Frage an die Erzieher-Mamis

Die Frage richtet sich auch an andere Eltern, die wissen welche Maßstäbe eigentlich erfüllt sein müssten.

Wie lernt man zu akzeptieren, dass in der Kita Maßstäbe, die eigentlich gelten sollten, nicht eingehalten werden? Wie geht man damit um, wenn man weiß, dass die Maßstäbe nicht erfüllt werden, obwohl man selber es nicht als utopisch erachtet sie zu erreichen? Wir lerne ich darüber hinweg zu sehen?

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Uhh eins meiner Lieblingsthemen, mangelnde Qualität in Kitas. Ich arbeite als Erzieherin und erlebe das ebenso als riesen Herausforderung.

Allerdings muss man denke ich stark unterscheiden um welche Maßstäbe es geht. Wie definierst du Maßstäbe die gelten sollten? Eigene Vorstellungen? Oder von der Konzeption/vom Land festgelegte?

Auf letztere sollte man meiner Meinung nach bestehen. Das sind schon die absoluten Mindeststandards die häufig nicht eingehalten werden. Aber nur weil es in vielen Einrichtungen so miserabel zugeht sollte man das auf keinen Fall tolerieren. Die Kinder und Familien haben Anspruch darauf.
Meiner Erfahrung nach kann man intern in einem Team welches überwiegend keine große Lust hat an der Qualität zu arbeiten überraschend wenig erreichen, also beispielsweise als Mitarbeiterin. Häufig liegt es auch daran, dass die Qualitätsstandards als verfehlt erachtet werden.
Tatsächlich erlebe ich, dass den Eltern hier auch eine bedeutende Rolle zukommt. Auch wenn es nicht fair ist, dass häufig so großes Engagement nötig ist um etwas zu verändern. Vor allem bei Zusammenschlüssen von mehreren Eltern(gruppen) wird es irgendwann unangenehm für die Leitung/die Einrichtung und es wird dann noch am ehesten an den Problemen gearbeitet. Dass das nicht einfach ist weiß ich leider sehr gut. Aber ich als Fachkraft würde mir so sehr wünschen, dass auch mehr Eltern für ihr Recht und das ihrer Kinder einstehen. Ich kenne so viele Eltern die wirklich unzufrieden sind, aber sich nicht trauen laut zu werden, vor allem natürlich weil sie auf den Platz angewiesen sind und Konsequenzen befürchten (leider häufig eine berechtigte Angst).

Was hat dich an den Punkt gebracht weshalb du lieber lernen möchtest die Missstände hinzunehmen? Das würde mich ehrlich interessieren.

Edit: Gerne kann ich auch Tipps geben auf welche Grundlage man diese Beschwerden gut aufbauen kann, dass sie hoffentlich den Anklang finden.

