Meine Oma stirbt - ich schaffe es nicht mich zu verabschieden

Hey Ihr!

Ich fühle mich gerade so richtig mies und weiß nicht recht weiter. Es geht um meine Oma. Soeben erreichte mich die Nachricht, dass es ihr sehr schlecht ginge und naja…sie ist über neunzig und seit dem Tod meines Opas hat sie kaum noch Lebenswillen. Es scheint aufs Ende zuzugehen. Mein Freund hat mich gerade gefragt, ob ich sie noch einmal besuchen möchte. Sie ist schon länger leicht dement, musste allerdings vor zwei Wochen ins Pflegeheim ziehen und hat seitdem sehr stark abgebaut, gestern hat sie meinen Onkel, ihren Sohn, nicht erkannt und das war vorher echt nie der Fall. Das Tragische ist, dass der Heimaufenthalt nur für ein paar Wochen geplant war und sie dann wieder in ihre Wohnung ziehen sollte:(

Ich glaube, ich kriege das nicht hin mit dem Besuch. Es zerreißt mir das Herz, wenn ich mir vorstelle, sie so zu sehen. Meine letzte Erinnerung an sie ist mein letzter Besuch bei ihr, als sie noch zuhause lebte.Sie neben mir am Kaffeetisch, wir haben gelacht, sie hat mein Baby, ihren Urenkel, gestreichelt und hatte ihm im Garten Himbeeren gepflückt. Eigentlich möchte ich sie so in Erinnerung behalten. Doch ich habe ein so schlechtes Gewissen, ihre Urenkel waren ihr ein und alles, vielleicht würde sie sie ja doch erkennen und sich freuen. Aber ich habe das Gefühl dass ich das nicht kann, es bricht mir das Herz.

Vielleicht kennt jemand die Situation und kann mir irgendwie helfen?Es ist so schwer…

Ich danke Euch♥️

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Probiere mal einen anderen Blickwinkel :
Wenn du wüsstest es geht deinem Ende zu, würdest du nicht nochmal gerne deine Lieben sehen wollen? Ein letztes Mal ?
Vielleicht kannst du den Focus mehr zur Oma verschieben, weniger auf Dich.

Erfahrungsgemäß sind nämlich dann nach dem Tod, ohne Verabschiedung die Schuldgefühle doppelt so schlimm, die das Gefühl jetzt..

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Liebe elliminelli,

es tut mir sehr leid, dass du dich nun von deiner Oma verabschieden musst - auch wenn sie ein hohes Alter erreicht hat, tut sowas immer weh.

Dass du das emotional nicht schaffst - was bedeutet das für dich? Dass du weinen wirst, wenn du bei ihr bist? Dass du trauerst? Das ist doch normal und ein Zeichen deiner Liebe für deine Oma.

Ich habe 2006 meine Oma in ihrer Demenz fast täglich besucht, am Tag vor ihrem Tod war ich noch bei ihr. Sie hat mir zu meinem 18. Geburtstag noch Geschenke überreicht, unter anderem eine von ihr im Pflegeheim gebastelte Kette, die ich wie einen Schatz hüte - ein paar Tage später war meine Oma nämlich nicht mehr da. Diese Zeit war intensiver als alles zuvor, und sie hat mich als Mensch und meinen Umgang mit dem Leben und dem Tod sehr geprägt. Wir sind eben alle nicht unendlich.

Als meine geliebte Patentante vor drei Jahren starb, war ich gerade im Urlaub und da es so schnell ging, hatte ich keine Chance, mich zu verabschieden. Das beschäftigt mich bis heute. Ich hätte ihr so gerne noch so vieles gesagt. Ich denke tagtäglich an sie, oft fließen dabei Tränen. Ich weine auch um die verpasste Chance.

Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus möchte ich dich also ermutigen, den Besuch zu machen.

Und ganz allgemein würde ich mir wünschen, den Tod und das Sterben würden nicht so sehr ausgeklammert, sie gehören zum Leben.

Liebe Grüße und viel Kraft!
DieKati

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Ja ich kenne diese Situation so ähnlich.

