Drei (oder vier) magische Wörter

Liebe ich dich, oder hab' ich dich lieb?

Manche sagen fast nie „ich liebe dich“. Andere benutzen den Satz oft und gern. Viele sagen ihn zu ihrem Kind, für einige gehört er nur in die Partnerschaft. Meint man das gleiche, wenn man "ich hab dich lieb" sagt? Den drei (oder vier) großen Wörtern nachgespürt.

Autor: Gabriele Möller

Welche Liebesbezeugung für wen?

Mutter hält kleines Mädchen lachend hoch
Foto: © Fotolia.com / detailblick

In einem Forum für Ausländer, die in Deutschland eingebürgert werden wollen, fragt eine Frau irritiert: "Was ist eigentlich bei Euch der Unterschied zwischen 'Ich liebe dich' und 'Ich habe dich lieb'?" Eine deutsche Userin antwortet ihr: "Da gibt es einen sehr großen Unterschied. 'Ich liebe dich' heißt, es ist wirklich Liebe. So wie: Ich liebe meinen Mann. Aber 'Ich hab' dich lieb' ist mehr freundschaftlich. Ich habe zum Beispiel meine beste Freundin lieb." Die Sache scheint also klar, die Fragerin kann sich zufrieden zurücklehnen.

Doch ein anderer User möchte es genauer erklären: "Wenn man jemanden kennen lernt und für einander Gefühle hat, sagt man 'Ich habe dich lieb'. Wenn dann die Beziehung gut läuft, sagt man irgendwann 'Ich liebe dich'." Aha. Heißt das also, dass man seinen Partner weniger liebt, wenn man auch nach der Kennenlernphase nur 'Ich habe dich lieb' sagt? Und wie ist das mit der Liebe zu Kindern, ist da ein 'Ich hab' dich lieb' etwa zu schwach?

In einer weiteren Antwort versucht sich noch jemand: "'Ich liebe dich' wird meistens in  Paarbeziehungen genutzt. Natürlich sagen das aber auch Eltern zu ihren Kindern, und man kann auch Geschwister lieben." Ach so... Man sieht förmlich, wie sich die ausländische Fragerin irritiert am Kopf kratzt.

Paare favorisieren den Klassiker

Offenbar herrscht hierzulande ziemliche Verwirrung in Sachen Liebe. Verlassen wir die Theorie und werfen einen Blick auf die Praxis, vielleicht werden die Dinge dann klarer. Fangen wir dabei mit dem scheinbar Einfachsten an: Wie beteuern Männlein und Weiblein einander ihre Liebe? Stellt man diese Frage in einem Partnerschaftsforum, hat die meisten Anhänger eindeutig der Klassiker "Ich liebe dich!": "Ich habe meine Freiheit lieb und habe auch meinen Hund lieb. Aber lieben tu' ich nur eine, die Frau, mit der ich leben will", bringt es ein Mann auf den Punkt. "Mein Mann und ich sagen zueinander  'Ich liebe dich', und zu den Kindern 'Ich hab dich lieb'", erzählt eine Frau.

Manche messen aber auch die Augenblickstemperatur ihrer Leidenschaft an der Wortwahl: "Also, nach einer wilden Liebesnacht fände ich ein 'Ich hab dich lieb' irgendwie abtörnend", überlegt eine Userin. Nicht abtörnend finden die meisten dagegen ein elektronisches Liebesgeständnis: "Mein Schatz schreibt es mir täglich mehrfach via SMS, dass er mich liebt. Er sagt es mir aber auch selbst, und ich ihm" berichtet eine andere Frau.

Lieb ich sie? Wenn die drei großen Worte ungesagt bleiben 

Einige Menschen aber benutzen die drei magischen Wörter auch gar nicht. "Es ist mir zu theatralisch, so á la Oscar-Verleihung, wenn die Stars ins Mikro brüllen: 'Ich liebe euch alle!'", sagt eine Frau schaudernd. Manche haben auch eher unfreiwillige Hemmungen: "Ich bin ein redseliger Mensch, ich spreche die Dinge einfach aus. Aber wieso zum Teufel habe ich ein Problem damit, einer Frau sagen, dass ich sie liebe?", fragt ein Mann verzweifelt. Wer sich mit dem leinwandreifen Geständnis schwer tut, kann ausweichen: "Ich sag' immer 'Ich habe dich riesig doll lieb!'", löst ein anderer Mann für sich das Dilemma.

Doch wie sagt man 'ich liebe dich'? Dass man die großen Worte scheut, heißt offensichtlich keinesfalls, dass die Liebe deshalb kleiner wäre. Zu hoffen ist dabei natürlich, dass der jeweils andere Partner dies auch weiß: "Dass mein Freund nicht 'Ich liebe dich' sagt, fühlt sich blöd an. Denn lieb haben kann ich auch mein Auto", klagt eine Frau. Eine andere macht sogar ihre Beziehung davon abhängig: "Mein Freund will zwar ein Kind mit mir und dass ich zu ihm ziehe, aber er kann mir immer noch nicht sagen, dass er mich liebt. Ich habe ihm gesagt, dass ich das alles nicht kann, wenn er nicht fähig ist, mir zu sagen, was er fühlt." 

