen du einen Annäherungsversuch startest und sie weist dich ab?

Ich mache mir gerade mal wieder über das Thema (Sex mit einem Menschen, der depressiv ist) viel Gedanken, vor allem, weil es bei Freunden von mir gerade sehr bergab geht in der Beziehung, weil zusätzlich zu seiner Depression jetzt auch noch die sexuelle Situation eskaliert.

Viele Grüße,
Kate

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Meist verabreden wir uns. Und dann wird zelebriert. Meine Frau ergreift in der Situation ganz gerne auch die Initiative.

Die Verabredungen werden meist von mir eingeleitet. Würde ich also nicht damit anfangen, würde vermutlich noch weniger passieren. ;-)

Das was zwischen uns viel passiert ist, dass ich mir meine Frau einfach mal greife. Sie hat unglaubliche Brüste und einen tollen Hintern. Da kann ich oft nicht wiederstehen (eigentlich nie...), das lässt meine Frau aber gemeinhin auch zu, bzw geniesst die Aufmerksamkeit und begreift es als das, was es ist. Ein Ausdruck meiner Gefühle für sie.

Da ich meine Frau ganz gut lesen kann, geschieht es eigentlich nie, dass sie mich zurückweist, schlicht weil ich die Stimmung mitkriege und meine Hände bei mir behalte... ;-)
Kommt aber sehr selten vor...

Es ist komisch, wenn ich das so schreibe und lese, führe ich in dieser Hinsicht eine sehr harmonische Beziehung, obwohl sich das für Aussenstehende sicher ganz anders liest... :-D

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Kann es nicht sein, dass dein Partner die Depression wieder entfacht hat?
Seine Vorwürfe sind harter Tobak, sowohl in Bezug auf die Krankheit als auch auf dein Vorleben.

Das würde mich auch belasten.

LG

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Für eine zweite Sitzung finde ich das viel zu früh, über dieses Thema zu reden. Meine Therapeutin meint, auch in einer Paartherapie kommt dieses Thema zuletzt, bis man gelernt hat, gut miteinander zu kommunizieren.
Ich würde den Therapeuten wirklich bitten, mich an eine Kollegin weiterzugeben.
Es gibt wesentlich bessere Vorschläge, als den, den dein Therapeut gemacht hat.
Zum Beispiel abgemachtes Sexverbot für eine gewisse Zeit, z.B. 3 Wochen, in der ihr euch einfach gegenseitig massiert u die erogenen Zonen dabei ausspart, um euch auf diese Weise wieder körperlich näher zu kommen. Und vieles mehr, aber so platt, wie dein Therapeut dich da überfallen hat, das geht gar nicht, finde ich. Spricht dafür, dass er dir insgesamt auch in Zukunft wenig wird helfen können.
Wechsle!

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Sorry, aber ich habe andere Erfahrungen gemacht.

Sex wird sehr oft früh thematisiert, weil es eben auch einen wesentlichen Punkt der Persönlichkeit innerhalb einer Beziehung ausmacht.
Von dieser Nachfrage gleich auf die gesamte Eignung des Therapeuten zu schliessen, finde ich schon ausgesprochen gewagt.

Es geht hier wohlgemerkt auch nicht um eine Paar-Therapie (dann lägest Du mit Deinem Ansatz vermutlich gar nicht so verkehrt), wo beide lernen müssen zu kommunizieren. Die TE ist depressiv, NICHT ihr Partner. Der wird es aber bald, wenn er so sehr aussen vor gelassen wird...

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Hallo,
nun diese Aussage deines Arztes empfinde ich persönlich auch als grenzgängig. Allerdings denke ich nicht das deine Sichtweise "ich bin krank und daher ist von mir nix zu erwarten und mein Partner muss sich nur nach mir richten" so prall ist. Ja du bist krank und dein Partner muss das akzeptieren. Allerdings heisst das nicht, dass du dich nun zurücklehnen kannst und dich nicht bemühen musst. Und so liest sich das für mich. Der Partner einer psychisch kranken Person muss verdammt viel wegstecken und auf sich nehmen. Ich weiss wovon ich da spreche denn ich war selbst krank und habe meinem Mann damit einiges abverlangt. Trotzdem war ich bemüht um ihn und unsere Beziehung und habe mir keineswegs gedacht das er halt gehen muss wenn es ihm nicht passt.

Gruß
Barrik

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Immerhin hat er dich durch seine Bemerkung scharf ans Nachdenken gebracht und du hast dir für dich eine Meinung gebildet, was für die nächste Sitzung ein Einstieg sein kann.
Du hast dir bewusst gemacht, was du von deinem Partner erwartest, auch darüber kann man reden, erwartest du zuviel Rücksichtnahme oder nicht.

