Emotionaler Knockout (lang)

Hallo zusammen.

Ich brauche mal dringend Input von Außenstehenden.

Folgende Situation:
Mein Mann und ich (beide Ende 30, drei Kinder) sind schon eine Weile zusammen. Ich liebe ihn. Natürlich haben wir beide unsere Macken, aber dennoch sehr harmonisch.
Momentan bin ich aus meiner Sicht emotional angezählt. Breche in letzter Zeit des öfteren sogar für mich ohne erkennbaren Grund in Tränen aus. Da ich noch in Elternzeit bin, habe ich wenig Kontakt zu meinen Kollegen - arbeite sehr gern in der Firma und die Atmosphäre ist eher familiär-freundschaftlich, weil kleineres Unternehmen.
Gestern ging es mir mal wieder nicht so gut. Da hüpfe ich auch nicht freudestrahlend durch die Gegend. Mein Mann meinte, er würde sich wie mein persönlicher Blitzableiter fühlen - obwohl ich nicht schroff zu ihm bin, nur eben dann etwas einsilbig antworte. Na ja, jedenfalls brachte mich das zum Nachdenken. Abends, als die Kinder schliefen, habe ich das Gespräch mit ihm gesucht.
Grundlegend habe ich für mich drei Punkte ausgemacht, die mich in meiner momentanen Gefühlslage irgendwie festhalten:

1. Als Kind habe ich von meinem Vater keine direkte Anerkennung bekommen. Wenn ich eine 2 hatte, wurde gefragt, warum es keine 1 war. Und bei einer 1 aber ohne volle Punktzahl, wurde gestichelt, warum ich denn die volle Punktzahl nicht habe. Meine Mutter sagte mir immer, dass mein Vater stolz auf mich ist, es aber nicht so zeigen kann und die Sprüche von ihm scherzhaft gemeint sind. Trotz eines Abiturschnittes von 1,7 fühlte ich mich nicht "gut genug" für seine Ansprüche.
Deswegen suche ich scheinbar noch immer nach Bestätigung. Ein kleines "Das Essen war lecker." oder "Toll, dass du trotz dem anstrengenden Baby noch die komplette Wäsche geschafft hast." oder so wären eben schön.

2. Da ich es harmonisch in der Familie haben möchte, bin ich bestrebt, dass alle glücklich sind. Da wirft mich ein "Dann sag ich eben nichts mehr." von meinem Mann als Antwort auf Dinge, die ich nicht so verbissen sehe (z.Bsp. Kinder sollen Hof fegen oder ihre Schreibtische aufräumen oder so), etwas aus meiner Harmoniebahn und ich möchte mir lieber auf die Zunge beißen als es nochmal anzusprechen, dass es nicht steril sauber sein muss oder die Stifte im rechten Winkel zur Tischkante liegen müssen (überspitzt gesagt).

3. Ich finde, Hausarbeit ist nicht geschlechtsspezifisch. Klar haben wir drei Mädels (2x Schule, 1x Nachzügler) und meine Schwiegermutti ist mit Leidenschaft Hausfrau. Sie lässt da auch keinen mit ran, weil sie Zeit hat und es eh am besten kann. Somit hat mein Mann eine klassische Rollenverteilung kennengelernt. Männer ums Haus, Frauen drinnen. Er putzt bei uns aber das Klo und bäckt auch mal. Ansonsten kümmert er sich hauptsächlich um die Sachen draußen. Mich stört zur Zeit, dass er immer wieder sagt, ich solle die großen mehr mit einspannen. Neben ihren festen Aufgaben (ihre Zimmer in Ordnung halten, Tisch decken und den Geschirrspüler ausräumen) helfen sie mir ja auch gerne beim Wäsche waschen (sortieren, aufhängen, falten). Aber Wischen, Fenster putzen, Unkraut ziehen oder Hof fegen sind halt nicht so ihrs. Ich würde Jungs genauso erziehen.

Na, jedenfalls habe ich ihm gestern diese Punkte gesagt. Von ihm kam da erstmal wenig Feedback. Im Bett fragte er, ob wir kuscheln könnten. Habe mich dann an seinen Rücken gekuschelt. Er nahm meine Hand, führte sie nach unten und meinte "Da kannst du mit deinem Lieblingsspielzeug spielen."
Hab mich echt gefreut. Er stand. Jetzt kommt aber mein persönlicher emotionaler KO-Schlag: Mein Mann ist eingeschlafen!
In jeder anderen emotionalen Verfassung hätte ich es wahrscheinlich als nicht so schlimm empfunden - er arbeitet Vollzeit und ist müde. Aber gestern brachen die Tränen einfach heraus, weil ich dachte "Ich bin für ihn sexuell nicht reizend."

