Meine kleine Geburt - Ein Erfahrungsbericht

Da ich selbst verzweifelt nach der Diagnose „Missed Abortion“ nach Erfahrungsberichten gesucht habe und verunsichert war, was mich eigentlich erwartet, möchte ich meine Erfahrung teilen.

Ich (36. J.) war in der SSW 8 als bei mir am 30.01. gegen 22 Uhr braune Schmierblutungen einsetzten. Diese waren nur leicht und nur beim Abwischen auf dem Toilettenpapier zu sehen. Obwohl ich wusste, dass das durchaus in einer Schwangerschaft vorkommen kann, war ich zutiefst beunruhigt. Ich hatte bereits am 28.01. zu meinem Lebensgefährten gesagt, dass ich mich nicht mehr schwanger fühle. Meine Brüste spannten nicht mehr, das Ziehen im Unterbauch war weg. Und plötzlich hatte ich Schmierblutungen. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass mit unserem Krümelchen etwas überhaupt nicht in Ordnung ist.

Ich rief daher am 31.01. sofort morgens bei meiner Frauenärztin an und fand mich dort um 10 Uhr zur Untersuchung ein. Ich erzählte ihr von den Schmierblutungen und sie meinte, dass „braun“ nicht unbedingt ein Grund zur Besorgnis wäre. Das wusste ich, fühlte mich aber nicht beruhigt. Bei der Untersuchung bestätigte sich dann auch mein Verdacht. Das in der SSW 6 noch schlagende Herz von meinem Krümelchen schlug ungefähr seit 3 Tagen nicht mehr. Heute glaube ich, dass ich dies am 28.01. schon gespürt habe.

Meine Frauenärztin informierte mich kurz und bündig, dass ich Abwarten oder mir Tabletten zur Beschleunigung in der Klinik aushändigen lassen kann. Sie drückte mir eine Überweisung für die Klinik in die Hand und 3 Minuten später stand ich vor der Praxis. Ich war so geschockt und fassungslos, dass ich nicht einmal weinte. Ich rief mit einem dicken Kloss im Hals meinen Partner an und fuhr nach Hause.

Mein Partner kam sofort von der Arbeit heim und war schon da, als ich zuhause ankam. Was folgte war der schlimmste Tag in meinem Leben. Das Loch, in welches ich fiel, war abgrundtief schwarz. Die Verzweiflung riesig. Wir hatten uns wahnsinnig auf unser Kind gefreut. Es war meine erste Schwangerschaft, ich war im ersten Versuch nach Absetzung der Pille schwanger geworden. Wir hatten uns bereits Kindergärten von außen angesehen, über unseren ersten Urlaub zu dritt gesprochen, unser ganzes gemeinsames Leben gesehen. Wir hatten Freunden und Familie davon erzählt, die sich unbändig mit uns freuten. Und das war von einem Moment auf den anderen weg. Ich konnte mir in diesem Moment nicht mehr vorstellen, dass man überhaupt nochmal glücklich wird. Dass wir nochmal glücklich werden. Um den Schmerz zu entkommen, wäre ich abends am liebsten vom Balkon gesprungen. Das bin ich natürlich nicht, aber die Trauer war übermächtig, genauso wie das Gefühl von Leere.

Was mir allerdings bereits unmittelbar nach der Diagnose klar war: „Ich will keine Ausschabung“. Alleine bei diesem Wort stellen sich mir die Nackenhaare auf. Ich wollte, dass Krümelchen mein Körper verlässt, wenn Krümelchen dafür bereit ist. Ich wollte nicht, dass man Krümelchen aus mir rausschabt. Und ich brauchte Zeit, mich an die Situation zu gewöhnen (kann man sich überhaupt an sowas gewöhnen?) und mich selbst zu verabschieden. Die folgenden Tage waren schwierig und tränenreich. Ich und mein Partner haben viel zusammen geweint und wir haben mit Freunden & Familie geweint.

Die braune Schmierblutung hielt am 01.02. an und am 02.02. kam morgens punktuell rötliches Blut hinzu. Schmerzen hatte ich keine. Die Tage verbrachte ich zuhause. Mein Partner und ich schrieben Krümelchen am 02.02. Abschiedsbriefe und packten eine Kiste mit Erinnerungen. Ich war bereit loszulassen, sprach mit meinem Sternenkind und ging abends mit meinem Partner in die Apotheke um mir Hirtentätschelkraut zu besorgen. Ich hatte in Foren gelesen, dass dies einen natürlichen Abgang unterstützen könnte. Rund 1 Liter des Tees trank ich abends, die Schmierblutung wurde nun vollends rötlich.

