Buchtipp

Lob der Disziplin

Sein "Lob der Disziplin" findet überall große Beachtung. Buch-Autor Bernhard Bueb fordert, dass Kinder in Deutschland wieder mehr erzogen werden. Eltern dürften ruhig mehr lenken und leiten und sich ihrer Autorität auch bedienen.

Autor: Bernhard Bueb

Nation der Nicht-Erzieher

Lehrer tadelt Schueler
Foto: © iStockphoto.com/ track5

Buchtipp
von Petra Fleckenstein

Ein Ewiggestriger?

Wer heute ein Loblied auf Tugenden wie Disziplin, Autorität und Gehorsam anstimmt, gerät schnell in den Verdacht, ein Ewiggestriger zu sein. Wie aber ist das große Interesse an Bernhard Buebs gerade erschienenen Büchlein "Lob der Disziplin" zu verstehen? Ist es das, was Eltern und Lehrer heute brauchen? Mut, ihren Kindern wieder Ordnung, Disziplin und Gehorsam abzuverlangen? Haben wir nicht gerade hier in Deutschland im vergangenen Jahrhundert schmerzhaft erfahren, wohin eine Überbetonung von Disziplin und Unterordnung uns führen kann, nämlich zu blindem Gehorsam auch gegenüber barbarischsten Befehlen? Können wir nicht stolz sein auf unsere Demokratisierung der Erziehung? Kinder sind ja schließlich keine Untertanen, die blind auch den unsinnigsten Anweisungen zu folgen haben.

Es wird zu viel debattiert

Dennoch trifft der Autor, Theologe, Vater zweier Töchter und langjährige Leiter der Internatsschule Salem den Nerv der Zeit, wenn er wieder "Mut zur Erziehung" und "Mut zur Autorität" fordert. Denn während früher hierzulande Disziplin und Unterordnung unter jegliche Autorität missbraucht und maßlos überbetont wurden, ist nach seiner Ansicht heute das Gegenteil der Fall. "Wir sind zu einer Nation der Nicht-Erzieher geworden", sagt Bueb. Schon bei den kleinsten alltäglichen Forderungen, zum Beispiel das Zimmer aufzuräumen, beim Leeren der Spülmaschine zu helfen und Grundregeln der Höflichkeit einzuhalten, befürchteten Eltern, zu streng und autoritär zu sein und ließen sich auf allzu viele Debatten ein. Diese fruchtlosen Diskussionen raubten Eltern unnötige Energie bereits bei den geringeren Fragen des Alltagslebens. Wie aber sollen sie es dann schaffen, den größeren und schwierigeren Aufgaben von Erziehung gerecht zu werden, wenn sie schon bei kleinen Dingen nicht in der Lage sind, ihren Kindern klare Regeln vorzugeben und deren Umsetzung auch konsequent zu verfolgen?

Eltern sollen sich disziplinieren

Mut zur Erziehung heißt in Bernhard Buebs Augen zunächst, Disziplin nicht nur bei den Kindern, sondern zunächst einmal von den Erziehenden selbst zu fordern. Disziplin, überhaupt klare Regeln des Zusammenlebens aufzustellen. Disziplin, die als Folge einer Verletzung einer Regel vereinbarte Strafe auch konsequent anzuwenden. Aber auch Disziplin, sich bei der täglichen Erziehungsarbeit nicht starrer Rezepte zu bedienen, sondern sich auf die schwierige Gratwanderung zu begeben zwischen Führen und Wachsen lassen und dies dem jeweils unverwechselbaren Kind anzupassen.

