Geschwisterliebe: Grenzverletzungen vs. Verantwortungsgefühle bei Sorgen um Geschwister

Liebe alle

nach einigem Überlegen wende ich mich mit meinen Sorgen an euch und bin froh um eure Meinung.

Es geht um meine grosse Schwester (39), die noch (wieder-noch-wieder-...) bei meinen Eltern wohnt. Ich versuche mich einigermassen kurz zu halten, muss aber trotzdem etwas ausholen für den Kontext. Ich befürchte, es wird wohl länger als geplant, ich bin schlecht im "mich kurz halten". Sorry dafür schonmal.

zu unserer Familie:
Wir sind eine Familie mit engem und viel Kontakt, wir sehen uns meist wöchentlich zum Abendessen bei meinen Eltern. Ich habe noch einen grossen Bruder (41 Jahre; mit Frau und Kindern, 5 + 2 Jahre) und einen Partner (wir werden im August Eltern). Alle zusammen haben wir grundsätzlich (!) ein gutes und sehr enges Verhältnis. Wir haben (wie so manche Familie) leider auch schon viel Unschönes erleben müssen, das uns einerseits als Familie zusammengeschweisst hat, andererseits hätte ich auf die eine oder andere Erfahrung sehr gern verzichtet (vielleicht später dazu mehr). Das hat uns natürlich alle geprägt. Alle haben Vertrauensmissbrauch erlebt und gehen auf ihre eigene Weise damit um. Darüber wird nicht gesprochen.

In den letzten Jahren habe ich viel nachgedacht und gemerkt, dass wir uns zwar irgendwie schon sehr nahe stehen, jedoch offenbar nie richtig gelernt haben, über unsere Familiengeschichte zu reden und uns unsere ehrliche Meinung zu sagen, wenn diese evtl. weh tut und den Anderen verletzen könnte. Ich tue mich damit schwer und muss gleichzeitig sagen, dass ich eine direkte Person bin, die ihre Meinung vielleicht manchmal zu schnell sagt und auch denn, wenn ich dazu kein Recht habe.

Darum geht es in meinem Post. Wie viel Verantwortung / wie viel Recht hat ein Familienmitglied, sich einzubringen, seine Meinung zu sagen, seine Sorgen und Ängste zu äussern? Daher rührt mein Post und meine Bitte an euch, mir eure Einschätzung mitzuteilen. Wie gesagt, steht im Mittelpunkt meiner aktuellen Schlaflosigkeit meine Schwester.

Zu ihrer Person:
Meine Schwester ist eine intelligente, starke Frau. Sie ist selbständig, verdient nicht viel, aber ihr eigenes Geld, hat schon viel erlebt, ist offen, neugierig und eine sehr liebenswürdige, herzensgute Person, die oft auf die anderen und zu wenig auf sich selbst schaut. Meine Schwester ist auch eine stolze und sehr sture Person, neigt zu Überheblichkeit ("ach das sind halt alles Idioten!", oder so ähnlich klingen ihre Erzählungen oft) und grenzt sich, wenn ihr etwas nicht ab sehr schnell ab bzw. reagiert dann zuweilen auch trotzig, aggressiv und emotional. Ich habe meine Schwester in meinem Leben vielleicht 3 mal weinen sehen (während mein Bruder und auch ich diesbezüglich ganz anders sind).
Vor ca. 3 Jahren war sie schwer krank und wurde nach intensiver Behandlung mit Chemo zum guten guten Glück wieder ganz gesund, worüber wir alle sehr sehr dankbar und glücklich sind. Seither (und auch schon vorher, aber vor allem ist es mir seither aufgefallen) hat sie irgendwie nicht mehr richtig in ein eigenes Leben zurückgefunden. Sie verbringt die meiste Zeit mit sich selbst, meinen Eltern oder unserer Nichte, hat wenig soziale Kontakte (die sie grösstenteils eh nur nerven, wie sie immer wieder sagt), startet immer wieder mal ein neues Hobby, das sie dann wieder sein lässt, weil ihr irgendetwas (oder irgendjemand) daran nicht passte und ist aufgrund ihrer beruflichen Selbständigkeit auch dort oft isoliert. Kommt dazu, dass sie ein Nachtmensch ist und oft über Nacht an ihren Aufträgen arbeitet und den Tag dann oft bis 15/16 Uhr verschläft.

