Richtiges Maß finden wenn gute Freundin langzeitarbeitslos ist

Hallo,

ich bin aktuell etwas ratlos und erhoffe mir hier einen Tipp.

Ich habe seit 16 Jahren eine gute Freundin mit psychischer Erkrankung, die nicht auf dem normalen Arbeitsmarkt arbeiten kann.

Sie ist vor 2 Jahren mit ihrem Freund nach Leipzig gezogen, das ist ca. 400 km von mir entfernt. Der Umzug war für sie leider nicht wie erhofft. Sie konnte in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen arbeiten und sich darauf gefreut. Leider hatte sie ziemliche zwischenmenschliche Probleme dort. Sie hat es noch mit 2 weiteren Bereichen versucht, hat es allerdings psychisch nicht geschafft.

Seit ca. 1 Jahr bezieht sie jetzt Arbeitsunfähigkeitsrente und ist zu Hause. Ihr Freund studiert und ist den ganzen Tag außer Haus und bereitet sich auf seinen Master vor und ist ziemlich gestresst.

Sie langweilt sich natürlich obwohl sie sehr kreativ ist und sich durchaus zu beschäftigen weiß.

Hier liegt leider auch das Problem. Ich habe meinen 8 Stunden Tag auf der Arbeit, komme nach Hause und muss chronisch kranke Tiere versorgen, kochen etc. und wohne auch mit Partner zusammen. Sie schickt mir jeden Tag zusammenhangslos Bilder die sie gezeichnet oder Fotos von sich die sie gemacht hat.
Entweder klicke ich ihre Nachrichten gar nicht an und antworte kurz nach Feierabend oder nen Tag später oder ich schaue während der Arbeit mal drauf und antworte nicht.
Ich habe ihr schon mehrfach gesagt + geschrieben, dass ich das nicht böse meine aber auf der Arbeit nicht die Zeit habe ausführlich zu antworten und nach Feierabend bin ich aktuell so überlastet und erschöpft, dass mir der Sinn nicht danach steht oder es vergesse. Ich bin ziemlich überarbeitet, was ich auch kommuniziert habe und habe Geldsorgen da ich teure Ops meiner Katzen zahlen muss und selbst auch ne psychische Erkrankung habe. Mich ärgert auch, dass Sie mich selten mal fragt wie es mir geht, was mich so beschäftigt aktuell oder wenigstens ein Hallo. Das habe ich ihr auch vor längerem schon gesagt. Es war dann kurz besser und jetzt wieder ganz akut.

Jetzt gerade haben wir wieder die selbe Situation. Sie schickt mir Fotos, selbst dekorierte, erstellte Sachen seit Wochen und ich ärgere mich, will sie aber auch nicht verletzen und antworte sehr verzögert.

Sie hat mir gestern Abend dann eine saure Nachricht geschickt, wir würden nur noch aneinander vorbeischreiben, sie wüsste nicht was das soll und sie wüsste gar nicht ob ich die Freundschaft noch wolle und wir hätten uns auch schon so lange nicht gesehen. Ich habe ihr dann versucht in ner Nachricht zu erklären, dass ich einfach keinen Kopf habe unter der Woche jeden Tag auf alles was sie mir schickt zu antworten weil ich so erschöpft bin und ihre Nachrichten oft wie Monologe wirken, da ich von ihr selten mal mir gegenüber Interesse spüre oder gefragt werde. Genauso das sie das sicherlich nicht böse meint und das ich ihr in Vergangenheit ja auch schon gesagt habe, warum wir statt dem Geschreibsel nicht am Wochenende an einem Tag eine Uhrzeit ausmachen in der wir telefonieren um sich gegenseitig auszutauschen, statt das Schreiben.

Da sie kein Auto hat, fahre ich immer 40 Minuten zu ihren Eltern wenn sie mal wieder bei uns in der Gegend ist oder ihr Freund fährt mit ihr zu uns. Natürlich haben wir aber ja auch andere Bekannte und nicht immer Zeit, sodass man sich nicht ständig treffen kann von der Entfernung her.

