Hallo Welt, ich bin da

Es ist Sonntag, der 21.6.2009:
Ich hab mir geschworen, nachdem ich unter starken Wassereinlagerungen litt nicht über die 3stellige Gewichtsgrenze zu kommen. Es ist Abend und ich stelle mich auf die Waage: 99,2 zeigt sie an. Verdammt, denke ich, wenn du nicht sehr bald kommst, schaffe ich die 100 doch noch. Etwas über 26kg hab ich zugenommen, mein Bauch ist riesig und was mach ich, wenn es auch zwei Wochen zu spät kommst so wie ich? Naja, hast ja noch bis Dienstag.

Mein Mann und ich gehen ins Bett und scherzen noch: Du hast nur noch heute oder morgen zum Rauskommen, dann muss Daniel in die Nachtschicht und wenn es dann losgeht, muss ich auf der Wache anrufen. Er kommt dann mit Blaulicht und ich habe seine sämtlichen Kollegen bei der Entbindung dabei. Nein Danke! Wir schlafen…

Montag, der 22.6.2009:
3.00Uhr früh, ich muss auf Toilette, aber ich will nicht. Es ist immer so beschwerlich und ich muss doch eh alle 5 Minuten. Doch es hilft nichts ich steh auf. Mist, denk ich, jetzt hab ich bin ich zulange liegen geblieben und hab tatsächlich in die Hose gemacht. Das darf ich keinen erzählen. Ich schlürfe so schnell ich kann ins Bad zieh die nassen Sachen aus, geh auf Toilette und will dann wieder aufstehen. Es läuft aus mir raus…Momentmal, das kann doch nicht…, das ist doch… „DANIEL, DIE FRUCHTBLASE IST GEPLATZT…“

Er stürzt schlaftrunken ins Bad: „Was? Ist es soweit, tropft es?“ „ Ne“, sag ich, „es läuft. Die haben doch gesagt es kann nur tropfen, weil sie schon so tief im Becken ist?“ „Ich ruf 112 an, vielleicht wissen die ja was?“ „NEIN“, ruf ich noch, aber er ist schon am Telefon.
Er kommt wieder rein: „Der Rettungswagen ist gleich da, wenn es läuft musst du liegen!“ WAS? Spinnt der? Mit Blaulicht ins Krankenhaus, ich krieg doch nur ein Kind.

Mist, die sind in 5Minuten da, ich muss mir was anziehen. Schnell eine von den Omawindeln an. Die Hebi meinte die sind praktisch für den Wochenfluss zu Hause, also warum nicht auch jetzt? Ist zwar peinlich im Krankenhaus, aber was solls, ich will ja nicht den Rettungswagen versauen. Wieso mach ich mir eigentlich darüber Gedanken…OH MEIN GOTT, ich krieg ein Kind…

Der Wagen ist da und fährt mich ins Krankenhaus. Daniel ruft noch die werdenden Großeltern an und fährt hinterher. Im Krankenhaus darf ich zu Fuß gehen und am Kreissaal öffnet gleich eine Hebamme. Ich komme ans CTG. „Warum sind sie denn mit dem Krankenwagen gekommen?“ Weil mein Mann 112 angerufen hat??? „Ich weiß nicht, es heißt doch, wenn das Fruchtwasser stark läuft soll man liegend transportiert werden.“ „So ein Blödsinn, Fruchtwasser wird immer neu produziert, das Kind kann nicht auf dem Trockenen liegen“, antwortet sie.

Mein Mann kommt dazu und die Hebi muss zur nächsten Frau. Ich höre sie sagen: Schon wieder ein Blasensprung? Sowas, schon der 6. In meiner Schicht. Die Frau antwortet: Ach, dann gehen AAAAAAAAAAAHHHH sie zu denen, ich brauch niemanden, keinen Arzt, AAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHH nix nur sie. Aber ich ruf sie, wenn es kommt.
Spinnt die? Und warum schreit die so?