Bitte versteht mich nicht falsch - ich weiss, dass es verschiedene Lebensentwürfe gibt und dass nichts daran auszusetzen ist, wenn diejenigen sich gut fühlen damit. Bei meiner Schwester habe ich dieses Gefühl aber leider nicht.

Sie ist oft gereizt, weiss nicht recht, was mit sich anzufangen und schaut stundenlang TV (oder schläft) und hängt sehr sehr stark an unserer Familie (was ja auch schön ist irgendwie). Sie selbst sagt (in ihren "offenen, zugänglichen Momenten"), sie habe für nichts richtig Motivation, sie hat auch schon öfter geäussert, dass sie "unbedingt bald weg muss von den Eltern, weil sie wahnsinnig wird", aber irgendwie schafft sie das nicht. Allgemein scheint mir, wenn es um ihre Selbstorganisation geht, fällt ihr schwer, sich an ihre Ziele / Pläne zu halten. Oft schiebt sie Sachen wochenlang vor sich her, verschiebt Aufträge bis zum letzten Tag oder sagt Treffen mit Freunden ab, weil sie dann doch keine Lust hat. Sie erzählt das dann mit einem gewissen Witz, aber ich nehme ihr diese Leichtigkeit nicht ab. Denn ab und zu dringt Frust und Ratlosigkeit durch, sie weiss offenbar selbst nicht, was sie will, mit wem sie Zeit verbringen möchte und wie, und was sie selbst für ihr Leben geplant hat. Ich habe die Hypothese, dass durch ihre Krankheit das Ganze noch schlimmer geworden ist und sie seither noch mehr erschöpft und lustlos ist bzgl. vielen Dingen. Vielleicht stimmt das auch nicht. Eigentlich ist sie fast nur für Sachen motiviert, die unsere Familie betreffen. Wir haben aber alle auch unsere eigenen "Familien" bzw. Partner, und nicht so viel Zeit, wie sie es gern hätte. Oft ist sie es, die eine Aktivität in der Familie anreisst, und das ist dann auch schön und ich schätze das. Aber ich habe dann oft das Gefühl, dass sie eigentlich doch sehr einsam ist. Ich weiss nicht, ob das tatsächlich so ist, ich habe mich noch nie getraut, sie dies zu fragen. Einmal hat sie geäussert, dass sie eigentlich auch gern ein Kind gehabt hätte. Später hat sie das dann gleich wieder dementiert und gemeint, sie sei dafür eine gute Tante und das sei gut so. So als Beispiel, wie sie mit Gefühlen umgeht (wie es mir zumindest scheint).

Ich mache mir Sorgen. Wir alle in der Familie machen uns Sorgen. Wir kommen aber nicht an sie ran bzw. nähern uns ihr nicht an? Ich finde es unfair, dass über sie geredet wird im Sinne eines "Problemfalls" ("sie macht uns Sorgen"), aber man sie einfach machen lässt, obwohl es offensichtlich ist (für mich zumindest), dass sie hier irgendwie nicht weiterkommt. Ich weiss, dass dahinter ein (für mich falscher) Respekt ihr gegenüber steht, und auch eine Angst.

Meine Eltern finden die Situation zwar auch nicht gut und würden sich wünschen, dass meine Schwester etwas Eigenes findet; nicht, weil sie sich ab ihrer Anwesenheit stören, meine Schwester hilft sehr viel mit bei meinen Eltern zuhause und das Verhältnis ist grundsätzlich gut, sondern weil sie sich wünschen, dass meine Schwester endlich irgendwo "Fuss fasst", ein eigenes Zuhause findet und "glücklich wird"; sie halten sich jedoch zurück und sagen nichts (jedenfalls zu ihr nicht), weil sie Angst haben, dass meine Schwester dann "vollkommen dicht macht", sich aus Enttäuschung/Verletzung zurückzieht. Auch mein Bruder sorgt sich; wir haben auch schon mehrmals über die Situation gesprochen. Und ich sorge mich wahrscheinlich am meisten, was sicher auch nicht ganz gesund ist... Aber es triggert mich so sehr, dass ich nicht einfach (wie die anderen) tun kann, als wäre nichts und einen auf happy family machen kann.

