19

Da würde ich mir gar keine Gedanken machen. Eben weil bei euch die Fronten so dermaßen geklärt sind, kann er doch ganz frei und offen in seinen Zuneigungsbekundungen sein. Und es ist doch wohl mehr als ein Klischee, dass homosexuelle Männer oft ein besonderes Auge für Details, was Kleidung und Stil angeht, haben und empathischer in ihrer Kommunikation sind, vermutlich weil sie nicht das heterosexuelle Männerbild erfüllen müssen...

Im Übrigen würde ich mir insgesamt wünschen, dass Männer und Frauen oder Menschen generell so aufmerksam miteinander umgehen wie dein Freund das mit dir tut. Du sagst, er sei nicht übergriffig und du empfindest seinen Körperkontakt nicht als übergriffig, so what? Selbst wenn er nun bi wäre...Befürchtest du, er respektiert deine Ehe nicht? Dazu gibt es doch gar keinen Anlass, oder?

Genieß es und lass die Leute labern.

20

Was wäre wenn er kein Mann wäre sondern deine heterosexuelle beste Freundin? Würdest Du Dir dann auch über all die Dinge Gedanken machen, die Du Dir bei ihm machst? Meine beste Freundin nimmt mich ständig in den Arm, macht mir Komplimente über mein Aussehen, meine Figur, sieht, wenn ich eine neue Frisur habe, aber ich denke ja trotzdem nicht, dass sie sexuell auf mich steht. Vielleicht hat er zu dir auch so ein enges vertrautes und unverfängliches Verhältnis, gerade WEIL er weiß, du willst nichts von ihm. Er kann dich genauso hübsch und toll finden rein platonisch, wenn er nicht auf Frauen steht, wie es eine gute Freundin täte. Darum sind ja so viele Frauen gerne mit Schwulen befreundet und umgekehrt. Weil man weiß, es bedeutet sexuell nichts und man kann davon unbelastet eine tolle Freundschaft genießen.

Würde ich das Verhalten von Freundinnen so werten wie du das von ihm, müsste ich denken, meine engsten Freundinnen wollen alle was von mir. Wir reden auch noch offen über sexuelles bis ins kleinste Detail und sagen uns danach wie lieb wir uns haben. Hilfe, hoffentlich bin ich nicht lesbisch und weiß es selbst noch nicht. ;-)

25

Ehrlich gesagt, ich mach das auch nicht mit meinen besten Freundinnen, mit meinen Eltern/Geschwistern/…

In den Arm nehmen, den anderen beim Gespräch ständig anfassen, das mach ich mit meinem Mann und meinen Kindern. Und auch bei Komplimenten, ja, ok, wir sagen schon mal: Hey, das Kleid steht dir gut. Oder: Das sieht toll aus. Aber irgendwie hab ich hauptsächlich Freunde, wo es nicht so stark ums Aussehen geht. Wir reden da eigentlich nicht wirklich so drüber.

23

Hi.
Mein Arbeitskollege ist auch schwul und genau so wie du deinen Kollegen beschreibst ist meiner auch. Und er ist 100 % schwul!! Am Anfang fand ich es auch seltsam, aber habe mich mittlerweile daran gewöhnt. Er ist einfach so. Ich nehme es ihm nicht übel. Also mach dir nicht so viele Gedanken.

24

Danke für eure Einschätzungen und Meinungen. Ich hab tatsächlich nochmal drüber nachgedacht - v.a. weil mich eure Antworten beschäftigt haben. Geil find ich ja immer die, die dann zur Trennung raten oder an meiner Ehe zweifeln. Da denk ich mir dann immer: "Siehst du, so konservativ, verbohrt und prüde bin nicht mal ich selber."

Mir ist klar geworden, worum es mir eigentlich geht: Es geht um eine Diskrepanz zwischen dem, was man über die Jahre "gelernt" hat, und dem, was man fühlt. Gelernt habe ich (und offenbar nicht nur ich), dass man "tiefergehende Berührungen" (also sei es eine körperliche Berührung über das Übliche hinaus - wie z.B. die Geschichte mit den Haare - oder ein ernsthaft vorgebrachtes, schönes Kompliment, eine tiefe Nachfrage nach dem Befinden, …) nur macht oder zulässt, wenn man entweder eine Liebesbeziehung hat, haben will oder aber eine Liebesbeziehung von vornherein komplett ausgeschlossen ist. Die Frage, ob das nun richtig oder falsch ist, ist nicht relevant, ich habe es so gelernt und über Jahre hin hat sich das als so richtig bestätigt. Im Endeffekt gilt das bei jedem - jeder hat ja seine Grenze, bis zu der er etwas zulässt ohne es als Liebesbeziehung zu definieren. Und bei einem ist es überspitzt gesagt eine Umarmung bei dem anderen noch nicht mal die Penetration. Egal.