Seit der Nachricht antwortet sie mir nicht darauf. Was würdet ihr machen? Durch ihre Erkrankung und dadurch das sie das normale Arbeitsleben gar nicht kennt, sieht ihre eigene Realität ganz anders aus. Sie kann sich da nicht hineinversetzen. Gleichzeitig kann ich aber nicht für ihre Beschäftigung zuständig sein oder das es ihr psychisch gut geht, das kann ihr Freund ebenso wenig leisten. Wir können mit ihr drüber reden und Ratschläge geben aber den Rest muss sie tun. Wenn dann morgens kein Hallo von ihr kommt sondern nur ein Satz: Ich hab heute schlecht geschlafen, ich hab magen und darmprobleme weiß ich nicht was ich damit anfangen soll oder schreibe einfach nur "du Arme". Habt ihr noch einen Tipp? Ich möchte mit ihr ja weiter befreundet bleiben aber es wäre schön wenn sie verstehen könnte, dass ich das was sie von mir möchte, sprich jeden Tag melden und schreiben einfach nicht leisten kann weil meine Arbeit mich zu sehr in Anspruch nimmt und ich abends froh bin nur noch fern zu schauen. Das habe ich ihr auch geschrieben und das es dabei nicht um Desinteresse ihr gegenüber geht sondern mir das einfach zu viel ist.

Es könnte so einfach sein wenn wir einfach 1 mal in der Woche uns füreinander richtig Zeit nehmen und telefonieren könnten..

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Ich antworte dir mal als jemand, der chronisch Nachrichten nicht beantwortet. Bei mir entsteht dann irgendwie sofort ein Stress und ich weiß oft auch nichts darauf zu sagen. Früher habe ich nicht geantwortet, weil ich sehr wenig Datenvolumen hatte. Die Lösung waren jedenfalls feste Zeiten zum Antworten pro Woche und auch teils zum Lesen. Also, wenn ich nicht antworte, wissen meine Kontakte, dass es keine Signifikanz hat.

Die andere Sache ist - deine Freundin ist einsam und braucht Bestätigung. Könnte sie ihre Sachen bei Instagram posten? Da bekommt man doch aus der Community Gleichgesinnter eher mal Feedback. Wenn man sich die richtige Community sucht, findet man Anregungen und erhält weitere Motivation.

Dann: So ein Tag ist natürlich lang. Sie beschäftigt sich, hat aber keinen Menschenkontakt. Könnte sie mal schauen, was es in ihrer Umgebung an kurzen, ehrenamtlichen Tätigkeiten gibt und ob da etwas für sie dabei wäre? Oder in kostenlose Vorträge oder so gehen, wo sie sich mit den Zuhörer austauschen kann? Ggf. einmal in der Woche kurz im Tierheim aushelfen? Frühstücken in einem Begegnungstreff im Ort/ Stadtteil? Irgendetwas, wo sie halt mit Menschen zusammenkommt und sich wertgeschätzt fühlt, reden kann, Feedback erhält, einfach neuen Input erhält? Wenn sie körperlich fit ist, vielleicht auch so etwas wie online organisierte, private Jogginggruppen oder so?
Es gibt oft Blogs über den eigenen Ort/ Ortsteil, in denen Aktivitäten im Ort genant werden und eben auch solche Aktionen. Gemeinsam den Ort säubern, sich zum Joggen treffen, den Kurpark dekorieren, Stadteilwanderungen oder naturkundliche Wanderungen, Heilpflanzenwanderungen, historische Wanderungen - oft kostenlos. Da hätte man dann halt reichlich Austausch mit Menschen und würde nicht immer auf die nächst Nachricht warten.
Alternative, wenn sie kann: Mal in die Bücherei gehen, stöbern, vielleicht dort auch vorher oder hinterher mit Menschen ins Gespräch kommen?

Wenn es ihr psychisch nicht gut geht, ist es bestimmt nicht so toll, wenn sie 5 Tage pro Woche 9 bis 10 Stunden allein in der Wohnung ist.
Auch ohne Geld kann man morgens rausgehen, durch den Ortsteil laufen, mal neue Straßen erkunden, sich einfach umschauen, etwas vom Leben mitbekommen. Wenn sie fotografiert, hätte sie da - vor allem früh am Morgen - ja auch gleich Motive. Wir haben eine Homepage von meinem Wohnort, die in privater Hand ist, und der Betreiber läuft ständig durch den Ort und findet neue Motive oder fotografiert bekannte Motive, wenn bspw. ein neuer Markt stattfindet oder nach dem Sturm oder so. Auch da gibt es bei Instagram und Flickr Seiten für Städte/ Kreise/ Bundesländer, auf denen jeder Fotos posten kann, sowohl von Orten als von Details (Türen, Fassaden etc.). So etwas würde sie ja zumindest raus bringen. Sie hätte dann ein Ziel.frische Luft und bestenfalls würde sie unterwegs mal mit Leuten ins Gespräch kommen.

