Guten Abend,
Kurz zur Vorgeschichte:
Meine Schwester hat vor einem Jahr ein Kind bekommen mit ihrem Freund (beide lernbehindert). Meine Schwester hatte zusätzlich dazu auch schon vor der Geburt psychische Probleme (Depressionen)
Nach etwa einer Woche hat sie eine starke Wochenbettpsychose mit Wahnvorstellungen entwickelt. Das Jugendamt hat dann entschieden, dass das Kind vorerst bei den Schwiegereltern leben soll. Das ist bis heute so.
Meine Schwester ist aktuell in einer Eirichtung, wo irgendwann auch das Ziel war, dass sie eine Ausbildung machen kann. Leider hat sie die meisten Tag das Praktikum wegen psychischen Problemen nicht besucht.
Jetzt ist die Frage, ob sie nochmal in eine Psychtrie geht, damit sie erstmal mit sich selber wieder klar kommen kann.
Jetzt zu meiner Frage an euch:
Mich belastet die Situation meiner Schwester auch, aber ich finde es sehr anstrengend mit meinem Freund darüber zu reden. Wenn ich ihm das so erzähle, gehen die Antworten meistens in die Richtung:
- Sie müsste sich ja einfach nur um ihr Kind kümmern.
- Sie muss halt zum Praktikum einfach hingehen.
- Sie könnte ja auch einfach mal arbeiten und Geld verdienen.
- Sie ist einfach faul.
- Er hat morgens auch keine Lust aufzustehen und geht trotzdem jeden Tag arbeiten.
Ihr Freund arbeitet nur 20 Stunden die Woche, ab nächstem Monat dann 30.
Da regt er sich auch auf und sagt, er kann doch auch 40 Stunden, Schicht und Sonntags arbeiten.
Ich fahre meist einmal die Woche ca zu den Schwiegereltern meiner Schwester und unterstütze sie mit dem Kind.
Er hat das Kind bis jetzt 2 mal gesehen: Einmal im Sommer auf einer Familienfeier zum Grillen und einmal an Weihnachten. Er sagt, er will damit nichts zu tun haben.
Meine Frage ist jetzt, erwarte ich von ihm zu viel Verständnis? Mich enttäuscht/erschreckt es irgendwie, dass er so gar kein Verständnis zeigt, sondern meint, alle können alles so einfach ändern und leisten, wie er es kann.
Danke für eure Antworten.
Unterschiedliche Sichtweisen
Hi,
kein Mensch ist perfekt und sicherlich findet jeder an seiner/ihrer Partner/in Eigenheiten, die nicht ganz so supi sind. Mit manchen kann man gut umgehen, mit anderen weniger oder halt gar nicht.
Deinem Partner fehlt aktuell die Bereitschaft sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und Verständnis für dieses Krankheitsbild aufzubringen, oder gar für kranke Menschen im Allgemeinen, die nicht funktionieren können. Das ist natürlich wenig empathisch und die Frage ist, ist er das sonst auch, oder nur bei Belangen, die andere bzw. dich betreffen.
Das Kind ist dein/e Neffe/Nichte, also recht eng mit dir verwandt und als Tante spricht ja nichts dagegen, einen engen Kontakt zu pflegen und es auch mal bei euch übernachten zu lassen, mit ihm wegzufahren usw., wenn es älter ist. Schwierig natürlich dann, wenn der Partner meint, ihn müsse das alles nichts angehen und er hätte daran ohnehin kein Interesse.
Ich verstehe deine Verunsicherung bzgl. der Einstellung deines Partners schon, schließlich ist sie als deine Schwester ein dir nahestehender Mensch und ihr Kind auch, da kann man sich in einer gut funktionierenden Familie nicht raushalten und als Partner halt auch nicht komplett und solche Aussagen bzgl. ihrer Krankheit sind schon auch ein Stück weit unsozial. Keine schöne Eigenschaft.
vlg tina
Ich würde darüber nicht mehr mit ihm sprechen.
Er versteht scheinbar nicht, dass deine Schwester (und ihr Freund) KRANK sind und das absolut nicht vergleichbar mit seiner Unlust morgens ist.
