Will von Oma nicht nach Hause

Liebe Frau Dr. Retzel!

Mein älterer Sohn ist 2 Jahre und 5 Monate alt. Mein jüngerer Sohn ist 9 Monate alt.
In dieser Frage geht es um meinen Großen.

Wenn er bei einer der Omas war, will er oft nicht nach Hause und sagt "Da bleiben". Das ist ja auch sehr verständlich für mich, weil er dort die ganze Zeit die ungeteilte Aufmerksamkeit hat.
Wenn die Omas ihn heimbringen, weint er dann teilweise auch und ist sehr traurig, dass er nicht mehr bei Oma ist.
In diesen Situationen will er dann oft von mir getröstet werden. Ich tröste ihn dann und benenne seine Gefühle und begleite ihn in seiner Trauer.
Manchmal ist es aber auch so, dass er dann gar nicht zu mir will.
Das tut mir so weh. Ich zerbreche mir dann jedes Mal den Kopf, was ich "falsch" gemacht habe und habe Angst, dass wir keine sichere Bindung haben. Würde aber sagen, dass ich seine Bedürfnisse immer feinfühlig und angemessen erfüllt hab. (Er wurde 10 Monate gestillt. Hat schlecht geschlafen bis er 21 Monate alt war: wurde alle 2 Stunden wach. Mein Mann und ich haben ihn dann immer wieder durch kuscheln/singen in den Schlaf begleitet. Mittlerweile schläft er quasi jede Nacht durch. Hin und wieder wird er wach und will dann zu uns ins Bett. Da holen wir ihn dann auch sofort zu uns)
Ich betreue beide Kinder zu Hause. Die Omas sehen wir jeweils ca. 1mal pro Woche. Im Alltag bemühe ich mich sehr bewusst, Phasen einzubauen, in denen ich mich exklusiv mit dem Großen, exklusiv mit dem kleinen und mit beiden gleichzeitig beschäftige. Den Haushalt lasse ich oft mal liegen, weil mir die Zeit mit den Kindern wichtiger ist.

Ich habe teilweise einfach Angst, dass er die Omas mehr mag als mich. Ich weiß, dass das irgendwie komisch klingt, aber in dieser oben geschilderten Situation fühle ich so.

Prinzipiell habe ich das Gefühl, dass sich der Große oft mit Übergängen schwer tut. Ich erkläre ihm deshalb immer rechtzeitig, wann was passieren wird (Besuche, Ausflüge, Heimfahren,...)

Seine Reaktion war übrigens auch schon so, bevor sein kleiner Bruder geboren wurde.

Ich freue mich auf Ihre Einschätzung und Tipps.
Vielen Dank im Voraus und liebe Grüße.

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Hallo,

viele Kinder tun sich schwer mit sog. Übergangssituationen (möchten nicht vom Spielplatz nach Hause gehen oder die Kita verlassen etc.). Das ist ein typisches Verhalten in diesem Alter.
Wenn ein Kind eine gute Beziehung zu den Großeltern aufgenommen hat, dann ist das immer wertvoll. Aber manchmal entsteht dann auch eine sog. Konkurrenz-Situation.
Oft ist es gut, das einmal mit den Großeltern zu besprechen. Dabei zu würdigen, was diese leisten, wie wichtig sie sind. Aber es wäre auch wichtig, dass die Oma dann auch beim Abschied unterstützt - das kann oft sehr hilfreich sein.

Es ist immer wichtig die Bindungsbeziehung zum Kind insgesamt zu betrachen: Wie geht es uns miteinander, wie ist die Stimmung in der Familie, anstatt einzelne Situationen zu fokussieren, denn diese sind ja viel zu wenig aussagekräftig.

Mein Eindruck ist, dass Sie sehr viel vom Thema Bindung verstanden haben, gut informiert sind, und sich sehr liebevoll-engagiert um ihre beiden Kinder kümmern. Es wäre wichtig, das zu sehen und zu würdigen,was Sie jeden Tag leisten!

Alles Gute,

herzliche Grüße,
Eliane Retz

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Herzlichen Dank für Ihre Antwort! Das hat mir wieder Mut gemacht. :)
Ich hab mir heute auch gleich noch Ihr Buch "Wild Child" gekauft und freue mich schon aufs Lesen.

Ich würde Sie gerne zu einem weiteren Thema um Ihren Rat fragen:
Der Schnuller.
Mein Sohn hatte gleich nach der Geburt einen Schnuller, da er ein Frühchen ist, und zu Beginn die Muttermilch über Sonde/Flasche bekam. Stillen war dann zum Glück kein Problem und ich konnte ihn trotz des Starts 10 Monate lang stillen.
Den Schnuller haben wir eigentlich nur zum Schlafen/Autofahren/Trösten verwendet.
Er war nie ein richtiges "Schnullerkind".
Das hat sich jetzt geändert. Zur Zeit hätte er am liebsten den ganzen Tag den Schnuller im Mund. Ich kann mir gut vorstellen, dass das mit dem kleinen Bruder (9 Mon) zu tun hat (der braucht den Schnuller aber eigentlich nur zum Schlafen)
Und grundsätzlich denke ich mir, dass ich ihm den Schnuller lassen möchte, wenn er ihm so gut tut. Wir haben die Abmachung, dass er mit dem Schnuller auf der Couch/im Bett rasten darf, und er ihn beim Spielen raus gibt. Das funktioniert eigentlich recht gut.
Dann kommen bei mir aber immer wieder Zweifel, ob das der richtige Umgang ist, und ob ich das Schnullern nicht mehr einschränken sollte, weil es ja immer heißt, dass der Schnuller spätestens zwischen 2. Und 3. Geburtstag weg sollte und bei uns wird das Schnullern grad mehr und mehr.
Und dann denke ich mir immer, dass ich mich selbst nicht verstehe, warum mich der Schnuller so nervt, weil ich da grundsätzlich auf der Schiene bin, dass man Zähne leichter richten kann als die emotionale Gesundheit.
Und ein Gedanke dabei ist auch noch, ob ich meinem Sohn durch das viele Schnullern die Chance nehme, dass er andere Regulationsstrategien entwickeln kann.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihre Gedanken!
Liebe Grüße

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Mein Eindruck ist, dass Sie hier ein sehr gutes Gespür besitzen und darauf dürfen Sie vertrauen! Es hat sicherlich mit der Geburt des Geschwisterkindes zu tun, sodass ihr Sohn jetzt mehr darauf zurückgreift.

Die Vereinbarungen sind doch gut. Wenn ein Kind in diesem Alter sehr viel den Schnuller hat, dann ist ein stückweit hinderlich für die sprachliche Entwicklung und Kommunikation. Deshalb ist es wichtig, die Kinder in diesem Alter dann genau bei dem Prozess zu begleiten zunehmend andere Regulationsstrategien zu entwickeln. Damit haben Sie vollkommen recht.

Herzliche Grüße,

Eliane Retz