Arbeiten unter "Druck"

Hallo,

ich hatte vor ein paar Wochen schon mal geschrieben, dass mein 1.Klässler hier ein bisschen mit Unterforderung kämpft. Ich hab inzwischen Kontakt mit der Lehrerin gehabt und sie hat da jetzt mehr einen Blick drauf und gibt ihm spannendere Aufgaben, das hat die Motivation ungemein gehoben.

Aber durch die ganze Geschichte bin ich jetzt ein bisschen näher dran (im ersten HJ hat er die Hausaufgaben komplett in der Betreuung gemacht und ich hab nur ab und zu mal nen Blick drauf geworden, das 'lief' auch ohne mein Zutun). Aber jetzt habe ich noch eine Entdeckung gemacht: Sobald er ein bisschen unter Druck gerät, scheint er irgendwie 'Blackouts' zu haben. Sie haben in der Schule jetzt schon ab und zu mal Lernkontrollen geschrieben, da habe ich mich gewundert, dass da doch immer einige Fehler drin waren, bei Dingen, die er eigentlich konnte, hab das aber noch unter Unkonzentriertheiten verbucht. Jetzt konnte ich ihn mal zuhause beobachten bei Aufgaben, bei denen sie innerhalb einer Zeitspanne schauen sollen, wie viele Aufgaben sie schaffen. Da passieren ihm auf einmal total viele Fehler (z.B. ein ganzes Aufgabenpaket Plus statt Minus gerechnet) aber auch bei einer echt einfachen Aufgabe (richtige) Lösung hingeschrieben, wegradiert, nochmal hingeschrieben, wieder wegradiert, ... vor dem dritten wegradieren hab ich dann gesagt 'stopp, wir machen die Zeit mal aus ... was machst Du hier eigentlich?'. Er war total wirr und hat einen Moment gebraucht, bis er sich wieder sortiert hatte.
Was meint Ihr dazu? Im Moment (1. Klasse) ist es ja noch nicht so wichtig. Sollte ich das einfach mal laufen lassen? Verwächst sich sowas? Oder sollte ich eher schon versuchen, gegenzusteuern? Wenn ja, habt ihr Ideen, wie? Eigentlich ist er relativ selbstbewußt, dass er die Sachen kann, geht auch an die normalen Hausaufgaben eher mit so einer guten Mischung aus 'na das krieg ich ja wohl easy hin' und 'ich konzentrier mich halt mal, dann ist es eh schnell gemacht' ran. Auch dann passieren mal unnötige Fehler, aber da mach ich mir jetzt nicht so Gedanken. Dieses 'austicken' wenn die Stoppuhr läuft, bringt mich aber schon zum Nachdenken.

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Ich finde es nicht ungewöhnlich, wenn er unter Zeitdruck hektisch wird oder Schusselfehler macht. Das wird er lernen, dass es eben nichts nützt einfach fertig zu werden, sondern dass man es auch richtig machen muss.
Ist er denn sonst sehr ehrgeizig? Wie ist es beim Sport oder anderen Aktivitäten? Ist er da eher aufs "ordentliche Ausführen" konzentriert oder auf Schnelligkeit? Wird er sonst auch schnell hektisch in Wettkampfsituationen?
Eingreifen würde ich wohl nicht unbedingt, da das etwas ist, was er theoretisch von allein lernt.
Wenn ihn die Situation sehr belastet, er vielleicht sogar weint oder unruhig ist, dann könnte man überlegen, wie man ihn unterstützt...

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Er ist schon recht ehrgeizig, solche Panik-Reaktionen kenne ich aber nicht von ihm. Bei vielen Sachen ist es so, dass er - wenn er meint er kann sie nicht so gut wie er sollte - vollkommen das Interesse daran verliert/das einfach doof findet und nicht mehr macht oder nur noch betont unaufwändig macht. Auch bei Gesellschaftsspielen zum Beispiel ist er ein schlechter Verlierer, da kann es sein, dass er komplett ausrastet mit Spielfeld-umwerfe und ähnlichem. Daran versuchen wir zu arbeiten, indem wir viel spielen, ihn nicht mehr (wenig) schonen dabei und z.B. schon vorher ausgeben 'heute hat am Ende nicht nur der gewonnen, der das Spiel gewonnen hat, sondern auch der, der verloren hat und nicht ausgerastet ist '.

