Warum bin ich so unvollkommen?

Ich habe gestern von einem Bekannten erfahren, das eine Ex-Freundin von mir sich das Leben genommen hat. Mit 47 Jahren. Sie ist wohl vom Dach eines Hochhauses gesprungen.

Ich habe sie das letzte Mal vor 10 Jahren gesehen. Unsere 3-jährige Beziehung war ein einziges Chaos und sehr viel Streit und Krampf. Die Beziehung fing schon irgendwie kaputt an und sie endete wie sie begann. Mit Lautstärke und Türenknallen.

Eigentlich passten wir kein Stück zusammen aber irgendwie konnten wir auch nicht voneinander lassen. Es war eine ziemliche Achterbahnfahrt die drei Jahre. Rauf, runter, Streit, Vertragen, Hass, Liebe, jede Woche mindestens einmal. Wir haben uns auch am Telefon gestritten, persönlich, in der Öffentlichkeit vor Bekannten auf Parties usw.. Einmal während einer Autofahrt, wo ich mich dermaßen aufgeregt habe, dass ich bei Tempo 180 fast in den Graben gedonnert wäre. Da ich leider sehr aufbrausend bin, genauso wie sie, wurde auch nicht mit derben, teilweise richtig unflätigen Worten gespart. Mit richtigen üblen Ausbrüchen und Verletzungen. Sie konnte mich wie keine andere auf die Palme bringen und das gleiche galt wohl auch umgekehrt. Im Verlauf einer dieser Streits hat sie mich einmal angebrüllt, ob es mir lieber wäre, wenn sie vom nächsten Hochhaus springt. Und ich, in Wut und Rage und außer mit, habe sie angebrüllt: „Dann spring doch endlich in Gottes Namen!“

Das geht mir im Moment nicht aus dem Kopf. Ich habe mich schon damals kurz danach geschämt, wozu man sich in Wut hinreißen lässt aber jetzt erscheint es mir wie ein Menetekel. Sie hat sich ganz sicher nicht wegen mir das Leben genommen, so vermessen bin ich nicht. Aber ich frage mich, warum ich nicht erkannt habe, wie es wohl in ihr aussieht und warum ich mich in all den Jahren nicht mehr gemeldet habe. Warum man einen Menschen, dem man, wenn auch auf eine sehr ungesunde Weise verbunden ist, einfach so fallen lässt und sich nicht mehr kümmert.

Ich weiß gar nicht, warum ich das schreibe. Es beschäftigt mich einfach. Und ich fühle mich schuldig. Für meine Unbeherrschtheit, für meinen Mangel an Souveränität, für meine Empfindlichkeit, viel zu Vieles persönlich zu nehmen, einfach für meine Unvollkommenheit.

Jetzt werde ich ihr nicht mehr sagen können, dass es mir leid tut, wie ich mich damals aufgeführt habe.

Ich hoffe, ich kriege mal die Chance, es irgendwann bei einem anderen Menschen besser zu machen.

Grüsse

1

Hi bin ergotherapeutin, in der ausbildung hat mal ein doc gesagt, ^mach die probleme von anderen nicht zu deinen eigenen ^! Wir sind nicht veranywortlich für das handeln anderer... Das entscheidet jeder selbst... Um es zu bewãltigen, vielleicht einen Brief schreiben, oder mal blumen zum grab bringen und einfach mal aus sprechen was du denkst, das befreit.. Alles gute!

9

Ich kann dir und Moni nur zustimmen.

Liebe/r TE: Es gibt Menschen, die tragen aufgrund einer genetischen Komponente oder einer schlimmen Kindheit so viel Chaos und Zerstörung in sich, dass sie andere Menschen in ihren Strudel zu ziehen drohen ("Sie konnte mich wie keine andere auf die Palme bringen").

Ein Außenstehender kann sie nicht retten. Die Betroffenen müssen selbst aktiv werden für sich - Therapie, Medikamente,...
Wenn du eine gute Seele bist, kannst du die Betroffenen auf ihrem Weg begleiten. Dabei muss man aber enorm auf sich selbst aufpassen. Wenn du nicht die Kapazitäten dafür hast (so geht's den meisten Mitmenschen), musst du dich distanzieren. Zu deinem eigenen Wohl. Das hat nicht's mit "entsorgen" zu tun, sondern mit Selbstschutz.

2

Ein mir nahestehender Mensch in der Familie hat sich auch das Leben genommen. Ich bin nicht sicher, ob ich das nächste Mal das erkennen würde!
Ich bin froh, dass ich damals nicht der Auslöser war.
Deine Bekannte hat scheinbar Ruhe gefunden. Ein Lebensmüder hat einen derartigen Druck, den er nur durch selbstmord los wird.
Ich darf gar nicht denken, was wir ohne den selbstmord alles erlebt hätten.
Ich sehe es als eine Krankheit, die tödlich enden kann.
Dir mein Mitleid über den Verlust.
Sei traurig, dass sie nicht mehr lebt.
Du wirst es mit der Zeit rationaler sehen. Du hast keinen Anteil.
LG

3

Sie muss sehr krank gewesen sein, es war aber nie Deine Aufgabe, das zu erkennen. Und schon gar nicht, sie zu heilen.

