Gedanken zu Einmischen vs. Helfen

Hallo,

angeregt durch einen Beitrag weiter unten (Kind wegnehmen...) wollte ich mal ein Thema zur Diskussion stellen, was mich schon länger beschäftigt.

Ich nehme seit einiger Zeit wahr, dass es immer mehr selbsternannte Anwälte für Kindeserziehung in der Öffentlichkeit zu geben scheint. Leider hatte ich diesbezüglich selbst ein furchtbares Erlebnis. Eine Frau, die in meinem Haus wohnt und die immer grußlos an mir vorbeihuscht, hatte mir eines frühen Abends die Polizei nach Hause geschickt, weil sie meinen Sohn laut im Treppenhaus weinen gehört hat. Er weinte vor Wut, weil er nicht vom Spielplatz nach Hause wollte, doch das war die Konsequenz, die ich ihm zuvor angedroht hatte, falls er noch einmal einfach (in Richtung Straße) wegläuft. Er hat sich in der Wohnung sofort beruhigt und wir haben dann Abendbrot gemacht. Dann kam die Polizei und ich musste meinem Sohn vor den Augen der Polizei das Oberteil ausziehen, damit sie sehen konnten, dass ich ihn nicht misshandele! Ich hab dabei die ganze Zeit geheult und gezittert, so demütigend und ungeheuerlich fand ich das!

Auch sonst ist man als Mutter oder Vater in der Öffentlichkeit ständig irgendwelchen einmischenden Kommentaren und blöden Blicken ausgesetzt! Ich finde das einfach eine bodenlose Frechheit!

Mit welchem Recht mischen sich wildfremde Menschen in unser Privatleben ein? Oder verliert man, sobald man Mutter wird, das Recht auf Privatsphäre? Wenn ich meinem Kind keine Schokolade kaufe, wenn er sie sich einfach in den Einkaufswagen legt ohne mich zu fragen, wie kann es sein, dass sowohl der Kassierer als auch die anstehenden Leute verbal ihr Bedauern für meinen armen Sohn ausdrücken und mein Sohn vom Kassierer als Trost einen Lolli in die Hand gedrückt bekommt? Stellt euch vor, ihr kauft für euch nur Obst und Gemüse ein und euer Partner ist darüber nicht sonderlich begeistert. Könnt ihr euch vorstellen, dass er deshalb von der Kassiererin eine Schokolade in die Hand gedrückt bekommt? Warum werden Entscheidungen für uns offenbar anstandslos akzeptiert und wieso glaubt jeder Dahergelaufene, Entscheidungen, die wir für unsere Kinder treffen, anzweifeln oder gar boykottieren zu dürfen? Sind unsere Kinder ein öffentliches Gut?

Wenn ich im Gegenzug wenigstens genauso viel Rücksicht, Hilfe und Beistand von den lieben, ach so interessierten Mitmenschen erwarten könnte, aber dem ist nicht so. Wo ist hier das ach so weiche Herz der Mitmenschen und das Vesrtändis? Denn das Kind muss in der Öffentlichkeit funktionieren. Wehe dem, es steht irgendwo im Weg oder man ist eben langsamer unterwegs, weil ein kleines Kind eben nicht so schnell laufen kann oder man versperrt etwas länger den Zugang zu den Einkaufswagen. Wer hilft einem, wenn es an der Kasse beim Einpacken mit einem quirligen Kleinkind mal stressig wird? Dieselbe Kassiererin, die den Kindern so gern gegen den Willen der Eltern Lollis gibt, ist einfach nur angenervt, wenn man nicht schnell genug einpackt.

Und auch sonst ist positive Einmischung in Form von Hilfe mehr als selten! Einmal rannte mein Sohn aus einem Cafe raus, Richtung Ausgang, dort war direkt eine Hauptstraße. Ich stolperte, als ich ihm nachrannte und fiel hin. Zwei Verkäuferinnen und eine Kundin standen da und ließen meinen Sohn an sich vorbei rennen und schauten mit verächtlichem Blick auf mich, während ich am Boden lag und meinem Sohn hinterherrief. Wo ist da die liebenswürdige Einmischung? Worum geht es denn dabei wirklich? Ich kanns nicht nachvollziehen. Ähnliches Verhalten kenne ich sogar von Eltern auf dem Spielplatz. Ist es nicht das eigene Kind, was vom Klettergerüst stürzt, wenn man daneben steht, wird gern mal weggeschaut oder sich maximal entrüstet umgeblickt, wo denn die Rabenmutter oder der Rabenvater bleibt, anstatt einfach mal Mensch zu sein und zu helfen.