Liebesbotschaften ans Kind

Die Befindlichkeiten in Sachen Liebe sind also heikel, und das falsche oder fehlende Liebeswort kann zu ernsthaften Krisen führen. Aber bei den eigenen Kinder wird doch sicher alles viel klarer sein, schließlich ist diese Form der Liebe schon von Natur aus weniger kompliziert, oder? "Ich sage zu meinen Kindern: 'Ich hab dich lieb'", denn 'Ich liebe Dich' sage ich nur zu meinem Mann, umgekehrt fände ich es komisch", erläutert eine Mutter und trifft damit ein Gefühl, das viele Eltern haben. Doch diese Unterscheidung löst sich vor allem bei Menschen unter 35 zunehmend auf. "Klar sage ich meinen Kindern, dass ich sie liebe. Was ist denn daran komisch?", fragt eine Frau überrascht. "Ich sage zu meinen drei Kindern 'Ich liebe dich', das ist für mich der stärkste Ausdruck des Gefühls ", erklärt auch eine weitere entschieden.

Die eigenen Eltern hielten sich meist bedeckter

Während die meisten Erwachsenen in ihrer Kindheit nie den Satz "Ich liebe dich!" gehört haben, wird er von jungen Eltern heute häufig benutzt. Woran liegt das? Hierfür zeichnet zum einen eine größere Offenheit in Gefühlsdingen verantwortlich. Zum anderen aber auch die Schwemme amerikanischer TV-Serien: Sie haben das in den USA äußerst beliebte Bekenntnis "I love you", das dort traditionell auch gegenüber Kindern verwendet wird, zunächst in unser Wohnzimmer und dann in unseren Mund getragen.

Diese Veränderung wird besonders deutlich, wenn Erwachsene sich an ihre eigene Kindheit erinnern: "Meine Mama sagt bis heute oft 'Ich hab dich lieb'. Von meinem Vater habe ich nie so etwas zu hören bekommen", berichtet eine Mutter. "Mama hat zu uns Kindern immer 'Hab' dich lieb' gesagt, 'Ich liebe dich' war dagegen für meinen Vater reserviert", erzählt eine andere Frau. "Solche Emotions-Ausbrüche waren eher unüblich bei uns", witzelt eine dritte. "Meine Eltern haben so etwas nie zu mir gesagt. Gerade darum sage ich's meinen Kindern regelmäßig", betont eine Forumsfrau, und eine weitere überlegt: "Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Eltern zu mir 'Ich habe dich lieb' gesagt haben. Obwohl ich eine schöne Kindheit hatte." 

"Mama, hdgdl!"

Doch was sagen eigentlich unsere Kinder zu uns? "Meine Kinder sagen oft 'Ich hab' dich lieb!'", erzählt eine Frau. "Mein vierjähriger Sohn sagt oft zu mir 'Mama, ich liiiiieb' dich!", erzählt dagegen eine andere Mutter gerührt. In ein paar Jahren werden aber vermutlich beide die Liebeserklärung ihrer Sprösslinge nicht mehr so leicht verstehen. Eltern von Teens bekommen allenfalls noch ein "hdgdl" (für 'hab dich ganz doll lieb'), natürlich nicht persönlich, sondern per SMS. Und auch nur, wenn sie Glück haben, denn Adressat der Liebesbotschaft ist oft eher die Freundin auf Facebook.

Wenn die Liebe die Unterschiede sprengt

Manchen Menschen ist es sowieso längst egal, was man sagt. "Ich sage beide Sätze, 'Ich habe dich lieb' und 'Ich liebe dich' - die sind für mich gleichgestellt. Liebe ist doch Liebe!" findet eine Frau. "Ist es nicht sch*egal, wie man das sagt? Solange man auch meint, was man da sagt?", unterschreibt eine weitere, und eine dritte erzählt: "In unserer Familie reicht das Spektrum von 'Ich liebe dich' bis 'Hab' dich lieb' und hin zu 'Ich mag dich auch'. Wir entscheiden das immer nach Bauchempfinden." "Wir lieben uns hier auch alle. Ich sage 'Ich liebe dich' zu Mann, Kindern, Eltern, Schwester, Bruder und Freundin. Auch mal in anderen Sprachen. Nur... wenn ich es zu meinem Mann sage, dann gucke ich meist anders", berichtet eine Userin vergnügt.

Liebeserklärungen - sind sie wirklich nötig?

Es wird also landauf-landab geliebt, was das Zeug hält, zumindest verbal. Ist aber deshalb die Liebe wirklich größer, die Liebenden oder auch die Kinder glücklicher als zu Zeiten, da man sparsamer mit Liebeserklärungen umging? "Das Lippenbekenntnis 'Ich liebe dich!' ist entweder überflüssig, oder unaufrichtig", sagt der Kölner Philosoph Andreas Tenzer provozierend. Soll heißen: Wo wirklich geliebt wird, fühlen es alle Beteiligen, und es muss nicht extra gesagt werden. Tenzers Meinung ist vielleicht zu radikal, aber sie enthält ein Körnchen Wahrheit. Denn Liebesworte kosten bekanntlich nichts, die Liebe aber will vor allem gelebt sein. "Was hilft all das Segnen der Liebe, wenn sie nicht tätig wird", fragte schon Johann Wolfgang von Goethe. Vor allem Kinder bemessen Liebe weniger in Worten als damit, wie viel Zeit man sich wirklich für sie nimmt.

Wer sein Herz auf der Zunge tragen möchte, sollte dies natürlich tun, unbedingt sogar. Schließlich machen Liebesworte gute Gefühle, sowohl beim Sender als auch beim Empfänger. Wer aber eher von der zurückhaltenden Fraktion ist, sollte sich nicht das klassische Liebesgeständnis abquetschen müssen und andernfalls mangelnde Liebe unterstellt bekommen. Wer seine Liebe zeigt, wird auf jeden Fall verstanden, ob vom Lebenspartner oder vom eigenen Kind. Denn es gibt eine universelle Sprache zwischen Menschen, die eindeutiger ist als alle Worte. Und deren Liebesbotschaften kommen immer an.