Echte Phimosen sind selten

Was tun bei Vorhautverengung?

In den ersten Lebensjahren ist eine Verklebung der Vorhaut normal, nur selten handelt sich es um eine echte Verengung. Meist erledigt sich das Problem bis zur Pubertät von selbst. Wenn nicht? Dann helfen oft Salben. Eine Operation ist nur in seltenen Fällen nötig. urbia erklärt, was Eltern über Phimose wissen sollten.

Autor: Sabine Ostmann

Phimose bei Kindern: Wächst sich meist aus

Phimpse Junge Arzt Untersuchung
Foto: © iStockphoto/ patrickheagney

Ein kleines Hautstückchen, das viel Aufregung verursachen kann: Beschwerden beim Wasserlassen, schmerzhafte Entzündungen, Probleme beim Sex – all dies sind mögliche Folgen einer Phimose (Vorhautverengung). Kein Wunder, dass Eltern beunruhigt sind, wenn sich die Vorhaut ihres kleinen Sohnes nicht über die Eichel zurückziehen lässt. „Muss mein Kind jetzt operiert werden?“ fragen  sich viele Mütter und Väter besorgt.

Der Berliner Kinder- und Jugendarzt Dr. Ulrich Fegeler gibt Entwarnung:  „Dass sich die Vorhaut im Säuglings- und Kleinkindalter nicht zurückziehen lässt, ist völlig normal und wächst sich in den allermeisten Fällen von selbst aus. Meist handelt es sich dabei um Vorhautverklebungen. Echte Phimosen – narbige Verengungen der Vorhaut – sind sehr selten. Aber selbst dann muss nicht zwingend operiert werden“,  erklärt der Bundespressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte.

Vorhautverklebung oder Vorhautverengung?

 

Bei Säuglingen und Kleinkindern sind die Schleimhäute der Vorhaut und der Eichel häufig noch miteinander verwachsen, deshalb lässt sich die Vorhaut nicht zurückziehen.  Allerdings sollte die Harnröhrenöffnung an der Spitze der Eichel im Laufe des ersten Lebensjahres sichtbar werden. Diese sogenannte physiologische Phimose erfüllt eine wichtige Schutzfunktion, denn die Vorhaut umhüllt die empfindliche Eichel wie eine Schutzhülle und bewahrt sie vor Entzündungen. Gerade bei Windelkindern, bei denen die empfindlichen Genitalien oft von Urin benetzt sind, ist dieser Schutz sehr wichtig.

Auch unter Hygieneaspekten ist die Vorhautverklebung in der Regel unproblematisch. Gelegentlich entdecken Eltern, wenn sie ihre Söhne waschen, kleine Knübbelchen unter der Vorhaut. Dabei handelt es sich um Smegma-Ansammlungen, die aber unbedenklich sind. Es genügt, den Penis und die Penisspitze vorsichtig zu reinigen, mit warmem Wasser oder allenfalls mit einer milden Waschlösung.

Tipps vom Kinderarzt: Reinigung der Vorhaut bei Babys

Phimosen – meistens „hausgemacht“

In der Regel löst sich die Vorhautverklebung  bis zum Vorschulalter. In einigen Fällen kann dieser Ablösungsprozess bis in die Pubertät hinein dauern. Selbst bei fünf Prozent der 17-Jährigen ist die Vorhaut noch nicht frei verschiebbar. „Solange keine Probleme auftreten, sind solche Vorhautverwachsungen nicht behandlungsbedürftig“, erklärt Kinderarzt Fegeler. „Eltern sollten – gerade bei Säuglingen – unbedingt die Finger davon lassen. Versuchen sie, die Vorhaut zu stark zurückzuschieben, kann es zu feinen Hautrissen kommen. Die können dann eine echte Phimose verursachen. Allenfalls kann man versuchen, mit äußerster Vorsicht etwas an der Vorhaut zu ziehen, um sie so zu dehnen. Es genügt jedoch, wenn der Kinderarzt bei den Vorsorgeuntersuchungen auch das Genital berücksichtigt."