Sagt er jemandem mit gebrochenem Bein auch „Lauf doch einfach!“? Da kann man es vllt gut erklären.
Ich glaube, die Sichtweise deines Freundes ist (leider) noch weit verbreitet und das ärgert mich leider total. Aber es nützt nix, wenn du immer wieder mit deinem Freund drüber diskutierst und er eh nicht einsichtig ist.
Spannend wird seine Einstellung vermutlich, wenn ihr mal ein Kind bekommt und du vllt (wünsche ich dir nicht!) nicht mehr so „funktionierst“/Problemchen hast. Von ihm kannst du dann wohl wenig Mitgefühl und Unterstützung erwarten…
Hey!
Nein, du erwartest nicht zu viel.
Er zeigt dir hingegen, was er für ein Menschenbild hat und was er dann wohl auch von dir erwartet, wenn du mal krank bist oder schwanger.
Sein Verhalten gegenüber der Nichte/dem Neffen würde mich abstoßen.
Seit ihr schon lange ein Paar?
Liebe Grüße
Schoko
Hallo,
ich verstehe dich total, dass du enttäuscht bist. Was ich persönlich, mit meinem Wissen von heute, daraus schließen würde?
Dieser Partner könnte sich in schweren Zeiten als nicht besonders verlässlich herausstellen. Wenn mir Empathie bei jemand wichtig ist (wusste ich früher nicht), dann wird dieser Mensch in der Kategorie immer durchfallen.
Ich packe Menschen normalerweise nicht in irgendwelche Schubladen, aber bei dem Thema Empathielosigkeit gibt es bei mir mittlerweile keine Toleranz mehr. Es hat sich leider später immer bewahrheitet, dass diesem Menschen jegliche Fähigkeit fehlte, sich in andere hineinzuversetzen, und das halte ich einfach persönlich nicht aus, das macht mich fertig.
Für dich vielleicht noch wichtig, möchtest du Kinder mit deinem Partner, was wünschst du dir, speziell, was Gefühle angeht?
Ich finde schon, dass man nach solchen "Erlebnissen" eine Beziehung grundsätzlich in Frage stellen darf. Da geht es ja um ganz festsitzende Charaktereigenschaften, an denen ist nicht zu rütteln. Gut, er kann sich eine kognitive Empathie aneignen, wenn er bereit dazu ist, aber das wäre mir beispielsweise zu wenig und auch nicht authentisch. Damit verstellt man sich, um nicht aus dem Raster zu fallen.
Dein Freund ist entweder unwissend, Realitätsverweigerer oder einfach nur überheblich und arrogant.
Ich würde ihm letztmalig ein paar Fakten aus dem Netz zum Thema Lernbehinderung/psychische Störungen ausdrucken und ihn bitten, diese aufmerksam zu studieren, um seinen Horizont zu erweitern. Wenn er danach immer noch alles besser weiß und vor allem mit deinen Belastungen aufgrund der ganzen Situation so verständnislos und für eure Familie mitleidslos/kaltherzig umgeht, würde ich mir durchaus überlegen, ob das ein gravierender Charakterfehler von ihm ist, der sich an diesem Beispiel zeigt.
Ich tendiere ja mittlerweile dazu, Menschen, die psychische Störungen und deren Folgen in einem solchen Ausmaß bagatellisieren, dafür zu gratulieren, dass sie die Lösung für deren Probleme fanden und sich gerne in der Psychiatrie bewerben können, da würden sie mit ihrer Allwissenheit mit Kusshand genommen und darüber hinaus schwer reich werden. Aber zum Glück muss ich diese Art von Sarkasmus bei Menschen in meinem Umfeld nicht an den Tag legen. Die erkennen nämlich die Realität an.
Hallo,
mir sind bei deiner Schilderung die Wörter "unreflektiert" und "empathielos" in den Sinn gekommen.
Leider herrscht bei vielen Menschen noch so ein Menschenbild vor. Dein Freund ist also nicht der einzige, der solche Denkmuster an den Tag legt und wider aller Gegenargumente sehr wahrscheinlich nicht über Bord werfen wird. Das ist ein echtes Problem für die Menschen, die wegen irgendwelcher Andersartigkeiten, die nicht ins Bild passen, in unserer Leistungsgesellschaft unter dem Radar fliegen und ausgegrenzt werden.