Am 03.02. hatte ich bereits morgens nach dem Aufstehen im unteren Rückenbereich ein schmerzhaftes Ziehen und im Unterleib Schmerzen. Beim Toilettengang gingen erste, sehr kleine Gewebestücke ab. Danach hörten die Schmerzen auf, die Blutung blieb und wurde mehr. Die Unterleibsschmerzen kamen unregelmäßig wieder, jedes Mal gefolgt von einem Abgang von Gewebestücken. Den Tee trank ich den ganzen Tag über. Ab 16.00 Uhr wurden die Schmerzen dann deutlich mehr, die Gewebestücke größer, das Blut tröpfelte aus mir raus. Sturzblutungen, wie sie häufig beschrieben werden, hatte ich nicht.

Als Kind der Nordsee hat Wasser seit jeher einen beruhigenden Effekt auf mich und wirkte schon früher schmerzlindernd. Ich ließ mir daher eine Badewanne einlaufen (ohne Badezusatz, nur heißes Wasser) und setzte mich bis zur Hüfte rein. Die Schmerzen wurden hierdurch deutlich erträglicher, hörten stellenweise ganz auf. Um 16.45 Uhr schrieb ich meinem Partner, ob er nach Hause kommen könne. Wir hatten schon vorher vereinbart, dass ich mich melde, wenn es losgeht und er dann heimkommt. Damit ich nicht alleine bin, denn davor hatte ich unfassbar Angst. Gegen 17.30 Uhr kam er zuhause an. Ich war zu diesem Zeitpunkt gerade nicht mehr in der Wanne, da die Schmerzen eine Pause eingelegt hatten. Ziemlich zügig nach seiner Ankunft, ging es allerdings wieder los. Ich hatte bis zu diesem Moment keine Schmerztabletten genommen. Zwar hatte ich welche zuhause, war aber fürchterlich verunsichert wie schlimm es wird und hatte Angst, dass ich dann ggf. schon zu viel genommen habe. Ich habe daher versucht die Schmerzen so lange auszuhalten, wie es machbar ist.

Die Schmerzen wurden dann auch so stark, dass ich nicht mehr gerade stehen konnte und vor mich hinhechelte und schwitzte. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass ich auf die Toilette muss. Kaum saß ich, verlor ich die Fruchthöhle (vermute zumindestens, dass es die war). Um die Schmerzen besser aushalten zu können, verkroch ich mich danach wieder in die Badewanne. Dort saß ich dann gut eine Stunde. Ich verlor die Plazenta (vermutlich) und weiteres Gewerbe in der Wanne. Mein Partner saß in dieser Zeit zwischen Badewanne und Toilette auf dem Fußboden. Während ich mit einem bedruckten Becher (nicht durchsichtig!) daumengroße Stücke von mir aus der Badewanne fischte, kippte mein Partner diese in die Toilette. In der Zwischenzeit hielt er meine Hand.

Kaum war alles raus, hörten die Schmerzen auf. Geschafft hatte ich es circa um 19.00 Uhr. Nach drei Stunden war der Spuk vorbei, ohne Schmerztabletten und irgendwie war ich stolz auf meinen Körper, der das alleine hinbekommen hat. Um 19.30 Uhr saß ich mit meinem Partner auf dem Sofa und aß Pizza. Ich hatte das Gefühl, ich wäre Marathon gelaufen und brauchte dringend etwas zu Essen. Die Tage davor hatte ich so gut wie gar nichts gegessen, weil ich einfach kein Essen runterbekam und nun kam der Hunger schlagartig. Mein Körper hat auch noch an diesem Tag sowie in den Folgetagen Gewebe abgestoßen. Ich selbst habe immer sehr gut gespürt, wann das eigentlich der Fall ist, da sich dies immer mit Unterleibsschmerzen angekündigt hat, die danach wieder vorbei waren.

Am 06.02. war ich in der Klinik. Eigentlich hatte ich diesen Termin bereits am 31.01. ausgemacht, um den Abgang mit Tabletten zu beschleunigen. Bei der Untersuchung wurde festgestellt, dass bis auf eine geringe Gewebeschicht alles abgegangen ist. Eine Ausschabung ist nicht notwendig. Die Ärztin gab mir die Tabletten mit, sagte mir aber auch, dass ich diese nicht zwingend nehmen muss sondern abwarten kann, ob der Rest von alleine abblutet (ggf. auch mit der nächsten Periodenblutung). Ich werde abwarten. Mein Körper hat das alles bisher so toll gemacht, ich vertraue ihm, dass er auch den Rest noch selbst regelt. In zwei Wochen habe ich dann Termin zur erneuten Kontrolle.