Und das ist es auch, was ich mich am meisten ärgert. Dass man selbst von Müttern bzw. Vätern, also von denjenigen, die eigentlich wissen müssten, wie hart manche Situationen sein können, kaum Verständnis und echte Hilfe erwarten kann. Statt dessen erlebe ich und lese auch hier oft nur Häme, Anfeindungen, Konkurrenzdenken und Unverständnis.

Ich fühle mich als Mutter permanent auf dem Prüfstand. Hier (Ist das eigentlich besonders in unserem Land so?) wollen und sollen alle Mütter möglichst perfekt sein. Und daher habe ich auch den Eindruck, dass ein Großteil der Überforderung, unter der viele Mütter leiden, durch den Druck von außen noch größer wird und zum Teil allein dadurch entsteht. Aber wo bleibt echte Hilfe?

Warum sind alle so schnell zur Stelle, wenn es darum geht, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und wo verstecken sie sich, wenn man Hilfe braucht?

Frage nur ich mich das oder denkt hier jemand ähnlich?
Das musste einfach mal raus :-)
baxlina

1

Hallo baxlina!

Auch wenn ich viele der von Dir angesprochenen Situationen noch nicht erlebt habe, so gebe ich Dir in allen Punkten recht.

Du hast es mit Deinem Beitrag auf den Punkt gebracht!

Lg arielle

2

#pro

3

Ich kann Dir nur voll und ganz zustimmen. Ich hatte auch schon ähnliche Erlebnisse, was Kommentare und Süßigkeiten schenken angeht.

Die Polizei hat glücklicherweise noch keiner zu mir geschickt. Aber ich wurde mal von einer Nachbarin beim Jugendamt gemeldet - aus Rache, weil ich mich beim Vermieter beschwert habe, dass sie das Treppenhaus nicht putzt und den Hof nicht fegt, wenn sie dran ist. Ich musste zum Jugendamt hin und mir wurde gesagt, sie hätten einen anonymen Hinweis aus meiner Nachbarschaft erhalten, weil meine Tochter soviel weinen würde. Ich war völlig fertig. Erst später habe ich dann von anderen Nachbarn erfahren, wer sich damit gebrüstet hat, mir eins auszuwischen...

Selbst wenn das mit dem vielen Weinen gestimmt hätte - ICH würde deswegen allein nicht beim Jugendamt anrufen, denn dafür kann es so viele Gründe geben (Stichwort: Trotzphase).

Unabhängig davon glaube ich aber, dass viele Leute, gerade solche ohne Kinder oder alte Menschen, deren Kinder vor zig Jahren natürlich viiiiiel ruhiger und artiger waren, nach den vielen Medienberichten über mißhandelte Kinder, verunsichert sind und dann lieber einmal zu oft als einmal zu wenig das Jugendamt oder die Polizei informieren.

4

Hallo,

danke für deine Antwort.

Das Problem ist, dass gerade hinter diesen neuerdings sintflutartigen Meldungen bei Polizei und Jugendamt eben oft nicht nur die allerbesten Absichten stecken, wie sich auch an deiner Geschichte verdeutlichen lässt.

Und selbst wenn es nicht die Häme ist, wieviele mischen sich einfach nur ein, weil sie sich wichtig machen wollen? Und warum fragt man nicht zuerst die Eltern? Ich habe die Dame in meinem Haus zur Rede gestellt, weshalb sie nicht bei mir geklingelt hat. Sie meinte, ich hätte ihr eh nicht die Wahrheit gesagt... Das ist es, was mich aufregt. Man wird verurteilt und denunziert, ohne dass einen die Menschen kennen und sie wollen einen garnicht kennenlernen. Da wird die scheinbar so gutgemeinte, lieber einmal zu viel als zu wenig gemachte Meldung in meinen Augen einfach nur mehr als fragwürdig...

10

Ja, da gebe ich Dir absolut recht.

Aber wahrscheinlich stimmt es auch, dass diejenigen, die wirklich ihre Kinder vernachlässigen/mißhandeln, auch tausende Ausreden, Ausflüchte und Lügen zur Antwort geben würden... Und das hat Deine Nachbarin wohl auch gedacht.

5

Hallo Baxlina,

ich bin selber in solch extremen Situationen noch nicht gewesen.

Du Arme, da hast Du ja ganz schön schlechte Erfahrungen gemacht. Verallgemeinern kann man das so aber auch nicht.

Andererseits kenne ich ähnliche Gefühle. Ab und zu fühlte ich mich auch unter Beobachtung, gerade wenn mein Sohn in seiner Bockphase Wutanfälle in der Öffentlichkeit hatte. Da steht man dann wie belämmert und weiß nicht, was man machen soll. Geht man weiter, bleibt das Kind stehen, brüllt wie am Spieß und die Leute gucken mitleidig zum Kind oder böse zur Mutter. Geht man hin und tröstet es, ist der ganze Lerneffekt dahin und das Kind hat einen mal wieder an die Wand gespielt.