Mein Opa ist vor 2 Jahren mit 91 Jahren gestorben. Auch im Heim.

Er war lange leicht dement. Nicht unbedingt vergesslich, eher mit einer Änderung der Persönlichkeit. Nach einem Sturz (auf den Kopf) wurde es schlimmer. Er kam ons Krankenhaus und baute achnell ab. Es war klar, dass er nicht mehr heim kann und kam in ein Heim.
Ich war nochmal da, zusammen mit meiner Oma. Ich bin mir sicher, er hat mich nicht erkannt. Er wollte sich ständig ausziehen, hat und aufs übelste beschimpft. Es war sehr sehr schlimm.

Aver ich bin froh, bei ihm gewesen zu sein. Ihm noch einmal Bilder seiner drei Urenkel gezeigt zu haben (dabei war er sehr ruhig und fokussiert) und ihn nochmal gedrückt zu haben. Er war 19 Tage im Heim, ehe er starb.

Klar hab ich diese Bilder nicht vergessen, aber wenn ich an ihn denke, dann sehe ich ihn anders vor mir. So wie früher. Wie er mit unserer großen Hand in Hand spaziert ist. Wie er mit mir als Kind "Post" gespielt hat usw.

Ich möchte dich bestärken über deinen Schatten zu springen und deine Oma zu besuchen.
Man bereut nämlich mehr die Dinge, die man nicht getan hat, als doe Dinge, die kan getan hat.

Viel Kraft

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BITTE geh hin- und zwar bald. Mir laufen gerade die Tränen runter, wenn ich dran denke, dass ich in der Lage Deiner Oma wäre und meine Enkelin, die ich über alles liebe, würde nicht kommen. Es ist nicht leicht, ganz klar, aber Du bist eine erwachsene Frau und hast Deiner Oma wunderschöne Erinnerungen zu verdanken. Ausreden lasse ich da nicht gelten, früher oder später kommt jeder mit dem Tod eines geliebten Menschen in Berührung, es gehört zum Leben dazu.
Also kann man auch etwas zurückgeben mit diesem Besuch, dement oder nicht. Sie wird es spüren, dass Du da bist und mit ihr redest, ihre Hand hältst. Weißt Du, das manche nicht sterben können, weil sie auf einen geliebten Menschen warten? Sooo schlimm. 😢
Bitte fahr! Ich wünsche Dir viel Kraft, aber Du schaffst das.
Könnte sein, dass Du Dir auch selber später Vorwürfe machst, wenn Du nicht fährst.
LG Moni

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Ihr habt alle völlig Recht. Natürlich sollte ich sie besuchen. Und dabei daran denken, was ich ihr damit gebe und nicht nur an meine persönlichen Gefühle dazu.
Ich habe einfach so große Angst vor diesem Abschied nehmen. Sie noch einmal zu drücken und dann aus dem Raum zu gehen in dem Wissen, dass dieser Abschied nun endgültig war, dass ich sie niemals wiedersehen werde. Der Gedanke daran tut mir so sehr weh!Innerhalb eines Jahres ist sie die dritte Person aus meinem engem Familienkreis, die stirbt. Bei den beiden anderen war es nicht absehbar und dementsprechend gab es keinen Abschied. Damit hadere ich nicht, es konnte einfach niemand ahnen.
Stand heute ist dass es ihr körperlich schon etwas besser geht als gestern, sie ist wieder auf den Beinen. Aber sehr unruhig, räumt ständig ihre Sachen umher und sagt dass sie nun endlich sterben möchte. Sie isst auch nichts. Ich weiß wirklich nicht wieviel Zeit mir bleibt. Dazu kommt dass im Heim momentan diverse Krankheiten grassieren und die Pflegerin hat mir dringend abgeraten, mein Baby mitzubringen. Aber ihr habt Recht, ich muss hinfahren. Ach sie tut mir einfach so Leid…

