Ich versteh es nicht, Geschwisterkind...

Hallo an alle,

ich finde keine passende Überschrift.

es geht um meine große Tochter. Sie ist jetzt 5 Jahre alt. Als wir unseren Sohn im Januar 2008 in der 25.SSW gehen lassen mussten, da war sie 2,5 Jahre alt. Lea ist ein Kind, dass vom Verständniss schon immer sehr weit vorraus war. Sie ist total pfiffig,

Sie durfte damals in der Schwangerschaft immer den Bauch eincremen und am Bauch ihren Bruder hören.

Als wir Julian geboren hatten, haben wir ihr von Anfang an erklärt, dass ihr Bruder krank war und nun im Himmel auf sie aufpasst.

Das erste Jahr wo Julian nicht da war, war besonders schlimm. Mir ging es richtig dreckig, ich konnte mich nicht mehr so um meine Tochter kümmern, wie ich es gern gemacht hätte. Leider hatte ich auch keine unterstützung. Ich war zwar mit ihr in einer Mutter-Kind kur, aber ich hab halt nur funktioniert...

Wenn ich wegen Julian traurig war und geweint habe, habe ich ihr erklärt, warum ich traurig bin.

Nun ist es so, dass Lea viel von ihrem Bruder spricht. Eigentlich fast jeden Tag. Wenn wir z.b im Auto fahren, und sie eine Wolke sieht, meint sie nur, dass da Julian sitzt und uns winkt. Das kann in allen Situationen vorkommen. Sie erzählt auch fast jedem, dass sie einen Bruder hat, der im Himmel ist und auf sie aufpasst.

Wir waren letzte Woche am Grab von Julian und haben sein Grab schön gemacht. Als wir dann wieder nach Hause sind, fing Lea total an zu weinen und sagt, dass sie Julian vermisst.

Aber ich versteh das überhaupt nicht... Sie kennt ihn ja nicht, nur die Situation. Und es ist ja nicht so, dass ich den ganzen Tag von Julian spreche. Eher das Gegenteil.

Hab ich ihr jetzt irgendwas eingeredet? Ich hab da echt Angst, dass ich ihr ein Trauma oder so verpasst habe Sad Ich mein, als das alles passiert ist, war sie doch noch soooo klein. Sie hat zwar viel mitbekommen, aber das das so prägend war?

Suse

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liebe suse,

also ich habe etwas ähnliches erlebt. meine tochter hat die totgeburt ihrer schwester auch sehr mitgenommen. allerdings ist es wohl nicht so sehr der verlust, als die veränderung die ich dadurch erlebt habe. immer wenn es mir schlecht geht, erkenne ich sie nicht wieder. sie ist dann schrecklich rücksichtsvoll und lieb.
deine tochter hat dein leid erlebt und das hat sie geprägt. wäre ihr bruder nicht gestorben, wäre es dir nicht so schlecht gegangen. also vermisst sie ihn.
ich glaube nicht, dass man da was falsch machen kann? es gehört eben zum leben, dass auch mamas nicht immer funktionieren.

deine mona

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Hallo an alle,

danke, dass ihr mir geantwortet habt!

Ich bin seit 2008 in therapeutischer Behandlung. Ich war erst ambulant in einer Tagesklinik und seit ende 2008 bei meiner Psychologin. Ich hab seit Januar 2010 eine Pause bis Dezember 2010 gehabt, da ich es doch wieder brauchte...

Ich habe mich seit dem Tod von meinem Sohn total verändert... Und ich denke auch, dass das meine Tochter so belastet... Ich war vor dem Tod ein ganz anderer Mensch. Ich versuch zwar wieder so zu sein wie früher, aber ich kann es einfach nicht. Ich hab fast zwei Jahre lang nur schwarz tragen können, weil ich mich nicht mehr mit anderen Farben wohl gefühlt hatte. Lea hasst die farbe schwarz.... Das zeigt mir, dass ich alles falsch gemacht habe, was man falsch machen konnte... Aber ich konnte nicht anders... Ich hatte keine Hilfe von der Familie und musste irgendwie mit ihr zurecht kommen und Mama sein, obwohl ich auch gestorben war...

Ich war früher so lebensfroh und ich war auch den ganzen Tag am lachen... Heute ist es echt nur schwer mich mal richtig zum lachen zu bringen... Ich versuch mich wirklich für meine Kinder zusammen zu reißen, aber es ist sooo schwer.

Mich hat das mit Lea so schockiert... Ich werde das auf jedenfall in meiner nächsten Sitzung ansprechen.

