Wie Eigenmotivation bei Kindern wecken?

Hallo,

mein Sohn (bald 6) ist von der Sorte "dominant" und "kreativ". Die ganze Welt, insbesondere aber unser Haus, unser Garten, der nahegelegne Spielplatz sind für ihn ein einziges Experimentierfeld/ ein einziger großer Spielplatz. Das heißt er probiert alles denkbare und undenkbare aus, alles wird umgebaut, eingebaut, mitgenommen, ausprobiert (meistens ob es etwas anderes hält), angemalt, vollgefüllt, ausgeschüttet, hochgeklettert etc. Natürlich ist so eine unbändige kindliche Neugier etwas sehr sehr schönes, aber was manchmal dabei rauskommt kann man sich vorstellen, denn es macht super viel Unordnung, Sauerei, Räumerei - es macht einfach irre viel Umstände.

Soll mein Sohnemann aber etwas nach Anleitung machen - etwas herstellen, basteln, nach Anleitung ausprobiern, Bewegungen nachmachen, hat er sofort keine Lust. Er scheint sonst komplett aus sich heraus angetrieben zu sein, sobald er aber etwas "soll" macht er es nur dann, wenn es halt nicht anders geht und irgendjemand ohne Fluchmöglichkeit darauf besteht.

Ist das normal?
Und vorallem: wie kann ich seine unbändige Neugierde und seine Talente in sinnvolle Bahnen lenken (lassen). Vereine oder andere Gruppenveranstaltungen oder gar "Kurse" hat er bisher kategorisch abgelehnt - soll ich ihn einfach so weitermachen lassen?

Wie kann man die Neugierde und Lust eines Kindes wecken? Denn wenn er einmal etwas will, dann wird er alles tun und auf sich nehmen, um es auch zu kriegen/ tun zu dürfen (bestes Beispiel: Snowboarden, das wollte er wirklich unbedingt lernen- in Norddeutschland nur eine ziemlich blöde Sache....).

Was kann man tun, um die Begeisterung eines Kindes zu wecken, damit es eigenmotiviert seine eigene Sache verfolgt? Inwieweit kann man als Eltern dies überhaupt beeinflussen?

Gibt es allgemeingültige Aussagen hierzu? Welche Erfahrungen habt Ihr mit Euren Kids gemacht?

Danke für Eure Anworten!

1

Also für mich klingt das nach einer ganz tollen Kindheit für einen (bald) 6-Jährigen Jungen. Auch halte ich es für normal - ich merke es bei meinem eigenen Spatz seit 11 Jahren -, dass eine tolle Kindheit manchmal irre viel Umstände für die Eltern bedeutet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sinnvollere Bahnen gibt, als ein Kind in seiner eigenen Kreativität, Selbstständigkeit, Experimentierlust und Abenteuerdrang zu fördern.

Die Freizeitgestaltung meines Spatzes ist in erster Linie, seinen Körper an Belastungsgrenzen (und darüber hinaus) zu bringen und ein hoher Drang an Adrenalin Sucht. Im letzten Sommer habe ich ihn mal mit einer Rolle Isolierband aus dem Baumarkt im Garten an einem Baum gefesselt; der arme Kerl hat eine Stunde bis zur Erschöpfung gekämpft, um sich wieder zu befreien und war dabei das glücklichste Kind der Welt. Solche Sachen gab es hier fast täglich - ansonsten Klettern, Trampolin springen, Mini-Motocross, Wasserski; Hauptsache schnell und gefährlich; Kräftemessen jeglicher Art mit seinem besten Freund geht auch täglich.

Für Gruppenaktivitäten ist er überhaupt nicht zu begeistern. Er braucht reine 1 gegen 1 Situationen als Kräftemessen. Er fechtet seit mehr als 5 Jahren für sein Leben gern; auch in einem Verein. Für was anderes war er aber nicht zu begeistern. Alles zu langweilig oder zu öde. Ob das Normal ist - keine Ahnung - ich glaube nicht, dass man hier allgemeingültige Aussagen treffen kann. Ich sehe nur, dass mein Spatz ungemein viel Spass bei seiner Kindheit hat, und ich denke, dass ist das wichtigste. Auch konnte ich nie Nachteile erkennen; selbst Schulsport ist zwar für ihn stink langweilig, aber, er hat dort trotzdem immer eine 1.

