Gleichberechtigte Elternschaft - ein echter Kampf?

Hallo,
Ich bin mal auf der Suche nach Erfahrungsberichten und Tips. Mein Partner und ich haben eigentlich den Anspruch, dass wir uns gleichberechtigt um unseren Sohn (4 Mo) kümmern. Er war den ersten Monat Zuhause und nimmt ab 7 Monaten nochmal für 6 Monaten Elternzeit, derzeit bin ich Zuhause, fange aber nächste Woche auch wieder an 1-2 Nachmittage wöchentlich zu arbeiten. Nun ist es so, dass mein Freund im Home Office arbeitet mit recht flexiblen Arbeitszeiten und wirklich trotz Arbeit sehr präsent ist. Wir haben uns auch zwischenzeitlich abgewechselt, das Kind ins Bett zu bringen (habe dann davor noch gestillt) und der Vater gibt dem Kind meist einmal am Tag eine Flasche, damit er daran gewöhnt ist. Das ins-bett-bringen vom Vater war nicht immer einfach, aber seit ich nun eine Woche allein mit dem Kind verreist war, lässt sich der Kleine nicht mehr von ihm ins Bett bringen. Und das, obwohl wir danach noch eine Woche zusammen im Urlaub waren. Tagsüber draußen kann er ihn völlig problemlos meist zum schlafen bringen, in der Trage beim Papa schläft er auch problemlos ein, seit paar Tagen ist es aber auch nachmittags zuhause schon in manchen Situationen echt schwierig und der Kleine scheint sich nur bei mir zu beruhigen. Heute war ich mal zwei Stunden aus dem Haus und der Kleine hat nach einer Stunde angefangen, wirklich sehr zu schreien. Als ich dann nach Hause kam, hat er sich eigentlich auch direkt beruhigt, aber noch etwas geschluchzt. Mir wird richtig schlecht, wenn ich ihn schon aus der Entfernung weinen höre. Ab nächster Woche wird das aber ja Realität sein. Ich bin eigentlich davon überzeugt, dass ein Kind mehrere Bezugspersonen haben kann und mein Freund ist wirklich sehr liebevoll mit dem Kind, aber dieser ständige Kampf, dass Vater und Kind auch alleine gut klarkommen ist echt zermürbend. Gibt es hier mutmachende Erfahrungen oder Tipps von Menschen, die das ähnlich handhaben? Sorry für den langen Text!

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Einen Tipp habe ich nicht, aber das gleiche haben wir hier auch. Mein Mann arbeitet aber auch viel, und sieht unseren kleinen (3,5 Monate) wenig. Trotzdem ist er ein guter Vater und mein Sohn freut sich ihn immer zu sehen. Aber wenn er dann abends zuhause ist oder seine freien Tage hat, klappt irhendwie nichts 😒
Nur ich alleine kann ihn ins Bett bringen, mein Mann bekommt es nicht hin, das endet meist in Geschrei, weil der kleine bei ihm nicht einschlafen möchte. Also muss ich letztendlich wieder ran. Das gleiche Thema mit der Flasche. Eigentlich hat mein Mann ihm von Anfang an auch gelegentlich die Flasche gegeben, jedoch in letzter Zeit nimmt unser Sohn nur die Flasche von mir. Hat mein Mann dann mal frei, und ich gehe eben Einkaufen oder sonst was, dann kommt nach 45 Minuten spätestens ein Anruf, dass der kleine schreit oder weint, dass er es nicht hinbekommt ihn zu beruhigen und bittet mich, nach Hause zu kommen. Fahre also nach Hause, und 5 Minuten später ist dann wieder Ruhe. Mein Mann achtet leider auch überhaupt gar nicht auf Anzeichen wie Hunger, Müdigkeit oder so. Wenn er ihn mal übernimmt, dann endet das oft in weinen doer quengeln, weil er ihn halt einfach nur bespast und eben überhaupt nicht drauf achtet, wann er denn Hunger hat oder ins Bett gehört. Das muss ich ihm ständig sagen, dabei ist er doch genau so der Vater.
Es stört mich irgendwie schon und es belastet mich auch, dass ich für alles irhendwie verantwortlich bin bzw nur bei mir klappt, und bei meinem Mann nicht, und dass ich letztendlich doch wieder ran muss. Würde mir auch mal wünschen, dass unser Sohn die Flasche von ihm nimmt, dass mein Mann unseren Sohn auch zu Bett bringen kann, dass er auch mal länger als eine Stunde alleine auf ihn aufpassen kann, dass er auch mal alleine Entscheidungen treffen kann usw. 😒