Mein Bruder und ich werden von meiner Schwester, wenn wir denn mal etwas äussern, diesbezüglich radikal abgewiesen und aufgefordert, uns zurückzuhalten, uns nicht einzumischen, es gehe uns nichts an und sie kümmere sich schon selbst um ihr Leben. Irgendwie zeigt sich aber immer wieder, dass sie es eben nicht schafft, sich selbst darum zu kümmern.

In der Familie fällt sie z.T. in trotziges, infantiles Verhalten (Stichwort das ewige Kind), mischt sich regelmässig in die Erziehung meines Bruders ein (ironischerweise...), hat eine zunehmende Realitätsferne bzgl. Arbeitsziele (ohne entsprechende Ausbildungen) und Wohnen (mit wenig Geld) und auch eine Selbstwahrnehmung, die oft nicht übereinstimmt mit ihrem Verhalten.

Das Ganze geht jetzt schon ca. 4 Jahre so. Phasenweise wohnt meine Schwester irgendwo in einer Wohnung, die sie kurz darauf wieder aufgibt, weil sie zu laut ist o.ä., reist einige Wochen nach Spanien (dort hat sie viele Bekannte und vor 4 Jahren dort einige Monate gelebt/gearbeitet) oder macht eine Skisaison in den Bergen; dann kommt sie wieder zurück nachhause und wohnt wieder bei den Eltern.

Ich bin ratlos und weiss nicht mehr weiter.

Gerade hatten wir wieder eine Situation. Meine Schwester meinte mal zu mir, ich könne ihr gern ab und zu WGs schicken, falls ich eine sehe, die ich passend finden würde. Das mache ich so alle 4 Wochen mal. Heute habe ich dann gefragt, ob sie etwas spannend fände, worauf sie gemeint hat, sie habe im Moment keine Lust, sich darum zu kümmern und ich könne auch aufhören, ihr Angebote zu senden. Ich fragte dann, ob sie glücklich sei bei den Eltern und ob das für sie auch ok ist, noch eine Weile mit ihnen zu wohnen. Daraufhin hat sie dann gefunden, sie wolle sich nicht mit mir darüber unterhalten. Ich meinte dann, dass ich das verstehe und dass ich gleichzeitig ehrlich sein wolle mit ihr, dass ich mir Sorgen mache, dass ich nicht wisse, wie mit der Situation umzugehen, weil sie ja auch sage, dass sie unmotiviert sei und ich ihr gern helfen würde, aber nicht wüsste, wie. So ging das dann eine Weile hin und her, bis sie meinte, ich sei überheblich und übergriffig und ich solle sie in Ruhe lassen und dass sie gar keinen Bock mehr auf mich hat.

Ich verstehe ihre Sichtweise und ich will sie auch nicht betüteln. Wenn ich weiterhin ihre Grenzen akzeptieren möchte, heisst das, dass ich eine Beziehung zu ihr habe, die dauernd durch diesen "Elefanten im Raum" gestört wird, der nicht angesprochen werden darf. Ich finde, es ist wichtig, dass man seine Sorgen, die man sich um den/die andere/n macht, aussprechen darf. Ich wünsche mir das auch von meiner Familie, von meinem Mann. Auch wenn ich das nicht immer gern höre und mich das kränkt / verletzt, bin ich doch darauf angewiesen, dass man mit mir ehrlich kommuniziert. Das habe ich ihr auch gesagt.

Wie seht ihr das? Wie schätzt ihr die Situation ein?

Bin ich übergriffig? Ist es ok von mir als Schwester, mich einzumischen, weil ich mich sorge? weil sie mir auch explizit mitteilt, nicht zufrieden zu sein? oder liegt es an mir und ich muss lernen, die Situation anzunehmen, wie sie ist, auch wenn das heisst, dass die Beziehung zu meiner Schwester eine Art "unechte" Komponente erhält, weil ich ihr meine Sorgen nicht mitteilen kann/darf, das Recht dazu nicht habe? Wie viel Ehrlichkeit verträgt eine Familie? Für wie viel Ehrlichkeit / Verantwortung sind wir als Geschwister zuständig?

