Papa wird sterben!

Hallo zusammen,

nun ist es auch für mich an der Zeit in dieses Forum zu schreiben. Ich bin seit einiger Zeit stille Mitleserin, aber ich merke immer mehr, dass ich nicht mehr weiß, wohin mit meiner Trauer, Verzweiflung, Hilflosigkeit und Wut.

Im März dieses Jahres hat mein geliebter Papa die Diagnose Krebs erhalten. Für uns als Familie ein absoluter Schock. Die Ärzte haben uns Hoffnung gemacht, dass der Krebs gut heilbar wäre. Nun haben wir Dezember 2022 und ich befürchte es geht dem Ende zu. Mein Vater wurde nach der Diagnose sofort behandelt, leider haben diese Maßnahmen rein gar nichts gebracht. Der Tumor ist noch da und man hat uns gesagt, dass er nicht mehr heilbar wäre, und man würde es nun mit einer Chemo versuchen, um den Tumor zu stoppen und im Idealfall zu verkleinern. Laut dem Onkologen hätte mein Vater auch hier die besten Chancen, da der Tumor langsam wächst und auch noch nicht gestreut hat. Da sich der Tumor im Kopf/ Hals Bereich befindet kann Papa weder sprechen noch essen. Seit ein paar Wochen wird er künstlich ernährt. Es tut mir so unfassbar weh, meinen starken Papa, mein Fels in der Brandung so schwach und klein zu sehen. Ich würde ihm dieses Leid jederzeit abnehmen, wenn ich es doch nur könnte ☹ In der letzten Woche hatten wir eine absolute Notsituation, mein Vater hat plötzlich sehr viel Blut gespuckt und musste sich einer Notoperation unterziehen. Die Ärzte sagten uns, dass dieser Fall erneut eintreten kann. Es kann aber unter Umständen auch sein, dass es nicht mehr passiert. Für mich ist es nun eine tickende Zeitbombe. Mein Vater ist so extrem geschwächt durch diesen Vorfall, dass er immer mehr abbaut und nun meine Hoffnung ebenfalls schwindet. Ich will ihm helfen, aber ich weiß nicht wie. Wir können uns nicht mehr unterhalten, er ist zu schwach, um an die frische Luft zu gehen. Wir können einfach nur bei ihm sein und uns ganz oft in den Arm nehmen. Wir schreiben uns viele SMS oder E-Mails. Er schreibt mir, dass er mich lieb hat und dass ich die beste Tochter bin, die sich ein Vater vorstellen kann. Es war so schön diese Worte zu lesen, aber auch gleichzeitig so schmerzvoll, da der Abschied immer näherkommt und ich meinen Papa doch nicht einfach gehen lassen kann, Ich bin so verzweifelt. Ich kann mir eine Welt ohne ihn nicht vorstellen.

Mein Mann und meine Freunde sind immer für mich da. Sie helfen, wo sie können.