Er ist jetzt zur Arbeit. Hatte es scheinbar nicht mitbekommen, dass ich zwei Stunden aus dem Bett verschwunden war. Ich musste erstmal wieder etwas die Tränen stoppen.
Nun bin ich noch immer total geknickt.

Wie würdet ihr in so einer Situation reagieren? Ansprechen? Oder vergessen, so nach dem Motto "Er ist ein Mann und macht sich weniger Gedanken."? Oder habt ihr andere Tipps/Ideen?

Bin für Feedback sehr dankbar. Und herzlichsten Dank an alle, die bis hierher gelesen haben.

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Bitte geh mal auf Ursachenforschung, was dich so belastet, dass du in allen möglichen Lebenslagen emotional durchbrüchig wirst. Das scheint mir mit der jeweiligen akuten Situation wenig zu tun zu haben.

Ob du mit deinem Mann über das einschlafen reden willst, musst du entscheiden - es scheint ja zu einem Gefühl der Zurückweisung/ Herabsetzung geführt zu haben, evtl hat dein Mann das gar nicht mitbekommen (er hat ja geschlafen).

2

In allen Lebenslagen bin ich glücklicherweise nicht so emotional. 😅 In der Öffentlichkeit kann ich diese Emotionen gut "verstecken" (irgendwie blödes Wort...) - also ich steh zum Beispiel nicht im Supermarkt und breche in Tränen aus. Die kommen nur im privaten, also zu Hause. Noch nicht einmal wenn Besuch da ist. Sondern nur alleine.

An welche möglichen Ursachen denkst du? Ganz allgemein? Ich dachte, dass mein Hauptproblem die Suche nach Bestätigung ist.
Im beruflichen Bereich trage ich Verantwortung und bekomme da auch vom Chef positives Feedback. Natürlich nicht täglich, aber in einem Maß, mit dem ich mich wohl fühle. Und so etwas fehlt mir im Privaten.

Ja, er wird nichts mitbekommen haben. Vielleicht warte ich erstmal ab, ob er etwas anspricht.

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Ich denke nicht an Ursachen, denn ich kenne dich nicht. Du findest deine Ursachen selbst. Ein Denkanstoß:
Alle von dir aufgezählten Punkte drehen sich um Dinge, die dein Mann (oder Vater) getan oder nicht getan hat.
Guck mal, welche Verhaltensweisen dich triggern (hast du ja teilweise schon aufgelistet). Und dann guck dir das warum an. Welche glaubenssätze, rollenvorstellungen und verhaltensnormen stecken dahinter? Sind sie gut für dich oder behindern sie dich? Wie kannst du sie anpassen, damit es dir gut geht?
Und dann weiter gedacht:
Was erwartest du von deinem Mann? Was brauchst du, um zufrieden zu sein? Ist es realistisch, dass du es bekommst?
Bei all dem sei sehr konkret, also nicht "Anerkennung" oder "Wertschätzung" als punkt aufführen, sondern "bedanken für das leckere Abendessen" oder "einen Blumenstrauß geschenkt bekommen"...
Das ist die Kurzfassung eines möglichen Bewältigungsansatzes, das Reflektieren ist allerdings echt harte Arbeit und für viele auch erst mal ungewohnt - oft tut man sich leichter, wenn dieser Prozess in einer gesprächstherapie geführt wird.

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Mir fällt bei Punkt 1 und 2 auf, dass Du Dein Wohlbefinden unglaublich abhängig von anderen Menschen machst.

Du stehst nicht in Deiner Mitte, sonst wäre Dir klar:

das Wichtigste ist, dass DU selbst mit Dir und dem, was Du leistest, zufrieden bist.
Die Bestätigung von außen ist ein nettes Plus- aber sie sollte nicht essenziell sein, dass es Dir gut geht und Du glücklich bist. Dein Glück und Wohlbefinden sind sonst von dem guten Willen und Gemütszustand anderer Menschen abhängig.

Besser wäre, Dein Glück unabhängig sein zu lassen. Das kostet Dich sonst unheimlich viel Energie und Kraft- kein Wunder, dass Du ausgepowert bist.
Deine Denkweise scheint tief in Dir verankert. Eine Verhaltenstherapie bei einer guten Therapeutin könnte hier gut helfen.

Zu 3. kann ich nur sagen: ich finde, Dein Mann hat gar nicht so unrecht…es tut den Kindern durchaus gut, verantwortungsvolle Aufgaben im Haushalt zu übernehmen. Das fördert deren Selbständigkeit.