Gott sei Dank gibt es auch Leute, die dass mit Humor nehmen und ganz genau wissen, wann ein Kind einfach nur bockig ist.

Wie gesagt, solch krasse Erfahrungen wie Du habe ich nicht gemacht. Ich verstehe Dich aber und dass Du Dir mal Luft machen musstest.

Auf der anderen Seite ist es mir lieber, als wenn die Leute permanent weggucken würden. Ein gesundes Mittelmaß gibt es wohl nicht.

Schade auch, dass gerade unter Eltern manchmal so ein Konkurrenzdenken und Mißgunst herrschen. Davon kann sich aber wohl niemand völlig freisprechen.

LG J.

6

Hallo!

Ganz ehrlich kann ich dir nicht zustimmen.
Ich kenne solche Situationen nicht. Ob es damit zusammen hängt, dass wir in einer Großstadt wohnen, weiß ich nicht. Bei uns hat sich nur einmal jemand negativ eingemischt. Da war meine Tochter fast 2 und ich wollte in einem Geschäft nach Pullovern für mich gucken. Sie hat vor dem Laden einen Trotzanfall bekommen und ging also heulend in den Laden, wo die Verkäuferin ihr einen Lolly gab. Da ich wußte wie meine Tochter mit Lollys rumsaut, habe ich nichts gesagt. So konnte mir die Verkäuferin keinen Vorwurf machen, als meine Tochter den klebrigen Lolly irgendwo hinlegte und mit ihren Fingern an den Klamotten längs ging.
Normalerweise hätte ich eingegriffen bzw. meine Tochter hätte nie einen Lolly bekommen, wenn ich in ein Bekleidungsgeschäft gehe, aber aus "Rache" habe ich es gelassen.

Ansonsten sind die Passanten immer positiv auf uns eingegangen. Meine Tochter bekam meist in der vollen U-Bahn ihre Anfälle und viele Passanten haben, sie dann nett angesprochen, so dass meine Tochter ganz verdattert aufgehört hat zu weinen und zu kreischen.

Ich denke, viele Menschen sind einfach sensibilisiert beim Thema Kinder durch die ganzen Missbräuche. Lieber einmal zu viel eingestritten als einmal zu wenig.

Auf dem Spielplatz achte ich übrigens auch nicht viel auf andere Kinder. Zum einen habe ich die Augen auf meine Kinder gerichtet und zum anderen sitzen viele der Mütter auf der Bank und quatschen, da hab ich keine Lust deren Babysitter zu spielen.

Und um Hilfe muss man bitten: Wenn du also das nächste Mal mit deine Kind unterwegs bist, dies einen Trotzanfall in der Öffentlichkeit hat und Passanten glotzen sollten, sprich einen von diesen dirket an und bitte um Hilfe. Sag einfach, dass du nicht weiß, wie man am besten reagieren sollte und das die entsprechende Person es ja anscheinden weiß und helfen kann.

Und das "Auch sonst ist man als Mutter oder Vater in der Öffentlichkeit ständig irgendwelchen einmischenden Kommentaren und blöden Blicken ausgesetzt!" kommt einem meist in den Situationen nur so vor. Ich könnte es nicht behaupten, aber ich bin gerade in der Öffentlichkeit sehr konsequent und achte auch nicht wirklich auf die Umstehenden. Vielleicht habe ich deswegen auch noch nicht solche Erfahrungen gemacht. Denn das umherschauen wirkt oft hilflos.

LG

8

Hallo,

wir leben auch in einer Großstadt. Also daran kann es schon einmal nicht liegen ;-)

Und bei einem Trotzanfall meines Kindes erwarte und möchte ich keine Hilfe. Damit komme ich gut zurecht. Das heißt konkret: Erziehungshilfe möchte und benötige ich nicht. Das heißt nicht, dass ich etwas dagegen habe, wenn mein Kind nett angesprochen oder abgelenkt wird. Ich freue mich über jede positive Situation, gerade weil sie eben nicht so häufig sind.

Es waren eher Situationen, wie die im Cafe gemeint. Und ja, ich habe den Verkäuferinnen zugerufen, ob sie nicht bitte mal meinen Sohn aufhalten könnten, nachdem sie es von sich aus nicht für nötig hielten und ihn wohl auf die Hauptstraße hätten laufen lassen.

Aber warum glaubst du, muss man um Hilfe bitten, aber Einmischung gibt es von allein und muss akzeptiert werden? Das ist genau das Missverhältnis, um das es mir geht.