Es ist ja nicht so, dass ich hier nur heulend in der Ecke sitze und nichts mehr schaffe. Momentan bin ich auf einem stabilen Weg. (obwohl ich vor ein paar Wochen einen extremen "Rückfall" hatte)

Ích versuche halt den Alltag so normal wie möglich zu gestalten, aber er ist halt total anders, wie es halt vor dem Tod von Julian war. Es ist schwer zu beschreiben und ich bin ehrlich schockiert, wieviel Lea damals mitbekommen hat....

Ich bin auch ehrlich zu ihr, dass wenn ich mal vor ihr weinen sollte, dass ich traurig bin, weil Julian gestorben ist. Ich verberge meine gefühle vor ihr nicht.


Ich werde das mal mit meiner Therapeutin besprechen, vielleicht braucht sie auch eine Therapie... :-(

Suse

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Vielleicht fühlt sie auch ein wenig deine Trauer und nimmt das wahr. Es macht dich traurig, und es macht dann auch sie traurig.
Ela

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Die Antwort ist einfach und banal. Kinder orientieren sich in fast allen Verhaltensweisen an ihren Eltern.

Das was Du gut findest, wird Deine Tochter sicherlich auch gut finden. Was Du ablehnst, wird sie sicherlich auch ablehnen.

Wenn man einem Kind immer eintrichtert, dass das und das total blöd ist, wird es das Kind auch blöd finden. Wird aber nach außen kehren, es sei die eigene Meinung. Anders herum genauso.

Mir hat das mal eine Kinderpädagogin gesagt.... Und heute, wo ich ein eigenes Kind habe, merke ich, was sie damit meinte.

Dein Kind imitiert Deine Verhaltensweisen. Dein Kind ist eine Projektion Deiner selbst. Nicht in allem, aber in einigen Dingen.

Du hast den Verlust betrauert und den Verlust ja auch, wie Du selbst geschrieben hast, oft verbalisiert.

Dein Kind weiß somit, anhand Deiner äußerlichen Anzeichen der Trauer und anhand Deiner Worte, dass es da jemanden gab, den es zu vermissen gilt, der einmal zum Leben dazu gehörte, den man durch ein tragisches Schicksal verlor.

Ich glaube nicht, dass Dein Kind dadurch ein Trauma erlitten hat. Du kannst dem zumindest entgegen steuern, dass es nicht zum Trauma wird.

Du darfst ihr gegenüber diesen Schicksalsschlag nicht zu sehr dramatisieren und als schrecklich und furchtbar darstellen.

Man muss es mit kindlicher Leichtigkeit leben, in dem man ihr diesen Verlust "schön" redet.... Z. B. dass sie etwas ganz besonderes da oben im Himmel hat, einen Schutzengel, der jeden Tag auf sie aufpasst.

Euch alles Gute, Janette

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Hallo,

ich kann Dir jetzt eigenltich nur von mir berichten, ich weiß nicht, ob Dir das weiter hilft.

Meine Mutter hatte ihr erstes Kind bei der Geburt verloren. Sie bekam dann noch meinen Bruder und dann mich. Ich hab also "Live" gar nix mitbekommen, aber mein Bruder wurde nicht verheimlicht und nicht schön geredet, es war so, also hab ichs auch mitbekommen.
Wir hatten kein Grab, wo wir hingegangen sind, wir haben auch nicht Kerzen angezündet an seinem Geburtstag oder an seinem Sterbetag.
Aber das Erlebnis hat meine Ma eben schon verändert - für mich leider sehr negativ. Obwohl es den Bruder nicht mehr gab, war er doch sehr präsent.
Meine Mutter hatte immer arge Verlustängste, hat besonders mich arg eingeengt und auch in meiner ersten SS immer nur negativ geredet - man darf erst alles kaufen, wenn das Kind da ist und gesund ist, usw.

Von daher kann ich mir gut vorstellen, dass Deine Tochter das schon arg bewegt, schließlich war sie dabei.

Versteh mich nicht falsch, ich möchte Dir keinen Vorwurf machen in Deinem Verhalten. Das war richtig richtig schlimm für Dich, und es war ja klar, dass Deine Tochter das auch alles mitbekommt. Und natürlich prägt sowas, aber das muss ja nciht negativ sein. Vielleicht kann sie auch später einfach mal das Leben besser schätzen, ist einfach froh, wenn alle um sie rum gesund sind, weißt Du, wie ich mein??
Wenn sie darüber redet solltest Du auf alle Fälle darauf eingehen, finde ich, und wenn Du weinen musst, dann weint zusammen. Lass sie nicht allein mit der Situation. Das ist wichtig. Und Du bist dann auch nciht allein.