Eine andere Idee wären kostenlose Onlinekurse. Dort hätte sie richtige Aufgaben und auch Austausch mit anderen Teilnehmern, und die Kurse sind unterschiedlich lang, also auch mal überschaubar kurz. Niemand zwingt sie, mitzumachen, aber sie hätte Tages- oder Wochenaufgaben, denen sie sich bei Interesse widmen könnte.

https://www.mooc.org

Bearbeitet von Toschkalee
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Vielen lieben Dank für deine ganzen Anregungen und die Mühe den Text zu schreiben.

Es sind gute Ideen dabei, die auf sie vielleicht passen würden. Ich werde beim nächsten Telefonat ihr davon Vorschläge machen.

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Ein seelisch behinderter Mensch, der aufgrund seiner Behinderung NICHT auf dem ersten Arbeitsmarkt und noch NICHT einmal in einer WfbM arbeiten kann, ist natürlich schon eine Herausforderung. Dieser Mensch ist aber auch nicht „Langzeitarbeitslos“.

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde dein Verhalten grundsätzlich falsch. Du musst nicht springen, wenn sie sich meldet. Aber du musst dein Verhalten erklären und du musst es im Vorfeld klar und deutlich kommunizieren. Bedenke immer, das ist ein psychisch kranker Mensch. Nicht immer ist die Reaktion logisch für dich. Hättest du also kurz und knapp im Vorfeld gesagt: „Lotte, ich freue mich über deine Nachrichten. Ich kann aber Montag bis Freitag von 8:00 bis 17:00 Uhr nicht darauf antworten, weil ich in der Zeit im Büro bin. Privates Handy ist dort verboten.“ Das mag jetzt teils gelogen sein, aber Lotte weiß das nicht und es ist so klar und deutlich für sie. Übrigens kannst du Lotte auch darauf hinweisen, dass du dich freuen würdest, wenn auch sie mal fragen würde, wie es dir geht. Auf die Bilder antwortest du nur mit niedlichen Smileys aller Art. Da gibt es so viele. Und hey … wen du von den 100 Nachrichten nur auf 20 antwortest und die irgendwie zusammenfasst, reicht das vollkommen. Also so in die Richtung: Deine Bilder sehen aber wieder toll aus. Willst du es nicht einmal mit einem neuen Hobby versuchen? Schade, dass es dir schlecht geht.

Ansonsten würde ich versuchen sie dahingehend zu bringen, sich nochmal beim Rehaberater zu melden. Kann sie nicht in eine TaFö gehen? Leipzig hat doch sicher mehr als eine WfbM - also mal in einer anderen versuchen? Oder im Leipziger Umland? Wurde Pflegegeld beantragt? Warum kommt niemand zu ihr nach Hause im Rahmen der Verhinderungspflege.

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Ich bin jetzt gerade entsetzt.

Das einzige Verhalten, das falsch ist, ist das der arbeitslosen Freundin!

Ich habe gerade auch eine Dame im Bekannntenkreis, die seit einem Jahr arbeitslos ist.

Sie schickt mir viele Nachrichten und hat mir auch schon vorgeworfen, nicht für sie da gewesen zu sein, als es ihr im Januar schlecht ging. Da wollte sie nämlich vorbei kommen. Ich war allerdings gerade auf Geschäftsreise und hatte die Woche danach 12 Stunden-Tage.

Das kann man natürlich nicht nachvollziehen, wenn man ausgeruht und gelangweilt zu Hause sitzt... sehr schwierig.

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Ähm … die Freundin ist eben nicht arbeitslos.
Sie ist derart schwer behindert, dass sie noch nicht einmal in der Werkstatt für behinderte Menschen integriert werden konnte. Das wurde doch erfolglos versucht. Weißt du eigentlich wie sehr schwerbehindert man sein muss, damit man bei der WfbM einen Platz bekommt? Weißt du überhaupt, welche Überprüfungen durch Rehaberatung, Medizinischer Dienst des Arbeitsamtes und diverse Fachärzte man über sich ergehen lassen muss?

Wenn du nicht verstehst, was das bedeutet und du das mit deiner an sich gesunden, aber arbeitslosen Freundin vergleichst, dann bitte lass es einfach.

Eine Freundschaft mit einem schwerbehinderten Menschen aufrechtzuerhalten ist natürlich absolut legitim und lobenswert - ein Vergleich mit einem gesunden Menschen ist jedoch nie möglich. Rücksichtnahme ist hier immer oberstes Gebot. Die Rücksichtnahme geht immer nur vom gesunden Menschen aus. Der behinderte Mensch … nun ja, das muss eingefordert und anerzogen werden. Nicht jeder seelisch behinderte Mensch kann das.

Bearbeitet von kati543
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So Leute kenne ich. Ich wurde eine ganze Zeit lang auch nachts um halb 12 angerufen, und als ich dann sagte, das geht nicht, hieß es: "Du hast aber mal gesagt, du wärst immer für mich da". Die Freundin konnte ausschlafen. Ich nicht.