Und wegen des Spielplatzes. Wenn auf dem Spielplatz direkt neben mir ein Kind vom Klettergerüst fällt und weint, dann dreh ich mich doch nicht einfach um. Was kann das Kind dafür, dass ein Elternteil gerade nicht zur Stelle ist? So hart bin ich nicht und will es auch nicht sein.

baxlina

7

Hallo!

Ich kann dir da nicht zustimmen! Deine Nachbarin hat sicherlich gedacht oder zumindest konnte sie es nicht ausschließen, das Du dein Kind mißhandelst. Und dann ist es doch gut, wenn sie handelt. Was hätte sie denn sonst machen sollen? Dich fragen sollen, ob Du dein Kind mißhandelst? Da würde keine Mutter, die ihr Kind mißhandelt die Wahrheit sagen!

Sicherlich ist so eine Situation nicht schön, aber wenn von 50 Müttern, wo ein Verdacht bestehen könnte, nur 1 Mutter die ihr Kind mißhandelt, ertappt wird, hat es sich schon gelohnt!

Ich finde es wird wirklich Zeit, das Mitmenschen, wenn ein Verdacht besteht, eher etwas unternehmen. Es gibt so viele Fälle von Mißhandlungen, die - würden Mitmenschen eher etwas unternehmen - nicht so lange anhalten würden.

Sicherlich schauen auch viele Mitmenschen weg, wenn eine Mutter Hilfe bräuchte, aber anders herum ist es genauso. Hier liest man immer wieder Beiträge, wo man nur den Kopf schütteln kann und sich fragt, wie Du Mutter zum Leid des Kindes so handeln kann.

Für alles braucht man heutzutage eine Prüfung, Zeugnis etc. aber bei dem Wichtigsten, unseren Kinder, kann jeder "walten" und "pfuschen" wie er will.

LG janamausi

9

Hi,

im Grunde stimme ich Dir zu.

Aber es geht um einen Verdacht.

Wenn meine Nachbarn jedes Mal die Polizei gerufen hätten, wenn mein Sohn einen Bockanfall hatte, na dann Prost Mahlzeit.

Es ist für mich immer noch ein großer Unterschied, ob ein Kind mißhandelt wird oder ob es nur seinen Dickkopf durchsetzen will. Meines Erachtens hört man das meistens auch. Finde ich jedenfalls. #kratz

Ich finde es ja auch besser, wenn die Leute die Augen offenhalten

Aber ich kenne da schon extremere Fälle. Zum Beispiel habe ich schon öfters erlebt, dass Eltern ihre Kinder verbal (meiner Meinung nach) runtermachen oder grob am Arm ziehen. Da sehe ich größeren Handlungsbedarf als bei einen Wutanfall.

Ach herrje, im Grunde ist das ein sehr schwieriges Thema. Wo fängt Hilfe und wo fängt unerwünschtes Einmischen an?

Ich bin jedenfalls froh, dass mir/uns so etwas noch nicht passiert ist. Und wenn jemand die Polizei gerufen hätte, weil mein Kind bockig gebrüllt hat, würde ich im ersten Moment auch nicht denken: Oh toll, was für aufmerksame Nachbarn.

Ich würde mir auch erst gedemütigt und verleumdet vorkommen.

Na ja, es ist wirklich ein schwieriges Thema.

Das es aber verallgemeinernd von der TE war, möchte ich gar nicht bestreiten. Wir haben mehr nette als unfreundliche Mitmenschen kennengelernt. Und das bleib hoffentlich auch so.

Ich denke, der Schock und die schlechten Erfahrungen stecken ihr noch in den Gliedern und sie wollte sich mal Luft machen.

Also, so what? :-p

11

Ich hab diese Probleme zwar bisher nicht aber kann es bei dir trotzdem gut nachvollziehen. Mir ginge es auch gewaltig auf den zeiger wenn sich Leute aus Spaß einmischen oder sonst was.
Was ich aber nicht verstehe bei dir:
Du willst nicht das deine Kinder was Süßes kriegen wenn sie an der Kasse bocken und du z.B. die Schokolade verbietest. Wenn mein Kind dann trotzdem einen Lolli bekommt würde ich ihn entweder zurückgeben und höflich sagen Sorry das geht nicht das gibts dann auch nicht. Oder behalten und meinem Kind erklären das es den dann später bekommt jetzt gehts nicht. Sonst schneidest du dir doch ins eigne Fleisch.
Ela

12

Hallo Ela,
Mein Sohn hat den Lolli auch nicht gleich bekommen ;-)

Lg

baxlina

13

Na dann bin ich ja beruhigt, lach