Kind macht sich Druck

Hallo zusammen,

meine Tochter (gerade 7 geworden) geht in die 1. Klasse. Wir hatten nun das erste Elterngespräch, bei dem herauskam, dass sie in der Schule sehr angespannt und ernst wirkt. Sogar mit der Aussage, es würde ihr gut tun, wenn sie sich nachmittags mal mit Freundinnen trifft, damit sie Spaß hat #augen - Zu Hause geht alles locker und lustig zu und sie ist ein fröhliches Kind.

Es kam also heraus, dass sie sich selbst sehr viel Druck macht. Sie meldet sich nur, wenn sie etwas 1000% weiß, sie ist geknickt, wenn sie etwas falsch gemacht hat usw. Zudem bekommen ihre Mitschüler an ihrem Tisch immer mal einen Rüffel, wenn sie nicht anfangen ihre Aufgaben zu erledigen, obwohl die Lehrerin das gesagt hat #schwitz d.h. sie nimmt das alles SEHR ernst. Sie ist auch sehr gut und schnell und zieht daraus ihre Bestätigung.

Auf Nachfrage von mir antwortet meine Tochter, dass sie ja alles richtig machen möchte.

Im Grunde war sie natürlich schon immer so. Auch im Kindergarten, aber das fiel es noch nicht so auf. Da gab es ja keine Aufgaben, aber auch hier wollte sie z.B. beim Malen in ihren Augen alles perfekt haben.

Wer hat auch so ein Kind und wie geht ihr damit um? Gerade wenn es Richtung Zensuren geht, kann das heikel werden, meint auch die Lehrerin, denn man kann nicht immer eine 1 oder 2 schreiben.

Natürlich versuche ich uns/mich selbst zu reflektieren und bin ich mit ihr im Gespräch. Aber hier als Austausch und Input freue ich mich über Antworten. :-)

Bearbeitet von tanteelli
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Lobe für echtes Bemühen ("Ich finde es toll, wie du dich anstrengst!"), ignoriere die Ergebnisse des Bemühens. Kein dickes Lob für Einsen, keine Trauerfeier für die Tränen bei der 2 oder 3, nur in den Arm nehmen und Themenwechsel. Ab und an Lob für erkennbare Fortschritte in Bereichen, die ihr schwer fallen. Ruhig vor allem bei Außerschulischem. Lob für gefasstes Verhalten bei Misserfolgen (Sport...). Immer wieder besprechen, wie Lernen funktioniert an unverfänglichen Beispielen: Weißt du noch, wie du anfangs auf dem Rad immer gewackelt hast oder nicht freihändig um Kurven fahren konntest? Kannst du dich erinnern, wie schwer dir der das Schwimmen letztes Jahr noch gefallen ist? Gemeinsam Videos und Bilder der Lernschritte anschauen, Fehler als produktiv und wichtigen Lernschritt hervorheben. Überhaupt Fehler als was Positives sehen ("Oh, das habe ich falsch gemacht. Naja, macht nichts, damit habe ich jetzt immerhin gelernt, wie es richtig geht."). Vorbild für diese Haltungen sein.

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Vielen lieben Dank ♥️

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Tolle Tipps, vielen lieben Dank dafür #blume

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Hey unsere Tochter ist auch so. Ich würde sagen, nicht ganz so ernst, aber sehr korrekt. Das wussten wir ebenfalls schon im Kindergarten, haben damals schon geübt mal laut zu sagen "ich habe einen Fehler gemacht" und versucht, ihr beizubringen, dass das gar nicht schlimm ist. Sonst machen wir es echt so wie im anderen Beitrag beschrieben. Es ist ein Kampf, aber bringt Fortschritte. Sie ist auch in der ersten Klasse und beim ersten Flüchtigkeitsfehler bei einer Hausaufgabe hat sie geweint. Nun kann sie sowas ganz gut hinnehmen. Sie fasst alles schnell auf und es fällt ihr leicht, aber sie muss immer alles perfekt können. Wir verbieten ihr zu Hause auch oft Dinge wegzuradieren, die sie in ihren Augen nicht ordentlich genug gemacht hat.
Durch den Druck, den sie sich selbst macht, geht sie auch Wettkampfsituationen aus dem Weg. Sie muss in ihren Augen Erste sein, alles andere ist nicht gut genug. Dass das nicht immer funktionieren kann, ist klar.
Trotz aller Übungen, Bestärkungen usw. werden wohl Enttäuschungen bei Misserfolgen nicht ausbleiben, selbst bei kleineren. Gut ist, wenn man es weiß und darauf vorbereitet ist.

Liebe Grüße

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Vielen Dank für deine Antwort.