Danke für eure Geduld und eure Zeit und sorry, ist jetzt wohl doch viel zu lang geworden!

Alles Liebe und gute Nacht

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Ich finde, du (ihr) macht viel Wind um nichts. Als ich die Überschrift des Threads gelesen hab hab ich sonstwas erwartet. Deine Schwester wohnt bei euren Eltern. Na und? Wo steht denn geschrieben, dass das nicht normal ist?? Wer legt denn fest, was normal ist?
Solange alle Parteien zufrieden sind passt das doch und es gibt keinen Grund, daran etwas zu ändern. Leben und leben lassen...

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Du hast genug gesagt/getan/geredet.
Sie wurde immer wieder mal von allen von euch angesprochen und blockt ab. Dann ist das so. Höchstens die Eltern könnten noch etwas deutlich sagen, wenn sie die wohnsituation so nicht mehr wollen. Sie ist erwachsen und es ist ihr Leben.
Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, außerdem ist sie alt genug.
Erinnert mich sehr an meine schwägerin. Wohnt auch bei dei den SE im Haus, allerdings eigene Wohnung, für die sie auch Miete zahlt. Hat einen sicheren Job, aber hängt neben dem 24/7 vor der glotze. Hat keine freunde und will nur mit der familie was machen. Als meine andere schwägerin, auch aus Sorge, mal deutlich was gesagt hat, hing der haussegen gewaltig schief. An einem angetrunkenen Abend, hat sie mal geweint und gesagt wie unglücklich sie ist. Am nächsten Morgen wusste sie nichts mehr davon. Wir haben ihr gesagt, wenn sie uns braucht, sind wir da. Das ist über 2 Jahre her und sie lebt ihr Leben wie bisher. Sie weiß, wenn sie Hilfe braucht kann sie kommen, ansonsten ist es ihre Entscheidung, wie sie ihr Leben lebt.

Bearbeitet von Meisenfrau
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So wie du über deine Schwester schreibst, liest es sich als wäre sie depressiv. Das kannst du versuchen, anzusprechen aber sie muss es selber wahrnehmen und sich helfen lassen wollen.

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Ja gut deine Schwester hat ihr eigenes Leben, anscheinend gefällt ihr das alles so wie es ist. Das schöne daran ist, es ist IHR Leben nicht DEINS. Akzeptiere es und kümmere dich um dein eigenes Leben.

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Ja, ich finde dein Verhalten übergriffig.
Wenn du es ansprichst und sie dir klar sagt, dass sie sich nicht mit dir darüber unterhalten möchte, ist es eine Grenzverletzung, einfach weiterzumachen.

"Ich meinte dann, dass ich das verstehe und dass ich gleichzeitig ehrlich sein wolle mit ihr, dass ich mir Sorgen mache, dass ich nicht wisse, wie mit der Situation umzugehen, weil sie ja auch sage, dass sie unmotiviert sei und ich ihr gern helfen würde, aber nicht wüsste, wie. So ging das dann eine Weile hin und her"

Du sagst im ersten Satz, dass du sie verstehst. Sie fühlt sich sicherlich nicht verstanden, wenn du ihren Wunsch dann nicht akzeptierst, sondern weiter auf sie einredest.

"Wenn ich weiterhin ihre Grenzen akzeptieren möchte"

Tust du bislang noch gar nicht.

Wenn sie dir mitteilt, dass sie mit irgendetwas unzufrieden ist (hat sie in der von dir beschriebenen Situation gar nicht getan), könntest du sie fragen, ob sie Ratschläge von dir möchte, bevor du loslegst. Wenn sie die gar nicht möchte, solltest du das akzeptieren. So wahrst du ihre Grenzen.