Heute kann ich mich besser abgrenzen, so habe ich zum Beispiel einer Freundin (Single, langzeitarbeitslos) neulich ganz klar gesagt, dass ich nun mal wenig Zeit habe, ich arbeite 8 Stunden und muss dann noch einkaufen, kochen und Haushalt machen usw., und ich möchte auch mal Zeit mit meinem Mann verbringen, daher kann ich eben nicht jedes Wochenende auf Achse gehen. Wenn man das freundlich erklärt (Ich -Botschaften, nicht vermitteln, dass sie keine Ahnung habe, weil sie ja eh nicht arbeitet und erst recht nicht, dass sie das langsam mal tun sollte oder ähnliches), dann werden es die meisten verstehen.

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Ja, meine Freundin leider nicht.

Als ich ihr es das erste mal geschrieben habe und ihr das zu lang war, habe ich am Telefon behutsam und kurz gesagt das ich es nicht böse meine wenn ich nicht antworte oder erst nach 2 Tagen. Das ich viel zu tun habe und abends müde bin.

Die Geschichte das ich sehr gestresst bin weil meinen Katzen teure Ops bevorstehen und ich deshalb auch mich stundenlang informiert habe über Möglichkeiten habe ich ihr beim letzten Treffen + Telefon gesagt. Da kann sie mir auch immer folgen.

Auch bei Brettspielen, Wissensspielen und Ratespielen zu viert kann sie sich gut konzentrieren.
Sie häkelt Kissen, Mäppchen, verschiedene Muster für die man auch Konzentration braucht.

Sie malt die Tiere ihrer Mutter + sie schreibt eigene Kurzgeschichten.

Würde sie nur Fernsehen würde ich ihr das auch glauben, dass meine Nachrichten für ihre Konzentration zu lang sind. Ich bin seit 16 Jahren ihre beste Freundin und kenne sie mit am besten. Daher glaube ich leider das das Unverständnis eher vorgeschoben ist.

Ich verstehe ja auch das sie sich mitteilen will und es nicht böse meint. Aber es stresst mich halt und das was sie sich vorstellt kann ich so nicht erfüllen. Ich denke ich muss für mich selbst überlegen wie ich damit umgehe bzw. das ich mir z.B. immer eine bestimmte Uhrzeit zum antworten nehme oder dann schnell ne Sprachnachricht abends schicke oder anders.

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Hi!

So eine Freundin hatte ich auch einmal. Früher super glücklich und ein Sonnenschein. Dann eine psychische Erkrankung, die leider nicht mehr diagnostiziert werden konnte, weil sie sämtliche Ärzte verweigert hatte. Dadurch ist sie leider auch arbeitsunfähig.

Zu Beginn hatte ich sehr helfen wollen. Hab mich mit ihr getroffen und telefoniert. Ihr Tipps gegeben, wie sie wieder auf die Beine kommen kann. Leider hat alles nicht gefruchtet und sie ist in ihre eigene Welt abgedriftet. Sie hat jetzt ihren Platz in dieser Welt gefunden. Ohne mich und ich passe da auch nicht rein. Das tut zwar weh, weil wir damals eine schöne Freundschaft hatten, aber ihr geht es so nun besser.

Mein Tipp an dich, sei für sie da, aber setze deine Grenzen. Du bist ihre Freundin und nicht ihr Babysitter. Bleib bei deinem Vorschlag mit einmal pro Woche zu telefonieren. Sie wird sich andere Kontakte oder Beschäftigungen suchen müssen, wie sie die Zeit rum bekommt. So lange sie dich aber zuspammen kann, wird sie das nicht tun.

Alles Gute!

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Erwartet sie denn, dass du ihr täglich antwortest? Das hast du nicht geschrieben.

Ansonsten lass sie doch ihre Bilder schicken und dann antwortest du ihr immer Samstag Abend gesammelt oder ihr telefoniert :)

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Ja das erwartet sie schon. Ich antworte auch, wenn ich es nicht wirklich vergessen habe aber halt erst am nächsten Tag und ich antworte auch nicht wirklich lange. Leider geht sie auf mein Angebot mit telefonieren nicht ein sondern sagt nichts dazu.

Bearbeitet von kleinekatze30
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Ah ok. Dann würde ich sagen, dass du alle 2-3 Tage vielleicht mal gesammelt was zu ihren Bildern sagst?

So à la „du weißt ja, ich komme nicht immer sofort zum antworten. Aber ich hab alle Bilder gesehen und da hast du wieder schön gemalt und dekoriert!“ oder so.