Mit dem Inhalt aus Selma‘s Beitrag muss ich mich noch in Ruhe auseinandersetzen / verinnerlichen / üben.

Aber tatsächlich hören sich unsere Töchter recht ähnlich an. Auch die Wettkampfsituationen beim Sport. Sie wollte letztens ihren Sport beenden. Ich denke auch, weil es sie sehr stresst, weil sie einige Sachen noch nicht so kann (wie andere) und sich wieder selbst unter Druck setzt. Und eigentlich soll es hauptsächlich nur Spaß machen.

Ebenso mit der schnellen Auffassungsgabe und der schnellen Umsetzung. Tatsächlich momentan in jedem Bereich. Sie geht dann mit sehr viel Ehrgeiz dran und übt und übt bis sie es kann. Ist ja grundsätzlich eine schöne Eigenschaft, nur manchmal ein wenig zu sehr.

Ich werde hier mehr mit ihr darüber reden.

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Ja unsere Tochter hat gerade auch alle sportlichen Aktivitäten abgebrochen, weil sie sich zu viel Druck gemacht hat. Wir suchen jetzt erstmal etwas ganz anderes, bei dem nur der Spaß im Vordergrund steht und nicht zu viele Vergleichssitiationen entstehen können.
Ich konfrontiere meine Tochter manchmal auch gezielt und kontrolliert mit Situationen, die ihr Probleme bereiten. Im Kleinen zum Beispiel: Bei der Anton App gibt es manchmal Spiele, bei denen man nach Zeit etwas lesen, rechnen oder sowas muss. Wenn man zu langsam ist, fällt zum Beispeil die Ralete runter und man hat einen Fehler. Das war und ist das absolute Grauen für sie. Die Aufgabe, die sie sonst ohne groß nachzudenken löst, wird auf einmal total schwer, weil die Gefahr besteht, etwas falsch zu machen. Wir führen sie schrittweise heran und bestärken sie in dem, was sie kann und versuchen gleichzeitig aufzuzeigen, dass Fehler nichts Schlimmes sind. Aber so insgesamt begleitet das die Kinder bestimmt noch eine Weile.

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Ich finde Selmas Antwort total super und schließe mich an.

Zusätzlich haben wir unserer sehr ehrgeizigen Großen quasi vom ersten Schultag an erklärt, dass "gut" in der Schule auch bedeutet, sich oft zu melden. Dass es also besser ist, auch mal was falsches zu sagen oder zu raten oder etwas zu vermuten... Aber die Lehrerin kann ja nicht sehen, ob sie aufpasst, also muss sie sich melden um zu zeigen, dass sie zugehört hat.

Das klingt jetzt komplex, aber unsere Tochter hat das schon in der ersten Klasse verstanden. Und dass es Kinder gibt, die gar nicht zuhören, hat sie auch schnell gemerkt... mit denen wollte sie nicht verwechselt werden.
Das häufige Melden brachte dann natürlich auch immer wieder Bestätigung - eine Grundschullehrerin reagiert ja in der Regel sehr empathisch auch wenn die Antwort falsch war - und das Kind wird sicherer und mutiger und merkt, das Fehler nicht schlimm sind.

LG

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Vielen Dank für deine Antwort. Das Thema hatte ich auch gestern Abend noch mit ihr. Ihr Wahrnehmung (was die Häufigkeit angeht) ist da eine andere als die Rückmeldung der Lehrerin. Da werde ich bis zum Ende des Schuljahres sicherlich mal wieder bei der Lehrerin nachhaken, ob sich hier etwas getan hat.

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Hallo!

Mein älteres Kind, mittlerweile in der 5. Schulstufe, ist da sehr ähnlich...

Ich schließe mich an. Selmas Hinweise sind wirklich gut und hilfreich!

Bei uns ist das große Problem das Umfeld. Schon in der Grundschule wurde von der Lehrerin Wert auf Fehlerfreiheit und gute Noten gelegt. Wie viel Mühe sich ein Kind gegeben hat, war leider egal. Das hat es für uns sehr schwierig gemacht. So schwierig, dass ich am liebsten jedem Bekannten den Mund zukleben würde, der meine Kinder zu Beginn der Sommerferien danach ausfragt, ob eh lauter Einser im Zeugnis stehen würden!

Es ist schon auch ein Charakterzug. Es lässt sich trainieren, aber wirklich weg geht es nicht. Also den Lehrern am Gymnasium fällt sehr wohl auf, dass mein Kind enttäuscht ist, wenn die Arbeit nicht fehlerfrei ist... Und das obwohl wir jahrelang schon reden, dass es auf Fehlerfreiheit, Noten usw. nicht ankommt.