Du hast das Gefühl, dass die Beziehung zu deiner Schwester nicht echt sein kann, wenn du ihr deine Meinung nicht jederzeit auch gegen ihren Willen mitteilen kannst und sprichst von einem "Elefanten". Diesen Elefanten hast du selbst in deinem Kopf geschaffen, indem du deine Schwester bewertest und über ihre Lebensweise urteilst. Das hat für mich auch wenig mit Ehrlichkeit zu tun. Daran kannst du arbeiten, ohne sie zu involvieren.
Versuche, deine Schwester wertfrei anzunehmen. Mach dir bewusst, wie oft ein negativer Gedanke zum Lebensstil deiner Schwester aufkommt und stoppe diesen Gedanken dann. Wenn in der Familie über deine Schwester wertend gesprochen wird, stoppe das Gespräch.
Der Elefant wird dadurch kleiner werden und irgendwann verschwinden.

Bearbeitet von Kabelsalat
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Ihr habt festgefahrene Meinungen darüber wie ein Leben auszusehen hat... Was fixes.. Was eigenes.

Das vermittelt ihr eurer Schwester. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz.

Eure Einstellung spürt sie und reagiert drauf, ihr wiederum denkt sie ist unglücklich und verstärkt euer bemühen was wiederum zu einer verstärkten trotz Reaktion der Schwester führt.

Nimm den Druck raus und guck drauf wie frei selbstbestimmt das Leben deiner Sis ist.

Oder guck lieber auf dein eigenes.. Nicht jeder findet die Erfüllung in Haus mann und Kind.

Finde ich schrecklich wenn man innerhalb der Familie anderen ständig sagt was gut und wahr ist.

Leben und Leben lassen...

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Ich kann verstehen, das sie abblockt und dicht macht...anscheinend wird jeder Schritt, der nicht in dein Lebensbild passt unter dem Deckmantel "Sorge" durchgekaut. Und das nicht mal mit ihr, sondern nur über sie. Ich vermute, das was bei ihr davon ankommt, reicht schon um dich zu durchschauen.

Dein ganzer Text sagt nur eins aus: Die Schwester lebt/tickt anders als du, hat andere Prioritäten, das passt dir nicht und du willst es/sie auch gar nicht verstehen. Solange sie nicht nach deinem Schema leben will, muß was im Argen sein.

Ich denke auch, das euer Verhältnis überhaupt nicht so eng ist, wie das in deiner Vorstellung ist. Eigentlich ist eher das Gegenteil der Fall.

Selbst die paar Punkte, die man ansprechen könnte, gehen dich eigentlich nicht mal was an. Mischt sie sich in die Erziehung der Nichte ein, dann ist das die Baustelle deines Bruders. Möchten die Eltern nicht mehr, das sie dort lebt, dann ist das deren Baustelle.

Ich kann dir nur raten, kümmere dich um dein eigenes Leben und laß deine Schwester in Ruhe. Wärst du meine Schwester, dann würde ich einen ganz großen Bogen um dich machen....der "Elefant im Raum" bist du selber. Man trägt auch für seine Geschwister keine Verantwortung, wie kommst du darauf?

Ich sage das so deutlich, weil auch ich einen Bruder habe, der seine Maßstäbe immer auf mich übertragen wollte. Das war ein richtiger Spießrutenlauf, bis ich endlich den Kontakt abgebrochen habe. Das war ne richtige Befreiung.

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Vielen Dank euch allen für eure ehrlichen Antworten. Ihr hilft mir sehr, auch wenn einige Worte mich zum Teil sehr treffen.

Ich habe ausserdem den Eindruck, ein paar Sachen anzumerken:

- wäre meine Schwester glücklich mit diesem Lebensstil, würde ich mich nicht einmischen, ganz bestimmt nicht! Das ist mir die wichtigste Anmerkung!

Ich finde auch, dass jede/r sein Glück selbst definiert. Sie äussert ja aber zumindest hie und da, dass sie unglücklich ist, dass sie keine Motivation für nichts findet und „alles doof“ ist. Sie scheint an nichts ausser unserer Familie mehr Freude zu haben und ist oft mit der ganzen Welt wütend. Das ist es, was mich traurig macht. Wenn ich sie dann frage, was ihr helfen könnte, findet sie mich sozi-mässig und nervt sich ab mir. Deshalb habe ich aufgehört, diese Frage zu stellen und lasse ihre Wut- oder Frustausbrüche meist unkommentiert stehen.

