Absolute Überforderung

Liebe urbis,
ich lese schon eine Weile bei euch mit und habe nicht gedacht, dass ich mich mal anmelde um um euren Rat zu bitten. Mittlerweile scheint mir aber meine Situation so auswegslos, dass ich gefühlt einfach nur wie ein Reh im Scheinwerferlicht stehen bleibe und nix tue. Ich hoffe daher, dass der ein oder andere einen Rat oder Denkanstoß für mich hat. Bitte entschuldigt den langen Text, ich versuche nur alle halbwegs relevanten Informationen mit unterzukriegen! Vielen Dank im Voraus für eure Kommentare :)

Mein Mann (34) und ich (33) arbeiten beide als wissenschaftliche Mitarbeiter an einer Uni und schreiben unsere Doktorarbeiten. Unsere Verträge laufen bis zum dritten Quartal 2021. Wir haben beide nicht so geradlinige Lebensläufe. Mein Mann auf Grund eines Fachrichtungswechsels und ich auf Grund von Krankheit und mehreren schweren Schicksalsschlägen. Wir leben in einer kleinen Stadt hoch im Norden , in der uns absolut nichts mehr hält als die Arbeit. Eigentlich hassen wir es hier, aber wir sind nunmal wegen der Arbeit noch für 1,5 Jahre gebunden.

Mein Mann liebt was er tut und es ist sein absolutes Bedürfnis die Promotion fertigzumachen.

Für mich war es seit der Schulzeit mein Traum und mein Ziel in meinem Fachgebiet zu arbeiten und zu promovieren. ABER ich hasse es. Ich hasse meinen Job, ich hasse die Arbeit und ich möchte das absolut nicht mehr. Geschweige denn, dass es mit dieser Abneigung auch einfach zeitlich nicht mehr machbar ist (sogar ohne Abneigung und mit riesigem Elan ist es eher ein Ding der Unmöglichkeit: die Durchschnittszeit in meinem Fachbereich liegt bei 4 Jahren).
Ich sitze Tag für Tag in meinem Büro und tue alles, nur nicht das was ich müsste und es vergeht auch kaum ein Tag, an dem ich nicht in Tränen ausbreche.

An dieser Stelle wäre die Lösung natürlich noch leicht - ich suche mir einen anderen Job. Aber hier kommt leider das erste "Aber". In unserer Region gibt es in meinem Fach keine Jobs, allgemein ist das hier eine sehr schwache Region und für einen "vernünftigen" Job müsste ich mindesten 250 km wegziehen. Aber auch das kommt für mich nicht in Frage. Für mich kommen nur Bergregionen in Frage. Ich habe lange genug unglücklich gelebt um zu wissen, dass ein Lebensumfeld notwendig ist in dem ich glücklich und zufrieden sein kann. Ich bin auch durchaus bereit fachfremd zu arbeiten, um diesen Wunsch erfüllen zu können. Wie das bei meinem Mann ist, da bin ich mir nicht so sicher.

Auch an dieser Stelle kann man immer noch Fragen wo das Problem ist. Ich kann ja schonmal umziehen und mein Mann kommt nach. 1,5 Jahre Fernbeziehung sind machbar. (Das sagt sich so leicht. Ich denke allein diese Herausforderung wäre schon groß genug).

Und jetzt kommt das sehr sehr große "Aber", nämlich der Kinderwunsch. Wir versuchen seit 1,5 Jahren schwanger zu werden und es klappt nicht. Mein Mann ist mittlerweile durch seine Untersuchungen durch. Seine Spermienqualität könnte besser sein, aber es sollte eigentlich funktionieren. Jetzt bin ich wieder dran mit den Untersuchungen, bisher ist alles i.O.. Ich weiss aber auch, dass ich mehrere Vorerkrankungen habe und bin seit jeher auf die Info eingestellt, dass ich u.U. keine Kinder bekommen kann. Die Jüngsten sind wir nun ja leider auch nicht mehr.