Auf jeden Fall sollten Eltern einen Arzt aufsuchen, wenn das Kind über Schmerzen klagt oder Probleme beim Wasserlassen auftreten, etwa ein sehr dünner oder nicht gerade, sondern stark verdreht austretender Harnstrahl oder wenn sich die Vorhaut beim Wasserlassen ballonartig aufbläht. In diesem Fall kann der Urin nicht abfließen, sondern wird möglicherweise durch die verengte oder stark verklebte Vorhaut gestaut. Dies kann neben Entzündungen der Eichel zu Stauungen der Harnwege und der Nieren führen. Sicher lässt sich dies aber nur durch eine Ultraschalluntersuchung oder mit radiologischen Methoden diagnostizieren. Häufige Entzündungen der Eichel, erkennbar an einer schmerzenden, geröteten und geschwollenen Vorhaut, können ebenfalls auf eine behandlungsbedürftige, pathologische Phimose hindeuten. Bei schweren Phimosen kann auch ein weißlicher Ring aus  verhärtetem, narbigem Gewebe auftreten, der es unmöglich macht, die Vorhaut zurückzuziehen.

„Echte Phimosen machen allenfalls drei bis vier Prozent aller Fälle von Vorhautverengungen aus – und viele sind hausgemacht,“ berichtet Ulrich Fegeler aus seiner Praxis. „Solche sekundären Phimosen sind oftmals die Folge zu rabiater Versuche, die Vorhaut zurückzuziehen.“ Dabei können feine Fissuren entstehen, das Gewebe verwächst und vernarbt. Die Vorhaut wird so verengt, dass sie sich nicht zurückschieben lässt. Im Extremfall kann dies zu einer Paraphimose führen: Die zurückgezogene Vorhaut schnürt die Eichel so stark ab, dass diese nicht mehr ausreichend durchblutet wird. Dies kann zu schweren Gewebeschäden führen, bis hin zu Nekrosen – in diesem Fall ist eine Notfalloperation unumgänglich.

Salbenbehandlung – die Therapie der Wahl

Diagnostiziert der Arzt eine sehr starke Vorhautverklebung oder eine Vorhautverengung, wird heutzutage nicht mehr gleich operiert. In der Regel ist eine vier bis acht Wochen dauernde Salbenbehandlung die Therapie der Wahl. Rät der Arzt vorschnell zu einer Operation, sollten Eltern unbedingt eine Zweitmeinung einholen.

Bei der Salbentherapie wird die Vorhaut täglich ein oder zwei Mal vorsichtig so weit zurückgezogen, wie es schmerzfrei möglich ist, und eine kortisonhaltige Steroidcreme einmassiert. Nach einer gründlichen Einweisung durch den Arzt kann der Patient dies auch leicht selbst durchführen – den meisten Jungs ist das lieber so. Vorsicht ist bei Salben mit Östrogen-Beimischung geboten. Denn die hormonellen Nebenwirkungen auf das Hodengewebe sind bis heute nicht ausreichend erforscht. Werden kleine Jungen behandelt, muss die Therapie mitunter wiederholt werden, weil die Vorhaut nicht mit dem Glied mitwächst und eine neue Verengung entsteht. Aus diesem Grund werden Salbentherapien heute meist erst ab einem Alter von acht Jahren durchgeführt. Die Erfolgsquote der Salbenbehandlungen liegt bei 60 bis 80 Prozent.

Wann muss wirklich operiert werden?

Bei schwereren Phimosen mit starken narbigen Verwachsungen ist eine Operation unumgänglich, denn Salben sind in diesen Fällen wirkungslos. „Eine Operation sollte möglichst in der Vorpubertät erfolgen”, rät Dr. Fegeler. Von früheren Operationen rät der Kinderarzt ab. „Wenn keine massiven Probleme auftreten ist es besser, erst einmal abzuwarten“. Allerdings nicht zu lange. Denn sonst kann die Vorhautverengung bei einer Erektion extreme Schmerzen verursachen. Zudem haben Jugendliche in der Pubertät oftmals große Probleme, mit einem Arzt oder ihren Eltern über Probleme mit ihrem Penis zu sprechen. Die Sorge darüber, „was da unten los ist“, kann dann Ängste und Selbstzweifel erzeugen.