Ich bin froh, dass ich mich für diesen Weg entschieden habe und mir selbst die Zeit gegeben habe, die ich brauchte. Mein Partner war mir an diesem Tag und allen Tagen davor und danach eine riesige Unterstützung. Wir haben viel Zeit zusammen verbracht, haben gekuschelt, Spaziergänge gemacht und uns gegenseitig Halt gegeben. Und wir haben trotz allem auch miteinander gelacht. Wir haben uns immer gesagt und sagen es uns noch, dass unser Krümelchen nicht wollen würde, dass wir nur noch traurig sind und nicht mehr lachen. Und wir sind dankbar, dass wir Krümelchen hatten. Wenn auch nur eine sehr kurze Zeit. Und irgendwann werden auch wir neben unserem Sternenkind ein gesundes Regenbogenbaby haben, daran glauben wir ganz fest.

Mir persönlich haben in den letzten Tagen folgende Dinge, die ich teilweise schon erwähnt habe, sehr geholfen:

- Gespräche mit Freunden und Familie, gemeinsames Trauern und gemeinsames Lachen
- Nähe zu meinem Partner
- bewusste Verabschiedung von meinem Sternenkind
- Wärmflasche und Hirtentätscheltee
- Heiße Badewanne
- Always discreet Pants (ich habe sonst immer Tampons verwendet, an die Höschen konnte ich mich gut gewöhnen; brauchte ab dem 03.02. davon 2-3 pro Tag), gibt es auch von anderen Herstellern
- Iboprofen (habe ich erst nach dem 03.02. genommen)

Ansonsten würde ich noch den Tipp geben, nicht während des Abgangs von Gewebestücken in die Toilette zu sehen. Ich habe reingesehen und durch das "Reinplatschen" ist mir das Blut knapp unters Auge gespritzt. Da saß ich also wie ein einäugiger Pirat und mein Partner musste mit Waschlappen anrücken. So doof konnte irgendwie auch nur ich sein. Das Ganze war so absurd, dass wir tatsächlich beide lachen mussten. Aber Humor war schon immer meine Allzweckwaffe, auch in solch beschissenen Situationen.

Ich wünsche allen Frauen, die diesen Weg noch vor sich haben, ganz viel Kraft und dass sie ihren eigenen Weg finden, mit dem Verlust umzugehen. Und ich wünsche ihnen einen Partner wie meinen an der Seite. So dunkel sich alles auch anfühlen mag, am Ende des Weges ist auch immer Hoffnung. Alles Gute.

Ein Nordlicht mit Sternenkind an der Hand

„Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache.“

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Bei deinem Text musste ich jetzt erstmal wieder kurz weinen.
Danke für die Worte 🤍
Du bist eine unglaublich starke Frau.
Ich hatte eine fast gleiche Geschichte am 1.2. (habe auch durch den Tee „eingeleitet“ und mit einem heissen Bad unterstützt)

Es tut mir so leid, dass du da auch durch musstes.

Ich stelle mir vor, dass manche Seelen ein Leben zu 100 Prozent nur in Geborgenheit und Liebe leben wollen. Und dass daher manche dieses Leben wählen und dann wieder zu gehen. Denn Zeit ist relativ.
Ich bin dankbar, dass mein Körper das geschafft hat und dass er versucht hat, das Baby noch so lange zu halten und zu beschützen. Und es stärkt mich, wenn auch andere Frauen, wie du das so empfinden.

Du bist wirklich eine tolle und starke Frau, du hast einen Partner der mit dir da durch geht und ihr habt jetzt auch ein Engelchen, dass auf euch schaut 🤍

2

Danke für das Teilen deiner Erfahrung ❤️
Ich wünsche dir,dass du dich gut erholen kannst von allem und alles Gute für dich und deinen Partner ❤️🍀✨

3

Ein sehr starker Bericht, wie ich finde.
Ich habe mich letzte Woche für eine AS entschieden.
Ich arbeite im OP und hatte sehr große Angst davor gehabt. Manchmal ist es gar nicht unbedingt gut zu wissen, wie und was die da machen.
Ich wollte aber diesen Schlussstrich und nicht auf meinen Körper warten. Das entscheidet natürlich jeder für sich. Dein Beitrag macht Mut, dass man es seinem Körper aber durchaus zutrauen kann, darf und vielleicht sogar sollte.
Das mit dem Loch und dem Sprung vom Balkon kann ich so unterschreiben.
Ich bin im Moment noch in einer Phase wo ich denke das Leben ist einfach so unfair.
Wir sind nicht allein.
Danke für deinen Bericht und alles Liebe.