Bearbeitet von Ascella
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Hi 😁 Erst einmal danke für deine Antwort! Die Situation ist recht vertrackt. Wir sind selbst die Personalverantwortlichen der Kita, also die „Leitung“, die sagt sie kann an der Situation nichts verbessern. Denn wir haben momentan nicht fie Möglichkeit neues Personal einzustellen, weil zur Zeit der Markt leer ist. Wir hangeln uns also von einem Mitarbeiter zum nächsten. Allein das ist schon nicht ideal, aber würden wir etwas kritisieren, würden wir berechtigt Gefahr laufen, dass die letzte festeingestellte Kinderpflegerin auch geht 🥹 Ein Erzieher hat nach einer Abmahnung von selbst gekündigte, dann ist eine Erzieherin umgezogen, eine andere hat gekündigt, nachdem die Betreuung im laufenden Betrieb abgebrochen wurde, weil sich beide pädagogische Kräfte nicht verstanden haben. Es ist also alles mit heißer Nadel gestrickt und jeder weiß, dass wenn wir noch Ansprüche stellen, dass wir recht schnell die Kündigung auf dem Tisch haben und dann 8 Elternpaare ohne Betreuung da stehen.
Es handelt sich um nichts großes, also Kinder werden nicht (mehr) angeschrien, gewickelt (wobei zweimal meine Kinder auch mit der Windel wieder kamen m it denen sie morgens das Haus verlassen haben) und gehen inzwischen täglich raus in den Garten. Das sind Baustellen, die wir kommuniziert haben und die wir auch behoben haben.
Allerdings haben wir Qualitätsstandards, die ich als recht hoch erachte, bei denen ich aber, unabhängig von meiner persönlichen Vorstellungen nicht verstehe, warum es nicht möglich sein soll sie einzuhalten. So ist seit einem halben Jahr keine Entwicklungsdokumentation erfolgt. Das ist Schade, ich kann darauf verzichten, aber eigentlich sollte es stattfinden. Was ich hingegen fragwürdig finde, ist, dass nun etwa oben im Gruppenraum auf dem Boden gewickelt wird. Das geht aus hygienischer Sicht meines Erachtens nicht (keine Handschuhe, ein Handtuch als Unterlage für alle, mitten auf dem Spieleteppich, keine Privatsphäre, die Windeln werden in der Küche, die auch zur Zubereitung der Mahlzeiten verwendet wird, gelagert) ist auch aus Sicht des Arbeitsschutzes nicht in Ordnung. An irgendeinem Punkt hat die Fachkraft entschieden, dass sie nun also oben im Gruppenraum wickelt, anstatt in den Wickelraum zu gehen (ist im Untergeschoss). Ich kann das persönlich total nachvollziehen, aber es ist halt nicht richtig und es stört mich teils aus Prinzip. Es sind lauter solche Kleinigkeiten, die verändert wurden von denen wir nur durch Zufall (also wenn wir Elterndienste leisten) erfahren. Nun habe ich also zwei Tage Elterndienste gemacht und komme mit einer Liste an Sachen wieder, von denen ich weiß, dass sie so nicht laufen dürften, bei denen ich mich aber auch scheue sie offen anzusprechen, weil wir nicht nur in der Rolle der Eltern sind, sondern neben dem direkten Vorgesetzten auch zusammen arbeiten müssen. Daher würde ich es, sofern keine Kindeswohlgefährdung vorliegt, wirklich gerne wegignorieren bis wir ein beständiges Team haben, was zusammen mit dem Vorstand ein tragfähiges pädagogisches Konzept erarbeitet hat.

Ich selbst bin Lehrerin, kenne die Ansprüche, die die Arbeit im ÖD mit sich bringt, weiß aber, dass man sie durchaus erfüllen kann. Daher kann ich nicht nachvollziehen, wieso Erzieher (im weiteren Sinne für alle Fachkräfte) das nicht tun können. Bei der Auseinandersetzung wäre ich inhaltlich wohl recht sicher richtig beziehungsweise hätte die richtigen Argumente, aber danach hätten wir keine Betreuer mehr. Daher würde ich es gerne akzeptieren lernen.

Bearbeitet von KeineAhnung3
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Gibt es eine Einrichtungsleitung, die fachlich kompetent ist? Also eine:n direkte:n Vorgesetzte:n für das Personal? Das ist mir nicht so richtig klargeworden.
Eine Einrichtungsleitung ist ja mit den gesetzlichen Grundlagen vertraut und könnte zumindest für das bare minumum sorgen, oder? Ich befürchte, von „Eltern“ lassen sie sich nichts sagen. Müssen sie ja auch nicht, sie finden nämlich, wie du sagst, überall ne Stelle.

Ansonsten: sich denken, dass man es zuhause immerhin besser macht und die Kinder schon keinen gravierenden Schaden davontragen werden. Und sich das wie ein Mantra immer wieder vorsagen.
Und die einzigen Vorteile in den Vordergrund rücken: „immerhin von den anderen Kindern lernen sie irgendwas“ und „ohne Kita könnten wir nicht arbeiten“. Ja, auf dem Niveau bewegen sich die Ansprüche bei uns.

Wir fangen im September erst an und ich krieg jetzt schon die absolute Oberkrise, was das für Saftladen ist. ALLE von den Dingen, die ich bisher doof finde, kann man sehr einfach ändern. Ich weiß das, weil ich selbst jahrelang in einer Einrichtung mit sehr hohem Niveau gearbeitet habe. Dazu bräuchte man aber auch das entsprechende Personal und einen Träger, der kein Wirtschaftsunternehmen ist. Aber woher?

