Geburtsbericht aus den Niederlanden - Romanlänge!!!!!

Als ex-Geburtsbericht-Junkie, hier nun auch mein Beitrag dazu:

Der Kontext (wer will kann auch direkt zur Entbindungsstory >)

Wir wohnen in den Niederlanden und hier wird man während der Schwangerschaft (und bei der Geburt) von der eigenen Hebamme betreut (zum Frauenarzt kommt man nur im Falle einer Risikoschwangerschaft).

Man darf sich aussuchen wo man entbinden möchte, zu Hause, im Geburtshotel oder auch im Krankenhaus , was hier ohne medizinische Indikation nicht so oft gewählt wird (wird auch nicht von der Krankenkasse übernommen wenn man eine normale Entbindung ohne Komplikationen im Krankenhaus hat, es sei denn man ist extra versichert).

Daher kommt es auch nicht so oft vor dass man eine PDA bekommt, weil es meistens schon zu spät ist dafür (man müsste extra ins Krankenhaus überwiesen werden und einen Anästhesisten auftreiben der Schicht hat.)

Also alles etwas gewöhnungsbedürftig, aber nach anfänglichen Bedenken und nach der Erfahrung kann ich nun vieles davon ganz gut nachvollziehen.

Ich wollte die Geburt natürlich und unkompliziert angehen, aber trotzdem alle Optionen für Schmerzmittel und Spezialisten offen lassen.
Daher haben wir uns für eine Zwischenvariante entschieden, nämlich ein Geburtenhotel das sich in einem Krankenhaus befindet. Und die gynäkologische Abteilung war einfach den Flur runter, was sich auch später als nützlich herausstellen sollte.

Die Geburt

Ich hatte wirklich eine Traumschwangerschaft ohne Beschwerden, war bis zuletzt arbeiten, mit dem Fahrrad unterwegs, schwimmen etc.
Ich war bereits 40w +6 als um Mitternacht die ersten Wehen kamen. Ich wecke meinen Mann und meinte: "Ich glaub ich hab Wehen", er: "ist bestimmt der Döner von gestern" und ist wieder eingeschlafen! Unglaublich! Bei unserem ersten Kind! Na ja, die Wehen kamen in unregelmässigen Abständen (30, 15, 8, 20 Minuten), ich hab alles in so einem App notiert und bin zwischendurch auch immer wieder eingenickt. Konnte also noch sehr gut ausschlafen konnten.

So ging es den ganzen nächsten Tag weiter, ich habe weiter fleißig Wehen notiert. Am späten Nachmittag musste ich bereits anfangen mit dem Veratmen und beim Toilettengang kam auch etwas helles Blut zum Vorschein.
Gegen 21 Uhr fing es dann an mit heftigeren, minutenlangen Wehen, die aber immer noch im 7 bis 5-Minuten-Takt kamen. Laut Anweisung der Hebamme sollten wir erst anrufen wenn für 1 Stunde Wehen im 3-Minuten-Takt kamen (beim ersten Baby, was bei mir ja der Fall war). Ich habe dann trotzdem angerufen, den Rat einer Freundin folgend dass ich für den richtigen Zeitpunkt auf mein Gefühl hören sollte. War auch gut so, denn wenig später kam auch meine Hebamme vorbei und nach kurzem Abchecken der Befund: Muttermund 4cm offen!

Sie stellte mich dann vor zwei Entscheidungen:

Fruchtblase sprengen damit es schneller geht, da ich ja schon 22 Stunden Wehen hatte? Das hat mich ehrlich gesagt etwas überrumpelt, weil ich nicht wusste nach welchen Kriterien ich entscheiden sollte (heute denke ich, die Hebamme wollte einfach checken ob das Fruchtwasser noch klar ist, da ich schon 40w+6 war).
Also nach kurzem Überlegen meinte ich ok, also Fruchtblase gesprengt.
Dann das zweite Dilemma: PDA jetzt oder nie! Ich konnte meinem Mann schon ansehen dass er "Ja!" rufen wollte, aber ich dachte mir, eigentlich ist es bis jetzt nicht sooooo schlimm gewesen.. also: Nein (hielt mir aber die Option für Lachgas offen).

Mein Mann war ab dem Moment total aufgeregt, hat versucht "alles zu organisieren" (musste aber nur Taxi anrufen und Tasche schnappen) und ich war damit beschäftigt die heftigen Wehen zu veratmen.
Wir sind dann ab ins Geburtshotel im Krankenhaus. Die Krankenschwester hat uns in unser (Geburts)Zimmer gebracht und ich wollte direkt in die Wanne steigen weil es schon sehr heftig weh tat..