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"Fahre also nach Hause, und 5 Minuten später ist dann wieder Ruhe. Mein Mann achtet leider auch überhaupt gar nicht auf Anzeichen wie Hunger, Müdigkeit oder so. Wenn er ihn mal übernimmt, dann endet das oft in weinen doer quengeln, weil er ihn halt einfach nur bespast und eben überhaupt nicht drauf achtet, wann er denn Hunger hat oder ins Bett gehört. Das muss ich ihm ständig sagen, dabei ist er doch genau so der Vater. "

Das ist aber ein hausgemachtes Problem, denn du kommst ja, wenn er ruft. Wir hatten bzw. haben ein ähnliches Problem: Mein Freund kann unser Kind schlechter "lesen" als ich. Es hat sich bedeutend gebessert, nachdem ich ihm immer gesagt habe was gerade los ist (Hunger, müde, langweilig), er aber reagieren musste. Meistens hat er ganz verdutzt gefragt, woher ich das denn weiß. Dann habe ich ihm erklärt, wie ich drauf komme bzw. woran ich das erkenne. Die "Arbeit" lag trotzdem bei ihm. Mittlerweile (das Kind ist 12 Monate) klappt das bedeutend besser. Das liegt auch daran, dass ER sich schlau gemacht hat und mal im Internet geguckt hat was im jeweiligen Alter entwicklungstechnisch los ist und was man tun kann. Ich habe hier einen Austausch auf Augenhöhe gefordert, eben weil ich nicht diktieren wollte, was wir machen. Seitdem wir uns abstimmen können und uns gegenseitig nach unserer Einschätzung fragen, läuft es hier verdammt gut. Nimm ihn also mehr in die Pflicht und erlöse ihn nicht immer aus der Situation. Euer Kind hält es auch mal aus unzufrieden zu sein. Im Prinzip gibt es ja in dem Alter nur drei Sachen die sein können und die könnte er sogar ganz ohne Empathie abklappern (Hunger, Müde, kuscheln - wobei bei letzterem beiden tragen helfen würde).

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Das klingt echt gut bei euch. Fand dein Mann das nicht "bevormundend"? Meiner ist leider eher schlecht darin, solche Tipps anzunehmen. Muss ich vielleicht nochmal ansprechen, dass wir mal so richtig "üben". Mein Mann ist auch schnell genervt wenn das Baby weint und wenn ich dann mit Tipps komme ist er gleich überfordert und fühlt sich sozusagen von allen Seiten kritisiert... Wenn es mir zulange dauert und er sich blöd anstellt werde ich zugegebenermaßen auch manchmal böse, weil ich ja nicht will, dass unser Kind darunter leidet. Mein Mann braucht halt echt manchmal so detaillierte Angaben wie trösten = auf den Arm nehmen, Rücken tätscheln, pscht machen, rumlaufen,... von alleine macht er das fast nie, guckt nur doof das weinende Baby an und hofft, dass es von alleine aufhört?!

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Ich kann die kurz aus unserem Beispiel erzählen. Ob es uns gelingt wirklich gleichberechtigte Eltern zu sein, daran zweifle ich an manchen Tagen mehr an anderen weniger.
ABER
Als unser Sohn 6 Monate alt war, haben wir getauscht: ich ging arbeiten, mein Mann war in Elternzeit. Ich ging den ersten Tag mit mulmigem Gefühl aus dem Haus. Hatte einen Tagesablauf notiert. Und viel Vorbereitet um es den beiden so einfach wie möglich zu machen.
Als ich circa 6 Stunden später wieder kam, war der Tagesablauf zumindest partiell über den Haufen geworfen und ich musste akzeptieren: mit Papa läuft das anders. Aber mein Sohn war glücklich, hatte zwei Stunden im Kinderwagen geschlafen ( statt 30 Minuten in der Trage mit mir) bekam gerade seinen Mittagsbrei (fast zwei Stunden später als bei mir) und der Papa berichtete fröhlich von ihrem ersten Tag zusammen.

Es beruhigt mich seit dem immer wieder, dass ich weiß: die kommen auch ohne mich zurecht. Wenn ich nicht da bin, darf mein Mann den Kleinen sogar ins Bett bringen, was sonst fast nie funktioniert. Wenn ich nicht da bin, spielen sie Ball, bauen Duplo, tanzen zu Kindermusik.
Wenn ich da bin, sieht die Welt oft anders aus. Aber ich glaube, das ist irgendwo auch normal. Nicht nur mein Sohn, auch mein Mann verhält sich anders, wenn ich dabei bin.

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Das ist bei uns auch so. Ich würde das allerdings nicht unter dem Titel (nicht) gleichberechtigte Elternschaft sehen. Das würde für mich bedeuten, dass man die Situation selbst aktiv verursacht hat. Ich bin mir da aber keiner Schuld bewusst. Mein Sohn hat mich nunmal zur primären Bezugspersonen auserkoren. Ich denke, das hat viel mit dem Stillen zu tun sowie mit der Elternzeit und es nervt mich oft unendlich. Ich hoffe, dass es mit zunehmendem Alter besser wird. Bisher (7,5M) leider kaum.