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Hi,
diese Lernkontrollen werden mMn nicht nur für die Abfrage des Wissenstandes genutzt, sondern auch zum Üben dieser Situation. Braucht er ohne Uhr für die gleichen Aufgaben wesentlich länger? Fehler passieren immer wieder mal, da so eine tickende Uhr wirklich Druck ausübt. Beobachte es weiterhin. Solange er, wie die Vorschreibering schon sagte, die anfängt sehr emotional zu werden (weinen, wütend werden....) würde ich keinen großes Tamtam machen. Vielleicht sprichst du mit ihm über Strategien? z.B. Aufgabe genau durchlesen, zuerst auf das Rechenzeichen achten. Schwere Aufgaben erstmal auslassen und zuerst die leichten Aufgaben machen und später auf diese zurückkommen..... Er ist in der ersten Klasse in einem verkorksten Schuljahr. Gib ihm Zeit sich daran zu gewöhnen.

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Wir haben auch viele Aufgaben wo eine Zeitangaben bei steht. Mein sohn arbeitet gut und konzentriert aber sobald ich die Zeit anmache steht er auch unter Druck und es läuft gefühlt nichts mehr richtig. Ich lasse die Stoppuhr einfach weg und gucke selbst auf die Uhr und sage ihm wielange er gebraucht hat wenn er es wissen möchte. Wer kontrolliert denn ob er die Aufgaben wirklich in der Zeit geschafft hat oder ob er mehr oder weniger Zeit gebraucht hat.

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Ja, ohne Zeitkontrolle macht er das super - und auch in einer guten Zeit. Wenn da Fehler passieren, sind das offensichtlich Flüchtigkeitsfehler. Ich mache mir auch weniger Gedanken drum, ob er am Ende bei den Lernkontrollen alles richtig hat oder nicht, die Lehrerin soll ja einfach sehen, was er kann und was nicht. Ich finde es eher entscheident, dass er den Anschluss nicht verliert - und davon ist er weit entfernt, es ist eher so dass er deutlich voraus läuft. Noten sind doch eigentlich erst viel später wichtig. Außer den Zeugnissen der zwölften und dreizehnten Klasse hat bei mir kein Zeugnis interessiert (und natürlich den Zeugnissen vor der Entscheidung Hauptschule/Realschule/Gymnasium). Also, geht es mir weniger drum, dafür zu sorgen, dass er konkret diese Aufgabe jetzt komplett löst, sondern ich war eher überrascht, dass er so total hektisch und panisch geworden ist. Und da ist mir halt der Gedanke gekommen, dass so ein Problem ihm ja ganz schön im Weg stehen kann. Ich kenn sowas von mir halt gar nicht, bin eher jemand, der zwar vor einer Prüfung vielleicht Lampenfieber hatte, währenddessen aber meistens in einen 'Tunnel' kam und total fokussiert gearbeitet hat. Bis dahin, dass mir dieser Tunnel-Zustand sogar Spass gemacht hat und ich das 'gerne' gemacht hab.

Mmmmhhh, vielleicht mach ich jetzt aber tatsächlich mal kein großes "Trara" drum, schau es mir aber genauer an und versuche ihm Strategien zu zeigen, wie er wieder ruhig wird. Dieses konzentrierte Arbeiten und ausblenden aller anderen Sachen kann er nämlich eigentlich schon auch (und ich hab mich bisher für ihn gefreut, dass er das auch hat, mein Mann zum Beispiel kann das gar nicht) - vielleicht war ich darum umso mehr überrascht, dass er es hier halt das krasse Gegenteil passiert ist.

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In der ersten Klasse sind viele Kinder (anscheinend) unterfordert. Es geht aber eben nicht nur darum, etwas schnell zu verstehen und anscheinend schon zu können, sondern eben auch darum, sorgfältiges Arbeiten zu lernen und so sicher in den Grundfähigkeiten zu werden, dass man auch schnell, oder wie du sagst, „unter Druck“ richtig arbeitet. Mein Kind liest für dich die dicksten Bücher, muss aber trotzdem die anscheinend öden Leseübungen in den Hausaufgaben machen, bei denen man zeigen muss, wie genau man liest.
Ich würde mich an deiner Stelle wieder etwas mehr zurücknehmen. Dein Sohn setzt sich jetzt vielleicht schon selbst unter Druck, weil er vermittelt bekommt, er müsse das doch eigentlich alles schon können-schließlich ist er ja „unterfordert“.
Lob ihn für sein Durchhalten in dieser anstrengenden Zeit, nimm ein bisschen den Fokus weg von den Aufgaben, er wird durch mehr Ruhe in der Sache und Übung diese Fehler bald nicht mehr machen.