Die Hebamme kommt zurück und schaut sich das CTG an. Nur eine Wehe, aber die hab ich nicht mal gemerkt. Dann sagt mein Mann plötzlich:“Bitte stecken sie meine Frau nicht mit der da auf ein Zimmer. Wir wollten ein Familienzimmer, bitte sagen sie, dass das klappt. Die Hebi lächelt zwinkernd und flüstert: „Keine Sorge, die entbindet ambulant, die geht nachher wieder."

Dann werde ich von ihr untersucht: Gebärmutterhals noch 2,5cm und Köpfchen liegt nicht fest im Becken. Was zum Teufel hat mir meine Frauenärztin nur erzählt??? Das mit der Windel findet die Hebamme übrigens eine gute Idee, das will sie sich für ihre Vorbereitungskurse merken.
Anschließend noch ein Kontrollultraschall: ca.3500gr 32-33KU und ca.56-57cm

Es ist inzwischen 5.Uhr und um 8 sollen wir wiederkommen. Daniel fragt was wir solang machen sollen. Den Koffer auf der Wochenstation abgeben und laufen. „3 Stunden?“ fragt er ungläubig. Ja, kommt die Antwort.

Also gehen wir spazieren im wirklich kleinen Krankenhausgarten. Eine Runde dauert, wenn wir schnell gehen 3 Minuten, langsam 5. Und wir gehen und gehen und gehen… Wenigstens ist das Wetter schön. Es ist zwar noch kalt, aber ganz klare Luft und ein leuchtend blauer Himmel, es wird bestimmt ein heißer Tag.

Ich hab Hunger, aber die Krankenhauscafeteria macht erst um 8 Uhr auf und es ist erst 6. Also gehen wir weiter und gehen und gehen…

Wir vergrößern unsere Runde indem wir auch ein wenig durch das Krankenhaus gehen und an einem anderen Ausgang rausgehen. Dort kommt man am Kreissaal vorbei. Die Fenster sind offen, man hört schreie. „Was stellen die sich denn so an?“ frag ich „Ich werde nicht schreien!!“ „Wir werden sehen“, sagt mein Mann.

Wir gehen immer noch, als mir einfällt, dass vor dem Krankenhaus ein Bäcker ist, vielleicht hat der schon auf, es ist 7Uhr. Wir haben Glück. Als wir reingehen, sagt die Verkäuferin: „Ach, sie sind die dritten heute. Wir öffnen um 6 Uhr."

Nachdem Frühstück gehen wir weiter und um Punkt 8Uhr stehen wir vorm Kreissaal. Auf dem Flur kommt uns die Frau von dieser Nacht entgegen. Sie sitzt im Rollstuhl, ihr Baby auf dem Arm und kann nach Hause. Ich fass es nicht.

Wieder CTG. 3 Wehen diesmal, aber wieder nichts gemerkt? Bin ich schmerzunempfindlich oder stellen sich die anderen nur so an?! Die Ärztin kommt und sagt, dass ich gleich eine Kanüle gelegt bekomme, weil ich Antibiotika bekommen soll, wegen der Infektionsgefahr, nach einem vorzeitigen Blasensprung. Außerdem soll ich ein Wehenmittel bekommen, wenn sich bis 12 Uhr nichts tut.

Und in der Zwischenzeit? Gehen weiter und gehen und gehen…Ich kann nicht mehr!!

Gegen 11.30Uhr können wir unser Familienzimmer beziehen und gehen wieder runter zum CTG. Es tut sich immer noch nichts. Ich komm an einen Tropf mit Antibiotika und anschließend eine Tamponade mit Wehenmittel gelegt und muss noch weiter am CTG bleiben. Der Gebärmutterhals ist immer noch bei 2,5cm.
Anschließend gehen wir weiter. Meinem Mann fallen fast die Augen aus und es kommen die ersten Anrufe, ob das Kind schon da wäre. Hach, als ob wir dann nicht Bescheid gesagt hätten.