- Zum Punkt Depression::
Sie war nach ihrer Krankheit dreimal bei einer Therapeutin. Als diese gesagt hatte, sie denke, meine Schwester sei depressiv, hat sie abgeblockt und zuhause über diese „dumme Kuh“ geschimpft und dabei ist es geblieben. Seither haben wir nie mehr darüber gesprochen. Meine Eltern fragen mich z.T., wie sie z.B. damit umgehen sollen, wenn sie den ganzen Tag im Bett liegt und nicht aufstehen mag. Ich weiss dann jeweils auch keine Antwort. Aber es beschäftigt mich natürlich.

- dass meine Schwester übergriffig ist bzgl. Erziehung meiner Nichte, kommentiere ich nie, aber zwischen meinem Bruder und ihr gibt es deswegen teilweise üblen Streit, sodass es richtiggehend eskaliert mit lauten und emotionalen Beschimpfungen, die für mich auch belastend sind bzw. für uns alle. Er sagt dann auch, dass sie selbst diejenige sei, die sich am meisten bei anderen einmische. Sie sieht das nicht ein, als einzige in diesen Momenten, meine Eltern stellen sich dann hinter meinen Bruder. Ich selbst habe hier keine Rolle und würde auch nie etwas sagen diesbezüglich. Aber beide beschweren sich hinterher dann bei mir. Ich höre dann nur zu und versuche, die Situation zu relativieren und zu glätten.

- ich stimme zu, dass wir uns nicht so nah sind, wie es scheint von aussen. Leider.. Gerade das macht mich ja so traurig. So oft sehen wir uns, machen Sachen zusammen, aber über Gefühle und Probleme wird nie gesprochen, es ist ja immer „alles gut“. Mein Vater war jahrelang starker Alkoholiker in meiner Jugendzeit. Sprechen konnten wir nie darüber. Ich persönlich leide unter dieser Familienkultur, bin mit 19 ausgezogen und hab mich von meiner Familie mehr distanziert, als sie untereinander. Das macht mich traurig, aber vielleicht habt ihr Recht und es liegt an mir, die Forderung nicht zu haben. Meine guten Freunde sagen mir jedoch, wenn ein Verhalten von mir sie besorgt, und dafür bin ich dankbar, auch wenn ich das manchmal im ersten Moment doof finde oder nicht um ihre Meinung gebeten habe.

Ich habe bisher gedacht/gewünscht, dass wir das in der Familie auch so handhaben können oder sollten? In meinem Empfinden sind wir Menschen in Gemeinschaft füreinander insoweit verantwortlich, als dass wir ehrlich sind zueinander, wenn jemand äussert, dass er/sie unglücklich ist, und es aber irgendwie nicht schafft, alleine etwas zu ändern. Vielleicht erwarte ich hier auch einfach das Falsche. Ich werde eure Inputs diesbezüglich versuchen, zu beherzigen.

ich werde mir eure Worte zu Herzen nehmen und diese Spannung in mir drin mehr mit mir selbst ausmachen.

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Ich glaub, du bist gar nicht so ganz falsch, du hast vielleicht nur nicht so gut gelernt, dich abzugrenzen, wenn es dir nicht gut tut was passiert.

Eure Familiengeschichte hat sicher ihren Beitrag geleistet, wie ihr mit Problemen umgeht. Vielleicht könnte man auch so weit gehen zu sagen, dass es nicht nur bei Alkohol eine Co-Abhängigkeit gibt. Gerade, wenn man mit schwierigen Situationen aufgewachsen ist neigt man vielleicht dazu, helfen zu wollen.

Schau mal, deine Schwester hat Hilfsangebote bekommen. Insbesondere auch professionelle. Das was weder du noch ein Therapeut leisten kann, ist den Willen zum Annehmen von Hilfe, bzw. Krankheitseinsicht in deiner Schwester zu erzwingen, das kann nur aus ihr selber kommen.
Ein Erwachsener hat leider das Recht auf schlechte Entscheidungen und vernagelt bzw. uneinsichtig sein.

