Nicht kompatible Persönlichkeit?

Kurz zu mir: Ich bin weiblich, knappe 40, habe einen Lebensgefährten und einen einjährigen Sohn (bin aktuell noch zu Hause).

Ich habe einige Diagnosen: Alkoholsucht, Borderline, Sozialphobie. Die ersteren 2 Themen habe ich relativ gut im Griff, am 3. arbeite ich gerade intensiver in einer Therapie.
Ich habe seit jeher den Stempel "komisch" oder noch schlimmere Attribute von meiner Umgebung aufgedrückt bekommen und finde kaum Freunde.
Ich halte mich für einen sehr reflektierten und offenen Menschen, wenn ich jedoch das Gefühl vermittelt bekomme, man interessiert sich für mich und meine Themen nicht, ziehe ich mich stark zurück.
Ich versuche seit jeher Verständnis und Akzeptanz dafür zu schaffen wie ich bin. Meine Diagnosen haben natürlich Spuren hinterlassen.

Eine gute Freundin - mittlerweile leider ehemalige Freundin - hat mir mal gesagt, sie findet das ständige Erwähnen meiner "sogenannten Krankheitsbilder" ermüdend. Sie hat mit Freundinnen gerne Spaß und mit mir wäre es einfach kräftezerrend, weil immer wieder die gleichen ernsten Themen durchgekaut werden.

Wir hatten erst gestern 2 Freunde auf Besuch, die wir schon länger nicht gesehen haben. Bei mir hängt speziell das Thema Arbeit gerade in der Luft, da es hier Streit mit meinem AG gibt. Beide Besucher wissen an sich davon. Ich hätte mich dazu gerne ausgetauscht, speziell da mein Austausch mit der Außenwelt momentan aufgrund der Kinderbetreuungszeit sowieso sehr begrenzt ist. Es kam keinerlei Rückfrage. Der Abend besteht hauptsächlich aus oberflächlichen Gesprächen und Späßchen, aus denen ich mich irgendwann ausgeklinkt habe.
Ich war danach ziemlich down und habe mit meinem LG das Gespräch gesucht. Er meint, dass auch er gerne in Gesprächen unterhalten werden möchte und sowas "Spaß" machen muss. Mir ist bewusst, dass wir da teilweise sehr verschieden sind, aber diese krasse Ansicht hat mich doch schockiert.

Ich bin hier offenbar eine der wenigen, die ganz anders tickt. Ich bin sicher nicht komplett spaßbefreit, aber ich lege auf Smalltalk wenig Wert. Ich unterhalte mich lieber über Themen, die mich bewegen, die tiefgründiger sind.
Ich finde damit aber kaum Gleichgesinnte. Ich habe den Eindruck, dass jeder nur noch "Spaß" haben möchte und mit nichts belastet werden will. Ich bin umgekehrt auch bereit mit die Themen der anderen anzuhören.

Weiters habe ich den Eindruck, dass ich meine div. Diagnosen besser geheim halte, so als müsse ich mich dafür schämen, weil niemand damit umgehen kann und will. Wenn jemand einen Gipsfuß hat, dann ist es klar und ok, dass er nicht laufen kann. Wenn jemand mit Borderline bedrückt ist, dann will man von der Krankheit besser nichts wissen, die Person soll sich einfach zusammenreißen und zum Spaß beitragen. Mir kommt das alles extrem oberflächlich vor und ich habe ständig das GEfühl, ich müsse mich verstellen oder vieles verheimlichen, um in der Gesellschaft halbwegs Anschluss zu finden.
Da mir das aber schwer gelingt, bin ich ziemlich einsam.

Beides ist für mich auf Dauer keine Lösung, also weder das Verstellen, noch die Einsamkeit.
Ich finde das dem Dilemma aber keinen Ausweg...

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Vielleicht ist einfach ein Abend unter der Woche an dem alle arbeiten waren und dementsprechend müde und erschöpft sind, nicht der beste Moment für tiefgehende Gespräche? Ich rede gerne und viel und diskusstiere auch gerne kontroverse Dinge, aber nach einem Arbeitstag präferiere ich leichtes Geplänkel und "Spaß".

Wie ist es an Wochenenden in entspannter Atmosphäre? Kannst du da ein offenes Gespräch mit Partner oder Freunden führen? Wir machen so etwas öfters gerne auf längeren Autofahrten, also über Gott und die Politik und Krieg usw diskutieren.

Wie geht es deinem Partner und Freunden generell? Vielleicht haben sie auch gerade Themen, die sie bedrücken und deshalb keinen Kopf für noch mehr Probleme?

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Natürlich besteht da aktuell schon wegen der unterschiedlichen Lebenslagen eine gewisse Diskrepanz.
Die anderen arbeiten, haben Stress, wollen wahrscheinlich wirklich eher ihre Ruhe haben und ich sitze seit einem Jahr mit einem Baby zu Hause, mit dem ich mich nicht austauschen kann.
Da sind die Bedürfnisse ganz anders.

Mit meinem Partner kann ich grundsätzlich über alles reden, auch wenn wir emotional sehr verschieden sind und er dann nicht immer alles nachvollziehen kann. Aber er hört zumindest zu.

Sonst habe ich aktuell leider keine "beste" Freundin, sondern nur 2-3 Bekannte, die ich alle paar Monate mal sehe.

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Ich kenne das Problem.