Ich rufe meine Freundin an, damit sie Daniel beim Laufen mal ablöst. Sie kann erst um 15 Uhr da sein. Also gehen wir weiter und weiter und weiter… Ich bin noch nie soooooo viel gegangen!

Um 14.30 Uhr wieder CTG, nichts…Wir sollen um 17 Uhr wieder kommen. Es ist übrigens schon die dritte Hebamme. Die Spätschicht.

Sonja ist da und Daniel kann endlich schlafen. Ich lade Sonja zu Kaffee und Kuchen ein. Mein Bauch wird dauernd hart, aber Schmerzen hab ich keine. Wir gehen die Gartenrunde und Sonja meint ich soll ihr mal sagen, wann mein Bauch immer hart wird. Alle 3 Minuten. Wir gehen zu Daniel aufs Zimmer. Es ist inzwischen 16.45Uhr.

Pünktlich sind wir wieder beim CTG. Immer noch keine Schmerzen, obwohl man viele Wehen sieht. Die Hebamme schaut nochmal nach der Tamponade und der Gebärmutterhals ist nur noch 1cm. NUR??? Wie lange soll ich denn noch gehen???

Die Hebamme schaut mich an und meint: „Sie sehen aber blass aus. Ihr Mann sollte ihnen mal Schokolade besorgen.“ Das tut er, während ich mit Sonja aufs Zimmer gehe, ich will nicht mehr rumlaufen.

Daniel bringt mir die Schokolade. Ich esse ein Stück und mir wird schlecht. „Ich will keine Schokolade, ich hasse Schokolade!“ Hallo, hab ich das gesagt? Ich liebe doch Schokolade!

Dann kommt das Abendbrot, pünktlich um 17.45Uhr. Daniel schmiert sich ein Brot und ich? Ich habe die erste echte Wehe. Ein extrem stechender Schmerz fährt mir in den Bauch und ich atme scharf aus und klammer mich an den Stuhl. Sonja ist besorgt und meint, sie geht jetzt besser. Ich kann nur nicken und sie geht. Daniel beißt in sein Brot und ich habe die nächste Wehe. 1cm pro Stunde öffnet sich der Muttermund, hatte die Hebi im GVK gesagt. Scheiße! 10 Stunden halte ich diese Schmerzen nicht aus.

„ICH BRAUCH EIN SCHMERZMITTEL“, sag ich zu Daniel. „Iss doch erst mal!“ antwortet er. „Ich will nicht essen, ich will ein Schmerzmittel!!!“ Er steht genervt auf. Nach der Geburt verrät er mir, dass er in diesem Moment gedacht hat: Wenn die jetzt schon ein Schmerzmittel braucht, wie soll das erst in 10 Stunden sein.

Wir sollen zum Kreissaal gehen. Ich könnte auch einen Rollstuhl bekommen, aber gehen wäre besser meint die Stationsschwester. Daniel schaut sehnsüchtig seinem Abendbrot nach, während wir uns auf den Weg machen. Wir brauchen 10 Minuten für eine Strecke, die normalerweise 3 dauert. Immer wieder muss ich vor Schmerzen stehen bleiben, mich an meinen Mann hängen. Zum Glück ist er da!

Am Kreissaal klingeln wir um 18 Uhr. Die Hebamme macht auf, als so ein Typ mit irgendwelchen Formularen kommt und sich dreist vordrängelt. Hallo, merkt er es noch ich habe Schmerzen, ich krieg ein Kind, ich war zuerst da…

Der Typ ist weg und die Hebamme (übrigens erst im Anerkennungsjahr, wie ich gerade auf ihrem Schild lese) schaut uns skeptisch an. Wir wären zu früh! Schmerzmittel, das könnte noch gar nicht sein. Naja, ich darf gnädiger weise ans CTG.

10 Minuten später gehen wir dann doch in den Kreissaal, sie will doch noch mal nach dem Muttermund schauen. Hab ich doch gesagt ich habe echte, schmerzende Wehen!!!
4cm auf? Das ist aber sehr schnell meint sie. Aber ein Schmerzmittel krieg ich nicht. Ich soll in die Badewanne. Ich will nicht! Sieht das denn keiner!