Ich höre in deiner Geschichte keine schlechte Schwester, ich höre eine Schwester, die nicht sagen kann, dass es ihr zu viel ist. Du bist da, wenn nötig, aber du bist kein Mülleimer und das darfst du auch bremsen.
Weder dein Bruder noch deine Eltern noch deine Schwestern dürfen dich mit ihrem Drama zuschütten, wenn es dann für dich zu viel wird.

Ich habe enge Freunde durch lange und sehr schwere Depressionen begleitet. Sollte es tatsächlich eine sein ist es ein Teil der Erkrankung, endlos zu klagen, aber nicht primär an der Lösung interessiert zu sein.

Und wenn es keine sein sollte: es gibt wirklich Menschen, die kommen in so einen Drive, nur zu maulen. Sei es in der Arbeit, sei es über Sport, die Figur, das Wetter… whatever.
Die vergiften die Stimmung für alle im Dunstkreis und man merkt kaum, wie es einen mit runterzieht.
Mir hat es geholfen, zu erleben, wie andere da ganz klar reagiert haben. Bei jammern über schon wieder Montag kam die Rückmeldung, ob sie mit ihren Karriereentscheidungen unzufrieden sind und was sie gedenken zu ändern. Ansonsten sei das Gespräch redundant. Die Jammerer haben das auf Dauer eingestellt, weil keiner mitgemacht hat.

Du darfst klar benennen, dass ihr schon soundsooft gesprochen habt und du nicht siehst, dass sich was ändert und du deswegen gern über etwas anderes sprechen möchtest.
Dass dir das nicht gut tut.
Wenn man immer das gleiche tut und eine Änderung erwartet stimmt etwas nicht mit der Erwartungshaltung, du darfst annehmen, dass man manche Lasten nicht für andere tragen kann.
Und dass du selber nicht unendlich belastbar bist.

Klar tickt dein Freundeskreis anders, du hast den ja handverlesen ausgesucht. Oft sind es Menschen, die einem viel ähnlicher sind als die Familie. Oder die Lücken füllen, die die Familie lässt. Freue dich daran, geniess es, geniess deine Familie, dein Leben. Hör auf, dich zu tief in etwas zu involvieren das auch dir die Leichtigkeit aussaugt.

Du hast genug angeboten, du wärst da, wenn du gebraucht würdest, du musst nicht noch beweisen, dass du es proaktiv umsetzt. Wirklich.

Bearbeitet von Silbermammut
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Ganz ohne Zuckerüberzug: Du hängst mit deiner Nase sehr tief in Dingen, die dich nichts angehen und kannst ein nein nicht gut sein lassen.

Es hat nichts mit sich verstellen oder nicht zu tun, wenn du am Leben deiner Schwester rum nörgelst.
Einmal offen und direkt ansprechen, falls du Sorge hast, dass sie depressiv sei. Winkt sie ab auch da: nicht dein Zirkus, nicht deine Affen.

Jeder darf nach seiner Fasson unglücklich sein, es gibt so viele Beispiele, in denen Menschen und deren Lebensweise ungerechtfertigt beurteilt werden und alle sind nicht okay.
Ein paar Beispiele bei denen fast jeder aufschreit, dass das aber gar nicht geht:
Menschen die sehr übergewichtig sind, klar ist ungesund für Herz und Gelenke, aber geht niemand was an.
Überzeugte Singles.
Kinderlose.

Da ist jemand, der warum auch immer einfach lieber wenig Kontakt zu Menschen hat nicht anders.
Alles kann auch persönliche, schmerzende Gründe haben, die man nicht mit jedem besprechen will. Vielleicht hat deine Schwester sich ihr Leben anders gewünscht, vielleicht braucht sie nicht noch jemanden zum drüber diskutieren. Vielleicht kann sie gar keine Kinder bekommen, vielleicht hat sie akzeptiert, dass der Zug alterstechnisch abgefahren ist, weil sie nicht den Mann dazu hat.
Oder sie fänd Kinder auf die Art schön, wie andere gern ein Pferd hätten-theoretisch. Aber praktisch machen sie Mist, brauchen vieeel Betreuung und kosten zu viel. Gilt auch für Kinder.