Und hier ist mein Dilemma. Wenn ich schonmal wegziehe, dann lege ich erstens fest wohin. Was wenn mein Mann dann dort nicht glücklich ist? Was wird aus dem Kinderwunsch? Wir reden dann von einer Entfernung von ca 1000 km. Können wir später noch Kinder kriegen? Will ich überhaupt noch später als jetzt Mutter werden? Bin ich dann nicht zu alt? Wenn es jetzt schon nicht funktioniert, wie soll es dann funktionieren. Und was wenn ich dann doch schwanger werde? Alleine schwanger und allein erziehend am anderen Ende Deutschlands? Was ist dann mit meinem Job und meinem Leben dort?

Wenn ich aber noch mal 1,5 Jahre hier bleibe: Wie soll ich das durchstehen? Weiter einen Job machen von dem ich weiss, dass es eine Farce ist und so tun als wäre der Doktor mein Ziel? Weiter an einem Ort leben, der mich unglücklich macht? Und was wenn ich trotz dieses Opfers nicht schwanger werde? Dann war alles umsonst.

Mit meinem Mann kann ich leider nur schwer darüber reden, zumindest mit so klaren Worten. Er weiss, dass ich ziemlich unglücklich bin und sehr sehr große Zweifel habe, aber nicht in der Deutlichkeit wie ich es hier geschrieben habe. Das Thema ist recht schwer, weil er sich unfassbare Vorwürfe macht, dass ich wegen ihm so unglücklich bin. Ein rationales Gespräch ist daher meistens ein Ding der Unmöglichkeit.

Ich bin wirklich ratlos.

1

Hey,

sag mal... warum möchtest du unbedingt promovieren? Nur des Stolzes wegen?
Vielleicht könntest du dir einen Job suchen, der dir gefällt und wenn dein Mann fertig ist, zieht ihr um.
Ich bin mir sicher, mit etwas mehr Zufriedenheit und weniger Druck jobtechnisch, könntest du dich etwas wohler fühlen.
Ohne diesen ganzen Stress klappt es vielleicht auch mit dem Kinderwunsch. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass du sehr verbissen bist, was das Thema angeht.
Lass locker (ich weiß es ist nicht leicht) und hör auf zu promovieren, wenn es dich so belastet. Es muss nicht jeder Dr. werden. Das Leben ist zu kurz, um am Stolz festzuhalten und unglücklich zu sein.
Was den Wohnort angeht könntet ihr euch ja einfach schonmal Gedanken machen wo es hingehen soll und ob er es sich auch vorstellen kann.
Sicher werden ihr Kompromisse finden.

2

Danke für deine Antwort!

Offenbar ist das verkehrt rübergekommen. Früher wollte ich promovieren, weil ich nicht Fach geliebt habe. Aber mittlerweile möchte ich eben absolut nicht mehr! Wäre ich alleine, dann hätte ich schon abgebrochen und wäre weggezogen.

Das Problem sind eher Folgen wenn ich abbrechen. Hier finde ich keinen Job, höchstens eine Notlösung (und dann ist das was ich jetzt habe sicherlich auch komfortablere Variante). Soll ich gehen? Was ist mit dem Kinderwunsch? Usw..

3

Hallo malmon,

Wie stellst du dir das mit dem Kind und der Promotion vor? Ich bin gerade in einer ähnlichen Situation mit meiner Masterarbeit... Schreibe ich sie mit Baby noch oder breche ich ab, weil der Beruf, der auf das Studium folgt, doch nicht mein Traumberuf ist. Allerdings wäre es natürlich für dich ideal, jetzt ein Kind zu bekommen, die 1,5 Jahre in Elternzeit zu gehen und dann abzubrechen. Andererseits bist du als junge Mutter auf dem Arbeitsmarkt auch nicht gerade beliebt....

Zieht ihr im Anschluss dahin, wo dein Mann Arbeit findet? Entscheidet er dann quasi wo du hingehen musst (was du für ihn ja nicht mitentscheiden willst)?

Was ist deine Alternative, wenn es mit dem Baby nicht klappt? 1,5 Jahre Absitzen und unglücklich sein?