Ich bin in der Badewanne, Daniel streicht dauernd Wasser auf meinen Bauch und die Hebamme ist weg. Ich habe keine Wehen mehr. Es ist nur noch eine einzige. Pausen? Gibt es nicht. Nur noch Schmerz und etwas weniger Schmerz. Die Uhr zeigt 19.30Uhr. Scheiße tut das weh. Aber was ist das?... Daniel… Daniel… ich muss…

„PRESSEN!“ „ Was?“ fragt Daniel „Ich muss aaaaaaaaarrrrrgghh PRESSEN!“ „Quatsch, kann doch noch gar nicht!“ „Ruf die Hebamme!!!“ Er zieht die Rufleine, die Hebamme kommt. Pressen? Kann gar nicht sein. AAAAAAAAAAAARRRRRRGGGHHHH „Oh, doch Presswehen! Kommen Sie raus“

Ich bekomm nochmal Antibiotika und sie schaut nach dem Muttermund: 8cm „ Nein, sie dürfen nicht pressen. Atmen sie!!!“
„Es tut mir leid, aaaaaarrrrrrggggghhhhhh, ich kann nicht anders“, sag ich. Hallo, wieso entschuldige ich mich????

Dann um 19.55Uhr geht die Hebamme doch glatt, nachdem sie mir eben schnell ein Schmerzmittel spritzt! Ich soll nicht pressen, sie hätte jetzt Schluß, die Nachtschicht kommt gleich. HAAAAAAAAAAALLLLLLLLLLLLLOOOOOOOOOOO????

Daniel hält sich tapfer, atmet mit mir während ich ihm sage, dass es kein zweites Kind geben wird und mich ständig entschuldige, weil ich pressen muss.

20.08Uhr: Die neue Hebamme kommt rein schaut kurz zwischen meine Beine. „Na, dann pressen sie doch, ich hole eben die Ärztin!“ Und wie presse ich??????? Hilfe……

20.10Uhr: „Nicht so, nach unten pressen!“ sagt die Hebamme. Mach ich doch!!!OH, was ist das….

20.12Uhr: Leonie ist da, ich hab es geschafft. Gerade mal 2 ½ Stunden echte Wehen, ohne schreien nur mit entschuldigen und einen Dammschnitt, den ich nicht gemerkt habe.

Gott ist die süß, so klein, so süß! Ich liebe Dich!

Den Rest bekomm ich kaum mit, Nachgeburt und nähen, geht an mir vorbei. Ich beobachte wie mein Mann unsere Maus fertig macht!

53cm 3530gr 35KU

Es ist unglaublich! Ich will auf jeden Fall noch ein zweites Kind!

1

Hallo, Glückwunsch zur Tochter.
Ich habe selten so einen lustig geschriebenen Geburtsbericht gelesen :-)

LG

sailing08

2

Was für ein lustiger und schöner Bericht #rofl:-D als ob ich dabei bin und neben dir stehe :-D.
lg Tine

3

Dein Bericht gefällt mir total gut, ich musste mehrfach herzlich lachen :-)

Alles, alles Liebe zum kleinen Mädchen,

Sandra

4

Selten so einen guten Bericht gelesen, aber erst einmal Herzlichen Glückwunsch.
Leider kann ich Deine Situation nicht nachfollziehen, da mein Kleiner sich absolut keine Zeit gelassen hat #schwitz (Ankunft Klinik ohne Wehentätigkeit - 15 Min. warten bis eine Hebamme zum untersuchen Zeit findet, oh Presswehen - Spurt in den Kreissaal + Entbinden = 51 Min.), aber ich hoffe das Du Deine Absicht kein weiteres Kind irgendwie noch einmal überdenkst.
Beim 2. geht es ja anscheinend schneller;-).

5

Oh, ich fand das ja gar nicht schlimm und hab doch am Ende geschrieben, dass es auf jedenfall noch ein zweites Kind gibt!