Leider sieht es bei meiner Mutter ganz anders aus. Vielleicht für Euch zur Info, ich hatte nie wirklich ein inniges Verhältnis zu meiner Mutter. Sie war schon immer sehr kalt, herrisch und ichbezogen. Mein Vater hat sich, seitdem ich denken kann, immer um alles gekümmert (sie kann noch nicht einmal Geld abheben und weigert sich, obwohl sie fit und gesund ist, es zu lernen) Sie hat weder Freunde, Bekannte noch Kontakt zu ihrer Familie. Sie hat keine Hobbys und sitz fast nur auf der Couch guckt TV und macht den Haushalt. Es gab früher einen engeren Kontakt zu ihrer Schwester, aber auch mit ihr hat sie sich zerstritten und nie wieder versöhnt. Mittlerweile ist meine Tante verstorben. Immer waren/sind die anderen schuld und sie ist im recht. Und nun ist es seit dem Krebsverdacht meines Vaters so, dass SIE das Opfer ist. Es geht nur um sie und ihre Gefühle, Ängste und Sorgen, alles andere ist nebensächlich. Sie hat von Anfang erwartet, dass ich die gesamte Organisation rund um meinen Vater übernehme. Was ich natürlich mache, ich würde alles für meinen Vater tun. Nur so langsam komme ich auch an meine Grenzen, weil die Angst um meinen Papa mich immer mehr auffrisst. Ich arbeite Vollzeit und kann leider nicht immer alles abdecken, aber noch nicht einmal Kleinigkeiten wie bei z.B. bei der Krankenkasse anrufen kann sie mir abnehmen. Meine Bitten sie solle sich Papa schnappen und spazieren gehen (das war noch vor der Not-OP in der letzten Woche) hat sie abgelehnt. Er könne ja stürzen und sie könnte ihm dann nicht helfen…Meine Argumentation, dass sie, wenn er denn dann stürzen sollte, sofort Hilfe holen könnte (er kann sich ja nicht mitteilen) war für sie kein Grund mitzugehen. Also ist er immer allein losgetigert und sie lag auf der Couch. Auch Besuche im Krankenhaus waren spärlich, außer wir haben sie hingefahren. Allein ins Taxi oder Bus/ Bahn zu steigen, damit ihr Mann nicht so allein ist – undenkbar! Sie wollte auch vor kurzem, dass ich sie bei ihrem Arbeitgeber (sie hat einen 450€ Job und arbeitet von Montag – Freitag am späten Nachmittag ein paar Stunden) krankmelde. Ich habe es zeitlich wirklich (!) nicht geschafft und ihr gesagt, dass sie eine erwachsene Frau ist und das auch selbst hinbekommt. Daraufhin wurde ich von ihr gefragt, ob ich sie denn so sehr hassen würde….Ich dachte, ich wäre im falschen Film….daraufhin hat sie meinen Mann angerufen, der es dann gemacht hat. Wir nehmen ihr seit Anfang des Jahres wirklich alles ab, wir gehen für sie einkaufen, machen die Wäsche, organisieren alles für Papa, schauen das meine Mutter von A nach B kommt, haben aber auch noch unser eigenes Leben mit Kind und wohnen auch nicht um die Ecke. Abgesehen von der Angst, dass ich bald meinen Vater verliere. Normalweiße würde ich ihr Verhalten auf diese extreme Situation schieben, aber sie war schon immer so. Versteht mich bitte nicht falsch, ich kann sehr gut nachvollziehen, wie es ihr gehen muss. Für sie wird sich alles verändern. Für mich ist es auch in Ordnung, dass sie mich noch nie gefragt hat, wie es mir mit dieser Situation geht….es geht hier nicht um mich, es geht aber um ihren Mann und meinen Vater, der alles für uns gemacht hat!!!! Oder bin ich zu egoistisch?!

Aber auch jetzt merke ich wieder, dass sich schon wieder alles um meine Mutter dreht….

Weswegen ich aber in dieses Forum schreibe: Wie kann ich mit dem bevorstehenden Tod meines Vaters umgehen? Ich kann ihn doch nicht einfach leiden lassen und auch nicht gehen lassen! Ich liebe ihn über alles und will nur das es ihm gut geht!! Wir haben nun auch ein palliatives Pflegeteam, welches meine Eltern zuhause unterstützt. Ich bin auch gerade dabei, mir professionelle Hilfe zu suchen. Ich schaffe es sonst nicht mehr. Ich bin am Ende mit den Kräften, brauche aber noch Kraft, um diese an Papa weiterzugeben!! Ich habe mittlerweile so große Angst ans Handy zu gehen, weil es wieder eine Hiobsbotschaft sein könnte. Ich stelle mir zig Horroszenarien vor, wie mein Vater ein leidvolles Ende finden könnte….Was soll ich nur tun?

Auch wenn man mir aktuell nicht wirklich helfen kann und es keine Antworten geben sollte, bin ich doch froh, dass ich mir einen Teil meiner Sorgen von der Seele schreiben konnte.

Viele Grüße
lost

1

Es tut mir unendlich leid mit Deinem Papa, aber wenigstens könnt ihr euch noch mitteilen, wie lieb ihr euch habt.
Bitte setz Dich mit dem Palliativteam zusammen, sie können auch Dir mit Rat und Tat zur Seite stehen, sie haben Erfahrung damit. Sie können auch zwischen Dir und Deiner Mutter vermitteln in dieser schwierigen Situation. Es geht einfach nicht, dass sie alles auf Dich abwälzt. Hätte ich von meiner Tochter nie verlangt, als mein Mann starb. Das Palliativteam kann Dir auch die Medikation erklären, die Dein Papa bekommt, dass er nicht allzuviele Schmerzen erleiden muss. Mein Mann durfte auch ganz friedlich einschlafen, obwohl ich solche Angst hatte, dass er womöglich erstickt. (Bronchialkrebs).
Ich wünsche Dir ganz viel Kraft und Ablenkung durch Deinen Mann und Deine Freunde.
Ganz liebe Grüße von Moni #herzlich

3

Liebe Moni,

ich danke Dir 1000 mal für deine liebe Antwort und es tut mir unwahrscheinlich leid, dass Du Deinen Mann verloren hast.

