Medizinischer Abbruch

Hallo,

ich bin neu hier im Forum, habe sonst immer mal wieder Themen gelesen, die mich interessiert haben. Jetzt hat uns, nach zwei gesunden Kindern und keinen sonstigen Schwangerschaftsproblemen, das Schicksal derart hart getroffen, daß ich meine Trauer teilen muß, weil es so weh tut.

Mein Mann und ich haben uns letzte Woche für einen medizinisch indizierten Spätabbruch entschieden, weil unser Sohn komplexe Fehlbildungen am Kopf hatte, und nicht lebensfähig gewesen wäre.

Jetzt mache ich mir Vorwürfe, ob ich vielleicht irgendetwas falsch gemacht habe, weil ich die Schwangerschaft am Anfang gar nicht annehmen konnte, weil es beruflich gar nicht passte. Ich hatte mir zwar insgeheim immer ein drittes Kind gewünscht, war mir aber mit meinem Mann uneins. Außerdem hatte ich Angst vor einem dritten Kaiserschnitt.

Als ich positiv getestet hatte, brach eine Welt zusammen. All diese Erinnerungen an meine früheren Geburten kamen wieder hoch, und wieviel Angst ich bei den OPs immer hatte. Trotzdem hörte ich mit den Johanniskrauttabletten auf, die ich zu der Zeit nahm, und fing an, meine Folsäure zu nehmen. Wir dachten aber immer darüber nach, ob wir das Kind behalten sollen oder nicht. Wir gingen zu den Beratungsstellen, und ich machte einen Termin für eine Abtreibung aus. Zwei Tage vor dem Eingriff bekam ich Angst, daß es dann mit meinem Wunsch endgültig vorbei ist. Ich sagte den Termin ab, war aber trotzdem immer hin und her gerissen. Mal konnte ich nicht schlafen, mal bekam ich es mit der Angst vor der Zukunft zu tun. Dieses ganze Gefühlschaos zog sich bis zur zehnten Woche.
Ab da fing ich dann an, mich fast schon zu freuen. Wir machten Pläne, wie das mit drei Kindern dann so wird. Mein Mann wollte sich auch beruflich verändern, und fand das einen guten Anlaß auch mal Elternzeit nehmen zu können.
In der 17. Woche machte ich den Triple Test. Eine Woche später kam das Ergebnis mit dem Hinweis, daß der AFP-Wert viel zu hoch ist. Meine Frauenärztin machte einen Ultraschall, und meinte, daß sie nichts Abnormes erkennen könne. Ich solle mir keinen Kopf machen, und die Feindiagnostik in der 21. Woche abwarten. Bis dahin waren es aber noch fast drei Wochen. Jetzt fing wieder dieses Gefühlschaos an. Ich fuhr zu meiner Hebamme, die meinte ich sollte schauen, daß ich irgendwo früher einen Termin bekomme.

Den bekam ich dann einige Tage früher in einer Praxis für pränatale Diagnostik. Wir fuhren schon mit einem mulmigen Gefühl im Bauch da hin. Der Arzt machte den Ultraschall, und meinte, daß er den Kopf und das Gehirn nicht richtig darstellen könne, es ein Loch im Kopf hat, aus dem Gehirngewebe austritt, und es wohl nicht lebensfähig ist. Für uns brach eine Welt zusammen. Ich hatte ja mit dem Schlimmsten gerechnet, aber daß es gleich so grausam sein würde, habe ich nicht gedacht.

Ein paar Tage später fuhren wir für eine Zweitmeinung ins Krankenhaus, bekamen aber noch ausführlicher das gleiche erzählt wie in der Praxis.

Schweren Herzens entschlossen wir uns für den Abbruch, weil ich das keine vier Monate mehr durchgestanden hätte, bei jeder Bewegung meines Babys zu wissen, daß es nicht überleben wird.

Unser Sohn kam dann am 10.5. kurz nach Mitternacht auf die Welt, und er war so süß und so klein, und alles hat so perfekt bei ihm ausgeschaut, bis auf den Kopf. Es tat und tut immer noch so weh, den kleinen Körper zu sehen, und zu wissen, er hätte ausgesehen wie seine Brüder, nur leider paßt der Kopf nicht und er kann nicht leben.

Obwohl alle Ärzte gemeint haben, daß wir einfach Pech hatten, verfolgen mich diese Gedanken, daß ich ihm das alles mit meinem ablehnenden Verhalten anfangs angetan habe. Vielleicht habe ich mit meiner Angst alles falsch und kaputt gemacht. Ich habe Sport gemacht wie sonst auch, und hab immer verdrängt, daß ich schwanger bin. Man kann sagen, ich hab die Sachen beachtet, die ich bei meinen anderen Kindern auch beachtet habe, aber immer mit einem Widerwillen.