Eine Vorhaut-Operation ist ohnehin mit besonderen Ängsten und Vorstellungen besetzt. Die Sorge vor Impotenz, Kastrationsängste und religiös-kulturelle Vorbehalte spielen hier eine Rolle. Andererseits gehören rituelle Beschneidungen in vielen Regionen der Erde zum Alltag, etwa bei Juden und Muslimen. Sogar in den USA wird praktisch jeder kleine Junge in den ersten Lebenswochen beschnitten, allerdings nicht aus religiösen, sondern aus medizinischen Gründen. Die Beschneidung soll das Risiko von Harnwegserkrankungen und Peniskarzinomen ebenso senken wie das Übertragungsrisiko für Gebärmutterhalskrebs und HIV. Für Ulrich Fegeler sind diese medizinischen Argumente für eine Beschneidung nicht stichhaltig. „Tägliche Hygiene und Kondome zum Schutz vor HIV sind die wirkungsvollere Alternative. Das“, so betont er, „hat auch eine Untersuchung der Amerikanischen Gesellschaft für Pädiatrie (Kinderheilkunde) bestätigt.“ Möglicherweise ist aber die amerikanische Haltung ein Grund, weshalb auch hierzulande bei einer Phimose-Operation meist die Totalbeschneidung der Vorhaut (Zirkumzision) gewählt wird.

Schonende OP-Techniken erhalten die Empfindungsfähigkeit

In schweren Fällen oder wenn eine konservative Salbentherapie keine Besserung bringt, übernehmen die Krankenkassen die Kosten für eine Vorhaut-Operation. Eine ärztliche Verordnung ist dafür notwendig. Bei der Operation wird die Vorhaut meist bis zum Penisschaft entfernt. Die Zirkumzision ist ein Routineeingriff, der ambulant durchgeführt wird. Die Patienten sind in der Regel innerhalb weniger Tage wieder völlig fit. Allerdings ist nach einer Total-Beschneidung die Eichel freigelegt; oftmals wird auch das dicht mit Nerven besetzte Vorhautbändchen, das Frenulum, beschädigt oder gleich entfernt. Durch Reibung an der Unterwäsche  verliert die ungeschützte Eichel dann an Empfindlichkeit.

Schonender sind Teilzirkumzisionen, bei denen die Vorhaut nur bis zur „Engstelle“ beschnitten wird und das Frenulum in der Regel erhalten bleibt. Es gibt auch OP-Techniken, bei denen die Vorhaut vollständig erhalten bleibt – zum Beispiel die Präputiumplastik oder die Triple Incision. Meist wird der Hautlappen der Vorhaut dabei in einem oder mehreren kleinen Längsschnitten geöffnet und mitunter auch gedehnt; die Schnitte werden anschließend quer vernäht.

„Vorhaut-Operationen sind Feinarbeit und sollten nur von erfahrenen Kinderchirurgen durchgeführt werden“, betont Dr. Fegeler. „Das Risiko von Vernarbungen und weiteren Verengungen lässt sich auch bei vorhauterhaltenden Methoden nicht hundertprozentig ausschließen. Doch die OP-Techniken sind heute derart weit entwickelt, dass ich in den letzten Jahren in meiner Praxis keine Komplikationen erlebt habe. Wenn ich einen betroffenen Sohn hätte, würde ich nach Möglichkeit nur eine Teilbeschneidung durchführen lassen, weil die Sensibilität der Eichel besser erhalten bleibt.“

Service: Fachbegriffe, Links und Buchtipps

Wichtige medizinische Fachbegriffe

  • Balanitis: Eichelentzündung
  • Frenulum: Vorhautbändchen
  • Glans penis: Eichel
  • Miktion: Entleerung der Blase
  • Paraphimose: (auch „Spanischer Kragen“) – Medizinischer Vorfall, bei dem die verengte Vorhaut die Eichel abschnürt
  • Phimose: Vorhautverengung
  • Physiologische Phimose: Entwicklungsbedingte Vorhautverklebung bei Säuglingen und Kleinkindern, die sich in der Regel bis zu Pubertät von selbst löst
  • Primäre Phimose: Angeborene, behandlungsbedürftige Vorhautverengung
  • Sekundäre Phimose: Vorhautverengung als Folge einer Verletzung, z.B. beim Versuch, die Vorhaut zurückzuschieben
  • Präputium: Vorhaut
  • Präputiumplastik: (auch „Vorhautplastik“) Operationsmethode, bei der die Vorhaut vollständig erhalten bleibt
  • Smegma: Weißliches bis hellgelbes Talgsekret, das von den Vorhautdrüsen abgesondert wird; es kann auch Urin und Spermareste enthalten
  • Triple Incision: Operative Methode zur Vorhauterweiterung
  • Zirkumzision: Vollständige oder teilweise Beschneidung der männlichen Vorhaut

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