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Kinder zu Nützlichem zwingen

Glück entsteht nicht durch passives Sich-animieren-Lassen

Wer Bueb nun eine Hau-drauf-Pädagogik vorwerfen mag, der greift zu kurz. Mut zu klaren Entscheidungen will der Buchautor keineswegs mit kalter Härte verwechselt wissen. Er sieht es als ein Erfordernis der Liebe und Fürsorge, Kindern manches Schädliche zu versagen und umgekehrt sie zu Nützlichem zu zwingen. Als Beispiele nennt er unter anderem ein konsequentes Regeln des Fernsehkonsums (was und wie oft) und wirklich konsequente Strafen (Fernsehverbot), wenn sich ein Kind nicht an die Vereinbarung hält. Umgekehrt rät er Eltern und Lehrern, in sinnvollen und wünschenswerten Beschäftigungen, die der Seelenbildung von Kindern dienen, nicht nur freiwillige Angebote zu sehen. Kinder und Jugendliche dürften und müssten ruhig hie und da "zu ihrem Glück gezwungen" werden. Und dieses Glück bestehe zum Beispiel im Erleben von Gemeinschaft in einem geordneten und von sinnstiftenden Ritualen geprägten Alltagsleben - das kann das gemeinsame Sonntagsfrühstück, eine Wanderung, ein Kirchgang, ein Theaterbesuch im Kreis der Familie oder das Einüben eines Theater- oder Musikstücks mit den Mitschülern sein. Glück bestehe aber vor allem nicht im heute viel zu häufigen passiven Konsumieren und Sich-animieren-Lassen, sondern darin, sich für eine Sache anzustrengen und dann den Lohn der Anstrengung zu erfahren. Und das darf ruhig häufiger auch für die Gemeinschaft geschehen. Als enorm wichtig für die Seelenbildung und gegen das Wuchern einer irrealen Konsum- und Anspruchshaltung hält es der Autor daher, Heranwachsende zu so genannten sozialen "Diensten" zu verpflichten. So muss im Internat Salem jeder Schüler ab der 10. Klasse einen Nachmittag in der Woche, das sind zwei bis drei Stunden, im Dienst anderer Menschen verbringen.

Ziele von Erziehung

Überhaupt erschöpft sich Erziehung nicht im Einüben von Regeln des Alltagslebens, Eltern und Lehrern ist angesichts der alltäglichen Kämpfe um Lapalien das dahinter steckende höhere Ziel ein wenig abhanden gekommen. Und dieses Ziel ist es, Kinder zu Tugenden wie Ehrlichkeit, Toleranz und Gerechtigkeit zu erziehen.

Ohne Strafen geht es nicht

Bei all seinen Überlegungen geht Bueb von einem Menschenbild aus, das frei von Illusionen ist: Erziehung muss "die zum Egoismus neigende menschliche Natur" gegen den Strich bürsten, "Erziehung ist schließlich, die Kindern täglich abgerungene Überwindung ihres Egoismus und ihrer Trägheit." So begründet er auch sein Eintreten für klar im Voraus festgelegte sinnvolle Strafen, zu denen Schläge übrigens keineswegs dazugehören. Nicht einmal der Erwachsene bringe ohne ein dazugehöriges Strafsystem die nötige Disziplin auf, sich an bestimmte wichtige Regeln zu halten. Das zeige sich zum Beispiel bei den immer wieder nötigen Strafen für Verkehrs- oder Steuersünder.

Selbstdisziplin und Freiheit

"Täglich haben Mütter, Väter, Lehrer und Erzieher die Spannung auszuhalten Kindern und Jugendlichen Unterordnung, Gehorsam und Disziplin abzuverlangen und sie gleichzeitig in die Selbstständigkeit, zur Selbstdisziplin und zur Freiheit zu führen", heißt es am Ende des für Eltern unbedingt empfehlenswerten Büchleins. "Kinder und Jugendliche werden ihre Eltern, Lehrer und Erzieher dafür lieben und achten, dass sie sich dieser Spannung aussetzen und sich bemühen, sie fantasievoll und zuversichtlich zu leben. Solche Erziehenden nennen wir Vorbilder."

Hier können Sie bestellen: Lob der Disziplin von Bernhard Bueb ist im List-Verlag erschienen und kostet 18 EUR.

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