Autismus, Autistische Züge?! Erfahrung gesucht

Hallo in die Gruppe.
Ich hoffe auf Erfahrungswerte und Tipps. Mein großer Sohn (bald 4) war schon als Kleinkind etwas „anders“. Er kam vier Wochen zu früh auf die Welt und war in allen motorischen Entwicklungen etwas verlangsamt oder spät dran. Waren wegen KISS Syndrom auch 6 Monate bei der Physio. Nachdem er Drehen, Krabbeln etc aufholte konnte er tatsächlich mit 14 Monaten dann schon gehen. Mit 9 Monaten begannen Affektanfällen, ausgelöst durch Wut. Er wurde regelmäßig ohnmächtig. Es reichte ein „ich will nicht in den Autositz“ und er atmete beim Schreien nur noch ein aber nicht mehr aus. Ein EEG sagte keine Eplilepsie. Mit 2 gingen diese heftigen Anfälle von selbst weg. Ebenfalls mit 9 Monaten begann heftiges Fremdeln. Jeder der in den Wagen schaute oder ihn irgendwie angesprochen hat wurde angebrüllt. Das zog sich durch bis 2,5 Jahre. Sprachlich ist er weit zurück. Er begann erst mit 3,5 Jahren die ersten Worte zu sprechen, hat aber jetzt auf 6 Monate in der Logopädie unfassbar aufgeholt und sagt jetzt fast alles (verwaschen und falscher Satzbau aber er spricht). Das Fremdeln wurde immer schlimmer. Wenn wir heute zu einem Geburtstag gehen muss ich ihn ca. 5 Tage darauf vorbereiten, weil er dort nur brüllt und die Augen zupresst. In seltenen Fällen taut er nach 30-45 Minuten auf, manchmal auch nicht. Es sind immer Situationen in denen ihn Leute „kennen“ könnten. Bspw ist Supermarkt, Restaurant, Urlaub kein Problem. Aber schnell zur Nachbarin gehen geht nicht, die könnte ihn ja ansprechen. Allgemein ist es so dass jede Veränderung im Haushalt z.B. ein Problem ist. Die komischsten Sachen an die ich nicht mal denke. „Warum legst du den Deckel da hin und nicht dort hin, du darfst den Abfall nicht wegschmeissen, warum steht Omas Autos auf der Straße, warum holst du uns mit dem Auto vom KiGa ab, du darfst die Schuhe nicht putzen, der Schmutz muss dran bleiben…“ etc etc. Solche Dinge führen zu Schreianfällen, Wutausbrüche mit Dingen werfen, Schlagen, Beißen, auf der Boden werfen. Wenn alles „normal“ läuft ist er zu Hause dann im gewohnten Umfeld aber auch ein „normales“ Kind… wir können Freunde einladen, sie spielen zusammen, er wirkt komplett ausgeglichen… manchmal den ganzen Tag und plötzlich zack eine Kleinigkeit an Veränderung was ihn plötzlich stört und dann brüllt er los.
Im KiGa verhält er sich wohl recht normal und spielt mit Kindern, hat aber dort auch das Problem dass er schnell mal schubst oder zuhaut wenn er mit etwas überfordert ist. An Veranstaltungen im KiGa nimmt er grundsätzlich nicht teil. Alles was außerhalb seiner KiGa Routine läuft wird blockiert. Also kein Kasperltheater, kein Sommefest, kein Fasching, keine Liederprobe. Der Übertritt in die „große“ Gruppe wo sie jetzt bereits schnuppern ist sehr schwierig. Er will nicht mitgehen, blockiert und weint.
Als Baby war er extrem ruhig und pflegeleicht. Die ersten 9 Monate ist kaum aufgefallen dass es ein Baby gibt. Geschlafen, getrunken, mit Freude gespielt. Seltenst geweint.

Die Schreianfälle können bis 45 Minuten dauern. Als kleines Kind hat er alles sortiert. Stifte in eine Reihe gelegt etc. Er konnte sich auch schon immer Stunden lang alleine beschäftigen im Zimmer, Bücher lesen etc. Seitdem der kleine Bruder da ist (2 Jahre) macht er das weniger. Was auch daran liegt, dass der Kleine immer mit will.