Ich denke nicht, dass wir unsere Sohn hier großartig hätten beeinflussen können. Aber - man kann das ganze ganz wunderbar fördern, und, dass haben meine Frau und ich die letzten 11 Jahre nicht einmal bereut. Auch, wenn es manchmal irre viel Umstände macht ;-)

PS: Es gibt in Norddeutschland sicherlich eine Snowboardhalle; wäre doch mal ein toller Wochenendausflug. Die Knochen von Kindern sind noch ungemein gelenkig; also besser jetzt Snowboard fahren lernen, als mit 18. Wir haben unserem Sohn oftmals erklärt, dass gewisse Sachen einmalig (oder zumindest sehr selten) bleiben werden; weil es z.b. zu weit weg oder zu umständlich ist. Hat bisher immer gut funktioniert und - er hatte dabei seinen Spass.

2

"Was kann man tun, um die Begeisterung eines Kindes zu wecken, damit es eigenmotiviert seine eigene Sache verfolgt?"

das ist ja ein widerspruch in sich....

Also entweder er macht etwas aus sich heraus (intrinsisch motiviert) oder aus einer motivation heraus, die von außen kommt (extrinsisch).
offenbar kann er das eine schon- also ihr ads problem eher die motivation von außen...

da würde ich mal im kiga nachfragen, wie es dort denn so ist.

ich muß sagen, ich bin jemand, der sehr gerne nach seienr eigenen fasson lebt, lernt arbeitet..
aber ich hatte dennoch niemals (größere) probleme mich in die schule zu integrieren.
nur in meiner freizeit wollte und will ich nicht auch noch vorgeschrieben bekommen, was ich wann wie tun soll...

ich würde einfach alles so lassen wie gehabt.
es hört sich doch super an und scheint alles paletti zu sein.
falls es im kiga probleme gibt, würde ich dort mal nachfragen, was sie für eine einschätzung in richtung schule haben.
evtl. wäre dann eine ander schulform zu bedneken (mit einem konzept, daß nicht davon ausgeht, daß ALLE Kinder immer alle zu gleichen zeit das gleiche lernen sollte- diese ide e ist meiner meinung sowieso völlig absord. wenn ich die entwicklungsunterschiede und die unterschiede im interesse von 6 jährigen betrachte, dann finde ich eine solche idee ehrlich gesagt aberwitzig...)


ansonsten würde ich mir da ehrlich gesagt wenig sorgen mache
lisaismpson

3

Hallo,

das ist ein sehr interessanter Beitrag. Mein Sohn (bald 8) ist genauso, und ich kann deine Gefühle absolut nachvollziehen.

Das, was man so im üblichen Sinn unter "Spielsachen" versteht, hat ihn nie wirklich lange interessiert und beschäftigt. Stattdessen hat er:

- Jeden Tag sein Zimmer umgebaut, mit verschiedenen Lichtquellen (Taschenlampen, Lichterketten etc.), dazu entweder Decken (dann war es eine Höhle) oder Vorhänge und Requisiten (dann war es ein Theaterstück). Requisiten hat er sich selbst gebastelt, aus allen möglichen Materialien.

- nach Anleitung hat er NIE gemalt oder gebastelt. Stattdessen hat er sich selber Dinge ausgedacht und die verwirklicht, z.B. Murmelbahn aus Klorollen und Bauklötzen, mit Klebeband und unter Einbezug des Wohnzimmerbodens, etc.

- er hat unheimlich gern Wasserfarben "gemalt" - bedeutet, er hat zwanzig verschiedene Farbtöne zusammengemischt und war völlig begeistert von der Vielfalt und hat sich auch gemerkt, was er zusammenmischen muss, damit es die und die Farbe gibt - nur gemalt hat er dann leider mit den Farben nicht, ab diesem Moment waren die Wasserfarben dann uninteressant. Außer, des ging um eine interessante "Technik", wie Spritzbilder oder verpusten oder Murmelbilder etc.

- Experimente haben ihn immer interessiert, ganz egal, in welchem Alter er war. Je älter er wurde, umso mehr hat er sie selbständig durchgeführt.

- Sand, Erde, Wasser, viele verschiedene Behältnisse - damit konnte er sich sehr lange beschäftigen. Vor kurzem hat er mit meinem jüngsten Sohn mit Hilfe des ausgedienten Babyplantschbeckens, welches verschiedene Ebenen hat, und mit Sand, Wasser, Erde und Taschentüchern eine Kläranlage gebaut.