Nun habe ich im Laufe der Jahre festgestellt, dass diese Grenze bei mir offenbar so nicht (mehr) gilt. Es gibt tiefergehende Berührungen, die sind mir angenehm, man kann sogar sagen sehr angenehm, sie tun mir richtig gut. Gleichzeitig weiß ich aber - und das könnt ihr jetzt glauben oder nicht - dass es keine sexuelle oder "liebesmäßige" Anziehung ist. Ich zweifle nicht an meiner Ehe, ich bin glücklich mit meinem Mann, ich liebe ihn. Allein die Vorstellung, ihn für wen auch immer aufgeben zu wollen oder jemand anders in unsere Ehe "mitaufzunehmen" (oder wie auch immer man das mit den offenen Beziehungen formuliert), ist für mich völlig absurd. Bei dem betreffenden Mann - also meinem schwulen Kollegen - könnt ich mir nicht mal vorstellen, dass ich als ungebundene Frau ohne Kinder mit ihm was angefangen hätte: Unsere Vorstellungen vom Leben sind zu unterschiedlich und Vögeln ohne Beziehung oder ein paar Monate Beziehung ohne Zukunft war auch nie mein Ding. Also, nee, nicht mal wenn ich ungebunden wäre.

Also bin ich mal wieder an einem Punkt in meinem Leben, wo ich mein "Gelerntes" auf den Prüfstand stellen muss. Ich find, das ist ein völlig normaler Vorgang. Leichter tu ich mir, wenn ich mit jemand drüber kommuniziere. Im Freundeskreis ist das schwierig, weil ich nur mit "offenen" Freundinnen drüber reden kann und somit immer nur zu hören bekomm: "Ach, denk dir nix." mit den konservativeren mag ich lieber nicht reden, sonst meinen die am Ende auch noch, meine Ehe wäre in Gefahr oder stecken es am Schluss noch ihrem Mann, der es dann wiederum meinem Mann … nein. Und deshalb finde ich dafür ein Internet-Forum sehr passend. Man kann seine Gedanken ordnen, bekommt Meinungen zu hören, …

So, bequem für mich wäre es, der Gute wäre tatsächlich schwul. Dann sind wir nämlich bei "Liebesbeziehung von vornherein ausgeschlossen" und mein altes Bild braucht nicht zu wackeln. Die andere Variante ist ein bisschen unbequemer, dafür aber auch lehrreicher.

Gerade dann interessiert mich trotzdem auch, wie die Mehrheit denkt. Wo es anfängt, "intim" zu werden. Denn wenn 90% der Menschen der Meinung sind, es sei eben intim, sich z.B. relativ vorsichtig in die Haare zu fassen (also nicht einfach nur durchwuscheln oder so), dann würde ich einem Mann, der eben nicht von vornherein "ausscheidet", doch eine Grenze setzen. Nicht, weil es mir unangenehm ist, sondern weil ich ihn dann zwangsweise auf eine falsche Fährte führe und das nicht mag.

Zusammengefasst: Er hat Dinge überschritten, von denen ich gelernt hab, sie seien eine Grenze. Gleichzeitig hab ich bemerkt, dass es FÜR MEIN EMPFINDEN keine Grenzüberschreitung war. Aber hat er auch das Gefühl, eine Grenze überschritten zu haben und wähnt sich in einem Bereich, der über das Kollegiale hinaus geht? Dann müsste ich ihm suggerieren, dass er sich dort nicht befindet. Wenn er schwul ist, besteht diese Gefahr nicht und es ist einfach. Und deshalb interessiert es mich.

26

P.S.: Und was die anderen denken, interessiert mich doch aus. Denn ich möchte definitiv nicht, dass sich der halbe Betrieb denkt, man könne bei mir solche Grenzen frei nach Gusto überschreiten. Das wird dann nämlich anstrengend. Sieht man ja schon hier in der "ach so liberalen" urbia-Gemeinde. Wenn ich hier schreib, ich finde es eigentlich angenehm, wenn mich jemand in den Arm nimmt, dann schreiben mir 5 Leute, ich solle meine Ehe hinterfragen. Diesen Ratschlag möchte ich definitiv nicht im Kollegium bekommen.

27

#augen das musste dann wohl mal dringend raus und alle Welt muss teilhaben