Der Kinderarzt tut alles ab, sagt dass eine Abklärung nicht nötig ist und ich zu viel „Therapeutin“ bin und mir zu viele Gedanken mache.
Würdet ihr auf eigene Faust abkläre oder es nur mal weiter beobachten? Ich möchte auch im Hinblick auf Schule nichts verpassen.
Danke schon mal und sorry für den langen Text

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<<<Der Kinderarzt tut alles ab, sagt dass eine Abklärung nicht nötig ist und ich zu viel „Therapeutin“ bin und mir zu viele Gedanken mache.
Würdet ihr auf eigene Faust abkläre oder es nur mal weiter beobachten? Ich möchte auch im Hinblick auf Schule nichts verpassen.
Danke schon mal und sorry für den langen Text<<

Liebe TE,

ich würde an deiner Stelle an das zuständige Sozialpädiatrie-Zentrum (kurz SPZ) wenden und ihn dort auf die Warteliste setzen oder bei einem Kinder- und Jugendpsychiater) Ein normaler Kinderarzt kann es so finde ich nicht beurteilen.

Ich kann dir nur von uns erzählen. Mein Jüngster hatte so ab 18 Monate vermehrt autistische Züge gehabt. War in seiner eigenen Welt und ging über Tische Stühle Bänke (dafür war sein damals noch nicht diagnostiziertes KISS-KIDD-Syndrom für verantwortlich, das ist KISS-Syndrom im Kindergarten bzw. Schulalter). Die Kita ging davon aus, dass mein Sohn den Verdacht auf ADHS hatte. Wir waren in einem kleinen SPZ (war nicht unbedingt auf Autismus spezialisiert, aber man nahm unsere Sorgen dort ernst und man überwies uns zu den passenden Fachstellen). Dummerweise überwies mich unser Kinderneurologe zu einem SPZ, wo angeblich Autismus diagnostiziert wurde. Leider gerieten wir dort an einen unfähigen Diagnostiker, der dann sagte, hier gibt es keine Autismusdiagnose, sondern es liegt der Verdacht auf ADHS nahe. Kindergarten sagte, na siehste haben doch gleich gesagt. Da ließ ich auch nicht locker. Ich setzte meinen Sohn auf die Warteliste einer Kinder- und Jugendpsychiater-Praxis, die sowohl Autismus und ADHS diagnostizieren konnten. Parallel dazu waren wir beim Chiropraktiker in Behandlung wegen KISS-KIDD. Kind ging inzwischen weniger über Tische Stühle Bänke.
Es wurde dort frühkindlicher Autismus diagnostiziert. Auf einen ADHS-Diagnose verzichtete ich, da die Behandlung beim Chiropraktiker anschlug.

Manchmal ist auf eigene Faust abklären besser, wenn man nicht das richtige Ergebnis bekommt.

LG Hinzwife

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Vielen lieben Dank für die Antwort. Ja ich habe auch beschlossen es weiter abklären zu lassen. Wir waren jetzt einmal bei einer Heilpraktikerin, worauf er sehr gut reagierte, vor allem auch sprachlich. Heute war unser „befürchteter Geburtstag“ auf den ich ihn seit einer Woche einstimme. Und heute hatten wir dort erstmals keine Probleme. Kein Weinen beim reingehend und ein durchweg positives Spielverhalten. Dann denke ich wieder „vielleicht übertreibst du“. Aber dann kommen diese kleinen Situationen die ihn innerlich verzweifeln lassen… bei denen ich sehe dass er einfach in vielen Situationen ganz anders ist als seine Gleichaltrigen. Obwohl er vom Intellektuellen total normal entwickelt ist habe ich manchmal das Gefühl er steht in gewissen Situationen an einer Stelle und kommt nicht weiter und weiß selbst nicht was gerade das Problem ist.

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Glaube mir : das Bauchgefühl einer Mutter liegt immer richtig - wir mussten 7 Jahre lange erklären bis man endlich richtig zuhörte u die Diagnose zu dem passt, was wir als Eltern empfingen. Wir holen auch eine 2. oder 3. Meinung ein wenn nötig. Keiner wünscht sich ein Kind mit Baustellen auch wenn das oft unterstellt wird 🤦🏻‍♀️

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Ja so sehe ich das auch. Das Bauchgefühl hat schon sehr oft gestimmt bei mir. Ich sehe dass er geistig normal entwickelt ist, aber er hat so viele schwere Situationen aus denen man ihn nicht herausholen kann. Er schämt sich danach auch regelmäßig für Wutausbrüche und kann nicht sagen woran es lag, was das Problem war. Aber er und niemand anders kann diese Situation dann beenden.