In der Freizeit achten wir darauf, dass bei den (Vereins-)Aktivitäten der Spaß und das Miteinander, samt Ausprobieren von Neuem - inklusive Scheitern! - im Vordergrund stehen. So hat uns der Schwimmlehrer von einem Beitritt zum Schwimmverein abgeraten, weil das Kind mit der Konkurrenzsituation dort nur unglücklich geworden wäre. Aber wir haben Dinge gefunden, an denen das Herz hängt, wo der Fokus nicht auf Leistung liegt.

Wenn du magst, kannst du mir gerne eine PN schreiben.

LG
id

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Ich bin so ein Kind gewesen.
Für mich selbst war es unfassbar schlimm, wenn ich eine 3 hatte. Teilweise war ich sogar bei einer 2 richtig traurig und manchmal auch sehr wütend auf mich.
Meine Mama hat nie Druck auf uns ausgeübt und uns viel bestätigt. Bei meinen Geschwistern war das auch sehr fruchtbar und sie sind immer mit sich zufrieden gewesen. Bei mir hat es leider nicht geholfen. Ich wollte immer die Beste sein und war sehr sauer auf mich, wenn ich es nicht war.
Das ging bis zum Studienabschluss so und auch im Referendariat war es mir immer wichtig, dass meine Noten im oberen guten Bereich sind.

Warum ich so bin/war, wurde mir erst vor kurzem klar. Ich wollte meinen Papa für mich begeistern. Ich habe einen großen Bruder und egal was er macht, er war immer der Augenstern meines Vaters. Dann kamen meine Schwester und ich und auch meine Schwester wird heiß und innig geliebt. Ich bin wie meine Mama (Eltern sind geschieden) und kann machen was ich will, mein Papa mag mich einfach nicht so gern wie meine Geschwister. Ich dachte immer, wenn ich zu den besten gehöre, hat er etwas worauf er stolz sein kann.

Und ganz wichtig, ich kann es kontrollieren. Die Emotionen mir gegenüber kann ich nicht beeinflussen, meine Leistungen schon.

Bestätige dein Kind einfach, lobe sie viel und fang sie auf, wenn etwas mal nicht klappt. Es zählt die Bemühung und nicht das Ergebnis. Zeig ihr, dass eure Liebe nicht von ihren Leistungen abhängig ist.

Bearbeitet von Inaktiv
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Hallo!

Meine Tochter ist jetzt in der 3. Klasse (9 J.) und ist ähnlich wie Deine Tochter. Sie setzt sich auch sehr unter Druck. Sie spielt Klavier und auch da macht sie sich sehr viel Druck. Wenn sie ein neues Stück lernen soll, sitzt sie oft da und fängt an zu zicken oder zu heulen und sagt, dass sie es nicht kann. Ihre Klavierlehrerin ist total begeistert von ihr. Sie sagt, sie hat noch nie so ein fleißiges Kind gesehen. Naja... was soll man da machen? Einerseits ist es auch schön, dass sie so ehrgeizig ist.

Am Sonntag saß sie 3 Stunden allein in ihrem Zimmer am Schreibtisch und hat ihr Referat über Fliegen gemacht und das auch noch in russisch. (sie lerne russisch als Fremdsprache) Also wird aber zweisprachig erzogen. Deutsch ist die 1. Sprache und Russisch die 2. Sie geht auf eine Deutsch-Russische Grundschule.

Wenn sie aber mal eine 3 schreibt, kommt sie gut damit zurecht. Ich habe ihr auch erklärt, dass mir Noten nicht so wichtig sind, sondern, dass sie das Thema versteht.

Naja, sie ist halt so wie sie ist... wir machen ihr keinen Druck!

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Unsere Jüngste (3. Klasse) ist auch so.
Sie war schon immer jemand, der sich an Regeln hält, alles 1000% richtig machen möchte, Angst hat vor Ärger oder was falsch zu machen.
Sie will unbedingt auf die Schule ihrer großen Geschwister, dazu benötigt sie eine uneingeschränkte Gymnasialempfehlung. Das weiß sie, und das macht es nicht besser. Diese Woche kam die Diagnose LRS, was sie mächtig aus der Bahn geworfen hat.

Unsere Älteste war ähnlich, aber nicht ganz so krass.

Wir sind mit unserer Tochter ständig im Gespräch, sagen ihr, dass es völlig egal ist auf welche Schule sie geht. Sie macht überall ihren Weg. Wir zählen ihr auf, was wir konnten oder nicht konnten. Was sie schon alles geschafft hat von dem sie dachte dass das nie klappt (schwimmen, Fahrrad usw.).
Wir loben ihre Mühe und nicht nur gute Noten. Gerade kam sie in einem Test mit einer drei nach Hause. Da bricht für sie eine Welt zusammen.