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Wir haben auch lange daran gearbeitet, dass Papa sie abends ins Bett bringen kann. Anfangs klappte es toll genau wie bei mir, dann, von jetzt auf gleich war es nicht mehr möglich! Keine Ahnung warum. Wir haben dann zwei Wochen Pause gemacht und es wieder probiert. Aber die Phasen kamen jetzt mehrfach und gerade klappt es total super. An Tagen wo er viel außer Haus war, klappt es eher nicht. Verbringt er viel Zeit mit ihr, klappt es super. Wir haben zeitweise zu zweit ins Bett gebracht und langsam die Rollen getauscht. Jetzt beim letzten Mal hat er erst Tagsüber die Schläfchen begleitet und jetzt klappt abends toll.
Er hat übrigens seine eigene Art sie zu halten. Bei mir liegt sie immer in der Wiegehaltung, bei ihm im Fliegergriff. Mal klappt es im Kinderzimmer, mal im Schlafzimmer.
Theoretisch ist es nicht dein „Kampf“ sondern seiner. Ich würde auch nicht mit dem Gedanken an einen Kampf daran gehen: lass die beiden viel Zeit miteinander verbringen und er hat ja schon seinen Weg gefunden, es wird immer Phasen geben, in denen ein Elternteil favorisiert wird.
Wir haben aber die Abmachung, dass wenn ich da bin und sie schreit, ich „dazwischen gehe“ wenn ich es nicht mehr aushalten kann. Inzwischen mache ich das aber sehr sehr selten.
Also: Es ist vollkommen normal, es wird besser, es wird wieder schlechter. Macht es nach Bauchgefühl: keiner muss irgendwo durch, weil das so ist. Jeder hat seine Grenzen: du, der Papa und dein Kind. Erkennt sie und dann klappt euer Plan bestimmt.

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Lustig, ich habe vorhin noch daran gedacht, wie es Dir wohl geht, und wollte Dir mal wieder schreiben 😊

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Bei uns hat es mit dem gleichberechtigt Eltern sein gut funktioniert. Die Elternzeit haben wir ähnlich aufgeteilt und danach beide Teilzeit gearbeitet. Klar, die stillende Mutter ist immer Nummer eins, aber Nummer zwei kann trotzdem auch gut akzeptiert werden. Wir machen das jetzt - mit unterschiedlichen beruflichen Konstellationen - seit 2,5 Jahren und haben für uns festgestellt: Es klappt deutlich besser, wenn jeder Elternteil mindestens einmal die Woche richtig lang weg ist bzw. wirklich nicht zur Verfügung steht (am besten mindestens 8h). Das heißt bei euch: Damit der Vater akzeptiert wird und sich in seiner Rolle auch wohl fühlen kann, reicht es nicht, wenn er oft da ist, sondern du musst weg. Das geht durch das Stillen am Anfang noch nicht so gut, aber je mehr du wieder arbeitest, desto mehr ergibt sich das von alleine. Da würde ich sehr versuchen drauf zu vertrauen. Euer Baby wird schnell lernen, dass der Vater nicht nur die zweite Wahl, sondern an manchen Tagen die einzige (und ebenfalls gute) Wahl ist. Und wenn das Einschlafen sonst nicht funktioniert, muss halt in den Schlaf getragen werden. Die beiden werden schon ihren eigenen Weg miteinander finden, müssen da aber erst richtig rein wachsen.

Wir hatten aber tatsächlich auch mal so eine Situation nach einer Reise, dass der zu Hause gebliebene Elternteil abgelehnt wurde. Das hat sich aber nach ein paar Tagen wieder gelegt. Also ich glaube das wird schon wieder!

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Schön, dass es so gut bei euch klappt. Habt ihr den Elternzeit-Übergang irgendwie stückweise "trainiert" oder einfach gemacht? War es dann auch so, dass das Kind dann auch mal echt länger geschrien hat? Ich schwanke immer daran, dass man dem Kind das schon zumuten kann, da er dann ja die ganze Zeit auf dem Arm vom Papa ist und der sehr liebevoll ihn (teilweise leider weniger erfolgreich) versucht ihn zu beruhigen, und darin, dass ich natürlich das Kind nicht schreien lassen will. Gleichzeitig hat mich das Kind natürlich in der Summe gerade anfangs auch immer wieder angeschrien und wir mussten unseren Weg damit finden. Immer direkt einzugreifen, verhindert ja auch irgendwie, dass die beiden das miteinander lernen können.

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Ach ja, der Tipp, dass ich wirklich aus dem Haus gehen muss, macht total Sinn. Nach so Momenten wie gestern, fällt das dann natürlich wieder besonders schwer...

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Vielen Dank schon mal für eure Erfahrungen!