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Das ist eine sehr spannende Frage! Und ich sehe da gar keine Lösungsmöglichkeit in manchen Situationen.

Eins meiner Hauptkritikpunkte ist der Personalmangel. (Ja, Ich weiß, auch wenn es den nicht gäbe, kann es immer sein, dass da ein lustloses Team hockt)
Bei Personalmangel aber kann ja gar nicht jedem Kind die Aufmerksamkeit, die Förderung usw. angedeihen, die eigentlich passieren müsste! Wie sollen Ausflüge stattfinden? Wie sollen Angebote stattfinden, auch in Kleingruppen, wie sollen Kinder sprachlich gefördert werden? Wie sollen Probleme und Konflikte gelöst werden, wenn es zeitgleich 3 gibt und nur eine Erzieherin da ist? Wie soll eine Erzieherin gleichzeitig eine Gruppe beaufsichtigen und ein Kind im Wickelraum wickeln.
Also da liegt wirklich mein Hauptkritikpunkt.

Konzepte lesen sich alle immer so schön und wundervoll und in der Realität sind die dann gar nicht umsetzbar.

Und manche Werte vertrete ich auch nicht. Ich vertrete zum Beispiel die Einstellung, dass Kinder gewisse Fertigkeiten vor der Schule besitzen sollen. Und wenn dann dank der Partizipation ein Kind immer „nein“ zu allem sagen kann, dann sehe ich die Gefahr, dass dann Kinder in die Schule kommen, die z.B. keinen Stift halten können., weil sie es nie mussten. Also ich vertrete die Einstellung: Partizipation ja, aber manche Aufgaben sind Pflicht.
Und ich vertrete die Meinung, dass durch die Partizipation Kinder sich nicht mehr fügen, wenn es angebracht ist (versteh mich nicht falsch, ich meine keine Ja-Sager), aber dass jedes unwichtige Detail erstmal hinterfragt wird und ausdiskutiert werden muss, z.B. warum schreiben wir heute alle mit Füller.

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Ja, Personalmangel ist im Prinzip ursächlich dafür, dass sich manche Dinge nicht klären lassen, denn Erzieher sind gefragt und wenn wir als Verein zu hohe Ansprüche haben, gehen sie eben zum nächsten. 😅 Wir sind einfach froh, dass wir momentan niemanden da haben dessen Verhalten kindeswohlgefährdend ist. Also unsere Ansprüche sind sehr, sehr niedrig und ich bin mir dessen bewusst, weswegen ich es gerne mittragen können würde. Aber auf der anderen Seite kommt die ÖD-Tussi durch und denkt sich, dass die Ansprüche die im ÖD gestellt werden, schon erfüllt werden können.

Bezüglich des Personalmangels gibt es aber auch seltsame Vorgaben: Wir dürfen eine Person als Kinderpfleger einstellen, aber sobald derjenige eine Fortbildung zur Gruppenleitung macht, müssen wir ihr kündigen, weil wir nur 50 % der Belegschaft mit dieser Fortbildung beschäftigen dürfen. Daher können wir aktuell eine Person nicht einstellen, da die andere Person die Fortbildung machen möchte, weil sie auf das Geld angewiesen ist. Mehr Geld dürfen wir nicht zahlen, weil das über die Tariflöhne hinaus geht. Dann würden uns Zuschüsse so stark gekürzt, dass wir den Lohn nicht zahlen könnten. So sind wir aktuell gezwungen eine Person nicht einzustellen, weil wir sonst zwei Personen mit dieser Fortbildung hätten. Aber wenn eine Person diese Fortbildung nicht hat, dürfen wir sie beschäftigen. Die Arbeit, die letztendlich getan würde, wäre identisch. 🤷‍♀️

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Solche Umstände machen einem dann natürlich echt das Leben schwer.

Leider sind meiner Erfahrung nach niedrige Ansprüche auch ein Grund warum die Qualität schlecht bleibt. Fachkräfte mit hohen Ansprüchen möchten tendenziell nämlich auch nicht gerne in solchen Teams arbeiten. Und so ist es dann wieder unmöglich etwas zu verbessern, weil man ja froh sein muss überhaupt wen zu haben, ein Teufelskreis.

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