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>>Meiner Meinung nach muss es schon ziemlich schlimm sein, dass eine Trennung der richtigere Weg ist! <<

ich denke, kein Paar macht es sich leicht mit einer Trennung. Was aber "ziemlich schlimm" ist, und was nicht, da hat jeder seine eigene Vorstellung von

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Hallo,

ich kann deine Frage gut verstehen, da sie mich selbst lange beschäftigt hat.

Meine Ehe lief einige Jahre nach dem Motto: "Zu gut,um zu gehen, zu schlecht, um glücklich zu sein."

Mein Mann war in jüngeren Jahren recht jähzornig mit geringer Frustrationstoleranz. Auf der anderen Seite war er ein Vollblutvater, der sehr viel mit den Kindern unternahm, sich kümmerte, vollumfänglich seiner Verantwortung für die Familie nachkam. Aber alle positiven Attribute konnten nicht wettmachen, dass er mit seinen Aussetzern häufig die Atmosphäre zu Hause vergiftete. Er vergriff sich gerne im Ton, sowohl gegenüber mir als auch den Kindern.
Das war für mich auch so eine schwere Zeit! Einerseits sah ich meine Kinder, wie sie freudestrahlend mit dem Papa vom Ausflug zurückkamen und andererseits musste ich sie genauso oft trösten, wenn er wieder mal verbal austickte. Ich weiß nicht, ob das richtig war, aber ich meinen Kindern damals in solchen Situationen immer wieder bestätigt, dass ich das Benehmen ihres Papas auch ganz schlimm finde und ich sauer bin! Ich wollte ihnen so wenigstens spiegeln, dass das Verhalten inakzeptabel ist. Meine größte Befürchtung war nämlich, dass sie sich daran gewöhnen und es als "normal" ansehen könnten.
Noch komplizierter wurde es, als mein ältester Sohn anfing, ähnliche Verhaltensstrukturen zu entwickeln. Da wusste ich nicht, ob er das Wesen meines Mannes geerbt hatte oder ob er es sich abschaute, was mich wieder in den Zwiespalt stürzte. Denn ICH bin nicht so und empfinde Jähzornigkeit als Störung des Charakters. Ich wollte keinesfalls, dass mein Sohn so ein Verhalten übernahm. Aber verhindern konnte ich es auch nicht, zumal der Papa sowieso der Star für den Älteren war. Es waren Jahre, die nicht schön waren. Mehrere Male äußerte ich auch den Wunsch nach einer Trennung. Dann wurde es wieder besser, man schöpfte Hoffnung...na ja, wie das halt so ist...

Du merkst vielleicht, dass mein Text in der Vergangenheit geschrieben ist. Ich bin inzwischen 15 Jahren mit meinem Mann verheiratet und noch nicht geschieden! :-D Er ist in manchen Situationen immer noch ungeduldig, aber heute in einem gesunden Maß. Es kommt nicht mehr vor, dass sich mein Mann dermaßen im Ton vergreift. Szenen, wie sie sich vor 5 Jahren abgespielt haben, finden heute nicht mehr statt. Keine Ahnung, warum und wie mein Mann zu einem gesunden Verhalten eines erwachsenen Menschen gefunden hat. Ich denke, er wird wohl auch durch die Kinder gewachsen sein. Vor allem mein ältester Sohn bekam durch seine aufbrausende Art schnell Probleme im Kindergarten, später in der Schule. Ja, was soll man da der Lehrerin sagen, wenn sie im Beisein meines Mannes das schwierige Verhalten meines Sohnes beschreibt, das hätte genau so von ihm selber sein können? Vielleicht ist auch der Testosteronspiegel um die 40 gefallen? ;-) Vielleicht hat er auch erkannt, was auf dem Spiel steht, denn auch eine Frau mit 40 lässt sich bei Weitem nicht das gefallen, was sie mit 25 noch über sich ergehen ließ. Ich lasse wohl keinen Zweifel daran, dass das Maß voll ist und ich nicht bereit bin, ein bestimmtes Verhalten zu dulden. Ich fühle mich zu alt für das ganz große Drama. Das mache ich nicht mehr mit.

Bei uns scheint es sich zum Guten gewendet zu haben. Ich denke mit schwierigen Entscheidungen ist es nie leicht! Man muss zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Entscheidung treffen, nach bestem Wissen und Gewissen und auf der Basis der Ressourcen, die man zu diesem Zeitpunkt hat. Niemand kann wissen, ob es im Nachhinein besser gewesen wäre, anders entschieden zu haben.

Auch ich kann das schlussendlich nicht wissen. Meine Kinder sind wohl im Großen und Ganzen glücklich in unserer Familie. Auch der Papa wird heiß und innig geliebt und er selbst geht nach wie vor in der Rolle auf. Er ist ein guter Mensch, mit einem guten Herz. Das war er schon immer. Trotzdem kann ich sein Verhalten in jüngeren Jahren nicht beschönigen. Das war schlimm. Ob mir meine Kinder eines Tages mit einem erwachsenen Blick auf ihre Kindheit vorwerfen werden, dass ich mich nicht getrennt habe, das weiß ich nicht. Verstehen könnte ich es.

Was ich dir sagen kann, ist, dass ich die Frage, ob ich mich trenne, vor allem auch von mir selbst abhängig machen würde. Bin ich mit meinem Leben im Großen und Ganzen glücklich und zufrieden? Fühle ich mich stark und lebendig? Wenn dem so ist, kann man doch so einiges auffangen. Schlimm ist es, wenn einem der psychische Stress mehr und und mehr zusetzt und man immer kraftloser wird. Das ist ein schleichender und gefährlicher Prozess. Dann kann man nämlich weder für die Kinder da sein, noch hat man die Kraft, eine notwendige Trennung durchzuziehen. Es ist tatsächlich eine Wanderung auf ganz schmalem Grat.

Dir alles Gute
Malena

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Ein wirklich reflektierter und sehr hilfreicher Beitrag.#blume
Mir ging es vor vielen Jahren ähnlich .
Mein Sohn hat ganz eindeutig die Verhaltensweisen seines Vaters erkennen lassen.
Seine Wutanfälle verschwanden innerhalb weniger Monate nach unserem Auszug.
Meine Kräfte schwanden so langsam, wie von dir beschrieben.
Es war ein Befreiungsschlag sich von diesem Mann zu trennen, für den ich insgeheim , recht lange noch, eine ungesunde Loyalität empfunden habe.
Meine Kinder waren bald froh über die Trennung und konnten sich ihre Eltern als Paar nicht mehr vorstellen.
Ich wünsche dir und deiner Familie ,dass alles weiterhin friedlich und zu händeln bleibt.