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Niemand hier kann dir sagen, ob dein Sohn autistisch ist oder nicht. Denkbar ist es aus deiner Beschreibung.
Aber: Du hast einen Verdacht in die Richtung (Bauchgefühl der Mutter), du beschreibst die Auffälligkeiten sachlich und reflektiert. Der Kinderarzt nimmt dich nicht ernst. (Interessantes, häufiges Phänomen, insbesondere wenn ein Kind Verhaltensweisen wie deines zeigt, wahrscheinlich haben solche Fachleute Rain Man gesehen und glauben sich deshalb mit Autismus auszukennen).
Ja, an deiner Stelle würde ich eine Abklärung aufgleisen. Aber sehr bedacht und vorsichtig. Zuerst geeignete, tatsächlich qualifizierte Anlaufstellen suchen. Dann vorsondieren. Ersttermin ohne Kind wahrnehmen. Damit er nicht zum Versuchskarnickel wird an welchem jeder X-was rumtesten und rumtherapieren darf.
Lieber längere Wartezeiten in Kauf nehmen statt faule Kompromisse einzugehen. So wie du deinen Sohn beschreibst ist er kognitiv fit und er bekommt bereits die momentan wichtigste Unterstützung (Logopädie), deshalb musst du nichts überstürzen.

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Danke. Ja es ist wirklich schwierig wenn der KiA so gar nicht davon überzeugt ist, das Bauchgefühl aber etwas anderes sagt. Ich will meinem Sohn beim besten Willen nichts aufdichten, aber ich will im Falle des Falles früh genug reagieren und ihm helfen können. Unsere Logopädin sagte nach ca. 15 Einheiten sie könne sich beim besten Willen nicht vorstellen dass er auch zornig sein kann. Er war jede Therapieeinheit 45 Minuten voller Freude (der Draht zwischen beiden stimmte sofort) bei der Therapie dabei. Mit 3 Jahren 45 Minuten Konzentration und ohne Abschweifen ist wirklich klasse. Und dann kam nach Termin 20 der große 45 Minuten Wutausbruch als wir ihm sagten, dass wir ein viertel Jahr Therapiepause machen um zu sehen was jetzt von selbst kommt. Das warf ihn komplett aus der Bahn und die wöchentliche Routine in seinem Kopf war dahin.
Ich werde mir jetzt mal Experten suchen, eine Abklärung schadet auf jeden Fall nicht. Lieben Dank.

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Moin,

Auffällig ist das schon, allerdings muss es nicht Autismus sein. AdHS äußert sich zb auch durchaus so wie du es beschrieben hast.
Ha ich würde es auf eigene Faust abklären lassen, wobei SPZ und KJP sinnvoll sind. Das SPZ äußerte bei uns zwar schon den Verdacht auf ADHS aber die Diagnostik machte der KJP.
Je eher man es weiss umso eher kann man handeln. Und das ist wichtig da unerkannt Neurodiversität zu psychischen Störungen führen kann.
Alles Gute euch

Bearbeitet von Inaktiv
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Vielen Dank. ADHS war eher nicht meine Vermutung. Beruflich habe ich oft mit Adhs Kids zu tun und auf mit frühlindlichem Autismus. Also ich bin nicht ganz fremd in diesen Krankheitsbildern, dennoch macht man sich beim eigenen Kind immer noch andere Gedanken und möchte Erfahrungswerte von anderen Betroffenen hören. Da er „außerhalb“ seiner Ausbrüche ein absolut ausgeglichenes Kind ist, er total konzentriert und ausfmerksam ist, ist es Adhs vom Gefühl her nicht. Vor allem wenn ich mit den Kids vergleiche die ich in den letzten 15 Jahren kennenlernen durfte.

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Hey!

Als Lehrerin würde ich mit meiner Laienmeinung auch sagen, dass du es abklären lassen solltest.

Was passiert denn, wenn der heißgeliebte Matheunterricht nicht stattfinden kann, weil der Lehrer krank ist? Ist er dann nicht beschulbar?

Ich würde dir allerdings aus meiner Erfahrung nach eher zu einer Autismus-Ambulanz raten als zum Besuch im spz. Bei euch liegt der Verdacht schon nahe; es gibt keine unspezifischen Symptome, die ihr nicht zuordnen könnt.

Liebe Grüße
Schoko

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Da hier im Thread auch ADHS erwähnt wird, meine 2 Cents dazu:

ADHS zeigt sich durch Schwierigkeiten sich zu konzentrieren, aufmerksam zu sein. Dazu kommt eine Hyperaktivität und der Hang zu Impulsivität.

Kann er sich konzentrieren? Hört er gern Geschichten zu, kann er spielen? Dazu hast du nichts geschrieben- daher vermute ich, dass alles ok ist.
Auffällig sind die Wutanfälle, die bei adhs und Autismus gleichsam auftreten. Wenn er keine Schwierigkeiten hat sich zu konzentrieren und aufmerksam zu sein, würde ich erstmal nicht an adhs denken. Ohne Konzentrationsstörung in jungen Jahren kein adhs. Bei Erwachsenen verschiebt sich die Symptomatik.
Ich hatte phasenweise Wutanfälle, wenn ich mich sehr stark auf etwas freute, dieses Ereignis dann aber kurzfristig abgesagt wurde. Umstellungen waren eher kein Problem- es sei denn, sie waren mit Reizüberflutung verbunden- dann war aber nicht die Umstellung das Problem, sondern die Reizüberflutung.
Wenn ein Kind einen Raum bzw die Gruppe nicht wechseln möchte und sich auch auf eine schrittweise Umgewöhnung nicht einlässt ("Mal eben rüber gehen"), würde ich nicht an adhs denken. Im Gegenteil: der Hyperaktive würde sich noch eher auf Bewegung zur Befriedigung des Bewegungsdranges einlassen.