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Hallo,

Das ist ein schwieriges Thema.
Ich gehe mal davon aus das Sex ein großes streitthema bei euch ist?
In deinem Beitrag klingt es zu sehr nach "ich bin krank, alle müssen Rücksicht nehmen".
Versteh mich nicht falsch, ich bin selbst betroffen und kenne diesen Zustand.

Ich denke nicht das der Therapeut das so gemeint hat wie du es verstanden hast, eventuell hat er es zu hart ausgedrückt.
Dennoch ist dein Partner Teil dieser Beziehung und das ganze sollte ein geben und nehmen sein.
In dem du dich aber oft zurück ziehst und lustlos bist, nimmst du aber nur.
Du nimmst dir das recht zu sagen ich will jetzt nicht, du kommst bei ihm an wenn DU Lust verspürst...
Das soll jetzt auch nicht gegen dich schießen, aber verstehst du wie ich es meine?
Auch dein Partner hat das recht Lust zu verspüren.

Dieses Problem löst du auch nicht mit einem anderen (weiblichen) Therapeuten, der dir nach dem Mund redet, weil es letztlich dennoch Thema deiner Beziehung bleibt.
Nur weil ein Therapeut dir bestätigt das dein Partner sich gefälligst zurück zu nehmen hat, macht es das für ihn nicht besser oder verständlicher.

Vielleicht könntet ihr eine gemeinsame paartherapie aufsuchen um zu lernen ein miteinander zu finden,so das es für beide Seiten angenehm wird.
Zwischen euch wird sich sonst immer mehr Druck aufbauen, jeder muss auf den anderen eingehen und Rücksicht nehmen.

LG

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Der Arzt meinte wohl, da es für dich ja schlimm wäre, wenn dein Partner dich wegen des fehlenden Sex auf Dauer verlässt, dass es dann evtl. weniger schlimm für dich wäre, da ab und zu über deinen Schatten zu springen. Hat es nur blöd rübergebracht scheinbar. Er wollte dir wahrscheinlich nur bewusst machen, dass du evtl. auf ein Beziehungs-Aus zusteuerst, was für dich wohl NOCH schlimmer wäre!

Ich finde im Übrigen nicht, dass man es einem Partner nach nur 2 Jahren Beziehung zumuten kann, auf deine Depressionen ständig Rücksicht zu nehmen und sich total zurück zu nehmen. Geht es dir damit besser, dann geht es IHM damit schlechter. Ich würde sowas auf Dauer in einer Partnerschaft nicht mitmachen, schon gar nicht, wenn man noch relativ kurz zusammen ist. (2 Jahre gegen Silberhochzeit sind nichts!)

Bei deiner Einstellung, ganz ehrlich, wäre ich dein Mann, würde ich dich verlassen. Spätestens das "dann soll er es sich doch selbst machen und mich nicht mit Sexwünschen nerven" wäre für mich das endgültige Aus. Den Spruch finde ich echt unter aller Kanone.

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>>... "dann soll er es sich doch selbst machen und mich nicht mit Sexwünschen nerven"...<<
Den Spruch hab ich wohl überlesen. Aber Du hast vollkommen recht. Der Spruch ist tatsächlich unter aller Kanone und geht innerhalb einer Beziehung gar nicht, egal wie krank man nun ist...

Im Grunde kommt das einer beziehungsmässigen Bankrotterklärung gleich.

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Hi,

es ist absoluter Irrsinn diese, Deine Gefühle hier zu diskutieren. Das gehört in Deine nächste Gesprächssitzung. Schiesslich tastet Ihr Euch ja sozusagen erst langsam aneinander ran und Du hast keine Ahnung, was er damit sagen wollte.

Viele Grüße
die Landmaus

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Ich würde euch dringend eine gemeinsame Therapie empfehlen. Warum kommen deine Ängste jetzt wieder hoch, hängt das vielleicht mit dem wechselseitigen Druck zusammen den ihr euch grad macht?

Du malst hier ein Bild wie du die Welt siehst. Wie ist sie denn tatsächlich - steht er jeden Tag auf der Matte und meldet seine Bedürfnisse an? Wie sieht es denn auf seiner Seite tatsächlich mit Verständnis für deine Situation aus? Nimmt er Rücksicht, kümmert er sich um den Alltag und versucht dich zu entlasten? Falls ja, was ist so schlimm daran auch einmal auf seine Bedürfnisse einzugehen, wenn du dich zwischenzeitlich einmal besser fühlst?

So wie Du das Thema Sex beschreibst ist dort erschreckend wenig von Nähe, Zusammensein und Gefühlen die Rede, eher von totaler Verweigerung ohne wirkliche Aussicht und Hoffnung deinerseits auf Besserung. Das wäre mir als Mann auf Dauer zu wenig, ich würde bei der Einstellung schlicht irgendwann resignieren.