Irgendwie wären das alles für mich keine Alternative zu 1,5 Jahren Fernbeziehung. Wer sagt denn, dass du alleinerziehend wärst, wenn du doch schwanger werden würdest?
Du könntest ja auch zu Beginn des Mutterschutzes wieder zurückziehen und bei deinem Mann entbinden, falls (!) es klappen sollte. Wenn dann deine Elternzeit endet sucht ihr euch gemeinsam was neues in der neuen Heimat. Vielleicht kannst du ja deinen Mann miteinbeziehen in die Jobwahl? Dann hätte er ja ein Mitspracherecht, was die neue Heimat angeht...

Insgesamt wären es mir persönlich zu viele Baustellen zum schwanger werden.

Mir war es auch gleich, ich wollte nur unbedingt ein Baby, jetzt im Nachhinein muss ich sagen, würde ich es nicht mehr so machen....

4

Vielen Dank für deine Antwort!

"Kind und Promotion" stelle ich mir gar nicht vor. Ich werde die Promotion nicht fertig, ob mit oder ohne Kind. Promotion passiert aber sowieso mehr oder weniger in der Freizeit und ist unbezahlt. Idealerweise (bilde ich mir zumindest ein) würde ich jetzt schwanger werden, mache den Nichtpromotions-Anteil meines Jobs solange es geht und gehe dann in Eltern Zeit und nächstes Jahr ziehen wir um. Die Entscheidung wohin treffen wir dann selbstverständlich gemeinsam.

Dass ich für beide entscheide war eher so, dass ich mir ja jetzt einen Job suchen und dementsprechend umziehen würde. Ob mein Mann dann in 1,5 Jahren einen Job finden wird weiß ich natürlich nicht.

Ja, ich würde auch mit Kindern lieber warten. Aber ich denke, dass das auf Grund unseres Alters und der gesundheitlichen Komponenten keine realistische Option ist. Es steigt vor allem die Wahrscheinlichkeit dafür, dass wir gar keine Kinder haben werden.

5

Du willst den Doktor nicht, dann lass es.
Dein Mann will ihn und will die 1,5 Jahre noch bleiben.
Such dir doch etwas in der Umgebung mit dem du halbwegs leben kannst bis dein Mann fertig ist. Es ist eine absehbare Zeit.
Vielleicht klappt es inzwischen auch mit dem Kinderwunsch,dann bist du erstmal sowieso nicht mehr verfügbar am Arbeitsmarkt.
Dein Mann promoviert und danach könnt ihr gemeinsam entscheiden wo die Reise hingehen soll.

6

Einen anderen Job hier werde ich nicht finden. Jeder der bei uns den Abschluss gemacht hat hat am Ende die Region verlassen müssen. Ich kann aber den Job den ich jetzt habe behalten ohne zu promovieren. Die Frage die sich mir stellt ist, ob es sich lohnt weitere 1,5 absolut unglücklich zu sein für die Chance schwanger zu werden?

7

Lohnt es sich alleine wegzuziehen und eventuell kinderlos zu bleiben?
Die Frage ist eben was dir wichtiger erscheint.
Willst du dich beruflich jetzt neu orientieren oder ist der Wunsch nach Familie größer?
Wärst du jünger hätte ich gesagt ein Baby hat noch Zeit, aber du bist nunmal schon jenseits der 30 und es scheint nicht so einfach zu klappen.
Könnte es sein, dass du in deiner Umgebung glücklicher wärst, wenn du schwanger wärst?
Dann solltest du die berufliche Situation erstmal so hinnehmen wie sie ist und den Stress raus nehmen. Millionen von Menschen machen Jobs, die sie eigentlich nicht machen möchten. Machbar ist es auf alle Fälle. In deinem Fall ist es sogar noch einen Zacken einfacher, weil es maximal noch so lange ist bis dein Partner fertig ist.
Ich blicke bei dir nur nicht ganz durch ob eben Familienplanung oder Karriere Priorität hat.
Diese Entscheidung musst du alleine für dich selbst treffen.
Ich würde die 1,5 Jahre meinem Mann zuliebe durchhalten um dann eben gemeinsam ein neues Domizil zu suchen.

weitere Kommentare laden
11

Zum Thema später Mutter werden kann ich Dir einen guten Rat aus eigener Erfahrung geben:

Besser spät Mutter werden und es mit dem richtigen Setup und Mann tun, als früher in unglücklichen Verhältnissen!