Ich finde, dass du dich einer Selbsthilfegruppe anschließen solltest, da kannst du so oft, du willst, über deine Probleme reden.

Freunde sind mit sowas schnell überfordert, ich habe damals fast alle verloren.

Wahrscheinlich kennst du die Anonymen Alkoholiker, da kannst du auch neue Freunde kennen lernen.

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Ich gehe 2x wöchentlich zu meiner Alkoholgruppe. Nur selbst da sind die Charaktere sehr unterschiedlich. Es sind ja nicht alle Alkoholiker gleich. Natürlich finde ich mit diesem Thema dort eher Anschluss und stoße auf Verständnis, aber auch dort muss ich mich oft hart durchsetzen um zu Wort zu kommen :-/.

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Bei den Anonymen Alkoholikern kommst du nicht zu Wort? Das habe ich noch nie erlebt, eigentlich geht es da recht gesittet zu. Sonst könntest du ja mal eine andere Gruppe ausprobieren!

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Hallo Liebes,

ich kann dich sehr gut verstehen und auch deine Gesprächspartner. Wie schon in einem anderen Beitrag über mir erwähnt, denke ich auch dass die meisten Abends unter der Woche auch ermüdet sind und einfach "spaß"haben möchten.

Vielleicht eine andere Perspektive, ich habe eine Freundin mit selbigen Diagnosen (außer Alkoholsucht). Manchmal bin ich auch nicht in der Stimmung ihr die selbe Laier wie immer zu erzählen und das will ich auch garnicht, ich muss ehrlich sagen seit dem ich obendrauf noch Mama geworden bin, habe ich selber genug Probleme und Lasten und es ist für mich anstrengend tiefgründig und lange mit jemanden zu sprechen. Vorallem wenn wir immer die selben Sachen besprechen, ich ihr immer wieder neue Lösungsansätze darbiete usw. Sie immer wieder in das selbe Loch stürzt.

Ich will ihr aber schon wirklich zuhören und alles verstehen wollen, aber manchmal ist mein eigenes Hirn schon Matsch und da gehe ich nicht näher darauf ein.

Vielleicht bist du nicht die Einzige mit Problemen, andere haben sie auch und fühlen sich dann untergraben wenn es im Gespräch immer nur um die gegenüberliegenden Person geht. Vllt nur ein Denkanstoß..

Ansonsten Selbsthilfegruppe ist auch eine tolle Idee, da fühlt man sich mehr verstanden weil es meistens die selben Probleme sind..

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Es gab sicher einige Phasen in meinem Leben, wo sich viel "ermüdendes" oft und lange im Kreis gedreht hat. Ich war damals auch eher beratungsresistent.

Heute sehe ich mich aber anders. Ich habe selbst nicht den Eindruck, dass ich dauernd nur von meinen Problemen erzähle. Ich lasse andere reden, frage andere wies ihnen geht usw.

Als mir zb diese Freundin vor einigen Jahre sagte, sie fände das ermüdend, war das zu einem Zeitpunkt wo wir uns sowieso nur mehr ca 1 Mal im Monat alleine getroffen haben, dazwischen gabs viele Treffen in Gruppen, wo ich wenig oder nur Oberflächliches gesprochen habe. Ich habe ihre Meldung zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht nachvollziehen können. Denn sie war für mich eine gute Freundin (auch umgekehrt, denke ich mal) und wenn man sich dann eh nur mehr so selten in Ruhe zum reden trifft, dann soll ich schweigen und darf nichts ehrlich erzählen?

Bearbeitet von komischefrau
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Erstmal klasse, dass du an dir arbeitest. Da deine Krankheiten länger bestehen, kann dies als Gesprächsthema bei Familie und Freunden irgendwann ermüdend wirken oder sprich - sie wollen mal was Anderes, auch mal eine Leichtigkeit im Gespräch. Für tiefergehende oder problematische Gespräche braucht man Energie und den richtigen Zeitpunkt.
Eine Freundschaft, welche mit Problemen des einen dauerbelastet wird, zerbricht an dieser Belastung. Bindungen, Beziehungen - egal, welcher Art - brauchen auch positive Erlebnisse. Nein, nicht jeder will nur Spaß, aber nicht jeder will ständig von Problemen und Krankheiten reden. Ja, du bist in einer Selbsthilfegruppe mit Betroffenen besser aufgehoben.
Mal eine andere Frage: Wann hast du dich mal nach dem Befinden deines Partners oder deiner Freundin erkundigt? Wann hast du ihnen einfach mal zugehört?

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Es geht weniger darum, dass ich tagein- tagaus nur von Krankheiten oder so rede, aber ich möchte einfach für das akzeptiert werden, was bzw. wie ich bin. Ich bin zb eher introvertiert und meist eher gedämpft drauf. Deswegen bin ich kein schlechter Mensch, denke ich mal. Ich habe aber schon öfters das Feedback bekommen, ich müsse bessere Laune mitbringen und mich aktiver einbringen, gerade in Gruppen, denn sonst würde man mich nicht gut aufnehmen. Das würde in meinen Augen aber bedeuten, dass ich mich verstellen muss.

Ich frage regelmäßig auch bei anderen nach wies denen geht.
Bei der Bekannten von letztens habe ich wegen der Arbeit nachgefragt, wo sie aktuell viel Stress hat, sie hat aber abgeblockt und mir nachher erklärt, sie würde das nur runterziehen und es bringt eh nichts darüber zu sprechen.