Bienchen...

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Hallo zusammen,

ich wollte mich mit einem Update von Bienchen melden. Der Thread von Bienchen stammt noch aus dem alten Forum und ist hier archiviert (https://www.urbia.de/forum/172-praenataldiagnostik-schwangerschaftsvorsorge/5643998-archiv-thema-14-ssw-nt-4-6), daher kann ich nicht in dem Thread selbst antworten.

Bienchen ist jetzt 8 Jahre alt und geht seit Ende August in die Schule.

Das Finden einer gut geeigneten Schule war für uns ein echtes Projekt. Durch die Tatsache, dass wir in Berlin wohnen, gab es eine große Zahl an potentiellen Schulen. Diese richtige Schule in der großen Menge an Schulen zu finden war aber die erste Herausforderung. Und dann dafür zu sorgen, dass Bienchen wirklich einen Platz an der Schule bekommt, die wir gern wollten war die zweite. Um sicher zu gehen sind wir am Ende ins Einzugsgebiet dieser Schule umgezogen. Zum Glück haben wir alles gut gemeistert und sind jetzt überzeugt, die bestmögliche Schule gefunden zu haben. Weil sich Bienchen so toll entwickelt, wollten wir unbedingt eine inklusive Beschulung, also Bienchen soll mit vielen "nicht offensichtlich beeinträchtigen" Kindern (wenn man ein Kind mit Trisomie hat, eignet man sich solche Ausdrucksweisen an #rofl) in die Schule gehen.

Das hat jetzt geklappt und Bienchen geht in eine Lerngruppe mit 27 anderen Kindern die aus den Jahrgängen 1 - 3 zusammengesetzt ist. Dadurch ist die ganze Gruppe gewöhnt das es sehr unterschiedliche Leistungsniveaus in der Gruppe gibt. Alle die etwas bestimmtes schon können, helfen dabei es denen beizubringen, die es noch nicht können. Und lernen dabei auch wie man anderen etwas beibringt. Als Bienchen bedingt durch die Erkältungswelle im November/Dezember ein paar Tage nicht in die Schule gehen konnte und ich zum Putzeinsatz der Eltern kam, haben mich viele Kinder gefragt wann Bienchen endlich wiederkommt. Und als sie wieder kommen konnte, haben mehrere Kinder sie mit offenen Armen empfangen und sich sichtlich gefreut. Wie bei anderen Kindern auch. Die Lerngruppe hat noch ein Mädchen mit Down-Syndrom. In der Klasse sind meist 2 erwachsene Lehrer/Erzieher oder mehr. Zur Klasse gehört ein Klassenlehrer und eine Sonderpädagogin und eine feste Erzieherin. Nicht alle davon sind immer da. Ab und zu unterstützen auch noch Schulhelfer. Alles wirklich tolle Menschen, die viel Herzblut und Engagement daran setzen das es eine tolle Lerngruppe ist. Wir sind denen sehr dankbar.

Wir haben also eine tolle Situation. Wie ich zuvor geschrieben hatte, ist so eine Situation im Kindergarten in einer Stadt wie Berlin total normal. In der Schule ist es auch zunehmend häufig das es gut klappt. Wir kennen einige andere Eltern mit Kindern mit Down-Syndrom, die mit der Schule zufrieden sind. Aber es gibt zugegebenerweise auch ein paar Eltern, die mehr kämpfen müssen als wir. Bis zur vollständig normalen Inklusion in der Schule für alle ist noch ein bisschen was zu tun. Das Gute ist aber, es gibt einen kontinuierlichen und starken Trend in die richtige Richtung wenn man in die Vergangenheit schaut.

Wenn man diese Herausforderung der Inklusion scheut und/oder ein Kind hat das sich nicht so toll entwickelt wie die meisten Kinder mit Down Syndrom, gibt es auch die Möglichkeit von Förderschulen, oder Förderzentren. Auch da kennen wir Eltern die ein Kind dort haben. Dort lernen Kinder mit verschiedenen Behinderungen zusammen. Dafür haben solche Schulen einen tollen Personalschlüssel und viel kleinere Schulklassen. Und auch da gibt es Eltern, die damit für sich und für ihr Kind sehr zufrieden sind. Und auch solche die zu kämpfen haben.