Übrigens finde ich persönlich Dein Alter nicht spät. Du scheinst rundum unglücklich zu sein, das klingt nach den ungünstigen Voraussetzungen für ein harmonisches Familienleben.

Die Frage ist, warum Du Deinen Job so sehr zu hassen scheinst. War das schon immer so und du hast nicht rechtzeitig gewechselt? Oder ist es erst mit der Zeit gekommen? Hast du das Studium selbst gewählt? Fängst du ihn erst an zu hassen, seit der bisher unerfüllte Kinderwunsch da ist?

Den Wohnort kann man theoretisch auch noch später wechseln.

Du solltest tief in Dich gehen und Dich fragen, was genau Du willst und wie Du es erreichen kannst.

Ich glaube, du wärst nicht so unzufrieden mit allem, wenn Du Dir ganz sicher wärst, mit Deinem Partner alles leben zu wollen.

Unerfüllter Kinderwunsch ist nie leicht, aber auch eine Probe für jede Beziehung, denn es zeigt sich, ob man zusammenhält und sein will oder nicht.

13

Vielen lieben Dank für deine Antwort, sie gibt mir auf jeden Fall zu denken!

Mein Mann ist definitiv der richtige und unsere Beziehung nicht der Grund für meine Unzufriedenheit. "Rundum unglücklich" stimmt also nur zu 2/3:

Ehe 👍
Job 👎
Lebensumfeld 👎

Mein Studium habe ich selbst gewählt und es war immer mein tiefster Wunsch. Aber während der Promotionsphase habe ich komplett die Lust verloren und sehe auch absolut keinen Sinn darin. Für mich nicht (höchstens kriege ich später mehr Geld, aber das ist es mir nicht wert) und für die Menschheit schonmal so gar nicht. Das wusste ich früher auch schon, aber da hat es mir wenigstens noch Spaß gemacht 😉

Der Job fing vor dem Kinderwunsch an mich zu belasten. Aber es war halt meine Normalität, ich kannte es nicht anders und konnte mir nicht vorstellen wo ich später hin will. Jetzt weiß ich wenigstens ganz genau, wo es mich hinzieht und wo ich glücklich sein kann.

Der überfüllte Kinderwunsch belastet meinen Mann wahrscheinlich mehr als mich. Ich würde gerne noch warten, aber denke nicht, dass ich mir das gesundheitlich erlauben kann. Das hat mir meine Gyn auch mehrfach ungefähr so gesagt.

14

Achso, vielleicht ist das ist naiv, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Ehe an einem überfüllten Kinderwunsch scheitert. Keiner von uns will ein Kind um des Kindes willen, sondern ein Kind vom jeweils anderen bzw mit dem jeweils anderen. (ich schließe Adoption zB nicht aus). Wenn dem nicht so wäre könnte ich ja auch schwanger am anderen Ende von DE sein und müsste mir keine Sorgen machen was daraus wird.