Und jetzt ist er nicht mehr bei uns, und ich mache mir Vorwürfe. Es wär unser dritter Sohn gewesen, und es hätte im Nachhinein alles so perfekt gepaßt, nur hat es nicht sein sollen.

Wenn das jemand bis hierher gelesen hat, bedanke ich mich für die Ausdauer! Ich mußte das einfach loswerden, weil es so traurig ist!

Viele Grüße,
Tonblume

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Hallo Tonblume,

deine Gedanken kann ich mehr als nur nachvollziehen, auch ich kämpfe immer mal wieder mit solchen Gedanken.

2009 wollte ich mir eine Spirale setzen lassen, da ich mir zu der Zeit sehr sicher war vorerst keine weiteren Kinder zu wollen (wir hatten einen Sohn, der unser ein und alles war und der allein bleiben sollte). Bei der dafür notwendigen Ultraschalluntersuchung stellte der Gyn fest, dass ich schwanger bin - mit Zwillingen! Der Schock meines Lebens, ich sah alles den Bach runter gehen - beruflich, finanziell, räumlich -es passte einfach gar nicht!

Naja, mein Mann freute sich wider Erwarten sehr und so verbrachte ich die folgenden Wochen damit, mich mit dem Gedanken an drei Kinder anzufreunden.

In der 24. SSW hatte ich einen plötzlichen Blasensprung und die Geburt der beiden war nicht mehr aufzuhalten, beide verstarben kurz nach der Geburt. War ich Schuld, weil ich sie nicht wollte? Aber mittlerweile wollte ich sie doch! Ich war mittlerweile stolz auf die beiden und wirklich jeder hatte mir doch Mut gemacht, dass wir das alles schon schaffen! Ich hatte die Schwangerschaft nur 4 Wochen etwa wirklich geniessen können, die Vorfreude, die wachsende Liebe und alles was dazu gehört und plötzlich war alles vorbei. Trauer, Wut, Verzweiflung, Einsamkeit folgten für lange Zeit - und ein unerwartet großer Kinderwunsch, stärker als ich jemals empfunden habe.

2010 wurde ich wieder schwanger, mehr als nur gewünscht - und heute habe ich neben meinem Großen, man will es kaum glauben, noch zwei kleine ganz fest an der Hand! Ich hatte das unglaubliche Glück noch einmal Zwillinge geschenkt zu bekommen! Und die Bedenken, die ich damals hatte, haben sich irgendwie fast in Luft aufgelöst und wir haben Lösungen für alles gefunden!

Wenn ich also Schuld bin am Tod meiner Engel, womit habe ich dann meine Wirbelwinde verdient?

Leben ist, wenn am nächsten Morgen die Sonne wieder aufgeht, und das tut sie - garantiert - jeden Tag - ob man will oder nicht!

Eine #kerze für alle unsere Sterne

liebe Grüße

twinstarsmum

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... #liebdrueck ...

dass du jetzt einen "schuldigen" suchst ist normal. aber den gibt es nicht. so schlimm es ist, aber du hättest tun können was du wolltest und es wäre wohl so gekommen. der schmerz wird nicht aufhören - aber es wird leichter werden ...

#kerze für den kleinen mann

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Das tut mir schrecklich leid für Euch.

Aber: such bitte nicht die Schuld bei dir. Das hat überhaupt nichts mit viel Sport oder mit ablehnendem Verhalten zu tun, sondern mit einer Laune der Natur.

Mach dich damit nicht noch mehr fertig.
Es ist sehr traurig und beim Lesen deines Berichtes hat es mich tief berührt:-(

Ich wünsche Euch für die kommende Zeit viel Kraft#liebdrueck

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liebe tonblume...fühl dich einfach fest umarmt#liebdrueck

du bist daran nicht schuld, meine leni hatte freie trisomie 18...wir haben uns zu dem gleichen schritt wie du in der 12 ssw entschieden....

und die kleine war mehr als gewollt- also mit gedanken hat das nichts zu tun

mir dreht es auch heute noch das herz rum wenn ich an mein sternchen denke, aber sie war so schwer geschädigt- ich hätte die weitere schwangerschaft nicht ertragen...zu wissen, das ich mein baby hergeben muss...

vor dem abbruch waren die herztöne schon eine ganze weile abgeflacht

schau immer nach vorn, liebe grüsse und viel kraft und sonne, andrea

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Danke für all diese lieben, aufmunternden Worte!

Es tut gut zu hören, daß man nicht allein mit diesen Schicksalsschlägen ist, und daß der Schmerz irgendwann leichter wird!

Ich werd versuchen, die Schuld nicht bei mir zu suchen, sondern es einfach als Laune der Natur zu akzeptieren, auch wenn es schwer ist.
Liebe Grüße, Tanja.