Du hast absolut recht, wenigstens können wir uns noch schreiben, wie lieb wir uns haben. Das ist so viel wert. Ich werde nächste Woche nochmal mit der Palliativpflege sprechen. Meine große Angst ist es nämlich auch, dass Papa verbluten oder ersticken wird. Dieser Gedanke bringt mich buchstäblich um den Verstand! Das hat mein Vater alles nicht verdient, aber wer hat das schon... Er hatte vor 30 Jahren schon einmal Krebs und jetzt ist diese sch.... Krankheit wieder da und nimmt mir meinen Vater.

Die Situation mit meiner Mutter ist wirklich verfahren, aber das werde ich noch klären. Immerhin ist sie schon offener was das Thema professionelle Hilfe angeht. Das predige ich ihr schon seit Wochen. Auch mein Mann sagt, dass eine Mutter trotzdem noch versuchen sollte das eigene Kind in irgendeiner Art und Weise zu schützen und nicht alles von dem Kind abverlangen. Aktuell muss ich irgendwie durchhalten. Alles andere wird zu Lasten meines Vaters gehen. Was passiert wenn meine Mutter schlapp macht? Ich möchte, dass er zuhause bleiben kann. Ich kann aber eine 24 Std Pflege nicht abdecken. Mein Papa tut mir so unendlich leid und er macht sich einfach nur Sorgen um meine Mutter und denkt kaum an sich.

Ich danke dir nochmal für Deine Antwort!💜

Liebe Grüße
lost

4

Wäre ein Hospiz keine Alternative? Wir haben eines und die Menschen werden dort unwahrscheinlich liebevoll begleitet, Angehörige dürfen bei ihnen sein, wann sie möchten - und das Problem wäre keines, falls Deine Mutter aufgibt. Auch Du wärest entlastet.
Zwei ganz liebe Menschen, die ich kannte, hatten sich das selber gewünscht - und das war gut so.
Überlegt euch das mal.
Liebe Grüße.

weitere Kommentare laden
2

Hallo!

Ich habe keinen guten Tipp für dich, wollte dir aber dennoch mein Mitgefühl ausdrücken.
Es tut mir beim Lesen weh und es tut mir leid, dass du in dieser Situation bist.

Deine Mutter und den Ärger über sie solltest du jetzt vielleicht ganz in den Hintergrund stellen und dich ausschließlich auf ein positives Miteinander mit deinem Vater konzentrieren. Was erledigt werden muss, erledigen und alles andere hinten anstellen.
Vielleicht kannst du es mal versuchen.
Es lässt sich sicher nicht alles ausblenden, aber vielleicht das ein oder andere, zumindest für eine Weile.

Vielleicht wäre es auch einen Versuch wert mit deiner Mutter Tacheles zu reden. Vielleicht ist ihr ihr Verhalten gar nicht bewusst. Mehr als nichts bringen, kann nicht passieren. Und im Idealfall verbessert sich zumindest ein klein wenig etwas.

Ich wünsche dir und natürlich deinem Papa wirklich von Herzen alles Gute.

8

Hallo Rothaar93,

ich danke Dir wirklich sehr für Deine liebe Nachricht und Dein Mitgefühl!! Auch wenn man sich hier nicht kennt, tut das lesen der Nachrichten wirklich sehr gut!!

Mit meiner Mutter Tacheles zu sprechen, haben wir bereits versucht. Wir haben eigentlich schon alles versucht, aber leider kommt bei ihr nichts an. Auch der Pflegedienst, der sich um die künstliche Ernährung bei meinem Vater kümmert, hat schon mit ihr gesprochen. Aber auch hier ohne Erfolg. Leider hat sie den Bogen gestern komplett überspannt. Das muss ich erst einmal sacken lassen. Mein Mann und ich sind weiter für meinen Vater da, aller andere muss ich (wie Du schreibst) versuchen auszublenden.

Ich danke Dir nochmal und wünsche Dir auch alles Gute!!