Nach einer Weile in der Wanne wollte ich schon das Lachgas, musste aber noch auf eine "Lachgaskrankenschwester" warten die das verabreicht. Mein Mann hat mich weiter mit warmem Wasser berieselt, was mich irgendwie aber nicht wirklich entspannte.

Ab dem Moment verlor ich total das Zeitgefühl, Ich habe mich nur auf mich selbst konzentriert. Es war einfach nur ein selbstbezogenes Dasein, von einer Wehe in die nächste. Mein Mann meinte später dass ich ca 1 Stunde in der Wanne saß, mit Wehen ohne Zwischenpause.

Dann kam endlich die Lachgasschwester! Meine Hebamme erschien auch und meinte "Ok, geh erstmal ans Lachgas, ich komme dann in 2 Stunden wieder und untersuche den Muttermund", ich meinte nur "Nein nein, jetzt!!!" und sie musste dann doch bleiben weil ich schon bei 7cm war! An dieser Stelle kann ich nur jeder/jedem empfehlen sehr bestimmt auszusprechen was man möchte in dem Moment, dann vertrauen einem auch die Fachleute.

Vorher wurde ich auf Toilette geschickt, "konnte" aber irgendwie nicht. Die Hebamme hat versucht mich mit der Katheterdrohung zu "motivieren", aber ich meinte nur "Ja, ja, Katheter bitte!", was auch überhaupt nicht wehtat und gut funktioniert hat.

Dann bekam ich endlich das Lachgas und ich fühlte mich wie im Himmel. Mein Mann erzählte mir später dass ich es rumreichen wollte!

Ich hab mich prima entspannen und sehr gut auf´s Veratmen konzentrieren können. Der einzige Nachteil war dass man bei der Geburt liegen bleiben muss, was ich vorher nicht wusste (wollte eigentlich alles, bloss nicht auf dem Rücken liegen)!

Irgendwann war ich dann bei 9cm und es kam auch schon der Pressdrang, also Lachgas weg, ein paar Minuten Sauerstoff, dann war ich schon bei 10cm, also pressen! Ich weiss nicht mehr wann der Wehen-Babyherzschlag-Detektor angebracht wurde, aber die Hebamme hat dann irgendwie das Presskommando übernommen, was für mich etwas irritierend war da ich irgendwie schon pressen musste bevor ich die Wehe wirklich fühlen konnte (??? hat das schon eine so erlebt?).

Also ich habe wirklich gepresst wie nichts, aber im Prozess irgendwie die Kontrolle oder das Gefühl von der Situation verloren. Obwohl ich von der Hebamme und der Krankenschwester sehr intensiv angefeuert und für die Leistung gelobt wurde, hatte ich das Gefühl dass ich nicht genug tue und das Baby deswegen nicht vorankommt.

Ich weiss nicht mehr wie lange ich beim Pressen war. Die Hebamme meinte irgendwann in einem sehr ruhigen Ton dass der Herzschlag des Babys immer wieder abschwächt und wir lieber zu den Ärzten auf der gleichen Etage wechseln sollten, was auch geschah.

Dort angekommen, warteten schon zwei Frauenärztinnen auf uns, eine Anästhesistin und eine Kinderärztin kamen noch dazu und meine Hebamme blieb auch. Ich durfte noch einmal eine Wehe durchpressen und wurde wieder sehr gelobt, doch die Ärztinnen meinten sie setzen jetzt den Vakuumextraktor ein. Ein Dammschnitt wurde mir verpasst (hab ich überhaupt nicht gemerkt) und der Vakuumextraktor eingesetzt (hab ich sehr wohl gemerkt, es tat höllisch weh und ich musste einfach auf die nächste Presswehe warten, die schlimmsten Momente der ganzen Geburt), dann die nächste Presswehe, starkes pressen und mit einem Ruck lag unser Kleiner plötzlich auf mir!

Wir waren beide im Glücks-Schock dass unser Kleiner so schlagartig aufgetaucht ist, ich hab ihn nicht wirklich gespürt wie er aus mir rauskam. In dem Moment hab ich auch meinen Mann erst wieder wahrgenommen (lol) und realisiert wie mitgenommen er war (er kennt mich als überhaupt nicht wehleidig, aber ich glaube ich habe die ganze Zeit nur geschrien). Die Plazenta kam auch unmittelbar nach der Geburt wie von alleine raus und die Ärztinnen meinten zu meinem Mann er darf nun die Nabelschnur abtrennen. Er weigerte sich erst, musste es dann doch tun weil alle sofort drauf beharrten (fanden wir beide nicht so prickelnd).

