Mein perfektes Kind - Wahrscheinlichkeit für Trisomie 21 bei 1:8 (sorry, lang)

Ihr Lieben,
das habe ich auch im SS-Forum gepostet. Aber vielleicht passt es hier ja auch?
Alles Liebe euch allen!!!

Ihr Lieben,

ich möchte euch von meinen Erfahrungen der letzten beiden Tagen berichten. Die schlimmsten und intensivsten meines Lebens.

Keinesfalls will ich moralisch wertend verstanden werden - dafür habe ich in meinem Leben schon viel zu viele Fehler gemacht.

Wie ihr aus meiner VK entnehmen könnt, bin ich mit 40 Jahren mit dem 4. Kind schwanger. Es ging superschnell, alles lief total unproblematisch. Ich hatte ein ruhiges und sicheres Gefühl. Wegen meines Alters war ich innerlich darauf eingestellt, dass ich ein ein viel höheres Risikos für eine FG haben würde und hätte dies - wahrscheinlich - auch irgendwie "annehmen" können, weil ich an die Kraft und Entscheidungsgewalt der Natur glaube.
Mein Partner und ich hatten uns auch für eine Fruchtwasseruntersuchung entschieden (und nur die wollten wir machen, nichts anderes) - die hätte in 5 Wochen stattgefunden. Wir hatten uns vor der Ss gesagt, dass wir ein behindertes Kind nicht schaffen würden.

Nun hatte ich am Montag eine normale Voruntersuchung für die 12 SSW. Wegen meiner 3 vorausgegangenen Schwangerschaften, bin ich sehr sensibel für Ultraschallbilder. Und was sehe ich da, ohne dass es die Ärztin anspricht? Ein Nackenödem. Ich konnte nicht anders, als danach zu fragen. Sie sagte, dass es wohl an der oberen Grenze sei, sie aber dafür nicht ausgestattet wäre. Ich frage, ob sie sich an meiner Stelle Sorgen machen würde. "Schwangere Frauenärztinnen machen sich immer Sorgen" - das hat mich nicht gerade beruhigt, und so habe ich eine Überweisung in ein Pränataldiagnostikzentrum bekommen und hatte für 90 min später einen Termin.

Da wurde ich ganz genau geschallt. Man sah die beiden Gehirnhälften, das Schädeldach. Die kleine Stupsnase. Die Händchen, die durch die Gegend fuchtelten. Das Herz mit 2 Herzkammern. Den Blutfluss. "Perfekt", sagte der Arzt. Ein klitzekleiner gefüllter Magen. "Dann kann es auch schlucken." Eine winzige gefüllte Harnblase. "Dann hat es mindestens eine funktionierende Niere." Den Oberschenkel. Füßchen. Und ich glaubte, ein Mädchen zu erkennen. "Möglich", so der Arzt. Aber irgendwie wollte er darüber nicht reden. Weil das oberflächliche Gedanken sind, dachte ich dabei. Aber nun glaube ich, er wollte meine Bindung nicht noch stärker machen.

Ich sah mein perfektes Baby. Das bestimmt mit viel Vertrauen in mir wächst.

Und dann kam die Nackenfalte. "Ihr Baby hat die Besonderheit, eine verdickte Nackenfalte zu haben. Ich sah diesen winzigen, vollständigen Menschen, bei dem man sogar schon sah, dass die Organe funktionierten. Ich war - und das ist noch untertrieben - völlig hin und weg.

Ungefragt sagte der Arzt: "Trisomie 21-Kinder haben die Tücke, dass sie sich hinter gesunden Organen verstecken."

Welch ein grauenhafter Satz.

Dann ging es weiter: "Das sind alles Softmarker". Das schlagende Herz, der arbeitende Magen, die Niere, die Blase und das Köpfchen - das sind Softmarker??????? Das gehört zu meinem Kind!!!!!!! "Ich gebe jetzt die Dicke der Nackenfalte in mein Programm ein, gebe Ihr Alter ein, denn da haben Sie, na, ja, schon einiges auf dem Buckel und..... bekomme errechnet die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie 21. Die liegt bei Ihnen bei 1:8.

1:8.