Joa und zum Thema Einschlafen…ich wäre auch etwas enttäuscht, wenn ich mich schon gefreut hätte und mein Mann dann einschläft…aber Du beziehst das ja total auf Dich!
Ich denke, er ist eingeschlafen, weil er total fertig von der Arbeit war- eigentlich ein Alarmsignal. Das hat nichts mit Dir zu tun.
Du solltest eher mit ihm reden, dass er sich nicht derart überlastet auf der Arbeit und Abends nur noch „tot“ ins Bett fällt. Das sollte Gesprächsthema sein, nicht, dass Du ihm nicht genug bist.
Wenn das so wäre, hätte er doch gar nicht anfangen wollen ( da gibt’s schnelle und andere Wege).

Kümmere Dich um Dich, nur Du kannst was ändern 🍀.
Alles Gute

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Das Bild mit der Mitte ist sehr schön. Ich arbeite bereits daran, indem ich mir selbst positive Bestätigung sage. Aber das klappt leider noch nicht so zuverlässig, wie ich es mir erhoffe. Bleibe aber dran.

Die Arbeit ist fordernd von ihm. Hinzukommt unser Nachzügler, der abends gern nochmal so richtig aufdreht. Klar, Mama ist den ganzen Tag da und Papa eben nur ca 3 Stunden am Abend. Morgens schläft Mausi noch, wenn der Papa auf Arbeit fährt. Und er kümmert sich wirklich toll um die Kinder.

An welche Aufgaben denkst du noch? Müll bringt mein Mann immer weg, weil die Tonnen neben der Garage sind. Staubsaugen erledigt bei uns ein Saugroboter. Was könnten die größeren noch erledigen? Tut mir leid, da sehe ich wahrscheinlich den Wald vor lauter Bäumen nicht. 🙈

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Hallo Lieberunbekannt,

was du von deinen Erfahrungen mit deinem Papa schreibst, hat mich berührt. Bei mir war es genauso als ich klein war. Mein Papa hat nie gesagt "das hast du gut gemacht, ich bin stolz auf dich". Wenn dann kamen Aussagen wie "du hast einen dicken Hintern". Diese Aussagen waren zwar lustig gemeint, haben mich aber tief getroffen und mein Selbstbewusstsein nachhaltig geschädigt. Meine Mama hat auch immer gesagt, dass er es nicht so meint und dass er sehr stolz auf mich ist (vor Kollegen etc. hat er immer betont, wie stolz er auf mich ist), es aber nicht zeigen kann. Auch körperliche Zuneigung (bspw. in den Arm nehmen) waren selten, weil er es scheinbar in seiner Kindheit selbst nicht erfahren hat.

Ich habe also immer - bis heute - versucht, meinen Papa zu beeindrucken und ihm zu zeigen, dass ich etwas erreichen kann. Ich wollte eigentlich nie studieren, habe es dann aber noch getan, um ihm etwas zu beweisen. Als ich dann Mitte 20 war, hat er mich das erste mal gelobt. Ich war damit direkt überfordert und habe damals geweint vor Freude.

Nun zu deiner Gefühlslage...ich denke, dass du vielleicht von Haus aus ein eher unsicherer bzw. vorsichtiger/umsichtiger Mensch sein könntest? Möglicherweise machst du dir allgemein viele Gedanken, nicht nur um dich, sondern um deine ganze Umgebung? Vielleicht wählst du deine Worte auch immer mit Bedacht, um keine unnötige Disharmonie zu provozieren? Deine emotionalen "Ausbrüche" könnten durch eine enorme Unsicherheit und ein eher geringeres Selbstbewusstsein kommen. Ich denke es würde dir gut tun, wenn du dir Zeit nimmst, um dein Leben zu reflektieren. Führe dir vor Augen, was du schon alles geschafft hast...um es anschaulich zu machen, kannst du dir eine Schnur auf den Boden legen, mach Knoten rein oder stell Gegenstände entlang der Schnur auf und jeder Knoten/Gegenstand steht für einen Meilenstein. So wirst du ganz schnell sehen, was du schon alles geschafft hast. Vor allem aber, dass du stolz auf dich sein kannst!

Was du dir wegen eventuell "patziger" Antworten deines Mannes vor Augen halten solltest, ist, dass nicht alle Menschen ihre Worte mit so großem Bedacht wählen, nur um die Harmonie nicht zu gefährden. Wie sehr einen gewisse Aussagen treffen ist denke ich auch immer tagesformabhängig.