Während mein Mann bei unseren Kleinen und der Kinderärztin war, musste ich noch genäht werden wegen dem Dammschnitt und einem Vaginalriss. Ich habe auch viel Blut verloren (800ml, keine Ahnung wie die das messen, durch den Blutdruck?). Das Nähen tat auch sehr sehr weh, obwohl ich eine Lokalanästhesie bekam.

Dass man alles nach Anblick des Babys vergisst, kann ich nicht unterschreiben. Es hat sich eine ganze Weile so angefühlt als ob da unten eine Bombe explodiert ist.

Und "OMG WIE wieder Sex?"-Gedanken hatte ich auch!

Aber unser Kleiner war wohlauf und bekam 9 Apgar-Punkte. Er kam um 01:37 nach Mitternacht auf die Welt, nach 19 Stunden Wehen und 6,5 Stunden aktive Geburt, wog 3470 gram und war 52cm lang.

Nun ist er schon 11 Monate alt, und dieser Bericht ist für mich auch ein quasi-Erinnerungs-Ritual für die unglaublichen Stunden bevor unser Kleiner zu uns kam und alles veränderte!

Ich würd´s wieder tun!
An alle werdenden Mütter: nur Mut!!!

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Super Bericht!!! Herzlichen Glückwunsch zum kleinen!!! Deine Geburt zum Schluss ähnelt als wär sie
Meine... Diese Vakuum Sache war grauenhaft :(((( wurde nicht geschnitten aber der vaginalriss Tat beim nähen auch weh und zum Thema man vergisst gleich empfand ich auch so ... Habe auch viel geschrien und war echt alle ... Und jetzt bin ich ind er 14 ssw und habe jetzt schon Angst :((( .... Alles liebe wünsche euch !!!! Lg

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Vielen Dank!

Tut mir echt leid dass Du das Ende auch so erleben musstest.

Denkst Du der Vaginalriss kam vom Vakuumextraktor (mein Mann denkt das auch)? Die eine Ärztin meinte zu uns dass seine Hand irgendwie im Weg stand und vielleicht die Verletzung verursacht hat, aber es klang eher spekulativ als überzeugt.

Die Hand von unserem Kleinen war auch jeden Fall am Anfang etwas bläulich.

Beim zweiten wird´s bestimmt leichter!

Wünsche Dir noch eine gute Schwangerschaft und ein leichtes Entbinden!

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Danke dir!!! Ich hoffe es!!!! Bin mir sicher dass das von der saugglocke kam!!!... Ich hatte einen geburtsstillstand was uns nicht gesagt worden ist und nach 2 Std pressen ohne erfolg ... Lgggg :)

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Ich finde deinen Bericht toll, lebe in De und werde definitiv ins Krankenhaus auch, wenn ich die absolut hasse!!! Ich selbst war da nur, um meine Mandeln raus machen zu lassen... Sonst meide ich es! Einfach, weil dort richtige Ärzte sind, ich will mein Leben und das meines Sohnes nicht gefährden.

Ich habe auch Angst sogar sehr sehr sehr große Angst. Wenn ich an die Geburt denke kriege ich Panikattacken...

Dein Bericht war dennoch toll :)

Ich hoffe sehr meine Geburt wird einfach und wenig Schmerzvoll....

Lg Ayumi mit Babyboy 17 ssw.

:)

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Hallo, vielen Dank!

Ja, ich verstehe Deine Angst, ich hoffe mein Bericht hat jetzt nicht dazu beigetragen!

Du sicherst Dich und dein Baby doch schon für den schlimmsten Fall ab (Sprichwort Krankenhaus), was ich gut finde und auch so gemacht habe.

Mir hat es auch geholfen ein paar Geburtsvideos auf youtube zu gucken. Anfangs fand ich´s schon etwas erschreckend, aber danach ist der erste Schreck weg und man hat nicht mehr diese (Ehr)Furcht, weil man´s irgendwie schon mal gesehen hat. Vielleicht hilft´s?

Ich wünsche Dir dass Du die Schwangerschaft geniesst und eine leichte Geburt danach!