Eltern die mit der Schule zufrieden sind und solche die kämpfen müssen gibt es vermutlich auch bei Kindern ohne Baustelle.

Bienchen fährt mittlerweile sicher Fahrrad. Noch auf dem Gehweg. Sie hält zuverlässig vor einer Straßenkreuzung an und ich jogge nebenher oder hinterher. Sie fährt auch gern Roller. Ich versuche ihr Schlittschuhfahren und Inlineskaten beizubringen. Sie schafft es schon öfter mal eine Schleife zu binden. Ist aber noch wackelig dabei. Wir üben jetzt alleine erste kleine Wege wie zum Bäcker gehen. Sie würde total gern alleine in die Schule gehen. Wir tasten uns ran und sie darf schon die letzten paar Hundert Meter inkl. einer Straßenecke alleine Laufen. Die Lehrer helfen dabei und schicken mir eine Nachricht wenn sie angekommen ist.

Wir gehen seit ein paar Jahren, leider öfter unterbrochen durch Corona, in einen Schwimmkurs vom Behindertensportverein Berlin bei einem tollen Schwimmlehrer und sind nun knapp davor das sie Schwimmen kann. 10 Meter schwimmen schafft sie schon. Sie ist ein echter Draufgänger und springt schon länger als sie schwimmen kann vom 1 Meter Brett ins tiefe Wasser und taucht mit mir im tiefen Wasser bis auf den Boden.

Bienchen spricht noch deutlich schlechter als ein normales Kind aber kann sich in jeder Lage immer gut verständigen. Sie schafft 4-5 Wortsätze und kompensiert alles was noch fehlt mit Charme. Im Restaurant bestellt sie sehr gern alleine für sich.

Sie liebt Puzzle und das Verkleiden und steht unglaublich gern auf der Bühne. Beim Weihnachtskonzert in der Schule durfte ihre Lerngruppe ein Tanzstück aufführen und sie war vorne mit dabei.

Wie vermutlich bei jedem Kind, würde sie gern viel mehr am Tablet spielen oder Filme schauen als sie darf.

Ihre große Baustelle ist noch, dass sie sich leicht ablenken lässt. Auch wenn sie selbst gerade einen Plan hat was sie machen möchte, reicht manchmal ein falscher Impuls aus der falschen Richtung und sie ist abgelenkt und findet nicht mehr in ihren Plan zurück. Dafür gehen wir aktuell einmal pro Woche vor der Schule zur Ergotherapie. Die Ergotherapeutin hat einen jungen Hund der quasi den Job hat die Ablenken zu spielen. Und Bienchen soll dabei trotz Hund bei den Aufgaben bleiben, die sie dort löst. Das klappt auch schon oft länger als eine halbe Stunde am Stück. Wir sind also optimistisch.

Etwas, dass wir nach meinem letzten Bericht entdeckt haben ist TNI. TNI steht für "Targetted Nutritional Intervention". Es ist quasi eine Art Wissenschaftlergruppe aus Medizinern, Biochemikern und ähnlichen, die das Down-Syndrom erforscht haben inkl. der Auswirkung des zusätzlichen/überschüssigen 21. Chromosoms auf den Stoffwechsel. Bei TNI gibt man seinem Kind dann (manche fangen schon in der Schwangerschaft über die Mutter an) Nahrungsergänzungsmittel, die dem Körper des Kindes Stoffe zur Verfügung stellen um die negativen Effekte auf den Stoffwechsel möglichst kompensieren zu können. Das ganze ist von einigen noch umstritten und leider noch nicht so gut erforscht das es schon jede Krankenkasse bezahlt. Wir haben aber den Eindruck das es bei Bienchen ganz positiv wirkt. TNI kann man alleine unter unter Betreuung angehen. In Deutschland betreut einen dabei die Praxis 321 aus Freiburg. Ähnliche Praxen gibt es auch in den USA und Australien. Aber noch nicht flächendeckend genug.

TNI ein Ergebnis von Forschung, die darauf zielt das Leben von Menschen mit Down-Syndrom zu verbessern. Und wenn man sich mal damit beschäftigt, findet man schnell heraus, dass da gerade eine ganze Menge geforscht wird und wahrscheinlich in der "potentiellen" Lebenszeit unserer Kinder wahrscheinlich auch noch einiges an Erkenntnis und hoffentlich Fortschritt kommt. Wenn man mal schaut wie hoch die Lebenserwartung von Menschen mit Down-Syndrom vor 50 Jahren war und wo die heute liegt, ist da wahrscheinlich aus der Ecke der Wissenschaft noch mehr zu erwarten in den kommenden Jahren.