10

Manchmal ist es hart das Schicksal so anzunehmen wir es ist, aber letztendlich bleibt einem nur das übrig. Ich weiß wovon ich spreche, möchte hier nicht näher darauf eingehen, aber auch ich fragte mich immer warum ich, warum wir, Besprechungen mit Professionellen Kräften ergaben, weil sie es können ( es geht hier um ein krankes Kind), Fragen sie nicht nach dem warum, eine Antwort gibt es darauf nicht. Du bist aber nicht alleine, weißt du, sehr viele Menschen erleiden schlimme Dinge und keiner weiß warum das so ist. Macht aus der Situation das Beste. Du bist für deinen Papa da, tust alles was du kannst. Das ist schon das Maximum, was du geben kannst, es gibt Menschen die versöhnen sich am Ende nicht mehr, sind ganz alleine. So aber nicht ihr, ihr habt euch. Die Situation mit deiner Mutter ist schlimm, lass dir die Zeit die euch bleibt nicht dadurch nehmen, du änderst diese nicht. Versuche dich nicht allzuviel von deiner Mutter leiten zu lassen, sie ist eine Erwachsene Frau, dein geschriebenes erinnert mich sehr an meine Mutter. Da ist es 1:1 das gleiche. Da ich schon Hilfe in Anspruch genommen habe, kann ich dir sagen was mit gesagt wurde: Leben sie weiter, kümmern sie sich da nicht weiter drum. Sehr harte Worte. Aber wenn du selbst irgendwann am Boden bist, wem hilft das? Du hast ja sicher eine eigene Familie. Deine Mutter ist eine erwachsende, mündige Person. Mehr als Hilfe anbieten geht nicht, diese nur im Rahmen. Mit wurde gesagt, fahren sie nicht hin und putzen sie da die Wohnung und machen alles. Es ist nicht ihre Aufgabe. Nicht falsch verstehen, es handelt sich um eine gesunde Person, wenn jemand krank ist, körperlich gebrechen hat, ist es was anderes. Aber Menschen die sich wehren grundliegende Dinge zu lernen, wie eine Ec Karte zu nutzen, andere anzurufen. Nein, da müssen sie sich selber helfen. Man spricht da übrigens von einer sozialen Phobie. Meine Mutter geht auch nur maximal zum Einkauf. Geld abheben kann sie nicht, Telefonate führen auch nicht, schon Gespräche mit anderen zu führen überfordern sie. Sie kann nicht mal die Waschmaschine bedienen, geschweige denn andere Geräte. Leider total Hilflos. Es wird aber auch nicht angenommen wenn man es zeigen möchte, selbst aufschreiben würde ich es, wie was sie machen soll. Sie würde die Wäsche dann von Hand waschen.
Soviel dazu.

Ich wünsche dir viel Kraft für die Zeit die euch bleibt. Macht es euch so schön wie möglich und wichtig..such dir Hilfe, wenn du sie brauchst. Weine wenn du es möchtest. Das tut gut und ist wichtig für die Trauer.

11

Hallo Lost,

Meine Mutter starb letztes Jahr. 6 Monate nach ihrer Diagnose Magenkrebs.
Leider kann ich dir zu deiner Mama keine Hilfe anbieten da mein Papa alles vorbildlich gemacht.

Wie du mit deinem Papa umgehst ist wundervoll und ihr zwei macht das gut. Werde alles los an Gefühlen die du noch ausdrücken möchtest. Liebe, Stolz und auch die Wut auf den verdammten Krebs. Frag ihn was er möchte. Meine mama hat ein freiwilliges ende gewählt. FVNF. Das war mir sehr wichtig. Sie sollte sich selbst entscheiden und das haben wir durch gezogen. Mit allen Konsequenzen. Schreib mich gern an wenn du fragen hast.

Ganz herzliche Grüße
Anja

12

Hey das ist sehr berührend zu lesen wie sehr du für deinen Papa da sein willst und bist. Die Zeit die du durchmachen musst ist unglaublich schwierig und einen geliebten Menschen gehen zu lassen fällt schwer.

Bezüglich der Krankheit hast du ja schon wertvolle Tipps bekommen, ich hab die auch mit Interesse gelesen falls es bei mir mal so weit sein sollte. Mein Papa hat seit Jahren Blasenkrebs, mein Mann hatte /hat Kehlkopfktebs wurde aber nicht operiert sondern mit Chemotherapie und Bestrahlung behandelt. Momentan hält die Krankheit still.

Deine Mutter ist echt schwierig .. Aber eigentlich nicht wirklich dein Problem. Hier hilft auf Dauer nur hart bleiben. Wie kommt sue denn zu ihrer Arbeit darf ich fragen? Wohl auch mit Bus.. Rad etc... Und da kann sie nicht selbstständig ins Krankenhaus fahren?

Hat sie vielleicht Depressionen, da sie einfachste Sachen nicht erledigen kann?

Wenn es so weit ist fürchte dich nicht vor den letzten Stunden. Lass ihn in Liebe gehen. Ein Teil von ihm wird immer in deinen Kindern und dir weiterleben. Für ihn wäre es weitaus schlimmer wenn du krank wärst und er müsste dich gehen lassen. Vielleicht gibt dir das Trost..

Alles Liebe