ICh hätte gern öfter mit meiner Mama über meinen Bruder geredet, aber irgendwie hat sie nie über ihre Gefühle reden können. Wir haben auch jetzt kein gutes Verhältnis, und das kommt auch daher, dass sie nie was erklärt hat. Alles war halt so, weil sie das wollte und aus.

Alles Gute Euch und LG Karin

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Hallo, du hast da diesen Satz geschrieben:
Als wir dann wieder nach Hause sind, fing Lea total an zu weinen und sagt, dass sie Julian vermisst.


Kann es sein, das Eure Lea einfach nur die Mama vermisst, die du warst, bevor euch dieser Schicksalsschlag ereilt hat???
Ich denke deine Geschichte hat dich verändert und diese Veränderung wird deine Tochter spüren. Vielleicht bist du befangener, ängtlicher nicht mehr so unbeschwert.......


Alles Liebe euch

D.

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Guten Morgen!
Ich kann mich dem Beitrag vor mir nur anschließen!
Ich glaube, sie verbindet die Schwangerschaft von ihrem Bruder mit viel Zuneigung und Liebe, sie durfte den Bauch einreiben, deinen Bauch.... sie hatte ganz viel Zuneigung und Liebe da erfahren und dann auf einmal ist der Große Bauch weg, es heißt dein Bruder ist im Himmel und du "Funktionierst" nur noch, dass merken Kinder mehr als das man es denkt.
Und ich glaube auch, dass deine Tochter die Zeit, wo Mama noch Mama war zurück haben.
Ich glaube ich würde eine Familientherapie mal aufsuchen, nicht böse gemeint, aber damit ihr dieses Schicksal gemeinsam aufarbeiten könnt.

Das deine Große, aber davon redet dass ihr Bruder auf der Wolke sitzt, finde ich schon sehr positiv und einen guten Weg!

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Hallo Suse,

bei meinen Kindern ist das auch so. Manchmal weinen sie und dann kommt es für mich wie "aus heiterem Himmel".

Kinder trauern anders als Erwachsenen. Sie können es zwischendurch (Gott sei Dank) einfach wegstecken, und zu einem für uns überraschendem Moment wieder damit kommen. Dazu kommt, dass deine Tochter ja noch sehr jung war und zu dem Zeitpunkt, als es passierte noch kein Verständnis von tot und lebendig hatte. Vielleicht kommt das jetzt? Hat sie Kinder mit kleinen Geschwistern in der Umgebung?
Bei meinen Kindern bricht die Trauer auch manchmal wieder heraus, wenn irgendwo ein Kind geboren wird oder Kinder mit kleineren Geschwistern spielen.

Ich denke nicht, dass du dein Kind traumatisiert hast, habe mir selber aber auch schon mal diese Frage gestellt. Prägen wird es das Leben unserer Kinder, aber traumatisieren..? Die verstorbenen Kinder gehören zu uns als Familie dazu, das sucht sich niemand aus.

Ich denke, es ist besser, darüber zu reden und zu weinen, als darüber zu schweigen. Der Beitrag von der userin, die als Schwester eines totgeborenen Jungen schreibt, bestärkt mich darin.

LG,
Lieke

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Hallo Suse,

ich bin ehrlich erschüttert... Von Deinem Schicksalsschlag zum Einen, aber zum Anderen auch davon, dass es Deine Tochter so sehr mitnimmt, dass sie Jahre später noch offensichtlich leidet.
Ich teile die Ansicht meiner Vorschreiberinnen, dass das mit Dir zu tun hat (Du hast Dich verändert, Deine Trauer lässt nur bedingt nach, Deine Tochter hat nun eine "andere" Mutter...) - aber ich bin keine Therapeutin. Und genau so eine würde ich Euch beiden empfehlen! Das hat nichts mit böse gemeint sein zu tun, sondern es kann nur helfen.

Meiner Ansicht nach, ist es wichtig, seinen Kindern zu zeigen, dass man Gefühle jeder Art zeigen darf und Trauer eben leider auch zum Leben gehört. Aber es sollte nie so enden, dass die Kinder einen Teil der Verantwortung bei sich sehen oder darunter leiden, ohne dass sich das zu bessern scheint, wie in Deinem Fall.

Bitte tut Euch allen den Gefallen und sprecht mit einer Familientherapeutin. Denn ich denke, auch Dein Paket ist noch zu groß für Dich und Du sollest unbedingt lernen, einen Weg aus der Trauer heraus zu finden!

PS: eine Therapie ist kein Stempel, dass man verrückt ist, sondern nur, dass man klug genug ist, sich Hilfe zu suchen...

lG und alles Gute
Lucyfe