Wann hatte ich Glück bei einem Fall für 1:8? Wann hatte ich dann Pech? Und überhaupt: kann dieses perfekte Wesen "Pech" sein???

Der Arzt und die Humangenetikerin rieten mir zu einer sofortigen Chorionzottenbiopsie. Das sei "überhaupt kein guter Wert". Auch wenn Down-Syndrom-Menschen gut leben könnten, seien sie doch "keine gesunden Menschen". Und wenn Geschwister da wären, wären die ja auch betroffen. Stimmt. Hatte ich vor ein paar Wochen auch so gesagt. Aber mein Herz reagierte völlig anders. Flennend saß ich im Wartezimmer. 30 min später ging es los. Ich habe den Stich und das "Rupfen" an der Plazenta veratmet, es war nicht so schlimm, wie ich dachte. Aber ich konnte nicht auf den US gucken; ich konnte keine Nadel in der Nähe meines Babys ertragen. ... wie sollte ich denn dann eine andere, viel schrecklichere Nadel ertragen können...? 36 Stunden müssten wir auf das erste Ergebnis warten.

Es folgten Zustände von Mattigkeit ("ich kann nicht mehr"), Resignation ("warum muss mir das alles immer passieren?"), Kämpfergeist (Mein Kind, ich glaube an dich, du bis fern von jeder Statistik"), Vorwürfe ("Warum spiele ich in meinem Alter noch Schicksal?" "Wie hochmütig und selbstsicher bin ich an die SS herangegangen?") und Verzweiflung ("Ich habe ihm mein Wort darauf gegeben, dass ich es dann nicht bekomme" "Ich schaffe das alles nicht") Und weinen, weinen, weinen.

Ich fuhr an einem Behindertenwohnheim vorbei, dass bei uns in der Nähe ist. Einige junge Menschen mit Down-Syndrom standen in der Sonne und aßen vergnügt ein Eis. An einem der Fenster des Wohnheims war ein Maibaum befestigt.

Wie kann ich sagen, dass dieses Leben nicht lebenswert ist?
Wie kann ich darüber richten, ob es lebt oder stirbt?
Wie kann ich mir das herausnehmen?

Wie Abends sagte ich meinem Freund: "Ein Mädchen! Und es sieht so perfekt aus!" Und ich habe meine Eindrücke von vor dem Behindertenwohnheim geschildert. Er sagte wenig. Er hatte Angst vor meiner Bindung. Bindung sei nie schlecht, sagte ich. Und seine Reaktion machte mir Angst. Was würde passieren, wenn ich es kriegen möchte und er nicht? Wäre ich dann alleinerziehend mit 4 Kindern von 2 Männern und eines davon behindert (meine ersten 3 Kinder sind aus 1. Ehe)? Könnte ich alle zusätzlichen Vorwürfe meiner katholischen Familie aushalten, die mich wegen meiner Trennung schwerst verurteilen und mir bereits gesagt haben, dass es besser für die Kinder ist, dass eine Frau tot ist, als dass sie getrennt ist?

Zum Glück hat mein Freund immer wieder Zuversicht ausgestrahlt. Ich habe ihn gefragt, ob er sich durch meine Reaktion betrogen fühlt. Und er hat mir gesagt, dass er versteht dass ich so reagiere. Dass er wahrscheinlich auch nicht anders könne als ich. Aber dass er - solange noch nichts feststeht - den Gedanken nicht an sich heranlassen wollte. Ich habe gesagt, dass ich mir nicht vorstellen kann, "danach" noch einmal schwanger zu werden, damit dabei ein Kind entsteht, dass unserem Lebensentwurf entspricht. Er hat es verstanden. Das hat mir wieder gezeigt, wie stark wir zusammen sind und mich bei aller Sorge beruhigt.

So konnte ich am gestrigen Nachmittag sehr lange schlafen.

Und gestern am späten Nachmittag kam der Anruf. "Wir können Entwarnung geben, keinerlei Anzeichen für chromosomale Anomalien"

Diesen Moment habe ich wie in Zeitlupe wahrgenommen.