ADHS ist immer auch eine Ausschlussdiagnose. Daher würde ich erstmal alle anderen Wege gehen, falls das Kind Konzentrationsstörungen hätte.
Also erstmal in die Autismusambulanz. Dort würde ich auch erwarten, dass das Setting eher für Autisten und deren Besonderheiten geeignet ist als im großen spz.

Ich habe zum Beispiel starkes adhs: Insbesondere kann ich schwer zuhören und mich auch nicht gut orientieren. Ich gehe in eine adhs-Ambulanz zur Behandlung. Es erleichtert mir meine Besuche ungemein, dass in dieser riesigen Klinik der Weg zur Anmeldung der Sprechstunde mit grünen Pfeilen markiert ist. Ich dachte beim ersten Besuch am Empfang schon, dass ich einen 3-minütigen Vortrag zur Navigation hörte- aber dann sagte die Dame nur: "Folgen Sie den grünen Pfeilen". Ein Traum!
Die Sprechstunden waren dort auch immer locker geraktet. Kein Problem also, dass ich meist zu spät bin 😀

Ich würde also erwarten, dass das Setting in einer Autismusambulanz auf die Bedürfnisse eines Autisten angepasst ist.
Lohnt sich dann vielleicht für euch schon, wenn die Termine entspannter laufen.

Und zu letzt: Mein Kinderarzt hat das adhs auch nicht erkannt. Daher würde ich mich auf die Meinungen des Kinderarztes nicht verlassen, sondern einfach versuchen, einen Termin zu vereinbaren. Warten müsst ihr eh und für den Start in der Schule wäre es gut, Gewissheit zu haben.

Bearbeitet von schokofrosch
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Vielen Dank. Das ist eben auch meine Angst. Was ist wenn die Schule beginnt… da wird nicht so viel Rücksicht genommen wie jetzt im Kindergarten.
Adhs ist für mich (ich bin Ergotherapeutin und mit den Krankheitsbildern auch erfahren) eigentlich ausgeschlossen. Er ist außerhalb seiner Ausbrüche total ausgeglichen, konzentriert und aufmerksam. Er kann stundenlang beim Lesen zuhören, spielt alle Spiele bis zum Ende, hat kein Problem mit Verlieren, er setzt sich gerne lange in sein Zimmer und beschäftigt sich. Eher das Gegenteil ist der Fall, er kann sehr lange in sich Versumpfen. Bis irgendwann am Tag der nicht vorhersehbare Ausflipper kommt weil vielleicht „der Ball rot und nicht gelb ist“. Und er dann 20 Minuten brüllt warum dieser Ball rot ist und warum ich das nicht vorher wusste dass der Ball nicht diese Farbe haben darf??“ Es kommt oft aus dem Nichts.
Was man auch Erwähnen muss, er ist unfassbar emphatisch. Schon in der KiTa mit zwei wurde ich immer wieder angesprochen welches Gefühl er hat, wenn es jemandem nicht gut geht. Er tröstet alle, versucht zu helfen. Seine Verhaltensweisen ändern so stark, dass ich manchmal denke es ist nicht das gleiche Kind.

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Wir haben jahrelang mit dem Thema zu tun gehabt. Unser Sohn hat eine Hemiparese und ist eben auch nie wirklich gut in die Gruppen gekommen. In der Corona Zeit wurde er depressiv und bekam sogar Panikatacken. Das war ganz schlimm. Dann stand die Jungendpsychologie auf dem Programm, die aus ihm einen Menschen mit Asperger machen wollte. Wir, meine Frau, mein Sohn und ich haben dann den Online kostenlos verfügbaren Test der Klinik Friedenweiler gemacht. Das Ergebnis: Den höchsten Asperger Wert hatte ich... Ich stehe täglich in einer Buchhandlung und unterhalte mich mit den Menschen - ich gelte als kommunikativ.
Alex hat angefangen zu schreiben, und das hat ihm geholfen. Mittlerweile hat er sogar einen eigenen Blog: https://schreiben-ohne-schranken.de/ wo er über seine Erfahrungen berichtet. Vielleicht hast du lust, da mal reinzuschauen.
Ich wünsche Dir viel Glück!
LG Matthias