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Hab ich schon gesehen und danach war es nur schlimmer :/

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schade, ich hatte mich jetzt irgendwie auf eine schöne geburt bzw. den bericht davon eingestellt. leider heißt wohl niederlande nicht zwangsläufig auch entspannte würdevolle geburt. hätte gedacht, dass die selbst in den krankenhäusern ein bissel besser mit den frauen und babys umgehen. am ende machen sie genauso viel pfusch wie hier in deutschland, schade.

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Hallo taumelkaeferli,

Dein Kommentar hat mir echt zu Denken gegeben, weil ich´s auch schade finde dass mein Bericht (und meine Entbindung) einen solch negativen Kommentar und Eindruck hinterlässt.

Anlässlich meines Berichts und deines Kommentars hab ich nochmal mit meinem Mann über die Geburt gesprochen um nochmal besser reflektieren zu können. Also ich habe mich bestimmt nicht würdelos gefühlt, obwohl an mancher Stelle etwas bevormundet. Mein Mann meinte dass die Hebammen wahrscheinlich auch unter sehr viel Druck stehen (wen es interessiert: die Niederlande haben -oder hatten bis vor ein paar Jahren- die höchste perinatale Sterberate von Säuglingen in Europa. Viele machen sofort die hohe Anzahl an Hausgeburten dafür verantwortlich, aber ich habe eine Studie gelesen die ermittelt hat dass es auf die Abwesenheit von 24h-Spezialisten in vielen Krankenhäusern zurückzuführen ist. Also bei einem Geburtsnotfall nach 18:00 müssen in manchen Krankenhäusern die Anästhesisten/Neonatologen etc erst geholt werden). Daher denkt er dass unsere Hebamme einfach so energisch das Kommando übernommen hat um in erster Linie sicherzustellen, dass alles glatt läuft und am Ende alle lebend den Raum verlassen. Dann treten halt Emotionen vorerst an zweiter Stelle.

Mein Mann meinte auch dass ich nochmal allen ans Herz legen sollte (falls noch jemand die Diskussion verfolgt) sich vorher über alles mögliche an Entscheidungen zu informieren. Als bei uns die Frage nach dem Sprengen der Fruchtblase kam, hatten wir weder ein Pro-und-Kontra-Vorwissen, noch den kühlen Kopf die Wirkung auf die Geburt mit der Hebamme auszudiskutieren. Sie hatte sicher ihre berechtigten Gründe das Sprengen anzubieten und man kann auch nicht erwarten etwas in 5 Minuten erklärt zu bekommen wofür andere über Jahre studieren und Erfahrung ansammeln. Aber trotzdem fühle ich mich nun in der "hätte ich nicht"-Falle: wäre die Fruchtblase nicht gesprengt worden, hätte ich nicht so schlimme Wehen danach, dann hätte ich kein Lachgas gewollt, dann könnte ich im Stehen oder Sitzen gebären, dann hätte unser Kleiner wahrscheinlich keine abschwächenden Herztöne (habe einen medizinischen Bericht gelesen deren Korrelation zur Liegeposition beim Gebären), dann hätten sie ihn nicht mit dem Vakuumextraktor holen müssen..

Klar gibt es bei Geburten auch Ärztepfusch. Bei meiner Geburt würde ich das nicht so sehen.

Und da man die Hebammen, Ärzte und Krankenhausprotokolle nicht ändern kann, könnte man bei der Fehlersuche auch versuchen herauszufinden, wie man sich selbst am besten einbringen kann und wo man an sich selber noch arbeiten kann um das nächste Mal (zumindest emotional) besser vorbereitet zu sein.

Sorry, das war jetzt Roman Nr 2..

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bei der ersten geburt weiß frau ja meist nicht was sie will und was sie nicht will bzw. erst recht nicht wie die abläufe im krankenhäusern sind und welche beweggründe hinter dem handeln des entbindungspersonals stehen. allerdings denke ich nicht, dass du irgendweinen fehler an dir suchen müsstest. das einzige was man machen kann, ist sich wirklich umfassend mit schwangerschaft, geburt und der ganzen geburtsmedizin zu beschäftigen, lesen, unabhängig informieren und dann seine eigene meinung bilden. dann brauch man seine entscheidungen nicht bereuen, steht fest dazu und lässt sich auch so einfach nichts mehr erzählen, was andere leute einem oftmals weiß machen wollen.

am ende liegt es an einem selbst, ob man zufrieden ist oder ob man doch auch noch andere erfahrungen machen will.

lg