Ein gesundes Baby. Mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht. Nur in einem: Es ist ein Junge ;-)

Mein - persönliches und natürlich nicht für jeden geltendes - Fazit ist jetzt:
Ich hätte mir vorher Gedanken machen sollen, ob ich in der Lage bin, das Leben eines Babys zu beenden. Für mich war es vorgestern definitiv kein Fötus, dessen Schwangerschaft ich beenden konnte. Es war für mich ein fertiger Mensch in extremer Abhängigkeit. Mit diesem Bewusstsein hätte ich mich in meinem Alter wahrscheinlich nicht mehr getraut, schwanger zu werden.
Die Liebe zum Kind ist unerschütterlich - egal, wie man sich entscheidet. Keine - ich bin mir sicher - keine Frau ist in der Lage, leichtfertig ein Leben in ihr zu beenden.
Eine Schwangerschaft ist eine Zeit der Demut.

Und - auch wenn ich ganz bald aus der katholischen Kirche austrete - ich danke Gott dafür, dass unser Kind gesund ist.

Habt vielen Dank für´s Lesen.

Ich wünsche euch alles erdenklich Gute.

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Die Tatsache,dass man mit 40 ein Kind plant und gleich dazu,dass man es abtreibt wenn es behindert ist (die Wahrscheinlichkeit ist ja dann nicht mehr so gering wie einige Jahre zuvor),finde ich persönlich ganz furchtbar und es erschließt sich mir in keinster Weise.
Aber dein Bericht ist sehr schön geschrieben,besonders die Wandlung deiner Gefühle während und nach dem Ultraschall #blume

"Auch wenn Down-Syndrom-Menschen gut leben könnten, seien sie doch "keine gesunden Menschen". Und wenn Geschwister da wären, wären die ja auch betroffen"

Auf der anderen Seite können Geschwisterkinder auch verdammt viel von ihnen lernen.
Es ist so Schade,dass Down-Kinder heutzutage immer noch als minderwertig und belastend angesehen werden und das gerade von Ärzten,die es besser wissen müssten.
Ich habe lange in einem Wohnheim für behinderte Menschen gearbeitet und kann dir sagen,dass Menschen mit Down-Syndrom nicht eine Sekunde darüber nachdenken,was normal ist,was sie nicht können oder wie sie angesehen werden.Sie werden nicht so alt wie nicht behinderte Menschen,sind entwicklungsverzögert,aber dafür genießen sie ihr Leben in vollen Zügen,haben teilweise ganz normale partnerschaftliche Beziehungen,sind frei von Vorurteilen und emotional so viel näher bei sich selbst als so mancher gesunde Mensch.

Ich freue mich,dass letztendlich alles so ausgegangen ist wie ihr es euch gewünscht habt und wünsche dir eine unbeschwerte,schöne Schwangerschaft :-)

liebe Grüße

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Da hast du absolut recht. So hatte ich das auch nicht vor. Es ist eher so, dass ich mich nach Jahren eines wenig gemeinschaftlichen Familienlebens so sehr nach einem liebevollen, gemeinsamen Familienleben gesehnt habe. Der Kinderwunsch ist, glaube ich, niemals rational und so sehr Herzensangelegenheit. Und gerade bei so etwas kann man Mechanismen entwickeln, die ausblenden, dass eine solche Situation entstehen könnte.
Und schwups ist man drin. So war es jedenfalls bei mir.

Auch deinen Schilderungen über die Lebensfreude von Menschen mit Down-Syndrom stimme ich dir absolut zu.

Lieben Dank für deine Rückmeldung und dir alles Gute!

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Sorry, was'n Bullshit - 40 und schwanger ist nicht gleich Trisomie, sondern eher Desinformiertheit.

Pack die Moralkeule und Deine sog. Pseudoreligiosität wieder ein und antworte am Besten nicht mehr auf solche Threads.

A.

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wurde bei dir denn auch blut abgenommen, denn die nackenfaltedicke alleine sagt doch noch gar nichts aus, sorry falls ichs vielleicht überlesen habe. Ich find es immer wieder schlimm, wenn Ärzte nur halb auskunft geben.

Trotz allem alles erdenklich gute und dass Deine SS weiterhing gut verläuft.