PAll das würde ich je nach Persönlichkeit mit keinem diskutieren wollen. Was wäre denn der Benefit, dir da ihr Herz auszuschütten?
Möchtest du sie dann motivieren auf die Schnelle ein Kind zu kriegen? Oder sie grosszügig trösten? Und vor allem würdest du dann allen erzählen, was du rausgefunden hast-dann hat sie 4 Personen die sie bemitleiden oder coachen wollen.

Ich find ihr Leben eigentlich ganz interessant, für mich wär es nix, aber einfach mal ein halbes Jahr ausbrechen wann immer man will usw ist doch cool.

Mein Mann hat auch so ne Familie die meint zu wissen was er will und fühlt.
Die fragen nur, um ihm über den Mund zu fahren und zu erklären, was er eigentlich will. Keiner seiner Familie hat einen blassen Schimmer, was in ihm vorgeht.
Er hat die Schultern gezuckt und sich eine Partnerin gesucht und Familie gegründet.
Wir leben streng demokratisch, er entscheidet vieles das unpopulär bei seiner Familie ist ganz allein. Und ich bekomme von Zeit zu Zeit so bezaubernde Nachrichten, dass ich nicht sein wahres ich kenne, nur ein Zerrbild und er verstellt sich für uns und wir würden schon noch auf die Welt kommen, wenn er dann mal sein echtes ich zeigt.

Er findet diese Nachrichten maximal peinlich und fragt die Absender gern, ob es ihnen gut geht-leider kommt es einfach nicht an. In ihren Köpfen muss er so sein, weil es gar nicht anders sein kann.
Er ist dann im Umgang mit ihnen auch eher knapp und muffig.

Vielleicht hilft dir diese andere Sicht ein wenig zu fühlen wie weit du ausserhalb deiner Kompetenz bist und vor allem, wie unangebracht dein nachhaken ist.
Ich glaub, eigentlich ahnst du das auch, sonst würdest du nicht wirklich im Forum fragen.

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Wir leben STRENG demokratisch - er entscheidet viel alleine ?? Ist eigentlich ein Widerspruch.

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Nee, seine Familie seine Entscheidungen, da lege ich maximal ein Veto ein, wenn es völlig daneben läge.
Wir sprechen über das was ansteht, überlegen verschiedene Sichtweisen und dann entscheidet der, der der Ressortchef ist.
Es geht bei uns nicht darum, dass jeder(einer) alles bestimmt, sondern eben die für die Entscheidung Zuständigen mit ihrem Beraterstab.

Ist für mich kein Synonym für basisdemokratisch, weil auch unsere Kinder nicht voll stimmberechtigt sind (zu klein, die haben aber ihre eigenen Ressorts, wo sie relativ frei entscheiden können, solang es nicht gefährlich, exorbitant teuer oder gesundheitsschädlich ist).

Wir sind aber weit weg von der Despotie, die mir mangels anderer Erklärungen unterstellt wird😉

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“dass die Beziehung zu meiner Schwester eine Art "unechte" Komponente erhält, weil ich ihr meine Sorgen nicht mitteilen kann/darf“
Ich sehe ehrlich gesagt die „unechte“ Komponente nicht. Zumindest nicht bei dem Verhalten deiner Schwester. Du hast ihr deine Sorge mitgeteilt, was sie daraus macht ist letztlich ihre Entscheidung. Wird eure Beziehung wirklich echter, wenn sie mit dir deine Sorge erörtert? Ich schreibe bewusst deine Sorge, denn vielleicht sorgt sie sich ja gar nicht so wie es gerade bei ihr läuft? Vielleicht ist sie einfach nur genervt, dass ihr euch dauernd sorgt und ihr damit vermittelt so wie sie ihr Leben gestaltet ist falsch. Da würde ich auch Gespräche abblocken, weil es einfach immer und immer wieder angesprochen werden würde bis sich für euch etwas geändert hat.
Ich sorge mich auch hin und wieder um meine Geschwister. Aber es reicht, wenn ich es einmal erwähne. Ich habe für mich erkannt, dass ich mich nicht ständig sorgen muss sondern einfach meine Hilfe anbiete, wenn sie mich brauchen. Ich empfinde die Beziehung dadurch aber nicht als unechter.