Die Sache mit deinem Mann...nimm es nicht persönlich. Das passiert den Besten mal. Aber ich verstehe dich, dass es der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Ich wünsche dir alles Gute!

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Ich kann dich sehr gut verstehen. Habe auch immer um seine Anerkennung gekämpft. Bei meiner Schwester, die knapp 10 Jahre jünger ist als ich, konnte er schon mehr Anerkennung und Gefühle zeigen. Umarmungen waren erst von ihm gekommen, als ich wegen der Ausbildung weiter weggezogen bin. Wie er zu seinen Enkeln wäre, weiß ich zum Beispiel nicht, weil er vier Jahre vor meinem ersten Kind einen tödlichen Arbeitsunfall hatte.

In Bereichen, die ich nicht wirklich kontrollieren kann (z.Bsp. Gefühle) bin ich wahnsinnig unsicher. Und mein Selbstbewusstsein bin ich noch am Aufbauen - deswegen wahrscheinlich auch dieser "Drang" nach positiver Bestätigung. Aber ich versuche auch, mir selbst zu sagen, dass es gut war, um Bestätigung zu bekommen, jedoch nicht auf die Reaktionen meines Umfeldes angewiesen zu sein. Klappt mal mehr und mal weniger.

Ja, das mit der Tagesformabhängigkeit kann ich so unterschreiben. Wahrscheinlich wäre der gestrige Abend keines weiteren Gedankens wert gewesen, wenn ich emotional nicht schon angezählt gewesen wäre.

Nach euren lieben Antworten geht es mir auch schon wieder besser. 😊
Es tat gut, darüber nachzudenken und so zu reflektieren. Vielen Dank!

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Du standest emotional neben dir und hast dich in dieser Situation abgewertet und schlecht gefühlt. Er wird nichts gemerkt haben, daher würde ich es auch nicht weiter ansprechen, sondern dabei belassen.

Allerdings solltest du dich fragen, woher diese emotionalen Ausbrüche kommen, bzw. eigentlich hast du es ja schon gut erklärt. Über alles andere lässt sich doch reden, auch wenn vielleicht die Harmonie kurzfristig gefährdet ist ( ich hasse das genauso wie du ), aber ehrlich reden ist immer besser als runterschlucken. Vielleicht frisst du auch zuviel in dich rein und hast daher immer diese Ausbrüche, wenn sich zuviel aufgestaut hat?

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Ja, die Sache mit dem Reinfressen ist wahr. Das machte meine Mutter auch immer.
Ich arbeite schon eine ganze Weile an mir,dass ich unliebsame Dinge anspreche. Früher als Kind und Teenager bin ich sehr impulsiv gewesen. Deswegen überdenke ich mittlerweile erst Situation - möglichst von mehreren Seiten - um nicht durch die Impulsivität ungerecht zu handeln.

Vielleicht spricht er auch noch mal den gestrigen Abend an. Momentan werde ich von mir aus das Thema heute nicht anschneiden.

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Das mit dem Überdenken ist doch gut und richitg, besonders wenn du weißt, dass du sonst mal über das Zeil hinaus schießt. Nur um den Frieden nicht zu gefährden, alles in sich reinfressen und schweigen ist dauerhaft aber keine Option. Mir macht das auch keinen Spass, wenn hier jemand verstimmt ist, aber manchmal geht es halt nicht anders und nach einer Weile ruckelt sich alles wieder zurecht. Meist, wenn die Einsicht kommt, dass Mama doch recht hat. :-p

Wie geht es dir denn heute? Fühlst du dich wieder den Tränen nahe, oder ist alles in Ordnung? Ich würde gestern nicht überbewerten, du hattest einen schlechten Tag. Darf halt nur kein Dauerzustand werden, siehe oben.

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Deine Unsicherheit wurde ja schon kommentiert, lass die guten Antworten sacken.

Zum gescheiterten Ständermikado: Ich weiss ja nicht, was ihr für ein Sexualleben pflegt, aber so ne Nummer wär bei mir schlecht angekommen. Nicht das einschlafen, das ist bei uns schon beiden passiert.

Aber die Nummer nach Kuscheln zu fragen und eigentlich Sex zu meinen. Da wird ein ganz anderes Bedürfnis bedient. Und vor allem das wie. Dir den Rücken zudrehen und du darfst spielen? Noch weniger liebevoll zugewandt in so ner Situation geht ja kaum.

Ich wäre nicht verunsichert. Ich wäre angepisst.

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Das sehe ich genauso und bin irritiert, dass sich die TE darüber auch noch freut. Ich finde, die Art und Weise ziemlich respektlos.

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(ergänze "ist" im letzten Satz)

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