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Ob Du das Baby mitnimmst, ist eine andere Entscheidung, die ich verstehe.
Wenn sie nichts mehr isst, will sie nicht mehr und ich kann Dich nur nochmal bitten, nichts mehr aufzuschieben.
Bin 2014/2015 innerhalb weniger Monate an den Totenbetten von zwei meiner liebsten Menschwn gesessen, bei meiner Herzensfreundin und meinem Mann.
Zu meiner Freundin schaffte ich es gerade noch am Vortag, hatte ein paar Hundert km zu fahren mit dem Zug....und ich bin so dankbar, dass ich es geschafft habe.
Mein Mann starb zuhause und die, die ihm am wichtigsten waren, waren da.😥
LG

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Schön, dass du deine Oma besuchen gehst! Du erweist ihr damit einen letzten, ganz wichtigen Liebesdienst und dir wird es auch gut tun.

Hab keine Angst vor den Emotionen, die da kommen mögen. Sie alle sind normal und, wie gesagt, Ausdruck von Liebe und Zuneigung. Zudem hilft es meiner Erfahrung nach, das Sterben und den Tod wirklich zu "begreifen", zu sehen und fühlen, was passiert, wie es einem selbst geht und wie es vor allem auch dem/der Sterbenden geht, einfach die Gefühle beim Abschied zu durchleben. Die Konfrontation damit nicht zu wagen und ihn aus Angst vor unseren eigenen Gefühlen von uns fernzuhalten, macht ihn nur noch schwerer erträglich. Ich habe den direkten Vergleich - dass ich nicht da war, um mich von meiner Tante zu verabschieden, habe ich bis heute nicht ganz verarbeitet.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft - hab Vertrauen in dich!

Liebe Grüße,
DieKati

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Hallo du,

ich kann dir auch nur aus eigener Erfahrung raten sie zu besuchen.
Ich habe es in jungen Jahren nicht getan (aus Angst und Überforderung) und bereue es wirklich sehr.

Ich wünsche dir alles gute und Kraft natürlich auch. So etwas ist niemals leicht💐

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Ich möchte dir, auch dringend dazu raten, ins, Heim zu fahren. Bei meiner Omi war es so, daß es ihr einige Tage sehr schlecht ging. Ich wohnte 100km entfernt und wusste, meine Omi ist ein Stehaufmännchen, die packt das schon. Dieses Mal leider nicht. Als der Anruf kam, das sie diese Nacht zum 30.05.2016 nicht mehr überleben würde, kam ich leider zu spät. Ich bin bei ihr aufgewachsen. Zu ihr hatte ich die engste Bindung meines Lebens. Ich mache mir heute noch große Vorwürfe und das wird mich mein Leben lang begleiten. Sie würde 98 Jahre alt und war bis zum Schluss geistig fit. Nur der Körper konnte nicht mehr. Ich vermisse sie jeden Tag.
Viel Kraft wünsche ich dir!

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Ich möchte Dir erzählen, wie es bei meinem Sohn war. Er war bereits im Hospiz und wir alle wussten, dass es nur noch Tage sind, die bleiben.
Dann kam seine beste Freundin, seine Herzensfreundin, zu Besuch, die er seit Monaten nicht gesehen hatte - fast 600 Km und sie hatte zu dem Zeitpunkt einen 3 Monate alten Säugling.
Was soll ich sagen, er hat auf sie gewartet. Beide konnten Abschied nehmen und er konnte noch in derselben Nacht loslassen.

Natürlich ist das nicht vergleichbar, aber für Beide war das Abschiednehmen wichtig und wertvoll.

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Danke Euch allen für Eure Worte, fürs Mut machen und Teilen Eurer persönlichen Geschichten!
Meine Oma ist friedlich eingeschlafen. So traurig das auch ist, sie hat sich nichts so sehr gewünscht. Nun ist sie wieder mit so vielen Menschen zusammen, deren Verluste sie nie verwunden hat♥️

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Mein herzliches Beileid. Die Kerze auf meinem Schreibtisch, die ich für meine Lieben anzünde, brennt heute auch für Deine Oma.🕯️

Fühl dich gedrückt.