Ich könnte noch viele, viele ähnliche Beispiele nennen. Für mich als Mutter war es immer sehr anstrengend und oft ein Aufwand, das Ganze (mehr oder weniger zusammen mit ihm, je nach Alter) wieder aufzuräumen. Wenige Kinder im Bekanntenkreis durften so ausgiebig mit Wasserfarben experimentieren und malen wie er, allerdings hatten auch wenige so starkes Interesse daran wie er.

Ich war aber immer der Meinung, dass die beste Förderung eines Kindes darin besteht, dass man ihm ein Umfeld ermöglicht, in dem es selbstbestimmt Dinge erfahren und ausprobieren kann. Deshalb war ich meistens sehr locker, was Chaos und Unordnung angeht. Regeln gibt es natürlich bei uns, und ich bin da sehr konsequent. Aber ich kann halt einfach auch nur zu gut nachvollziehen, wie toll es ist, wenn man aus Erde, Sand und Wasser die perfekten "Betonkugeln" hergestellt hat, die nahezu unzerbrechlich sind ;-)

Ich war als Kind nicht anders, und ich habe heute noch tolle Erinnerungen daran, was ich alles machen durfte. Ich durfte herummatschen ohne Ende, auf meinem echten Kinderherd Birkenblätter zu Pampe kochen bis mir ganz schwummerig wurde, weil die Dämpfe irgendeinen chemischen Stoff enthielten, der nicht unbedingt gesundheitsfördernd war, und sehr viel malen und basteln mit einer Unmenge an verschiedenen Materialien. Meine Mutter war Erzieherin und fand das wichtig für Kinder.

Ich kann mich heute meistens so richtig mitfreuen, wenn mein Sohn solche Dinge macht und dabei voller Begeisterung ist. Aber es gibt in meinem Bekanntenkreis einige Eltern, die sehr viel verbieten, was das angeht, damit ja nicht zu viel Unordnung entsteht. Absichtliches Verwüsten würde ich nicht dulden, und ich erwarte Mithilfe beim Aufräumen, aber dass es eben etwas aufwändiger ist, alle Materialien und Spuren vom Wasserfarbenmalen zu beseitigen als drei, vier Legomännchen aufzuräumen - tja, das liegt halt in der Natur der Sache.

Was die Kurse angeht - warte einfach ab. Mein Sohn wollte erst mit sieben freiwillig einen Kurs besuchen. Jetzt ist er im Schwimmclub und im Chor und zu beidem geht er sehr gerne hin. Gib deinem Kind einfach noch Zeit.

Im Übrigen glaube ich, dass ich mit meiner Einstellung - was sein Spielverhalten angeht - richtig lag. Er musste zwar zu Schulbeginn anfangs durch eine harte Zeit, weil er sich mit dem Schreiben schwer tat (da er nie gern mit Holzstiften gemalt hat), aber da musste er durch und da es sein MUSSTE, hat er das auch mehr oder weniger akzeptiert. Jedenfalls hat es irgendwann besser geklappt, und wenn er auch immer ein bisschen ein Chaot bleiben wird (das ist einfach sein Temperament), hat sein Spielverhalten sich sehr positiv auf seine kognitiven Fähigkeiten und seine Neugierde auf alles (eine ganz wichtige Voraussetzung für den Lernerfolg!) ausgewirkt.

Im Übrigen: Lass dich nicht täuschen - nur weil dein Sohn nichts nach Anleitung MACHT, heißt das noch lange nicht, dass er es nicht KANN! Mein Sohn war genauso - bis zu dem Moment, als er selber lesen konnte. Ab da hat er sich die Bücher geholt (Bastelbücher, Experimentierbücher) und das, was ihn interessiert hat, mit großer Ausdauer und Energie und beachtlichem Erfolg umgesetzt. Er hat z.B. Faltanleitungen auf Anhieb "kapiert" und nachgemacht, die ich erst nach mehrmaligem Angucken verstanden habe. Ich hab ihm vor einem halben Jahr aus der Bücherei ein Faltbuch ausgeliehen, das fpr Kinder ab 10 Jahren gedacht ist - bevor ich ihm überhaupt erzählen konnte, dass ich es ausgeliehen habe, hatte er es schon entdeckt und das erste Modell in Nullkommanix nachgebastelt.

Was mich mal wieder in meiner Einstellung bestärkt, was den Stellenwert von Kreativität und Neugierverhalten als wichtige Lernvoraussetzungen angeht.

lg
K.