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Hallo,

ich finde es super, wie viele Erwachsene Unterforderung bei Kindern als Pille-Palle abtun.

Wenn jemand mit Abitur tagaus tagein im Supermarkt Regale einräumen muss und sich beschwert, dass es öde ist, wird mit Verständnis reagiert und nicht gesagt, ach, stell' Dich nicht an, so lernst Du Strategien, wie Du am besten Nudelpakete stapelst und wie man eine Ameise benutzt. Das konntest Du ja vorher noch nicht.
In vier Jahren wird es interessanter.
So lange musst Du schon lernen, Dich zu gedulden.

Es gibt nicht umsonst bei Erwachsenen die Diagnose Bore Out.
Bei Kindern kann Unterforderung zu Depressionen, Leistungs- oder sogar Schulverweigerung führen.
Das sind die gleichen Symptome, wie bei ständiger Überforderung.

Sei froh, dass Dein Kind sich weder über-, noch unterfordert fühlt.
Dass es besser lesen kann, scheint es offenbar nicht zu stören.
Da kann ich nur sagen, Glück gehabt.

Unterforderte Kind sind auch nicht automatisch Hochleister. Da steckt nicht selten mehr hinter, was einen Haufen Probleme verursacht.
Mit einem Otto-Normal-Kind kommt man häufig einfacher durch die Schule.

LG

Heike

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Unterforderung ist nicht gut, das stimmt. Aber oft ist es nicht Unterforderung, was die Kinder erleben, die Eltern sehen es aber so.
Ich bin nicht in allen Punkten ein Fan unseres Schulsystems und kann mir auch bessere individuelle Förderung vorstellen. Aber sich selbst und vor allem dem Kind zu sagen, es sei unterfordert, ist trotzdem meist nicht zielführend.
Tut mir leid, wenn ich bei dir einen wunden Punkt getroffen habe.

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Ich kenne das nur zu gut von beiden Kindern (mittlerweile 4. und 7. Klasse).
Unser großes Kind hatte das schon in der Grundschule und auch jetzt noch. Es schaltet dann wie in einen "Panik"-Modus. Den 100%igen Schlüssel hierfür haben wir noch nicht gefunden, was ihm helfen kann, aber ich versuche mit Atem- und Entspannungsübungen hier gegen zu wirken und ihn mit Arbeitsstrategien zu stärken. Also mal bewußt zwischen den Aufgaben richtig durchzuatmen, so a la wieder eine Aufgabe geschafft. Die Aufgabe lesen, nochmal lesen und wichtiges markieren.
Ihm wird das gerade auch bewußter, dass er da in einen anderen Modus kommt. Vorher hat er das oft gar nicht bemerkt. Er war aber von klein auf perfektionistisch und macht sich da halt oft selbst den Druck.

Unsere Jüngere passt von der Beschreibung sehr zu deinem Kind. Sie ist ein aufgewecktes, wissbegieriges Kind und hatte sich schon vor der Schule lesen beigebracht. Immer sehr schnell mit ihren Aufgaben fertig. In der gesamten Grundschule immer etwas unterfordert und leider sind da die Lehrer bis auf den letzten überhaupt nicht drauf eingegangen.
Daher hat sie sich schon viel gelangweilt und musste nie viel nachdenken. Dadurch passieren ihr in den Proben auch immer wieder Schusselfehler und so ist es statt einer 1, oft ne 2 oder auch mal ne 3. Sie ist also ne gute 2er Schülerin, aber der Lehrer sagt immer, " ich sehe sie besser".(was ich bei ner guten 2er Schülerin echt lustig finde, die ist doch gut)
Bei ihr liegt es auch an den fehlenden Arbeitsstrategien, nochmal was kontrollieren, richtig lesen und nicht nur überfliegen. Daher versuche ich bei ihr auch, ihr Arbeitsverhalten zu verbessern. Und ich bzw. auch der Lehrer hoffen, wenn die Aufgaben schwerer werden, dass es dann von allein besser wird.