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Mein Beileid #kerze
Du hast keine Schuld, Gedanken und Zweifel haben Dein Kind nicht krank gemacht.
#liebdrueck

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#liebdrueck #liebdrueck

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Hallo meine Liebe.

Erst mal eine #kerze für deinen Sohn.

Ich kenne das gefühl auch.
Ich denke du hast so Gedacht weil du innerlich schon wusstest es stimmt was nicht.

Kein Gedanke der Welt kann so etwas hervor Rufen.

Normalerweise wäre mein Sohn Darian auch nicht da.
Es hiess sehr Früh (11 SSW) er hätte Anencephalie.
So nennt man das was dein Sohn hatte.

Beim US sagte man mir das die Kopf form abnormal ist. Ich sollte zur FW untersuchung habe aber erst eine Chronizotten Biopsie machen lassen. Ohne jeglichen Befund. Dann beim US zur FW Untersuchung hat der Pränatal Diagnostiker gesagt. Hmm eigentlich brauche wir die nicht.

Der Kopf mag zwar sehr Flach sein Hinten aber Gehirn und Schädeldecke könne er vollkommen Darstellen.

Für mich damals war es so ein Schock mit dem gewissen leben zu müssen ich hätte beinahe ab getrieben.

Ich finde du musst dir keine vorwürfe machen.
Du bist nicht Schuld daran das es so gekommen ist.
Die Natur ist manchmal halt nicht Perfekt.

Ich wünsche dir alles erdenklich Gute.

LG Maria

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Hallo tonblume,

die Schuldfrage kann ich gleich entkraeften. Wenn es so waere, koennte es keine ungeliebten, ausgesetzten und misshandelte Kinder geben. Vielleicht waere es mal besser so, dass nur die Kinder es schaffen, die von ganzem Herzen gewuenscht sind!
Ihr habt euer Kind geliebt, und das man sich nicht vom ertsen Testmoment an freut ist doch auch ganz normal unter euren Umstaenden.

Ich habe auch um die 21./22.SSW gehoert dass mein Sohn krank ist. Ich habe mich nciht zu einem Abbruch entschieden, sondern ihn so lange ausgetragen, bis er selber im Mutterleib gestorben ist. Das war in der 30.SSW. Trotzdem haben wir oft Gespraeche gefuehrt, darueber, was waere wenn, wie lange kann man das aushalten, wie sieht eine Einleitung aus, wenn ich mich dazu entschliessen wuerde.

Ich leben in den Niederlanden und hier ist ein Spaetabbruch juristisch gesehen schwieriger als in D. Der Vorteil davon ist, das man -ob man das in dem Moment will oder nicht- mehr Zeit bekommt, um sich an die Situation zu gewoehnen. (auch bei FGen wird fruehestens nach 1 Woche ein Termin zur AS gemacht).

Vielleicht ging bei euch alles ein bisschen schnell, von der Diagnose zur Geburt. Du kannst es nicht mehr aendern. Sport, Folsaeure und eine ablehnende Haltung haben dein Kind ganz sicher nicht krank gemacht.

"Pech" lautete auch bei mir das Urteil der Aerzte.

Ich bin danach nochmal schwanger geworden, nachdem ich auch noch 2 FGen hatte. Die Schwangerschaft war ein einziger Horrortrip aus Aengsten. Eigentlich wollte ich nur, dass sie vorbei ist und habe erst in der 33.SSW einigermassen akzeptiert, dass da ein Kind kommen koennte. Es ist eine Art Selbstschutz, keine Bindung mit dem Kind aufzunehmen- weil man einen erneuten Verlust nicht ueberleben koennte. Mein Arzt hat mir immer wieder versichert, dass das Kind davon nichts merkt. Heute ist er wirklich unser Sonnenschein.

Vielleicht kannst du es ja irgendwann auch nicht mehr als "Pech" oder etwas, was dir Schuldgefuehle macht sehen, sondern als das Kommen und gehen eines Menschen, der deinem Leben nochmal einen ganz anderen Kurs gegeben hat. Auch,wenn du dir das jetzt noch nicht vorstellen kannst.

Viel Kraft,
Lieke

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Hallo liebe Tobblume

Erstmal mein herzilchstes beileid zu deiner traurigen Geschichte.
Ich kann es verstehen das Dich die Gewissensbisse plagen, denn man sucht ja immer einen "schuldigen" auch wenn der Schuldige man selber ist.

Dich trift aber keine Schuld, versuche es mal so zu sehen, wenn es wirklich einfluss hätte, dann würden keine frauen ungewollt kinder bekommen, oder alle Frauen die sich wünschen Kinder zu bekommen, währen Schwanger....

Leider ist es nicht so einfach :-(

Wünsche Dir alles gute für die Zukunft, und viel Kraft für die nächste Zeit !

LG
Anja