Aber ich sehe schon, eine Frage habe ich mir gerade noch beantwortet 😉

weiteren Kommentar laden
15

Ich bin 65 Jahre alt und kann Dir aufgrund des Alters nur sagen: Ich bereue nicht sehr viel, was ich gemacht habe(ein paar Dinge natürlich immer) aber ich bereue das, was ich NICHT gemacht habe, weil ich einfach mehr nach anderen schaute.
Nur ein Beispiel: Ich hätte die Chance gehabt, beruflich für 3 Jahre ins Ausland zu gehen, top Job, die Kinder bestens dort versorgt, Traumgehalt. Ich hab es abgesagt, weil mein Vater starb und ich meine Mutter nicht alleine lassen wollte. Ein Danke bekam ich nie und ich bereute es über Jahre, die Chance ergab sich nie wieder. Hör in Dich hinein und beantworte Dir selber, was müsste morgen passieren, dass Du endlich glücklich wärest - und dann mach das. Ein Mann ist keine Mutter, das ist auch klar (ich war damals allein) aber es geht ums Prinzip "was will ich selber unbedingt nur für mich".
Willst Du unbedingt ein Kind, dann leg los. Willst Du umziehen, dann mach es. Es hört sich blöd an, aber wenn Du mal den ersten Schritt durchgezogen hast, dann ergibt sich der zweite Schritt oft von ganz allein. Du hast einen Mann, der Dich liebt; wenn Du selber erstmal sicher bist in Deiner Entscheidung, könnt ihr bestimmt auch besser darüber reden.
LG Moni

16

Ich habe den ganzen Tag auf eine Antwort von dir gehofft, weil mir deine beim stillen mitlesen immer besonders aufgefallen sind 😊

Deine Antwort piekst mich irgendwie sehr an, darüber muss ich nochmal in Ruhe nachdenken. Andererseits tue ich das ja schon die ganze Zeit und ich weiß einfach nicht, was ich will 😕 Oder mache ich mir damit was vor?

17

Hättest mich gerne auch direkt anschreiben dürfen ;-) ich lese nicht immer alle Beiträge überall.

Du musst es mir nicht beantworten, sondern Dir selber, ob Du Dir was vormachst. Ich vermute aber stark, Du weisst sehr wohl, was Du willst, willst es nur noch nicht zugeben.
Ich hätte damals auf meinen Bauch hören sollen. Ich wusste, dass ich nicht glücklich werde, dass ich einen Riesenfehler mache mit der Auslandsabsage und ich wusste auch, dass meine Mutter das nicht anerkennt.
Scheiß elendes Pflichtbewusstsein :-(

19

Die eleganteste Lösung wäre, wenn du schwanger werden würdest. :-) EINE Option wäre also, wenn du dich vollkommen darauf konzentrierst, z.B. indem du eine Kinderwunschklinik aufsuchst.

Ist deine Promotion eigentlich an deinen Job gebunden? Könntest du den Job auch ohne Promotion machen? Würde das etwas erleichtern?

Was mich irritiert, ist, dass du mit deinem Mann nicht offen, so wie hier, reden kannst. Wenn es dir schwer fällt, dann schreib ihm einen Brief. Der Partner sollte wissen, wie es in deinem Inneren aussieht.

Liebe Grüße

22

Lieben Dank für deine Antwort!

Ja, das wäre sicherlich die eleganteste Lösung. Es stehen auch noch Untersuchungen bei der Gyn an und dann wahrscheinlich die Kinderwunschklinik. Das ist natürlich aber in der aktuellen Situation nicht so einfach. Meine Gyn hat zB bis Mitte April geschlossen. Abgesehen davon bin ich mir gar nicht sicher (weil aber auch bisher eher uninformiert) wie weit ich für den Kinderwunsch gehen würde, d.h. welche medizinischen Unterstützungen hier für mich in Frage kommen würden.

Das mit der Promotion und dem Job ist so eine Sache. Streng genommen wird man für Lehre, Forschung und Promotion bezahlt. Der größere Teil der Promotion findet aber in der Freizeit statt. Vergeben werden diese Art von Stellen bei uns nur an Leute, die eine Promotion anstreben. Begeistert wäre mein Chef also wahrscheinlich nicht, kündigen kann man mich aber andererseits deswegen auch nicht.

Mein Partner weiß schon ungefähr wie es in mir aussieht. Dass ich unzufrieden bin, dass ich nicht weiß ob ich das möchte, ob ich das schaffe etc. Neu hinzugekommen ist, dass ich mir sicher (naja, zumindest die meiste der Zeit) bin, dass ich das nicht mehr möchte. Das habe ich hier schriftlich zum ersten Mal geäußert und gestern meiner Therapeutin gegenüber zum ersten mal verbal geäußert. Aber es ist natürlich auch schwierig ein Gespräch zu führen, wenn ich andersrum nicht weiß was ich denn will und das Gespräch sehr stark von seinen Schuldgefühlen überlagert wird. Er sieht ja Tag für Tag, dass ich leide und er ist der festen Überzeugung, dass er die gesamte Verantwortung und Schuld daran trägt. Ich werde sicherlich demnächst das Gespräch mit ihm suchen, aber ich denke, dass ich mich noch ein paar Tage an den Gedanken gewöhnen muss, dass ich das nicht mehr will.