Im Oktober waren wir in unseren "ersten" Ferien als Schulkind eine Woche in Korfu in einem tollen Hotel. Das Foto zu diesem Post ist da an der Steilküste entstanden. Wir sind von unserem Ort die Steilküste entlang erst gewandert und dann teilweise auch über Felsen geklettert. Bienchen klettert total gerne. Das ist etwas das sie genauso gut kann, wie andere Kinder im ihrem Alter und das sie total gerne macht. Hin- und zurück waren wir 5 Kilometer am Strand zu Fuss unterwegs.

Ich hoffe die tolle Situation mit der Schule bleibt jetzt so. Die nächste spannende Herausforderung wird die Pubertät. Ich melde mich wenn es wieder was zu berichten gibt.

Genau wie vor 3 Jahren als ich mich das letzte Mal gemeldet habe ist mein Resümee mehr denn je, dass ich total froh bin, dass es Bienchen gibt und wir uns damals so entschieden haben. Und ich bin dankbar für alle aus diesem bzw. dem Vorgängerforum, die uns dabei mit an die Hand genommen haben. Es ist ein bisschen mehr Arbeit als mit einem Kind ganz ohne Baustelle (falls es solche Kinder gibt). Und jedes Stückchen dieser Mühe ist es wert weil man selbst unglaublich viel dabei lernt. Wie bei allen Herausforderungen vor die einen Kinder mit 46 oder 47 Chromosomen stellen.

Wenn jemand Kontakt aufnehmen möchte, schreibt gern hier, und falls ich hier nicht schnell genug antworte, dann hat Leu unsere Kontaktdaten. Wenn Ihr in einer Entscheidungssituation seid und schauen kommen wollt, seid ihr immer herzlich eingeladen. Egal wie ihr Euch danach entscheidet. Wir sind unglaublich dankbar, dass wir das damals auch durften, denn es ist ganz anders als man vermutet. Und wir sind dankbar, dass wir uns dadurch für uns richtig entschieden haben.

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Vielen Dank für diesen schönen Bericht, hoffentlich darf er in dieser Kategorie hier im Forum bleiben! Hier schreibt auch ein Papa. Ich schaue hier häufiger mal rein.
Unser Sohn ist 3 Jahre alt, hat Trisomie 21 und wir sind total zufrieden im "normalen" Kindergarten.

Von uns hat Frau SB mit ihren TNI-Theorien bislang nur ca 40€ bekommen. Und zwar für ein Seminar, in dem uns im wesentlichen erklärt wurde, dass das es alles zu kompliziert für den Laien ist und wir es einfach machen sollen, und dass es außer Frau SB niemanden in ganz Deutschland gibt, der sich damit auskennt, weil niemand Zeit hat als zu lesen, was Frau SB gelesen hat.

Ansonsten lassen wir natürlich nichts aus für eine bestmögliche Förderung. Momentan erkundigen wir uns nach einer Intensivtherapiewoche mit Pferden. Wir hatten solche Wochen in anderer Form und es war immer eine schöne Zeit auch für uns Eltern.

Viele liebe Grüße Euch und Bienchen und an alle Schwangeren!

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Lieber Bienchenpapa,
Vielen, vielen Dank für dein Update zu Bienchen!
Ich bin mir sicher dein/eure posts werden noch sehr oft gesucht und gelesen werden und vielen Mut machen, die sich vielleicht erst ganz kurz mit dieser Diagnose konfrontiert sehen.
Ich selbst habe mich immer gefragt, wie es wohl wäre, wie ich mich entscheiden würde ...
Ich bewundere euren Mut und Eure Stärke und freue mich für Bienchen so tolle Eltern und einen tollen (schul-) Platz (im Leben) gefunden zu haben.
Ich wünsche euch Eltern (wenn auch inzwischen getrennt) und eurer Familie alles erdenklich Gute und würde mich freuen irgendwann wieder von Bienchen hören zu dürfen!
Liebe Grüße