Wir reden ihr also immer gut zu.
Sagen ihr natürlich, dass sie gut ist wie sie ist und es nicht auf die Noten im Leben ankommt. Unser Problem ist, dass die zwei Großen schulisch mega sind. Bei ihr können
Wir (erstes Zeugnis vor einer Woche) auch nicht meckern. Aber es ist ein Unterschied zu den anderen zweien, die wir immer überschwänglich gelobt haben.

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Hallo tanteelli,
Dein Beitrag kommt mir sehr bekannt vor.
Mit meiner Tochter haben wir jahrelang das selbe "durchgemacht". In der ersten und zweiten Klasse war alles noch einigermaßen im Rahmen, aber in der dritten Klasse ging es los.
In dieser Zeit beginnt ja die "Vorbereitung" aufs Gymnasium und das war bei meiner Tochter das absolute Ziel. Sie hatte nur noch Druck und MUSSTE gute Noten schreiben. Es kam soweit, dass eine zwei in ihren Augen schon eine schlechte Note war. Auch Regeln mussten immer befolgt werden und mal fünfe grade sein lassen war nicht drin.
Ich muss dazu gleich sagen ,dass sie weder von meinem Mann noch von mir jemals auch nur im Ansatz irgendwie das Gefühl vermittelt bekommen hat, dass WIR das von ihr verlangen.
Die Schulpsychologin hat meine Tochter dann ein paar mal aus dem Unterricht genommen und Gespräche mit ihr geführt.
Die Lehrerinnen meiner Tochter und wir Eltern hatten auch Gespräche alleine und zusammen mit meiner Tochter.
Wir haben dann die dritte und vierte Klasse ganz ok über die Zeit bekommen, der Druck war aber immer noch da und sie hat die Grundschule in allen Fächern mit einer 1 abgeschlossen.
Im Gymnasium ging das erstmal eine Zeit lang so weiter. Der innere Druck wurde aber immer schlimmer, es kam soweit, dass wir jeden Sonntag Abend Tränen hatten, nach den Ferien war es am schlimmsten.
Meine Tochter wurde immer in sich gekehrter und fröhlich war sie nur noch selten.
Irgendwann wurde das zu viel und mein Mann und ich wussten nicht mehr weiter. Ich habe mich dann auf die Suche nach einem Kinder- und Jugendpsychologen gemacht und auch einen tollen gefunden.
Da ging meine Tochter dann regelmäßig hin und es wurde besser!!
Er konnte ihr zeigen, dass nicht nur Noten und Schule wichtig sind, sondern dass es im Leben noch viele wichtigere Dinge gibt. Das jetzt nur als Kurzfassung...
Dann kam der erste Lockdown und damit war die "Therapie" erstmal vorbei und der Lockdown kam für uns damals genau zum richtigen Zeitpunkt.
Sie hat sich gefangen und konnte wieder durchatmen und auch wieder lachen.
Vorletztes Jahr hat sie dann im Herbst selber gemerkt, dass sie wieder anfängt sich so richtig Druck zu machen. Sie kam dann zu mir und meinte sie braucht mal wieder einen Termin mit dem Psychologen. Wir haben dann gleich reagiert und sie ging für drei Monate wieder dorthin.
Jetzt ist sie fast 16 und in der zehnten Klasse und wir können erleichtert aufatmen.
Es ist alles gut!!! Sie möchte zwar immer noch gute Noten und ist fleißig und ehrgeizig. Aber alles im Rahmen.
Letztens hatte sie sich für Musik überhaupt nicht vorbereitet und in einer Ex eine fünf geschrieben. Das war für sie völlig ok und sie hat es unter "blöd gelaufen" abgespeichert. Kannst du dir vorstellen, was das für ein Gefühl für mich war #freu?
Wir haben es also erstmal geschafft, es war kein leichter Weg, aber wir sind im Moment drüber weg.


Ich drücke Euch die Daumen!
Man kann nicht immer perfekt sein und das soll man auch nicht!
Deine Tochter sollte das schnellstmöglich verinnerlichen, den Weg den wir gegangen sind wünsche ich euch nicht.
Liebe Grüße Julia

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#herzlich Nur kurz an alle, die mir geantwortet haben. Vielen Dank!

Es ist schön zu lesen, dass auch andere dieses "Problem" kennen und ich nehme einiges mit aus euren Erfahrungen und Meinungen. Ich werde viel mehr mit ihr darüber reden und mir auch ihre Sorgen anhören. Ich bin guter Hoffnung, dass wir das hinbekommen. #herzlich