Also versuch ihm den Druck zu nehmen, es muss später nicht immer eine 1 sein und leg den Fokus nicht nur auf das Wissen, sondern auf die Arbeitsstrategien und Ruhig bleiben.
- Aufgaben gut und genau lesen
- Geschriebenes nochmal lesen und kontrollieren
- hab ich alles gemacht
- und dazwischen lächeln und durchatmen :-)

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Die Fragen sind: wo es herkommt, was es mit ihm macht? Wie geht es ihm damit?

Manches verwächst sich.
Manches kann man durch üben hinbekommen. Zeitdruck in überschaubarem Rahmen und dann steigern.
Manches sollte man genauer beobachten und ggf. um Rat fragen bzw. gegensteuern.

Ist er sehr perfektionistisch?
Setzt er sich selbst unter Druck?
Hier wäre ich achtsam und würde mit Lehrerin Rücksprache halten.

Ist es gesunder Ehrgeiz, mit leichter Perfektion?
Dann kann ich mir eine Mischung aus verwachsen und üben vorstellen.
Üben nicht im Sinne von trainieren, bis es passt. Sondern im Sinne von spielerisch unter Zeitdruck kleinere! schaffbare Situationen gestalten. So, dass er einige davon sehr gut schafft und manche davon knapp, mit Erfolgserlebnis.
So, dass er Routine in stressigen Situationen bekommt. Dann, wenn es um "nichts geht".

Hat er Angst vor der Reaktion?
Angst jemanden zu enttäuschen? (Eltern, Lehrer etc.)
Da sind Gespräche wichtig.

Hat er Angst? (Versagen, Reaktion, dass was passiert, nicht gut genug zu sein, Frust nicht aushalten)
Da drüber sprechen.

Fehlt ihm wirklich nur die Routine in Situationen mit Zeitdruck damit umzugehen?
Mut machen
harmlose Situationen zum Üben ermöglichen
Eigenen Zeitdruck ansehen und beleuchten.
In meinem Umfeld gab es die "in der Ruhe liegt die Kraft" Erwachsenen
Stress-Erwachsenen, die ziellos 1000 Dinge taten, was kaputt ging (bei manchen funktionierte es, bei anderen nur, wenn jemand sie unmerklich lenkte)
Kopf in den Sand stecken
usw.
Es gibt auch für Erwachsene sehr unterschiedliche Arten mit Zeitdruck umzugehen.

Manchmal kann es helfen, sich selbst zu beobachten. Was davon ist abgeguckt.
Eine Person warf mir immer vor, ich wäre hektisch. Nun, im Grunde reagierte die Person selbst hektisch und ich versuchte in ihrem kopflosen kreisen irgendwo Halt zu finden.

Es kann aber auch einfach charakterlich sein.
Bzw. welche Erwartungen hat er an sich selbst.


Bei mir ist es z.B. so, dass ich bei einfachen Aufgaben mehr Fehler mache.
Da mache ich mir mehr Druck, "peinlich" wenn ich es nicht schaffe.
Bei komplexeren Aufgaben bin ich gelassener. Warum soll ich eine Knobelaufgabe schaffen, die für drei Klassen über mir noch schwierig ist? Wenn ich es schaffe, prima. Wenn nicht: andere haben es auch nicht geschafft.


Zuerst würde ich auch mit der Lehrerin sprechen.
Wie schätzt sie es ein?
Gibt es Hinweise darauf, was ihm helfen könnte? Was zu ihm passen könnte?

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Hallo,

ich kenne das von mir selbst.
Wenn es auf der Arbeit richtig hektisch wird, läuft bei mir gar nichts mehr. #schwitz

In der Schule war mir aber bewusst, dass mir die Zeit in Klassenarbeiten normalerweise ausreichte. Da war das kein Problem.
Hektisch wurde ich da nur, wenn ich merkte, dass ich bei bestimmten Aufgaben nicht auf die Lösung kam.

Für Deinen Sohn ist die Erfahrung mit der Stoppuhr neu.
Ich denke, er wird auf Dauer seine Geschwindigkeit besser einschätzen können und dann weniger hektisch agieren.

Ich würde es mal so herum probieren, dass ich die Zeit laufen lasse ohne ihm Bescheid zu sagen, und sie stoppe, wenn er fertig ist.
Dann würde ich ihm sagen, dass er die Aufgaben in Zeit x geschafft hat, was wahrscheinlich in der Zeit ist, die er brauchen darf, so wie Du ihn beschreibst.
So lernt er, sein Tempo einzuschätzen.

LG

Heike