4

Mein erster Mann, den ich immerhin ja auch mal aus Liebe geheiratet hatte, war Alkoholiker und wurde dann derart gewalttätig, sodass ich die Scheidung einreichte und ihn rauswarf. Bis er eine Wohnung hatte, kündigte er regelmäßig seinen Selbstmord an, fuhr auch mal sein Auto zu Schrott und behauptete, er habe sich umbringen wollen. Eines Tages legte ich ihm einen Strick, Rasierklingen und Schlaftabletten hin und sagte "mach es und zwar genau in dieser Reihenfolge, damit es endlich auch klappt".
Ich war von den ewigen Streitereien einfach unendlich fertig, musste die Kinder beschützen usw.
Ich will Dir nur damit sagen, dass man in so eine Situation getrieben werden kann.
So gesehen habe ich ihn auch fallengelassen, so sah es jedenfalls meine Schwiegermutter. Aber ich war sicher nicht der Therapeut für sein verpfuschtes Leben - auf Kosten meines eigenen Lebens und dem meiner Kinder.
Deine Selbstvorwürfe helfen Dir nichts, durch diese Situation musst Du nun durch und das schaffst Du auch. Man kann daran arbeiten, nicht alles zu persönlich zu nehmen, das geht wirklich. Alles Gute.
LG Moni

5

Du trägst keine Schuld daran und auch wenn du dich für dein Verhalten vorher entschuldigt hättest, so wäre ihr Leben wohl genauso geendet.

Manchmal habe ich wegen meines Berufs mit solchen Fällen zu tun... diejenigen, die sich wirklich suizidieren wollen, tun es einfach. Ohne Vorankündigung. Ganz unvorbereitet für das Umfeld. Solchen Menschen ist nicht zu helfen und sehr viel Mitleid kann ich für solche Menschen auch nicht aufbringen.

Sicher, krank mögen viele evtl vorher gewesen sein. Jeder andere weiß schließlich, dass es eigentlich immer einen Ausweg gibt. Noch dazu: ein Suizid ist so egoistisch.
Jemand hat die Frau gefunden und muss ein Leben lang damit zurecht kommen. Man hinterlässt sein Umfeld, das sich Vorwürfe und Gedanken macht usw. ...

Mach dir keinen Kopf. Niemand hätte es ändern können.

6

Dich trifft keine Schuld, es war allein ihre Entscheidung.

Allerdings frage ich mich, was das Thema mit der Überschrift und deinem "Namen" zu tun hat ... #kratz

7

Wir sind alle unvollkommen. Und zwar ziemlich. Das ist der Witz daran....wir brechen an unseren eigenen Idealen...wenn wir nicht lernen....dass eben genau das das Leben ausmacht.


Du kannst nur jetzt und morgen und an jedem anderen Tag an Dir arbeiten.....so wie sie eben davor an sich.....man kann nicht die ganze Welt retten.... Man kann niemanden umkrempeln....

Und vermutlich gibt es nicht viel, was Du hättest tun können. Ich jedenfalls habe 10 Jahren mit meinem Ex geredet .....und er hat es trotzdem geschafft durch sein Handeln und sein verqueres Denken von einem Mist in den nächsten zu segeln..... Jetzt lasse ich ihn....er hat Hilfsstellen....und weiß wo er hingehen kann....aber hingehen und was ändern wollen muss er schon selbst...

Am Ende konntest du nicht riechen wie es ist. Hätte sie dich gewollt, hätte auch sie auf doch zugehen können.

8

Was würdest Du denn in Zukunft besser machen?
Bei einem Streit nicht mitstreiten? Würde das für Dich funktionieren? Vermutlich wäre das dann so, als müsstest Du es in Dich hineinfressen. Wärst das dann Du?

Du kannst Dich immer noch innerlich von Ihr verabschieden, um Vergebung bitten und gleichzeitig Deine Liebe ausdrücken, denn es gab ja auch etwas was Euch zwischen dem Destruktiven verbunden hat.

Was mir hilft, auch im Streit ist, daß ich versuche auf der Metaebene uns als Beobachter zuzuschauen. Dann kann ich die Sichtweise und Beweggründe des anderen wahrnehmen.
Allerdings macht auch hier das Ego oft einen Strich durch die Rechnung und ich bin selbst im "Film".

Allein daß Du Dir darüber Gedanken machst zeigt mir, daß Du zukünftig mit anderen Menschen in Deinem Leben nicht mehr so umgehen willst und das finde ich bemerkenswert. Die Unvollkommenheit gehört dazu, weil es keine Vollkommenheit gibt.

Selbst Jesus war für viele unvollkommen, ich glaube das Menschsein bringt das einfach mit sich.