Ich finde auch, dass diese Aussagen auf Stammtischniveau ein Fingerzeig sind, wie er sich wohl verhalten wird, wenn es dir mal schlecht geht und du, vielleicht auch dauerhaft, auf Unterstützung angewiesen bist. Hat er sich mal überlegt, dass auch er jederzeit betroffen sein kann? Dass sein toller Status als Vollzeit-Arbeitnehmer und Vorzeige-Bürger schon heute Makulatur sein könnte, wenn's ganz blöd läuft?
Also nein, du erwartest nicht zu viel Verständnis von ihm, aber du wirst es eher nicht bekommen.
Liebe Grüße,
DieKati
Es ist Deine Schwester, nicht seine. Dass Dir das Thema näher ist, ist nachvollziehbar, ihn lässt es offensichtlich relativ kalt und er hat auch kein Interesse, sich damit zu beschäftigen.
Diese mangelnde Empathie ist letztlich Unwissenheit.
Aber (!) selbst wenn es nicht seine Familie ist, könnte er mehr Verständnis für Dich zeigen und zumindestens Interesse für Deine Sichtweise vorspielen, statt mit dem Outing seiner Unkenntnis abweisend Dir gegenüber zu reagieren
Mir fällt es sehr schwer, von Unwissenheit zu sprechen. Falls der Mann wirklich einfach unwissend ist, dass muss man wohl von pathologischem Desinteresse und Egoismus ausgehen. Er kennt die Schwester schon sehr lange. Seit Jahren. Auch die Probleme, die nach der Geburt hinzukamen kennt er seit über einem Jahr. Er hat mitbekommen, wie das Jugendamt das Kind bei den Schwiegereltern unterbringt, die Schwester in Kliniken geht usw. Er ist erwachsen und sollte mittlerweile schon gehört haben, dass es Behinderungen und psych. Erkrankungen gibt. Wenn das bei ihm noch nicht angekommen ist und er sich, wenn es bei ihm ankommt so 0,000 damit auseinandergesettzt hat, obwohl er feststellen muss "oh alle glauben dran nur ich nicht"...ja, dann vergebe ich die Diagnose Pathologisches Desinteresse und Egoismus...
Wenn er, nach all dieser Zeit auf dieser Welt in dieser Familie sich so verhält wie jetzt, dann ist er meinen Augen einfach wirklich unreflektiert, unempathisch, überheblich...oder er hat selbst eine Psyche die da gut mitmischt und mit aller Kraft verdrängt. Vielleicht weil der GEdanke, dass wir Menschen tatsächlcih die Kontrolle, selbst über unser Denken, Fühlen, Handeln, unseren Körper und Geist verlieren können zu sehr ängstigt.
Oder ist selbst unzufrieden und findet im Lästern und Abwerten der Schwester und ihres Freundes Erleichterung.
Mit Unwissenheit könnte ich leben, denn da würde ein sozialer, empathischer Mensch einfach Abhilfe schaffen....aber das scheint es bei ihm nicht zu sein. Mit all den von mir aufgezählten Möglichkeiten hätte ich echt Schwierigkeiten....ich weiß nciht was das mit meinen Gefühlen zu einem Menschen über die Zeit machen würde. Anhören würde ich mir den Scheiß nicht, ich würde mit ihm da nicht drüber reden...das wäre sonst echt ein Dauerstreitpunkt. Aber ich weiß nicht, ob diese Art, die ich da von meinem Partner kennengelernt hätte...über lange Zeit...also die ist beständig und kam nicht aus einer fiesen Laune heraus...ob diese Art bei mir nicht ein Kopfkino lostreten würde. Wer er ist, wie er ist, wie er urteilt, bzw. verurteilt, wie er sich selbst reflektieren kann, oder ob er immer im Außen sucht, was uns noch erwartet usw.
Nein du erwartest nicht zu viel. In einer Partnerschaft sollte man sich doch unterstützen, dass muss zwar nicht so weit gehen dass er sich auch um das Kind kümmert. Aber deine Sorgen sollte er ernsthaft anhören und nicht mit einem halbherzigen Spruch abtun. Traurig.