20

Warum bist du nicht einfach ehrlich zu deinem Umfeld?! Ich arbeite auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin und an meiner Promotion, die ich jedoch im Gegensatz zu dir auch gerne machen möchte. Ich würde jetzt aber denken, wenn ich heute beschließe, ich möchte das doch nicht, ist das doch okay. Dann mache ich einen guten Job, so lange mein Vertrag noch läuft oder ich etwas anderes tolles gefunden habe und dann verlasse ich die Uni. Wer zwingt dich denn so zu tun als würdest du noch promovieren wollen?! Das könnte doch so viel Druck rausnehmen. Und ohne die Promotion an der Backe kannst du doch bestimmt auch gute, wertvolle Arbeit machen, deine Arbeitszeit für die Bedarfe anderer oder eben auch im Kontext von Projekten vor Ort nutzen und gut.

23

Auch dir lieben Dank für deine Antwort! Schön, dass hier jemand zumindest vertraglich in einer ähnlichen Situation ist.

Wäre es denn bei dir wirklich so einfach zu sagen, dass du nicht mehr an deiner Promotion arbeiten willst? Bei uns bekommt man die entsprechenden Stellen nur dann, wenn man promovieren will. (Auch wenn der Großteil der Promotion in der Freizeit stattfindet.) Kündigen kann man mich deswegen sicherlich nicht, aber ich denke nicht, dass das gerne gesehen wäre. Ich kann mich auch an keinen Fall an unserem Institut erinnern, indem das jemand so gemacht hätte. Den Job weiter zu machen OHNE zu promovieren und offen damit umgehen zu können wäre toll! In der Arbeitsgruppe fühle ich mich wohl und der rest der Arbeit macht mir auch Spaß. Wahrscheinlich würde ich mich dann nicht mehr als vollwertiges Mitglied fühlen, aber damit könnte ich sicherlich umgehen. Aber ich würde wahrscheinlich auf sehr viel Unverständnis und Unmut stoßen.

24

Ja. Ich bin mir sicher, dass das bei uns so ginge. Ich habe sowohl KollegInnen, die am Anfang zur Einstellung gar nicht sicher waren, ob Sie promovieren wollen als auch solche kennengelernt, die es dann doch wieder verworfen haben. Eine sehr wichtige wissenschaftliche Mitarbeiterin bei uns ist nicht promoviert. Sie hat aber dafür eine Funktionsstelle und kann daher an der Uni bleiben. Das geht ja meistens dann nicht mehr. Ich würde damit offen umgehen. Eine Promotion ist dein Privatvergnügen sozusagen. Niemand kann dich ja dazu zwingen. Es geht ja um eigene wissenschaftliche Qualifikation und, wenn man die nicht will, muss das doch auch okay sein. Natürlich würde vermutlich niemand deinen Vertrag unter diesen Umständen verlängern, aber gekündigt werden wirst du nicht, aber vielleicht leichter. Hat deine Arbeitsgruppe einen Vorgesetzten / eine Vorgesetzte?! Ich würde um einen Termin bitten und ganz ruhig, ohne, dass du dich klein machst, mitteilen, dass du feststellen musstest, dass eine Promotion nicht der richtige Weg für dich ist, du aber sehr gerne die Arbeit vor Ort machst und deinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommst, aber vor hast, dich mittelfristig umzuorientieren. Ich wüsste nicht, was dagegen spricht. Es sei denn, es ist vertraglich anders vereinbart, was mich aber sehr wundern würde. Es geht doch nicht um die, es geht hier um dich.