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Nein, das haben sie nicht. Die wollten keine Zeit verlieren. Und das hätte mir auch noch mehr Panik gemacht. Denn mein SS-Test war schon so früh positiv (s. VK) und mein doofes Halbwissen sagte mir, dass hohe HCG Werte entweder für Zwillinge, Mädchen oder Trisomie spricht. Was ja alles nicht zutraf.

Und bei dem Bluttest wäre bestimmt wegen des hohen HCG ein noch viel heftigeres Ergebnis herausgekommen.

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achso ok na dann :)

hmm das mit dem hcg wußte ich nicht. aber erklärt so einiges... bei mir war der Test auch sehr schnell positiv, mindestens 4 tage vor nmt schon absolut deutlich mit mittagsurin, deutlicher ging eigentlich nicht mehr. Leider endete es mit einem MA.

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Hallo,

das hast du ganz toll geschrieben und beschrieben....ich musste fast weinen und ich bin so froh für Dich, dass es positiv ausgegangen ist.

Auch ich habe zwei Kinder jenseits der 35 bekommen , auch ich sagte mir vorher, dass ich ein behindertes Kind nicht schaffe. Ich machte jedes Mal eine FU und jedes Mal hätte ich dir echt nicht sagen können wie ich mich entscheide!

Das Baby ist in der 18 SSW schon soooo gross und einzigartig.

Ich bin täglich so sehr dankbar, dass ich 4 gesunde Kinder habe!!!!

Ich wünsche Dir für deine weitere SS alles erdenklich Gute und dass du sie noch ein bisschen genießen kannst.

LG flhmummy

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DANKE!!!

Es freut mich, dass bei dir auch alles gut läuft!!!!

Alles Liebe!

5

#liebdrueck & #heul

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Danke dir!
#danke

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So ging es mir vor 13,5 Jahren.

Man geht durch die Hölle und manchmal Gott sei Dank unbeschadet zurück.

Bei mir brachte die Fruchtwasseruntersuchung Entwarnung ,die allerdings erst viel später gemacht werden konnte (19.SSW).

Ich drücke Dir von ganzem Herzen die Daumen.

LG#herzlich#winke

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Ach du je, da musstest du aber lange warten. Du Arme.
Ich freue mich, dass es gut gegangen ist!!!
Danke für´s Daumenhalten!!!

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Wow wunderschön geschrieben ... ich wünsche Euch alles alles Gute! Du bist eine wunderbare Mutter!

Liebe Grüße
Alex #klee

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Ooh, Danke - ob das meine Große aber auch so sehen, das mit der wunderbaren Mutter...? ;-)

Es tut supergut, dass du das schreibst.

Du hast dir ja ein ähnliches Patchworkprojekt wie ich vorgenommen. Ich wünsche dir von Herzen, dass ihr bald ein gesundes Baby in den Armen halten könnt.

Alles, alles Liebe!!!!

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Gott ist nicht katholisch ;-)

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Gottseidank #freu

12

Hallo,

und danke für deinen Bericht. Alles Liebe! #blume

Manja

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Dir auch alles Liebe!!!

... und was ist das ein süßes Bild von deiner Tochter.....!!!!!!

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Hallo,

Wow deine Geschichte hat mich tief berührt, deine Worte geben eine wahre Löwenmutter wieder / bevor ich das Ende gelesen habe wußte ich das es ein happy end geben wird

Ich Drücke dich ganz doll und unbekannterweise dafür das du das Wunder der Natur so annehmen wolltest wie es für dich bestimmt war.

Dein ungeborener Sohn wird sehr stolz auf deinen Mut sein ebenso wie du es auf deinen Freund sein kannst.

Ich wünsche euch eine unbeschwerte zeit

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Auch mein Freund hat sich über deine Antwort gefreut!!!!

Wahrscheinlich habe ich seine Gedanken und Gefühle in meinem Beitrag gar nicht treffend und passend formulieren können. Ich bin wirklich stolz auf ihn. Und sehr glücklich, ihn an meiner Seite haben zu dürfen. In diesem Mann steckt so viel Liebe, wie ich es mir nie habe vorstellen können.

Und ich habe mich auch sehr über deine Rückmeldung gefreut!!!

Ich wünsche dir alles Gute!!!